Leitsatz (amtlich)
Die Ansprüche und Rechte aus einem „hängenden Kaufvertrag” über ein Gebäude waren auch vor Inkrafttreten des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes übertragbar. Ihre Übertragung begründet ein Recht des Übertragungsempfängers zum Besitz von Gebäude und Grundstück gegenüber dem Eigentümer des Grundstücks.
Normenkette
EGBGB 1986 Art. 233 § 2a Abs. 1 S. 3; SachenRBerG § 3 Abs. 3
Verfahrensgang
KG Berlin (Aktenzeichen 20 U 6133/97) |
LG Berlin (Aktenzeichen 32 O 794/96) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 20. Zivilsenats des Kammergericht in Berlin vom 15. Januar 1998 aufgehoben und das Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin vom 4. Juli 1997 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 27. Juni 1990 kauften die Kläger in ehelicher Vermögensgemeinschaft das auf dem seinerzeit volkseigenen Grundstück J. in Berlin errichtete Gewerbegebäude zu einem Drittel. Jeweils ein weiteres Drittel kauften die Herren B. und Bu.. Die Käufer beantragten die Verleihung eines Nutzungsrechts an dem Grundstück. Auf seiten des Verkäufers wurde der Vertrag durch Frau E. -C. G. abgeschlossen. Sie handelte aufgrund einer Vollmacht vom 8. Juni 1990 namens des „Magistrats von Berlin, Abteilung Finanzen”. Mit der Übergabe des Gebäudes am 1. Juli 1990 sollten auch die „mit dem Eigentum verbundenen Rechte und Pflichten” auf die Erwerber übergehen. Zur Anlegung eines Gebäudegrundbuchblattes und zur Verleihung eines Nutzungsrechtes kam es bis zum 3. Oktober 1990 nicht mehr.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 13. Mai 1991 kauften die Kläger den „Miteigentumsanteil” des Mitkäufers B.. Am 26. Mai 1991 einigten sich die Parteien und der Mitkäufer Bu. dahin, daß Bu. seinen „Gebäudeanteil” den Beklagten verkaufen und ihnen die von ihm genutzten Räume übergeben sollte. Mit notariellem Vertrag vom 24. September 1991 verkaufte Bu. seinen „Miteigentumsanteil” zu gleichen Teilen den Beklagten. Sie verpflichteten sich, die Forderungen gegen Bu. aus dem Kaufvertrag vom 27. Juni 1990 zu erfüllen; Bu. trat seine Ansprüche aus diesem Vertrag an die Beklagten ab. Besitz, Nutzen und Lasten gingen nach § 5 des Vertrages am 31. Oktober 1991 auf die Beklagten über. Seither nutzen sie das zweite Obergeschoß des Gebäudes für ihr Gewerbe als Möbeldesigner. Am 5. Februar 1994 bestätigte der Kläger zu 1, daß den Beklagten in einem „noch auszuarbeitenden Vertrag … ein unentgeltliches Dauernutzungsrecht” für die von ihnen genutzten Räume einzuräumen sei.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 16. Februar 1995 verkauften die Beklagten ihren „Miteigentumsanteil” an E. K. weiter. Diese verpflichtete sich, den Beklagten eine Dienstbarkeit an den von ihnen benutzten Räumen des „Kaufgegenstandes” einzuräumen, aufgrund deren sie berechtigt bleiben sollten, diese Räume für die Ausübung ihres Berufes (weiterhin) unentgeltlich zu nutzen.
Das Eigentum an dem Grundstück wurde der Bundesrepublik Deutschland zugeordnet. Diese verkaufte das Grundstück am 25. Juli 1996 an die Kläger. Sie hat die Kläger ermächtigt, Ansprüche aus dem Eigentum gerichtlich geltend zu machen.
Mit der Klage haben die Kläger von den Beklagten die Räumung der im zweiten Obergeschoß des Gebäudes gelegenen Räume und ihre Herausgabe an die Bundesrepublik Deutschland verlangt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision erstreben sie die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ein Besitzrecht der Beklagten verneint und ausgeführt: Der Kaufvertrag vom 27. Juni 1990 sei unwirksam, weil Frau G. bei seinem Abschluß im Namen des zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existierenden Magistrats von Ost-Berlin gehandelt habe. Bu., von dem die Beklagten ihr Recht zum Besitz ableiteten, habe ein derartiges Recht daher niemals gehabt. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
1. Die Revision hat allerdings keinen Erfolg, soweit sie ein Recht der Beklagten zum Besitz der umstrittenen Räume aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 3 EGBGB im Hinblick auf von ihnen behauptete Investitionen in das Gebäude in Anspruch nimmt. Maßnahmen an oder in dem Gebäude können ein Recht nach § 15 SachenRBerG nur begründen, sofern sie nach ihrem Umfang und Aufwand einer Neuerrichtung entsprechen (§ 12 Abs. 1 2. Halbsatz SachenRBerG), vor Ablauf des 2. Oktober 1990 begonnen (§ 8 Nr. 3 SachenRBerG) und von den staatlichen Stellen der DDR genehmigt worden sind (§ 7 Abs. 2 Nr. 6 SachenRBerG). Die Erfüllung keiner dieser Voraussetzungen ist dem Vorbringen der Beklagten zu entnehmen. Die von ihnen vorgelegte Stellungnahme eines Sachverständigen besagt hierzu nichts.
Ebenso wenig ergibt sich aus ihrem Vortrag eine vertragliche Nutzungsberechtigung. Absprachen zwischen den Anteilskäufern aus dem Vertrag vom 27. Juni 1990 und den späteren Vereinbarungen sind vor dem Hintergrund zu sehen, daß sich die Parteien als Miteigentümer wähnten. Sie lassen keinen darüber hinaus reichenden Rechtsbindungswillen erkennen. Der Kauf des Grundstücks durch die Kläger allein und die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Eigentum der Bundesrepublik Deutschland an dem Grundstück verstößt daher auch nicht gegen vertragliche Vereinbarungen zwischen den Parteien.
2. Das Urteil ist jedoch deswegen aufzuheben, weil den Beklagten nach Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. d, Satz 3 EGBGB, § 3 Abs. 3 oder § 121 Abs. 1 SachenRBerG ein Recht zum Besitz an Gebäude und Grundstück zusteht. Das ist auch ohne eine Rüge der Revision vom Senat zu beachten und führt zur Abweisung der Klage (§ 565 Abs. 3 ZPO).
a) Die von Frau G. in der Notarverhandlung vorgelegte Vollmacht wurde am 8. Juni 1990 ausgestellt. Vollmachtgeber war daher nicht der durch das Inkrafttreten des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) am 17. Mai 1990 (GBl. I, 255) als rechtsfähige Einrichtung untergegangene Magistrat von (Ost-)Berlin (vgl. Senatsurt. v. 26. Januar 1996, V ZR 212/94, VIZ 1996, 342, 344), sondern die Gebietskörperschaft Berlin, Hauptstadt der DDR. Die dieser Körperschaft obliegenden Aufgaben und Befugnisse wurden bis zur Wiedervereinigung Deutschlands von ihrem Magistrat wahrgenommen (vgl. § 1 Abs. 2 LändereinführungsG, GBl. 1990 I, 955; Art. 16 EV). Soweit sich der Magistrat im Rechtsverkehr Bevollmächtigter bediente und die Bevollmächtigung nach dem 16. Mai 1990 erfolgt ist, wirkten die von den Bevollmächtigten vorgenommenen Rechtsgeschäfte für die Gebietskörperschaft Berlin, Hauptstadt der DDR. Selbst fehlerhaft namens des als rechtsfähige Einrichtung untergegangenen Magistrats zwischen dem 17. Mai und dem 3. Oktober 1990 im Rechtsverkehr abgegebene Erklärungen sind nicht wirkungslos. Sie wirkten vielmehr gemäß Art. 231 § 8 Abs. 2 EGBGB gegen die Gebietskörperschaft Berlin, Hauptstadt der DDR (vgl. MünchKomm-BGB/Busche, 3. Aufl., Art. 231 § 8 EGBGB Rdn. 13). Seit der Wiedervereinigung Deutschlands und der beiden Teile Berlins wirken sie grundsätzlich gegen das Land Berlin. b) Der Vertrag vom 27. Juni 1990 ist auch nicht, wie die Kläger meinen, deshalb nichtig, weil der Mitkäufer Bu. entgegen seiner Angabe in der Notarverhandlung Eigentümer eines Grundstücks in M. war.
Daß ein Bürger der DDR Eigentümer eines Grundstücks war, führte nicht zur Nichtigkeit eines zum Erwerb eines weiteren Grundstücks geschlossenen Vertrages, sondern konnte der nach § 2 Abs. 1 GVO zur Wirksamkeit des Vertrages notwendigen Genehmigung entgegenstehen. Die Genehmigung war zu versagen, sofern durch den Erwerb eine Konzentration von Eigentums- oder Nutzungsrechten entstehen würde (§ 3 Abs. 4 GVO). Ziel dieser Regelung war es nicht, den Erwerb weiteren unbeweglichen Eigentums in jedem Falle zu verhindern (BVerwG ZfIR 1999, 443, 445). Die Kläger haben auch nicht behauptet, daß die zur Wirksamkeit des Vertrages vom 26. Juni 1990 notwendige Genehmigung aus diesem Grunde versagt worden sei. Die von den Klägern wegen der unzutreffenden Angabe von Bu. erklärte Anfechtung des Vertrages ist für dessen Bestand ohne Bedeutung. Die Erklärung von Bu. in der Notarverhandlung ist nicht gegenüber den Klägern erfolgt. Sie haben auch nicht behauptet, durch die unzutreffende Angabe von Bu. zum Miterwerb des Grundstücks bestimmt worden zu sein (§ 70 Abs. 1 Satz 2 ZGB). c) Der am 27. Juni 1990 abgeschlossene Kaufvertrag wurde nicht durch die mit der Wiedervereinigung Deutschlands erfolgte Aufhebung des Zivilgesetzbuches und des Nutzungsrechtsgesetzes unwirksam. Der Vertrag blieb vielmehr als „hängender Kaufvertrag” bestehen. Er berechtigt die Anteilskäufer seit dem 3. Oktober 1990 gemäß Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 Buchst. d, Satz 2 EGBGB gegenüber der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin in das Volkseigentum zum Besitz an dem Grundstück (vgl. Senatsurt. v. 7. Juli 1995, V ZR 46/94, WM 1995, 1848, 1853 und v. 13. Oktober 1995, V ZR 254/94, WM 1996, 91).
Der von den Anteilskäufern aufgrund des Kaufvertrages vom 27. Juni 1990 ausgeübte Besitz läßt sie Nutzer des Gebäudes im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 6 SachenRBerG sein. Zur Bereinigung der aufgrund des „hängenden Kaufvertrages” bestehenden Rechtslage können sie seit dem Inkrafttreten des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes am 1. Oktober 1994 unter den Voraussetzungen von § 3 Abs. 3 SachenRBerG zusammen den Ankauf des Grundstücks bzw. die Bestellung eines Erbbaurechts an diesem verlangen. Bis zum Abschluß der Bereinigung besteht ihr Besitzrecht gemäß Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 3 EGBGB fort. d) Hieran hat sich durch den Verkauf der „Miteigentumsanteile” durch B., Bu. und die Beklagten im Ergebnis nichts geändert. Die Ansprüche und Rechte aus dem Kaufvertrag vom 27. Juni 1990 waren rechtsgeschäftlicher Übertragung zugänglich. Dasselbe gilt für das aus Art. 233 § 2a Abs. 1 beruhende Recht zum Besitz (Art. 233 § 2 a Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz EGBGB). Daß nach der Aufhebung des Zivilgesetzbuches und des Nutzungsrechtsgesetzes keine Miteigentumsanteile an dem Gebäude mehr entstehen konnten, führt nicht dazu, daß die zum Kauf dieser Anteile von den Klägern, den Beklagten und Frau K. geschlossenen Verträge unwirksam sind. Da sie letztlich die Übertragung der Ansprüche und Rechte aus dem Kaufvertrag vom 27. Juni 1990 zum Inhalt haben, wurde vielmehr der jeweilige Übertragungsempfänger als Rechtsnachfolger des Übertragenden Nutzer des Grundstücks im Sinne von § 9 Abs. 1 SachenRBerG.
Gegenüber dem Eigentümer wirkt die Übertragung des Rechts zum Besitz nach Art. 233 § 2 a Abs. 2 Satz 2 EGBGB zwar grundsätzlich erst mit der Anzeige der Übertragung durch den Zedenten. Ob der Übergang des Rechts zum Besitz auf die Beklagten der Bundesrepublik Deutschland von B. angezeigt wurde, ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen. Hierauf kommt es seit dem Inkrafttreten des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes aber auch nicht mehr an.
e) Die Frage, ob die Beklagten vom Kaufvertrag mit Frau K. zurückgetreten sind und ob Frau K. ihr Recht zum Besitz auf die Beklagten zurück übertragen hat, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung. Hat Frau K. dies getan, wie die Beklagten behaupten, sind sie aufgrund des ihnen zurück übertragenen Rechts von Bu. gegenüber der Bundesrepublik Deutschland zum Besitz berechtigt. Besteht die Berechtigung von Frau K. fort, wie die Kläger behaupten, steht § 986 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB den von den Klägern geltend gemachten Ansprüchen entgegen.
f) Nach den von den Klägern vorgelegten Unterlagen kann nicht ausgeschlossen werden, daß nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes ein Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks besteht. Das Bestehen eines solchen Anspruchs schließt einen Anspruch auf Erwerb des Grundstücks nach § 3 Abs. 3 Nr. 3 SachenRBerG aus. Trotzdem sind die Beklagten auch in diesem Fall zum Besitz des Grundstücks berechtigt. Ist dem angemeldeten Anspruch stattzugeben, folgt die Besitzberechtigung der Beklagten aus Art. 233 § 2 a Abs. 1 Satz 1 Buchst. d, Satz 3 EGBGB, § 121 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Buchst. b SachenRBerG. Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß der Vertrag vom 27. Juni 1990 nach § 1 des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 (GBl. I, 157) erfolgt ist. Damit stehen Frau K. oder den Beklagten die Ansprüche aus dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz und damit das Recht zum Mitbesitz an dem Grundstück auch gegenüber einem Rückübertragungsberechtigten zu. Solange die Rückübertragung nicht erfolgt ist, besteht ihr Recht zum Besitz gegenüber der Bundesrepublik Deutschland.
III.
Da die Kläger unterlegen sind, haben sie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Wenzel, Vogt, Schneider, Krüger, Klein
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.11.1999 durch Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538910 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
VIZ 2000, 157 |
WM 2000, 366 |
ZAP-Ost 2000, 131 |
MDR 2000, 325 |
NJ 2000, 201 |
OVS 2000, 111 |