Leitsatz (amtlich)
Der Verstoß eines Dienstverpflichteten gegen ein Wettbewerbsverbot kann Schadensersatzansprüche auslösen, berechtigt den Dienstherrn aber grundsätzlich nicht, die Vergütung der Dienste zu verweigern.
Tatbestand
Der Kläger war seit 1972 Mitgesellschafter und Prokurist, ab 1976 Geschäftsführer der B.-S. GmbH, deren Geschäftsanteile 1975 die S. GmbH & Co übernahm. Laut Nr. 7 des am 15. Mai 1979 geschlossenen Anstellungsvertrages war das Dienstverhältnis des Klägers ab 1. Januar 1982 mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende kündbar. Der Kläger legte mit Schreiben vom 28. Juni 1983 sein Amt als Geschäftsführer nieder, setzte seine Tätigkeit im Vertrieb des Unternehmens aber mit Einverständnis der Gesellschafterin fort.
Am 30. September 1983 stellte die B. ihre Geschäftstätigkeit ein. Das Dienstverhältnis des Klägers übernahm mit Schreiben vom 3. Oktober 1983 die 1976/77 gegründete Beklagte, für die der Kläger fortan mit jährlichen Dienstbezügen von rund 250.000 DM arbeitete.
Mit Schreiben vom 28. Januar 1985 kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis zum 31. März 1985. Der Kläger ist seit 15. April 1985 für ein Konkurrenzunternehmen tätig.
Der Kläger hat Klage vor dem Arbeitsgericht erhoben und dort außer der Feststellung, daß die Kündigung unwirksam sei, beantragt, das Dienstverhältnis aufzulösen und die Beklagte zu einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Nachdem der Rechtsstreit an das Landgericht verwiesen worden war, bezifferte der Kläger seinen Verdienstausfall in der Zeit vom 1. April 1985 bis 30. September 1985 mit 53.958,34 DM (Anspruch gegen die Beklagte: 125.000 DM; abzüglich anderweitig erzieltes Einkommen: 71.042 DM). Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr in Höhe von 10.416,67 DM für die Zeit bis 14. April 1985 stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter, die Beklagte zur Zahlung zusätzlicher 43.541,33 DM zu verurteilen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Zurückverweisung.
Das Berufungsgericht hat dem Kläger das Gehalt für die Zeit vom 1. April bis 14. April 1985 zuerkannt; die Gehaltsansprüche aus der Zeit vom 15. April bis 30. September 1985 hält es dagegen für verwirkt, weil der Kläger ab 15. April 1985 verbotswidrig für ein Konkurrenzunternehmen der Beklagten gearbeitet habe. Diese Ausführungen greift die Revision mit Erfolg an.
1. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß das Dienstverhältnis des Klägers, als dieser sein Amt als Geschäftsführer niederlegte, nicht beendet, sondern fortgesetzt und im Oktober 1983 von der Beklagten übernommen worden ist; ebenso frei von Rechtsfehlern ist das Berufungsgericht aufgrund der Nr. 7 des Anstellungsvertrages vom 15. Mai 1979 zu der Ansicht gelangt, daß die Kündigung vom 28. Januar 1985 nur mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende wirksam werden und das Dienstverhältnis erst mit Wirkung ab 1. Oktober 1985 beenden konnte. Nicht haltbar ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Beklagte dem Kläger Dienstbezüge gleichwohl nur bis zu dem Zeitpunkt schulde, in dem dieser in Wettbewerb zur Beklagten trat. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß nämlich der Dienstverpflichtete bis zur rechtswirksamen Beendigung des Dienstverhältnisses grundsätzlich jeden Wettbewerb unterlassen muß, wenn er eine vom Geschäftsherrn ausgesprochene Kündigung für ungerechtfertigt hält und deshalb auch weiterhin die sich aus dem Vertrage für ihn ergebenen Rechte in Anspruch nimmt (vgl. Sen.Urt. v. 30.6.1954 – II ZR 26/53, LM HGB § 89a Nr. 1; BAG, Urt. v. 30.5.1078 – 2 AZR 598/76, NJW 1979, 335). Diese Verpflichtung hat der Kläger verletzt, als er am 15. April 1985 zur Konkurrenz ging, ohne seinerseits das Dienstverhältnis aus wichtigem Grunde gekündigt zu haben. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts führte diese Vertragsverletzung aber nicht dazu, daß der Kläger die ihm bis zum rechtswirksamen Ende des Dienstverhältnisses (30.9.1985) zustehenden Dienstbezüge verwirkt hätte. Die Revision verweist mit Recht darauf, daß durch unerlaubte Wettbewerbshandlungen allenfalls Unterlassungs- und vor allem Schadensersatzansprüche begründet werden, mit denen die Beklagte gegenüber den Gehaltsansprüchen hätte aufrechnen können, daß derartige Verstöße den Dienstherrn aber grundsätzlich nicht berechtigen, die Dienstbezüge zu verweigern. Allenfalls in besonders kraß liegenden Fällen, in denen sich der Dienstverpflichtete gegenüber dem anderen Teil grob unanständig verhalten hat, kann es gerechtfertigt sein, dem Vergütungsanspruch den Arglisteinwand entgegenzuhalten (vgl. BGHZ 55, 274, 279; 36, 323, 327; Sen.Urt. v. 14.12.1970 – II ZR 161/68, WM 1971, 350, 352). Ein solches grob treuwidriges Verhalten hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Auch der Sachvortrag der Beklagten gibt dafür nichts her. Der Kläger ist vielmehr deshalb zur Konkurrenz gegangen, weil die Beklagte ihm nach dem 31. März 1985 rechtswidrig die Dienstbezüge vorenthalten hat. Diesen Umstand wiederum hätte der Kläger zum Anlaß nehmen können, seinerseits fristlos zu kündigen mit der Folge, daß das Wettbewerbsverbot entfallen wäre und er den eingeklagten Betrag nach § 628 Abs. 2 BGB ohne weiteres als Schadensersatz hätte geltend machen können. Daß er ihn stattdessen als Vergütung fordert, ist unter diesen Umständen keine unzulässige Rechtsausübung, der die Beklagte nach Treu und Glauben den Arglisteinwand entgegenhalten könnte.
2. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, weil das Berufungsgericht zur Höhe des anderweitigen Verdienstes nichts festgestellt hat. Ferner wird es darauf ankommen, ob die Klage nicht deshalb teilweise unbegründet ist, weil die Beklagte die Konkurrenztätigkeit des Klägers zum Anlaß genommen hat, am 14. Juni 1985 und 17. Juli 1985 das Dienstverhältnis fristlos zu kündigen. Sollte in dem gesondert anhängigen Verfahren nicht bereits rechtskräftig über Wirksamkeit oder Unwirksamkeit dieser Kündigungen entschieden worden sein, wird das Berufungsgericht dieser Frage noch näher nachzugehen haben. Hierfür reicht es nicht aus, daß das Berufungsgericht ohne ein Wort der Begründung lediglich ausführt, die fristlose Kündigung sei berechtigt. Der Begriff des wichtigen Grundes ist nur dann richtig angewandt, wenn nicht nur geprüft wird, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden, vielmehr müssen bei der zusätzlich erforderlichen Interessenabwägung alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles daraufhin abgewogen werden, ob es dem Kündigenden unzumutbar ist, das Dienstverhältnis bis zum Ablauf der Frist für die ordentliche Kündigung fortzusetzen (vgl. Sen.Urt. v. 18.6.1984 – II ZR 221/83, WM 1984, 1120, 1121). Man kann dem Berufungsgericht ohne weiteres darin zustimmen, daß der Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung zu bilden; es fehlt jedoch die Abwägung der beiderseitigen Interessen.
Die Sache wird zurückverwiesen, damit das Berufungsgericht die Abwägung – falls mangels anderweitiger rechtskräftiger Entscheidung noch erforderlich – nachholen und zusätzlich Feststellungen zur Höhe der ab 15. April 1985 erzielten Dienstbezüge treffen kann. Bei der Prüfung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, wird das Berufungsgericht auch der Frage nachzugehen haben, ob der Kläger – bevor die Beklagte fristlos kündigte – nicht seinerseits zu erkennen gegeben hat, daß er wegen der Vertragsverletzung der Beklagten am Dienstverhältnis nicht länger festhalten oder zumindest keine weitergehenden Rechte geltend machen wollte, als ihm im Fall einer solchen Kündigung nach § 628 Abs. 2 BGB zugestanden hätten.
Fundstellen
Haufe-Index 650053 |
ZIP 1988, 47 |