Leitsatz (amtlich)
a) Die nach § 7 WHG erteilte wasserrechtliche Erlaubnis begründet eine Legalisierungswirkung für die gestattete Gewässerbenutzung. Ohne Widerruf der Erlaubnis kann eine solche Nutzung – soweit sie sich im Rahmen der Erlaubnis hält – nicht auf der Grundlage der (wasser-)polizeilichen Generalklausel untersagt werden. Das gilt auch dann, wenn die Gewässerbenutzung nun im Widerspruch zu einer nachträglich ergangenen Wasserschutzgebietsverordnung steht.
b) Gegenüber einem Amtshaftungsanspruch aufgrund rechtswidriger Untersagung einer erlaubten Gewässerbenutzung ist der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens wegen eines sonst gebotenen Widerrufs der wasserrechtlichen Erlaubnis jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn ein solcher Widerruf der erkennbaren damaligen Absicht der Verwaltungsbehörde widersprochen hätte.
Normenkette
WHG §§ 7, 19 Abs. 2; BGB §§ 249, 839
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 28. Oktober 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Feststellungsklage in bezug auf die Verpflichtung zum Ersatz des aus der polizeilichen Verfügung vom 4. Dezember 1992 folgenden weiteren Schadens abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist Inhaberin einer widerruflichen wasserrechtlichen Erlaubnis vom 28. Mai 1965 zur Naßauskiesung auf dem Grundstück Gemarkung H., Flur 6, Parzelle Nr. 1. Das Kiesabbaugebiet liegt nunmehr in den Schutzzonen II und III A einer von der Bezirksregierung Koblenz am 17. April 1991 erlassenen Wasserschutzgebietsverordnung. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 7 und Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung sind in beiden Schutzzonen Veränderungen und Aufschlüsse der Erdoberfläche, selbst wenn Grundwasser nicht aufgedeckt wird, insbesondere Fischteiche, Kies- und Sandgruben, verboten. Ein Normenkontrollantrag der Klägerin hiergegen ist erfolglos geblieben.
Durch sofort vollziehbare polizeiliche Verfügung vom 9. Januar 1992 untersagte die Bezirksregierung Koblenz als obere Wasserbehörde der Klägerin zunächst auf einer Teilfläche, sodann mit einer ebenfalls für sofort vollziehbar erklärten Verfügung vom 4. Dezember 1992 auch im übrigen Bereich des in der Erlaubnis umschriebenen Grundstücks den weiteren Kiesabbau. Die wasserpolizeiliche Verfügung vom 4. Dezember 1992 wurde mit Verstößen gegen die Schutzgebietsfestsetzung vom 17. April 1991 begründet, deren Verbote unmittelbar wirkten, ohne daß es dazu eines Widerrufs der wasserrechtlichen Erlaubnis bedürfe. Über die von der Klägerin gegen beide Bescheide eingelegten Widersprüche ist noch nicht entschieden; auf deren Antrag stellte jedoch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz durch Beschluß vom 1. September 1993 (1 B 10702/93) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die polizeiliche Verfügung vom 4. Dezember 1992 wieder her.
Mit der Klage hat die Klägerin das beklagte Land wegen beider Polizeiverfügungen aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung auf Schadensersatz bzw. nach dem rheinland-pfälzischen Polizeiverwaltungsgesetz auf Entschädigung in Anspruch genommen. Ihren Schaden hat sie in erster Linie mit nutzlos aufgewendeten Vorhaltekosten für einen Radlader und einen LKW-Kipper begründet und ihn für die Jahre 1992 bis 1994 auf 1.020.000 DM beziffert. Außerdem hat die Klägerin die Feststellung begehrt, daß der Beklagte ihr zum Ersatz jedes weiteren durch die beiden polizeilichen Verfügungen entstandenen und noch entstehenden Schadens verpflichtet sei. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hat der Senat nur hinsichtlich der Feststellungsklage und nur insoweit angenommen, als diese die Untersagungsverfügung vom 4. Dezember 1992 betrifft.
Entscheidungsgründe
Im Umfang der Annahme führt die Revision zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin habe gegen den Beklagten weder Amtshaftungsansprüche (§ 839 BGB, Art. 34 GG) noch einen Ausgleichsanspruch gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 RhPfPOG (richtig: PVG in der Fassung vom 1. August 1981, da die Neufassung des Polizeiverwaltungsgesetzes unter der Überschrift Polizei- und Ordnungsbehördengesetz [POG] durch das Änderungsgesetz vom 8. Juni 1993 erst am 1. September 1993 in Kraft getreten ist). Selbst wenn man die Polizeiverfügung vom 4. Dezember 1992 wegen der fortdauernden wasserrechtlichen Erlaubnis vom 28. Mai 1965 als rechtswidrig ansehe, hätte ein verfahrensmäßig rechtmäßiges Verhalten der Behörde, nämlich der Widerruf der wasserrechtlichen Erlaubnis, zu demselben Schaden geführt. Der Bescheid vom 4. Dezember 1992 könne zwar nicht in einen Widerruf der Erlaubnis umgedeutet werden. Hätte die Bezirksregierung aber die Rechtsauffassung vertreten, die Schutzgebietsfestsetzung entziehe der wasserrechtlichen Erlaubnis nicht schon von sich aus die rechtliche Grundlage und Wirksamkeit, so hätte sie diese zwingend widerrufen müssen, da jede eigene Ermessensausübung bereits durch die Rechtsverordnung vorweggenommen worden sei. Eine Verpflichtung zur Entschädigung der Klägerin wäre damit nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht verbunden gewesen.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob das durch die Polizeiverfügung vom 4. Dezember 1992 angeordnete Verbot jeglichen weiteren Kiesabbaus rechtswidrig (und amtspflichtwidrig) war. Zugunsten der Klägerin ist dies deswegen – zunächst – auch für die Revisionsinstanz zu unterstellen.
2. Nicht zu folgen ist dem Berufungsgericht indessen darin, daß das beklagte Land allen hieraus etwa hergeleiteten Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen nach § 839 BGB, Art. 34 GG oder – sofern hier unmittelbar oder entsprechend anwendbar – gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 RhPfPVG, gegebenenfalls auch aus enteignungsgleichem Eingriff, den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens entgegenhalten könne.
a) Die Berufung des Schädigers auf rechtmäßiges Alternativverhalten, d.h. der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein (BGHZ 96, 157, 171 ff.; 120, 281, 285 f.; BGH, Urteil vom 21. November 1996 – IX ZR 220/95 – NJW-RR 1997, 562, 563 f.; vom 24. April 1997 – VII ZR 106/95 – NJW-RR 1997, 1106, 1107 = WM 1997, 1583, 1584; Senatsurteil vom 11. Dezember 1997 – III ZR 52/97 – NJW 1998, 1307, 1308). Entscheidend ist der Schutzzweck der jeweils verletzten Norm (BGHZ 96, 157, 173; 120, 281, 286). Bei Amtshaftungsansprüchen hat der Bundesgerichtshof rechtmäßiges Alternativverhalten insbesondere berücksichtigt, wenn der Behörde ein Verfahrensfehler unterlaufen war und sie bei einem ordnungsgemäßen Verfahren zu der gleichen Entscheidung hätte kommen oder sofern sie selbst eine fehlende Rechtsgrundlage pflichtgemäß hätte schaffen müssen (vgl. BGHZ 63, 319, 325 f.; Senatsurteile vom 30. April 1959 – III ZR 4/58 – NJW 1959, 1316, 1317; vom 11. Juli 1963 – III ZR 44/62 – VersR 1963, 1175, 1176; vom 2. November 1970 – III ZR 173/67 – NJW 1971, 239; vom 6. Juli 1995 – III ZR 145/94 – NJW 1995, 2778, 2780; Beschluß vom 26. September 1996 – III ZR 244/95 – UPR 1997, 71, 72 = BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Kausalität 10; s. auch BGH, Urteil vom 16. Juni 1988 – IX ZR 69/87 – WM 1988, 1454, 1456 f.).
b) Mit diesen Fallgestaltungen ist der Streitfall indessen nicht vergleichbar, unabhängig von den weiteren – hier nicht zu entscheidenden – Fragen, ob der vom Berufungsgericht als rechtmäßige Alternative angesehene Widerruf der wasserrechtlichen Erlaubnis noch fristgemäß (§§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 VwVfG i.V.m. §§ 1 Abs. 1 LVwVfG i.d.F. vom 23. Dezember 1976, 110 Abs. 1 LWG) erfolgen konnte und die Wasserbehörde insbesondere hierzu auch verpflichtet gewesen wäre, was die Revision nicht ohne Grund bekämpft. Im Rahmen der Kausalitätserwägungen würde durch die Berücksichtigung einer solchen hypothetischen Variante nicht nur an die Stelle einer aus materiellen Gründen rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung ein abweichender Verwaltungsakt mit wesentlich anderem rechtlichem Inhalt und auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage, lediglich tatsächlich mit demselben Ergebnis (Unzulässigkeit weiterer Auskiesung des Grundstücks) gesetzt, dessen Rechtsfolgen zudem unter dem Gesichtspunkt denkbarer Entschädigungspflicht (§§ 19 Abs. 3 WHG, 49 Abs. 5 VwVfG a.F.) ungeklärt wären, sondern dieser alternative Verwaltungsakt widerspräche nach den im Zusammenhang mit der Umdeutung rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts auch dem damaligen – in Kenntnis der rechtlichen Problematik gebildeten – Willen der oberen Wasserbehörde. Die insoweit auf Verletzung des § 286 ZPO gestützte Gegenrüge der Revisionserwiderung hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 565 a ZPO). Bei einer derartigen Sachlage muß sich billigerweise die Verwaltungsbehörde an ihrer getroffenen Entscheidung gleichermaßen festhalten lassen wie es im Haftungsprozeß dem Geschädigten unzumutbar ist, sich auf einen hypothetischen Verwaltungsakt dieser Art einzulassen, nicht zuletzt im Hinblick auf die sich an beide Verwaltungsentscheidungen knüpfenden unterschiedlichen Rechtsfolgen. Ein solches Nebeneinander von wirklicher und fiktiver Rechtslage könnte überdies zu Rechtsunsicherheit und erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen, wie sie beispielhaft bei der Behandlung eines etwaigen fiktiven Entschädigungsanspruchs als Folge eines Widerrufs hervortreten.
Mit der gegebenen Begründung kann das Berufungsurteil daher nicht bestehenbleiben.
III.
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand stellt sich die jetzt noch im Streit befindliche Teilabweisung des Feststellungsantrags auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
1. Revisionsrechtlich läßt sich weder die Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung noch eine für den (weiteren) Schaden ursächliche Amtspflichtverletzung verneinen. Die bisherigen Feststellungen ergeben keinen Verstoß der Klägerin gegen die wasserrechtliche Ordnung, der auf der Grundlage von § 93 Abs. 1 Satz 1 LWG allein ein Einschreiten der Wasserbehörde hätte rechtfertigen können.
a) Solange die wasserrechtliche Erlaubnis vom 28. Mai 1965 nicht widerrufen war, konnte die Klägerin gegen die Abbauverbote der Wasserschutzgebietsverordnung nicht verstoßen. Eine durch Verwaltungsakt erlaubte Gewässerbenutzung ist, soweit und solange sie durch die Erlaubnis gedeckt ist, rechtmäßig (Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. Aufl. 1987, Rn. 74). Der von der oberen Wasserbehörde angenommenen, sich unmittelbar gegen die Erlaubnis durchsetzenden Wirkung der Rechtsverordnung stand, wie bereits das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im Eilverfahren über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs entschieden hat (Beschluß vom 1. September 1993 – 1 B 10702/93), die Legalisierungswirkung der wasserrechtlichen Erlaubnis entgegen. Diese Beurteilung ist zwar, da eine Entscheidung im Verfahren über vorläufigen Rechtsschutz die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nicht rechtskräftig feststellt, für die Zivilgerichte nicht bindend. Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts jedoch an.
aa) Die Erteilung einer behördlichen Genehmigung für eine Anlage oder gewerbliche Tätigkeit schließt es aus, den bestimmungsgemäßen Betrieb des Unternehmens innerhalb der von der Genehmigung festgesetzten Grenzen als polizeiwidrige Störung zu werten und mit Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts zu bekämpfen. Dieser Rechtssatz ist – gleichgültig, woraus er im einzelnen zu begründen sein mag (Sinngehalt, Tatbestands- oder Bindungswirkung des Verwaltungsakts, Vertrauensschutz, Verbot eines venire contra factum proprium, Einheit oder Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung; vgl. etwa Fluck, VwA 79 [1988], 406, 409 ff.; Peine, JZ 1990, 201, 209 ff.; Schink, GewA 1996, 50, 58), im Grundsatz in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem anerkannt (PrOVGE 82, 351, 357; BVerwGE 55, 118, 120 ff.; VGH Baden-Württemberg NVwZ 1990, 781, 783; 94, 698; BayVGH NVwZ 1992, 905; NVwZ-RR 1994, 314, 315; Fluck, aaO S. 406 ff.; Papier, DVBl. 1985, 873, 875 f.; Friauf in Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1999, 2. Abschnitt Rn. 79; jeweils m.w.N.) und wird seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 1977 (BVerwGE 55, 118) gewöhnlich als „Legalisierungswirkung” der Genehmigung bezeichnet (kritisch zur Begriffsbildung Peine, JZ 1990, 201 ff.). Innerhalb des Wasserrechts gilt er nicht nur für die einem Benutzer als subjektives Recht gewährte Bewilligung (§ 8 WHG; Breuer, JuS 1986, 359, 363; Peine, JZ 1990, 201, 211), sondern auch für die schwächere, nach § 7 WHG kraft Gesetzes widerrufliche Erlaubnis (Schink, DVBl. 1986, 161, 166 f.; Himmel, Kommentar zum LWG Rheinland-Pfalz und zum WHG, Stand Mai 1990, § 93 LWG/§ 21 WHG Rn. 26 f., a.A. möglicherweise Czychowski, § 7 Rn. 2). Die Erlaubnis begründet zwar kein subjektiv-öffentliches Recht, sondern lediglich eine öffentlich-rechtliche Benutzungsbefugnis (BGHZ 88, 34, 40 f.; Senatsurteil vom 5. Oktober 1995 – III ZR 61/93 – NVwZ 1996, 821, 822 f. = WM 1996, 1228, 1229; Czychowski, § 7 Rn. 2; Sieder/Zeitler/Knopp, § 7 Rn. 5; vgl. auch BVerwG ZfW 1994, 390). Infolge ihrer Widerruflichkeit sind die Bestandskraft des Verwaltungsakts und damit verbunden die Vertrauensgrundlage für den Begünstigten gemindert. Das alles ändert aber nichts daran, daß auch die wasserrechtliche Erlaubnis dem Benutzer eine nicht beliebig entziehbare und darum gegen (wasser-)polizeiliche Eingriffe ähnlich bestandsfeste Rechtsposition verschafft; die Widerruflichkeit der Erlaubnis darf nicht als Schutzlosigkeit mißdeutet werden (Salzwedel in Erichsen [Hrsg], Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, § 44 Rn. 15; in der 11. Aufl. nicht mehr enthalten). Einzelne Widerrufsgründe sind im Wasserhaushaltsgesetz (vgl. § 12 Abs. 2 für die Bewilligung) oder in den Wassergesetzen der Länder näher bestimmt. Darüber hinaus genügt nicht jeder denkbare Grund; der Widerruf muß sich vielmehr auch im Rahmen der gesetzlichen Ziele halten, die der Erlaubnis zugrunde liegen (vgl. BVerwG ZfW 1987, 149), und hat die Grenzen des Ermessens zu beachten, darf namentlich bei bereits ins Werk gesetzten Benutzungen die wirtschaftlichen Belange des Unternehmers nicht außer acht lassen (s. im einzelnen Breuer, Rn. 438 ff.; Czychowski, § 7 Rn. 24 f.). Zeitlich ist der Widerruf an die Jahresfrist der §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 VwVfG gebunden. Dieses differenzierte Regelungsgefüge darf, soweit die Erlaubnis reicht, nicht durch Anwendung der (wasser-)polizeilichen Generalklausel außer Kraft gesetzt werden, selbst wenn dabei – wie hier – dieselbe Behörde handelt; die Erlaubnis entfaltet insoweit eine Sperrwirkung.
bb) Daß sich im Streitfall durch die Festsetzung des Wasserschutzgebiets nachträglich die Rechtslage geändert hatte, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Im Gegenteil ergibt sich aus der Regelung des § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwVfG, daß auch geänderte Rechtsvorschriften allenfalls zum Widerruf eines ursprünglich rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts berechtigen und daß die Wirksamkeit der nach früherer Rechtslage erlassenen Verwaltungsakte hierdurch nicht einfach beseitigt wird (vgl. dazu BVerwGE 59, 148, 161; 64, 24, 28; 69, 1, 3; Kopp, § 49 Rn. 41). Für Dauerverwaltungsakte gilt nichts anderes. Auch der Festsetzung von Wasserschutzgebieten sind trotz ihrer erheblichen Bedeutung für das Gemeinwohl nicht ausnahmsweise weitergehende Rechtswirkungen zuzuerkennen, insbesondere besagt der Umstand, daß in solchen Schutzgebieten gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 WHG bestimmte Handlungen verboten oder für nur beschränkt zulässig erklärt werden können, nichts über das Verhältnis derartiger Verbote zu früher erteilten Bewilligungen oder Erlaubnissen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluß vom 1. September 1993 aaO; a.A. Beile, Wassergesetz für das Land Rheinland-Pfalz, Stand Juni 1998, § 13 Anm. 4.2; Himmel, aaO, § 93 LWG/§ 21 WHG Rn. 26). Die mit der Ausweisung von Wasserschutzgebieten verfolgten öffentlichen Ziele lassen sich angesichts des begrenzten Umfangs ihrer Schutzzonen und der bereits vorausgegangenen Sachverhaltsaufklärung im Verwaltungsverfahren ausreichend und zeitnah unter Berücksichtigung auch des notwendigen Individualrechtsschutzes mittels Einleitung von Widerrufsverfahren durchsetzen.
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht es ferner abgelehnt, die insoweit, als es um eine Durchsetzung der Schutzgebietsfestsetzung geht, fehlerhafte Untersagungsverfügung vom 4. Dezember 1992 gemäß § 47 VwVfG in einen Widerruf der wasserrechtlichen Erlaubnis umzudeuten. Die Umdeutung eines Verwaltungsakts ist zwar grundsätzlich zulässig, sofern die an die Stelle der ursprünglichen Entscheidung tretende, im Entscheidungssatz anders geartete Regelung auf das gleiche materielle Regelungsziel wie die ursprüngliche Verwaltungsentscheidung gerichtet ist (BVerwGE 62, 300, 306; 80, 96, 97; BGH, Beschluß vom 28. September 1999 – KVR 29/96 – WRP 2000, 196, 198; Kopp, § 47 Rn. 3, 8). Das kann auch im gerichtlichen Verfahren erfolgen (BVerwGE 62, 300, 306; BVerwG DVBl 1984, 431 = NVwZ 1984, 645; BGH aaO; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 47 Rn. 11; a.A. Kopp, § 47 Rn. 4). Welche Grenzen dafür bestehen, ist hier nicht entscheidend. Eine Umdeutung setzt jedenfalls voraus, daß der anderslautende Verwaltungsakt nicht der erkennbaren Absicht der erlassenen Behörde widerspricht (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Einen solchen abweichenden Willen der Bezirksregierung hat das Berufungsgericht aber, wie ausgeführt, hier rechtsfehlerfrei festgestellt.
c) In der Begründung der polizeilichen Verfügung vom 4. Dezember 1992 wird allerdings erwähnt – und das beklagte Land hat sich in den Tatsacheninstanzen hierauf auch berufen – die Klägerin habe nach den örtlichen Feststellungen vom März und August 1992 in weiten Teilen des Abbaugebiets gegen die Auflage II Nr. 9 der Erlaubnis vom 28. Mai 1965 (Einhaltung eines Böschungswinkels von 1:2) verstoßen sowie keinen Nachweis über die Verfügbarkeit geeigneten „rolligen” Materials für die Wiederverfüllung erbracht. Dieses – bestrittene – Beklagtenvorbringen, das in dem beanstandeten Verwaltungsakt schon angelegt ist und mindestens deswegen hier bei der Entscheidung zu berücksichtigen ist (vgl. im übrigen auch BGHZ 127, 223, 227 ff.), könnte nunmehr für die Frage einer Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung Bedeutung gewinnen. Ein Kiesabbau unter Verstoß gegen Nebenbestimmungen der wasserrechtlichen Erlaubnis wäre von deren Legalisierungswirkung nicht mehr gedeckt und darum illegal. Es erscheint jedenfalls nicht ausgeschlossen, daß die obere Wasserbehörde hierauf – ganz oder teilweise – mit der Untersagung weiterer Auskiesung reagieren durfte. Dazu hat das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus mit Recht – keine Feststellungen getroffen. Das wird nachzuholen sein.
2. Entgegen der Ansicht des Beklagten, der sich auch das Landgericht angeschlossen hat, läßt sich jedenfalls nach dem bisherigen Sachvortrag der Parteien auch ein Verschulden der handelnden Beamten nicht verneinen. Bei der Rechtsanwendung hat jeder Inhaber eines öffentlichen Amtes die Rechtslage mit den ihm zu Gebote stehenden Hilfsmitteln sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen und sich danach aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Meinung zu bilden. Nicht jeder objektive Rechtsirrtum begründet dann einen Schuldvorwurf. Wenn die nach sorgfältiger Prüfung gewonnene Rechtsansicht des Amtsträgers als rechtlich vertretbar anzusehen ist, kann aus der späteren Mißbilligung dieser Auffassung durch die Gerichte ein Schuldvorwurf nicht hergeleitet werden (st. Rspr. des Senats; z.B. BGHZ 119, 365, 369 f.; Senatsurteil vom 17. März 1994 – III ZR 27/93 – NJW 1994, 3158, 3159; Urteil vom 13. Juli 1995 – III ZR 160/94 – NJW 1995, 2918, 2920, insoweit in BGHZ 130, 232 nicht abgedruckt). Indessen ist aus der allein vorgelegten Untersagungsverfügung vom 4. Dezember 1992 nicht ersichtlich, daß die Bezirksregierung die Frage, ob sich eine Schutzgebietsverordnung unmittelbar gegen die auf einer wasserrechtlichen Erlaubnis beruhende Benutzungsbefugnis durchsetzt, in dieser Weise sorgfältig geprüft hätte. Die bloße Verweisung in der Begründung auf zwei erstinstanzliche Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Koblenz, von denen das Urteil vom 15. Oktober 1982 (7 K 213/81) auf die Streitfrage kaum eingeht und der Beschluß vom 9. Januar 1991 (1 L 4091/90) – hinsichtlich einer durch Planfeststellung genehmigten Ausbaumaßnahme – sie letztlich offenläßt, reicht angesichts der Komplexität der Fragestellung schon nicht aus, selbst wenn dieselbe Auffassung außerdem auch in der Fachliteratur vertreten wird (Beile, § 13 Anm. 4.2). Das gilt zumal deswegen, weil das zuständige Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung vom 9. Januar 1991 mit Beschluß vom 25. Januar 1991 (1 B 10038/91) bereits eine gegenteilige Auffassung vertreten und auch der 10. Senat desselben Gerichts im vorausgegangenen Normenkontrollverfahren die Frage ausdrücklich offengelassen hatte (Urteil vom 26. August 1992 – 10 C 11217/91). An beiden Verfahren war der Regierungspräsident Koblenz beteiligt. Ebensowenig entlastet den Beklagten im Sinne der „Kollegialgerichts-Richtlinie” des Senats die Billigung der Rechtsauffassung seiner Behörden durch das Verwaltungsgericht Koblenz im Verfahren über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Eine Entscheidung im summarischen Verfahren genügt dafür nicht (BGHZ 117, 240, 250).
3. Schließlich ist auch die Möglichkeit eines über den bereits rechtskräftig abgewiesenen Betrag von 1.020.000 DM hinausgehenden Schadens gegeben. Anders als für die Zahlungsklage, bei der es hier an einer schlüssigen Schadensberechnung fehlte, braucht bei einer Feststellungsklage der regelmäßig noch ungewisse Schaden vom Kläger nicht näher dargelegt zu werden.
4. In bezug auf die polizeiliche Verfügung vom 4. Dezember 1992 hat die Klägerin ferner alle ihr zu Gebote stehenden Möglichkeiten eines Primärrechtsschutzes (§ 839 Abs. 3 BGB) wahrgenommen.
IV.
Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 564 Abs. 1, 565 Abs. 1 ZPO), damit es die fehlenden Feststellungen noch treffen kann.
Unterschriften
Rinne, Streck, Schlick, Kapsa, Galke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 03.02.2000 durch Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556241 |
BGHZ |
BGHZ, 362 |
NWB 2000, 1782 |
BGHR |
NVwZ 2000, 1206 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 928 |
ZAP 2000, 645 |
DÖV 2000, 509 |
JZ 2000, 1004 |
NuR 2000, 410 |
VR 2001, 106 |
VersR 2000, 1368 |
ZUR 2001, 169 |
BayVBl. 2000, 506 |
DVBl. 2000, 904 |
KomVerw 2001, 30 |
UPR 2000, 307 |
ZfW 2000, 234 |
FuBW 2000, 877 |
FuNds 2001, 309 |