Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 11.11.2021; Aktenzeichen 8 U 101/21)

LG Oldenburg (Entscheidung vom 17.05.2021; Aktenzeichen 9 O 2205/20)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 11. November 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zur Höhe des Anspruchs zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Neuwagen auf Schadensersatz in Anspruch.

Rz. 2

Die Klägerin erwarb im August 2013 bei einer Fahrzeughändlerin ein Neufahrzeug des Typs VW Touran Comfortline 2,0 l TDI (Euro 5) zu einem Kaufpreis in Höhe von 32.609,99 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Die verwendete Motorsteuerungssoftware erkannte das Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus und bewirkte für diesen Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb, wodurch die Grenzwerte für Stickoxidemissionen der Abgasnorm Euro 5 auf dem Prüfstand eingehalten werden konnten.

Rz. 3

Mit der im Jahr 2020 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 33.375 € (Kaufpreis zuzüglich Überführungskosten und Gebühren) abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 14.126,64 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Nach Abweisung der Klage durch das Landgericht hat die Klägerin das Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 8.000 € veräußert und ihre Anträge im Berufungsverfahren mit der Maßgabe weiterverfolgt, dass sie den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung nicht mehr Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, sondern gegen die Herausgabe des Weiterverkaufserlöses beanspruche. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung zur Zahlung von 10.152,89 € (Kaufpreis von 32.609,99 € abzüglich eines Nutzungsvorteils in Höhe von 14.457,10 € und abzüglich des Weiterverkaufserlöses in Höhe von 8.000 €) nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugunsten der Beklagten zugelassenen Revision, die diese zuletzt auf die Höhe beschränkt hat, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 4

Die Revision der Beklagten hat im Umfang des zuletzt geltend gemachten Revisionsangriffs Erfolg.

I.

Rz. 5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 6

Nach der Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus §§ 826, 31 BGB gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB ergebe sich ein Restschadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB in Höhe von 10.152,89 €. § 852 Satz 1 BGB finde auf den Kauf eines Neuwagens von einem Vertragshändler Anwendung. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung habe nicht der zwischengeschaltete Händler, sondern die Beklagte den von der Klägerin gezahlten Kaufpreis unter Abzug einer etwaigen Händlermarge erlangt. Im Streitfall betrage der Restschadensersatz unter Berücksichtigung eines Nutzungsvorteils in Höhe von 14.457,10 € und des Verkaufserlöses von 8.000 € noch 10.152,89 €. Auf die Höhe des Händlereinkaufspreises, zu dem nicht konkret vorgetragen sei, komme es nicht an, weil er den Betrag von 10.152,89 € übersteige.

II.

Rz. 7

Die rechtlichen Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe des Restschadensersatzanspruchs der Klägerin begegnen durchgreifenden Bedenken. Das Berufungsgericht hat - entgegen den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof nach Erlass des Berufungsurteils näher dargelegt hat (BGH, Urteil vom 21. Februar 2022 - VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16) - den von ihm nach § 287 BGB ermittelten Nutzungsvorteil in Höhe von 14.457,10 € und den Erlös aus dem Weiterverkauf des Fahrzeugs von dem von der Klägerin entrichteten Kaufpreis in Höhe von 32.609,99 € abgezogen und den so ermittelten, verjährten Schadensersatzanspruch der Klägerin aus §§ 826, 31 BGB im Sinne einer Vergleichsbetrachtung dem von der Beklagten erlangten Händlereinkaufspreis gegenübergestellt. Den Händlereinkaufspreis hat es dabei nicht konkret festgestellt, sondern lediglich ausgeführt, er liege jedenfalls über dem Anspruch aus §§ 826, 31 BGB, weil die Händlermarge den Nutzungsvorteil der Klägerin nicht übersteige. Indessen sind zur Ermittlung des Restschadensersatzanspruchs der Nutzungsvorteil und ein im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnender Verkaufserlös vom Händlereinkaufspreis abzuziehen und folglich der Händlereinkaufspreis als Ausgangspunkt der Berechnung konkret festzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 1. August 2022 - VIa ZR 24/22, juris Rn. 16).

III.

Rz. 8

Das Berufungsurteil ist aufzuheben, soweit darin zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO). Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht in der Sache selbst erkennen, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zur Höhe des Händlereinkaufspreises getroffen hat.

Menges     

Götz     

Rensen

Liepin     

Vogt-Beheim     

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15391094

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