Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob dem Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs nach § 19 WHG ein Anspruch auf Entschädigung bzw. Ausgleich zusteht, wenn eine bisher von ihm ausgeübte landwirtschaftliche Bodennutzung (hier: Betrieb von Gärfutteranlagen für die Bullenmast) durch die Festsetzung eines Wasserschutzgebiets mit entsprechenden Schutzanordnungen untersagt oder wesentlich beschränkt wird.

 

Normenkette

GG Art. 14; WHG § 19; RhPfLandeswasserG § 121 F: 4. März 1983/14. Dezember 1990

 

Verfahrensgang

OLG Koblenz (Urteil vom 01.03.1995)

LG Koblenz

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 1 und 2 wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 1. März 1995 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Entschädigung für die Auswirkungen der Festsetzung zweier Wasserschutzgebiete.

Der Kläger ist Inhaber eines hauptsächlich auf Bullenmast ausgerichteten landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebs. 1982/84 erließ die zuständige obere Wasserbehörde Rechtsverordnungen über die Festsetzung von Wasserschutzgebieten zum Schutz des Grundwassers für die Wassergewinnungsanlagen der erstbeklagten Stadtwerke und der zweitbeklagten Verbandsgemeinde. Die (eigenen und hinzugepachteten) Betriebsflächen des Klägers liegen im Bereich dieser Wasserschutzgebiete. Die Rechtsverordnungen untersagen in der Schutzzone II, in der die vom Kläger bewirtschafteten Flächen überwiegend liegen, unter anderem den Betrieb von Gärfuttersilos und Gärfuttermieten; sie sehen in Härtefällen Ausnahmen von dem Verbot vor.

Normenkontrollanträge des Klägers auf Nichtigerklärung der Wasserschutzgebietsverordnungen hat das zuständige Oberverwaltungsgericht abgelehnt. Ein Antrag des Klägers sowie Widerspruch und verwaltungsgerichtliche Klage auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung sind erfolglos geblieben, ebenso ein Antrag des Klägers auf Leistung von Entschädigung mit anschließendem Widerspruchsverfahren.

Im vorliegenden Rechtsstreit verfolgt der Kläger sein Entschädigungsbegehren gegen die beklagten Träger der Wasserversorgung weiter (das ursprünglich mitverklagte Land Rheinland-Pfalz ist inzwischen aus dem Rechtsstreit ausgeschieden). Der Kläger hat geltend gemacht, durch das Verbot von Gärfuttersilos und Gärfuttermieten in den Wasserschutzgebietsverordnungen werde ihm die Futtergrundlage für die seit 1964 betriebene Bullenmast entzogen, so daß er gezwungen sei, seinen Betrieb aufzugeben. Wegen dieser enteignenden Wirkung habe er Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat unter Aufhebung der eine Entschädigung ablehnenden behördlichen Bescheide festgestellt, daß die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger wegen des Verbots der Errichtung bzw. der Unterhaltung und des Betriebs von Gärfuttersilos und Gärfuttermieten Entschädigung zu leisten.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten zu 1 und 2, der der Kläger entgegentritt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.

Die auf Feststellung der Entschädigungspflicht der Beklagten gerichtete, auf § 19 Abs. 3 WHG gestützte Klage ist zulässig.

1. Mit Recht haben die Vorinstanzen den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für gegeben erachtet.

Der erkennende Senat hat dies ungeachtet des § 17 a Abs. 5 GVG n.F. von Amts wegen zu prüfen, weil diese Vorschrift in Fällen wie hier, in denen die geänderten Rechtswegbestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes bei Abschluß des ersten Rechtszuges noch nicht in Kraft getreten waren, keine Anwendung findet (vgl. Senat BGHZ 114, 1).

Im Streitfall ist der Zivilrechtsweg nach § 121 Abs. 6 des Wassergesetzes für das Land Rheinland-Pfalz (Landeswassergesetz – LWG – v. 4. März 1983, GVBl. S. 31, jetzt i.d.F. v. 14. Dezember 1990, GVBl. S. 11) ausdrücklich eröffnet (vgl. auch Senat BGHZ 128, 204 zur Sonderzuweisung nach § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

2. Die besondere Sachurteilsvoraussetzung in § 121 Abs. 6 LWG, daß wegen der Festsetzung der Entschädigung binnen einer Notfrist von drei Monaten nach Zustellung des Entschädigungsbescheids Klage zu erheben ist, ist als gewahrt anzusehen.

Der Kläger hat mit der Anfang 1989 erhobenen Klage von den Beklagten zu 1 und 2 Entschädigung verlangt, bevor die zuständige Behörde einen entsprechenden Antrag des Klägers beschieden hatte, und insoweit gegenüber dem drittbeklagten Land Untätigkeit geltend gemacht. Nachdem die zuständige Behörde mit Bescheid vom 8. November 1989 und Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1990 eine Entschädigung abgelehnt hatte, hat der Kläger den Rechtsstreit gegenüber dem Land in der Hauptsache für erledigt erklärt und im übrigen sein Entschädigungsbegehren gegen die Beklagten zu 1 und 2 weiterverfolgt. Entsprechende Schriftsätze sind innerhalb von drei Monaten seit Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 29. Januar 1990 im Februar und März 1990 zugestellt, darüber ist am 5. April 1990 vor dem Landgericht mündlich verhandelt worden. Jedenfalls damit, wenn nicht schon mit der ursprünglichen Klage, erfolgte die fristgerechte gerichtliche Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs (§ 261 Abs. 2 ZPO).

Auf die Zustellung des (ersten) Bescheids vom 8. November 1989 kann hier nicht abgestellt werden. Zwar sieht § 121 Abs. 6 LWG ein (weiteres) Vorverfahren nicht vor. Indessen war der Ausgangsbescheid mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die auf ein Widerspruchsverfahren ausdrücklich hinwies. Das kann dem Kläger, der insoweit form- und fristgerecht Widerspruch eingelegt hat, nicht zum Nachteil gereichen. Insoweit hätte ihm gegebenenfalls von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden müssen.

3. Soweit der Kläger sein Entschädigungsbegehren mit dem im Berufungsrechtszug gestellten Antrag nicht auf Zahlung, sondern auf Feststellung der Entschädigungspflicht der Beklagten richtet, steht dies der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen.

Zwar ist grundsätzlich die Klage des Entschädigungsberechtigten vor den ordentlichen Gerichten auf Zahlung des verlangten Betrages oder Mehrbetrages zu richten (so noch ausdrücklich § 127 Abs. 2 Satz 1 LWG 1960; vgl. jetzt Beile, LWG RhPf § 121 Erl. 2.5; Himmel, LWG RhPf und WHG § 121 LWG/§ 20 WHG Rn. 39 und allgemein Gieseke/Wiedemann/Czychowski WHG 6. Aufl. § 20 Rn. 38). Im Streitfall kann ein Feststellungsinteresse des Klägers (§ 256 Abs. 1 ZPO) aber nicht verneint werden. Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß der Kläger seinen Schaden nicht abschließend beziffern kann, weil die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Abzustellen ist insoweit auf die Zeit der Klageerhebung (vgl. Senatsurteil v. 5. Februar 1987 – III ZR 16/86 = BGHR ZPO § 256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 4 m.w.N.).

II.

In der Sache selbst hat das Berufungsgericht unter Aufhebung der eine Entschädigung ablehnenden behördlichen Bescheide festgestellt, daß die beklagten Träger der Wasserversorgung verpflichtet sind, dem Kläger wegen des Verbots von Gärfuttersilos und Gärfuttermieten in den streitigen Wasserschutzgebietsverordnungen nach §§ 19 Abs. 3, 20 WHG Entschädigung zu leisten.

Das hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Anspruch, anders als das Landgericht, als nicht verjährt angesehen. Das wird von der Revision nicht angegriffen. Ein durchgreifender Rechtsfehler des Berufungsgerichts ist insoweit auch nicht ersichtlich.

2. Das Berufungsgericht hat einen auf § 19 Abs. 3 WHG (i.V.m. § 20 WHG und §§ 22, 99, 125 ff LWG 1960, §§ 13, 14, 121 LWG 1983 bzw. §§ 13, 15, 121 LWG 1990) gestützten Anspruch des Klägers gegen die Beklagten, die in § 4 der streitigen Wasserschutzgebietsverordnungen (VO der Bezirksregierung Koblenz als zuständiger oberer Wasserbehörde v. 3. März 1982 mit Änderung v. 12. Dezember 1984, StAnz RhPf 1982 S. 240 und 242, 1984 S. 1188 und 1189) als Begünstigte bezeichnet sind und damit zur Leistung einer Entschädigung verpflichtet sein können, im Ergebnis ohne Rechtsirrtum grundsätzlich für möglich gehalten.

a) In Wasserschutzgebieten können nach § 19 Abs. 2 WHG i.V.m. den genannten landesrechtlichen Vorschriften nach Schutzzonen gestaffelt bestimmte Verbote, Beschränkungen und Duldungspflichten angeordnet werden. Im Streitfall geht es um das Verbot von Gärfuttersilos und Gärfuttermieten in der Schutzzone II (VO a.a.O. § 3 Abs. 2 Buchst. b und p), in der die vom Kläger landwirtschaftlich genutzten Flächen überwiegend liegen. Stellt eine solche Anordnung eine „Enteignung” dar, so ist nach § 19 Abs. 3 WHG „dafür Entschädigung zu leisten”.

Das Berufungsgericht hat § 19 Abs. 3 WHG, ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift und in Anlehnung insbesondere an die Entscheidung des erkennenden Senats in BGHZ 60, 145, ersichtlich als enteignungsentschädigungsrechtliche Regelung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG angesehen. Diese Auffassung beruht (noch) auf dem bis zum Naßauskiesungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 58, 300) auch vom Bundesgerichtshof vertretenen „weiten” Enteignungsbegriff (vgl. dazu näher Senatsurteil BGHZ 99, 24, 26 ff). Ihr kann im Lichte der inzwischen gewandelten höchstrichterlichen Rechtsprechung, auch der des erkennenden Senats, nicht (mehr) beigetreten werden.

b) § 19 Abs. 3 WHG kommt als Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren gleichwohl in Betracht. Die Vorschrift gehört zu den sog. salvatorischen Entschädigungsklauseln (BVerfGE 58, 300, 346). Durchgreifende Bedenken gegen die Gültigkeit der Vorschrift – in der nachfolgenden Auslegung – bestehen nicht; sie werden auch von der Revision nicht geltend gemacht.

Schutzanordnungen i.S.d. § 19 Abs. 2 WHG zielen nicht auf eine Enteignung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG, sie stellen lediglich eine Inhaltsbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Sie sind nicht auf den Entzug konkreter Rechtspositionen gerichtet, sondern bestimmen Inhalt und Umfang des Eigentums unter dem Gesichtspunkt des Gewässerschutzes und aktualisieren damit die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (vgl. BVerfGE 58, 300, 330 ff, 336 ff; speziell zu § 19 WHG: Pietzcker NVwZ 1991, 418, 423).

Danach kann die Vorschrift des § 19 Abs. 3 WHG, wenngleich sie auf dem früher vom Bundesgerichtshof vertretenen umfassenden Enteignungsbegriff beruht, wie alle vergleichbaren sog. salvatorischen Entschädigungsklauseln im Natur-, Landschafts-, Umwelt- und Denkmalschutzrecht nicht mehr als enteignungsentschädigungsrechtliche Regelung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG angesehen werden, sondern sie ist nach der neueren Rechtsprechung des Senats als Ausgleichsregelung im Rahmen der Inhaltsbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auszulegen (vgl. BGHZ 121, 73 und 328; 123, 242; 126, 379; 128, 204 und zuletzt Senatsurteil v. 15. Februar 1996 – III ZR 49/95 = LM GG Art. 14 Ca Nr. 41 = WM 1996, 1233, 1234; s.a. Senatsurteil vom heutigen Tage – III ZR 223/95, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

Mithin ist die Vorschrift nicht an der sog. Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG zu messen. Sie genügt auch in ihrer Ausgestaltung als generalklauselartige („reine”) salvatorische Klausel dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot und den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. Senat BGHZ 126, 379, 383 ff; BVerwGE 84, 361, 367 ff; 94, 1, 5). Nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben dient die Norm dem Zweck, eine dem Eigentümer durch bestimmte rechtliche Maßnahmen (hier: Schutzanordnungen im festgesetzten Wasserschutzgebiet) im Einzelfall auferlegte besondere Belastung durch die Zubilligung eines Ausgleichs auf ein zumutbares Maß herabzumindern, um so die andernfalls eintretende Folge der Verfassungswidrigkeit zu vermeiden (vgl. Senat BGHZ 121, 328, 332; 123, 242, 245; 126, 379, 382; 128, 204, 205; Senatsurteil v. 15. Februar 1996 – III ZR 49/95 = a.a.O. – jeweils unter Hinweis auf BVerfGE 58, 137 und 79, 174, 192). Ausgleichspflichtig ist damit eine Beeinträchtigung einer als Eigentum oder Eigentumsbestandteil geschützten Rechtsposition, durch die der Eigentümer unverhältnismäßig oder im Verhältnis zu anderen ungleich in unzumutbarer Weise belastet wird (Senat a.a.O.).

Dies bedeutet, daß die Entscheidung über die Ausgleichspflicht in jedem Fall das Ergebnis eines Abwägungsvorgangs ist, in den einerseits die öffentlichen Interessen (hier – insbesondere – des Gewässerschutzes) und andererseits die privaten Eigentümerbelange einzubeziehen sind. Einen besonders wichtigen – auch normbezogenen – Abwägungsgesichtspunkt stellt dabei die vorgegebene „Situation” der betroffenen Grundstücke dar.

c) Dem aufgezeigten Verständnis der nach § 19 Abs. 3 WHG zu leistenden „Entschädigung” steht die mit Wirkung vom 1. Januar 1987 in das Wasserhaushaltsgesetz eingefügte Vorschrift des § 19 Abs. 4 WHG (n.F.) nicht entgegen (vgl. dazu Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG 6. Aufl. § 19 Rn. 118 ff). Danach ist ein angemessener Ausgleich nach Maßgabe des Landesrechts (hier § 121 Abs. 7 LWG 1990; dazu VerfGH RhPf ZfW 1993, 23) zu leisten, wenn Schutzanordnungen nach § 19 Abs. 2 WHG erhöhte Anforderungen an die ordnungsgemäße land- oder forstwirtschaftliche Nutzung eines Grundstücks stellen, die zu wirtschaftlichen Nachteilen führen. Die Vorschrift ist als Auffangtatbestand gedacht (vgl. BT-Drucks. 10/5727 S. 33 f) und nur anwendbar, wenn nicht eine Entschädigungspflicht nach Absatz 3 besteht (vgl. Gieseke/Wiedemann/Czychowski a.a.O. § 19 Rn. 142 m.w.N.).

§ 19 Abs. 3 WHG ist im Streitfall anwendbar. Soweit dem Kläger durch die beiden Wasserschutzgebietsverordnungen vom 3. März 1982 auf seinen in die Schutzzone II einbezogenen Grundstücken das Betreiben von Gärfuttersilos und Gärfuttermieten untersagt ist (VO a.a.O. § 3 Abs. 2 Buchst. b und p), handelt es sich um Anordnungen nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 WHG. Von der Gültigkeit der beiden Rechtsverordnungen ist in Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht, das darüber im Verfahren gemäß § 47 VwGO entschieden hat, auszugehen. Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits machen insofern Bedenken auch nicht (mehr) geltend.

d) Es stellt sich damit die Frage, ob die dem Kläger auferlegte Beschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung seiner in die Schutzzone II einbezogenen Grundstücke „enteignend” i.S.d. § 19 Abs. 3 WHG wirkt, d.h. im Lichte der neueren Rechtsprechung die Beeinträchtigung einer als Eigentum geschützten Rechtsposition darstellt, durch die – wenn kein Ausgleich in Geld erfolgt – der Kläger unverhältnismäßig oder im Verhältnis zu anderen ungleich in unzumutbarer Weise belastet wird (vgl. Senatsurteil v. 15. Februar 1996 – III ZR 49/95 = a.a.O.).

Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit sind die Grundsätze sinngemäß heranzuziehen, die der Bundesgerichtshof noch unter der Geltung eines umfassenden Enteignungsbegriffs zur Abgrenzung der (entschädigungslosen) Sozialbindung des Eigentums von entschädigungspflichtigen Eingriffen mit „enteignender” Wirkung entwickelt hat (vgl. Senat a.a.O.) und von denen auch das Berufungsgericht – wenngleich noch auf dem Boden eines „weiten” Enteignungsbegriffs – an sich ausgegangen ist. Im Hinblick auf die insofern in Ansehung der Situationsgebundenheit des Grundeigentums gebotene wertende Beurteilung der Kollision zwischen den im Einzelfall berührten Belangen der Allgemeinheit und den betroffenen Interessen des Eigentümers ist nicht nur auf gezogene Nutzungen abzustellen; vielmehr ist entscheidend, ob eine zulässige Nutzungsmöglichkeit, die sich nach Art und Beschaffenheit der in Frage stehenden Grundstücke objektiv anbietet, untersagt oder wesentlich eingeschränkt wird.

e) Im Wasserschutzrecht ist dabei zu berücksichtigen, daß das Wasserhaushaltsgesetz die Gewässer einer vom Grundeigentum losgelösten öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung unterstellt, die ein Recht des Eigentümers zur Einwirkung auf das (Grund-)Wasser vorbehaltlich einer Gestattung grundsätzlich ausschließt (vgl. BVerfGE 58, 300, 336 ff). Daraus folgt, daß die Untersagung oder Beschränkung einer (landwirtschaftlichen) Grundstücksnutzung, die sich als zulassungspflichtige Gewässerbenutzung (vgl. §§ 2 ff WHG) oder sonst wassergefährdende Einwirkung (vgl. §§ 26 Abs. 2, 34 Abs. 2 WHG) darstellt, lediglich die Sozialpflichtigkeit des Eigentums aktualisiert und daher von vornherein nicht in eine (entschädigungsrechtlich relevante) Rechtsposition einzugreifen vermag (vgl. Senat BGHZ 84, 223, 226 f; Gieseke/Wiedemann/Czychowski a.a.O. § 19 Rn. 78 ff; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht 2. Aufl. Rn. 618). Soweit allerdings wasserwirtschaftliche Gründe einer (ausgeübten oder beabsichtigten) Nutzung im Einzelfall nicht entgegenstehen, kann ein gleichwohl vorgenommener „Eingriff” eine Entschädigungs- bzw. Ausgleichspflicht auslösen (vgl. Senat BGHZ 90, 4, 10 f).

Für Schutzanordnungen im Rahmen der Festsetzung eines Wasserschutzgebiets bedeutet dies, daß der Eigentümer die Auferlegung von Pflichten, die sich bereits aus der Anwendung der dem Gewässerschutz dienenden allgemeinen Vorschriften ergeben, entschädigungslos hinnehmen muß; wenn indes durch eine solche Schutzanordnung darüber hinausgehend Bodennutzungen untersagt oder beschränkt werden, etwa in Ausprägung eines (abstrakt vorbeugend) umfassenden, bereits im Vorfeld einer (konkreten) Gefahr oder Besorgnis eingreifenden Gewässerschutzes, kann dies im Einzelfall die Grenzen der Situationsgebundenheit überschreiten, so wenn die in Frage stehende Nutzungsform im gegebenen Fall grundwasserneutral ist (vgl. Gieseke/Wiedemann/Czychowski a.a.O. § 19 Rn. 80 ff; Breuer a.a.O. Rn. 621 ff). Das kann einen Ausgleichsanspruch auslösen, gegebenenfalls aber auch zur Rechtswidrigkeit der getroffenen Maßnahme führen.

3. Bei der Prüfung, ob dem Kläger in Anwendung dieser Grundsätze ein Anspruch auf Entschädigung bzw. Ausgleich nach § 19 Abs. 3 WHG zusteht, ist das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum davon ausgegangen, daß dem Kläger durch die beiden Wasserschutzgebietsverordnungen eine bereits ausgeübte landwirtschaftliche Nutzung seiner Grundstücke untersagt worden ist (vgl. zum Bestandsschutz Gieseke/Wiedemann/Czychowski a.a.O. § 19 Rn. 84, 86; Breuer a.a.O. Rn. 622; Pietzcker NVwZ 1991, 418, 422). Unstreitig hat der Kläger die Bullenmast seit 1964 betrieben.

a) Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann das dem Kläger ausnahmslos auferlegte Verbot des Betreibens von Gärfutteranlagen auf seinen in die Schutzzone II einbezogenen Grundstücken als „Eingriff” in eine vormals „situationsgerecht” verwirklichte Grundstücksnutzung angesehen werden.

Die Revision macht vergeblich geltend, die Nutzung der Grundstücke durch den Kläger in Form der Anlegung von Gärfutteranlagen für die von ihm betriebene Bullenmast sei auch schon vor Inkrafttreten der beiden Rechtsverordnungen mit § 1 a WHG unvereinbar und nach §§ 2, 3 WHG erlaubnispflichtig gewesen. Das Berufungsgericht hat, von der Revision nicht angegriffen, festgestellt, daß der Kläger beim Betrieb seiner Gärfutteranlagen bestrebt gewesen sei, den Gärsaft in der Trockensubstanz des Futters aufzufangen und nicht im Boden versickern zu lassen. Es hat weiter als unstreitig angenommen, daß bislang trotz intensiver verwaltungs- und strafrechtlicher Überwachung eine Beeinträchtigung des Wassers durch den Kläger noch nicht habe festgestellt werden können. Wenn das Berufungsgericht dann weiter ausgeführt hat, die Anlegung von Gärfuttermieten stelle außerhalb von Wasserschutzgebieten durchaus eine übliche und ordnungsgemäße Weise der Konservierung von Feldfrüchten dar, so kann daraus, wovon auch das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision ersichtlich ausgegangen ist, der Schluß gezogen werden, daß die vom Kläger vorgehaltenen Anlagen weder eine Gewässerbenutzung i.S.d. §§ 2, 3 WHG darstellten noch die konkrete Besorgnis einer nachteiligen Veränderung der Eigenschaften des Grundwassers i.S.d. § 34 Abs. 2 WHG begründeten.

Hat der Kläger damit der ihm allgemein obliegenden Pflicht zur Vorsorge Genüge getan (vgl. § 1 a Abs. 2 WHG), so beinhaltet das ihn dennoch treffende Verbot der Feldsilierung in der Schutzzone II eine wesentliche Beschränkung einer bislang in zulässiger Weise verwirklichten Form der Nutzung seines Grundeigentums und damit zugleich einen „Eingriff” in seinen insofern bestandsgeschützten landwirtschaftlichen Betrieb, indem diesem für den Betriebszweig der Bullenmast insoweit die Futtergrundlage entzogen wurde, wie das Berufungsgericht – sachverständig beraten – in tatrichterlicher und von der Revision auch nicht angegriffener Würdigung rechtsfehlerfrei festgestellt hat.

b) Dem Berufungsgericht kann jedoch insoweit nicht gefolgt werden, als es – jedenfalls im Ergebnis – angenommen hat, der Kläger werde dadurch so schwer und unerträglich („enteignend”) getroffen, daß die ihm auferlegte Belastung nur durch einen Ausgleich in Geld auf ein ihm zumutbares Maß zurückgeführt werden könne.

Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß dem Kläger nach den getroffenen tatrichterlichen Feststellungen die bisherige Bodennutzung durch die streitigen Verbote nur in einem Umfang von etwa 40 % untersagt wurde. Rund 60 % des jährlichen Futterbedarfs seiner Tiere kann der Kläger durch Eigensilage auf den in seinem Eigentum stehenden Grundstücken, die in der Wasserschutzzone III liegen, erzeugen und unterbringen. Das Berufungsgericht nimmt zwar – insoweit rechtsfehlerfrei – an, daß es dem Kläger damit nicht mehr möglich ist, seinen landwirtschaftlichen Betrieb in dem ausgeübten Rahmen aufrechtzuerhalten. Selbst wenn es dem Kläger aber, wie das Berufungsgericht weiter angenommen hat, nicht möglich oder nicht zumutbar sein sollte, seinen Betrieb durch Zukauf von Futter oder durch Kauf, Tausch oder Anpachtung weiterer zur Silierung geeigneter und in Betracht kommender Flächen wie bisher weiterzuführen, so stellt sich – worauf die Revision mit Recht hinweist – doch die Frage, ob und inwieweit es dem Kläger nicht wirtschaftlich möglich und auch zumutbar ist, den Umfang der von ihm betriebenen Mastbullenhaltung entsprechend zu reduzieren und seinen landwirtschaftlichen Betrieb, der nach seinen eigenen Angaben zwar überwiegend, aber nicht nur auf Bullenmast ausgerichtet ist, so fortzuführen. Eine Entschädigung bzw. ein Ausgleich ist dem Kläger nur zu leisten, soweit ihm durch die Wasserschutzgebietsverordnungen ein Sonderopfer auferlegt wird, das ihn unverhältnismäßig oder im Verhältnis zu anderen ungleich in unzumutbarer Weise trifft.

Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen reichen entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht aus, um dies annehmen zu können. Das Berufungsgericht und, entsprechend der Beweisfrage, der Sachverständige sind bei der Beurteilung, wie schwer der Kläger durch das ihm auferlegte Verbot von Gärfutteranlagen betroffen wird, von einer vollständigen Einstellung der Bullenmast ausgegangen. Die Frage, ob es dem Kläger möglicherweise zuzumuten ist, die Bullenmast zu reduzieren und seinen landwirtschaftlichen Betrieb so weiterzuführen, haben sie nicht, jedenfalls nicht mit der gebotenen umfassenden Einbeziehung aller Umstände in die Prüfung, erörtert. Das Berufungsgericht hat eine mögliche Veränderung der Betriebsstruktur zwar erwogen (und als nicht in Betracht kommend erachtet). Es liegt jedoch nach dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des Sachverständigen, auf die es sich dabei bezogen hat, nahe und kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, daß der Sachverständige auch insoweit (nur) von einer vollständigen Einstellung der Bullenmast ausgegangen ist.

Im übrigen hätte auch nicht offenbleiben dürfen, welche anderweitigen Nutzungsmöglichkeiten für den Kläger in Betracht kommen. Erst wenn dies feststeht, läßt sich beurteilen, ob – wie das Berufungsgericht meint – das Alter des Klägers einer (teilweisen) Änderung der Betriebsstruktur entgegensteht, wobei wiederum die besondere Bedeutung des Grundwasserschutzes zu beachten ist.

Jedenfalls kann nach den bisher getroffenen Feststellungen insgesamt nicht angenommen werden, daß eine nurmehr gegen Ausgleich zumutbare wesentliche Beeinträchtigung der (Ertrags-)Struktur des landwirtschaftlichen Betriebs des Klägers vorliegt.

Die insoweit noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen werden nachzuholen sein. Sollte das Berufungsgericht danach zu dem Schluß kommen, eine Entschädigung nach § 19 Abs. 3 WHG scheide aus, so wird weiter zu prüfen sein, ob ein Ausgleich nach § 19 Abs. 4 WHG (i.V.m. § 121 Abs. 7 LWG 1990) in Betracht kommt.

 

Unterschriften

Rinne, Engelhardt, Werp, Wurm, Dörr

 

Fundstellen

Haufe-Index 1530760

BGHZ

BGHZ, 271

NJW 1997, 388

BGHR

NVwZ 1997, 414

JR 1997, 240

Nachschlagewerk BGH

DÖV 1997, 125

MDR 1997, 47

DVBl. 1997, 45

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