Leitsatz (amtlich)
§ 64 Satz 1 GmbHG ist kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB (Bestätigung von BGH, Beschl. v. 21.5.2019 - II ZR 337/17 ZIP 2019, 1719 Rz. 19).
Der Gläubiger einer GmbH kann den Erstattungsanspruch der Gesellschaft nicht selbst unmittelbar gegen einen Gesellschafter verfolgen, auch nicht bei einem Verstoß gegen § 73 Abs. 1 GmbHG.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2 Bf; GmbHG § 64 S. 1, § 31 Abs. 1, § 73 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.06.2018; Aktenzeichen 4 U 69/16) |
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 24.02.2016; Aktenzeichen 2-10 O 218/15) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Frankfurt 13.6.2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten entschieden wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der M. GmbH, gegen die der Kläger im Jahr 2009 gerichtlich einen Werklohnanspruch verfolgte.
Rz. 2
Am 19.6.2009 wurde die DI. GmbH (im Folgenden: DI. GmbH) in das Handelsregister eingetragen, deren Geschäftsführer der Beklagte ebenfalls war. Anschließend erfolgte die formwechselnde Umwandlung der M. GmbH in die DI. GmbH & Co. KG (im Folgenden: DI. KG) mit der DI. GmbH als Komplementärin. Am 14.7.2009 wurde das Erlöschen der Firma der DI. KG in das Handelsregister eingetragen und am Folgetag die Auflösung der DI. GmbH, deren Liquidator der Beklagte wurde.
Rz. 3
Der von der M. GmbH mandatierte Prozessbevollmächtigte teilte in dem Rechtsstreit mit dem Kläger mit Schriftsatz vom 27.1.2010 mit, dass die Gesellschaft erloschen sei. Am 28.1.2010 erging zugunsten des Klägers ein Versäumnisurteil gegen die M. GmbH, das dem Prozessbevollmächtigten am 5.2.2010 zugestellt wurde, sowie am 11.7.2010 ein Kostenfestsetzungsbeschluss.
Rz. 4
Der Beklagte stellte an die DI. GmbH zwischen dem 8.10.2009 und dem 14.11.2011 verschiedene Rechnungen über insgesamt 28.278,99 EUR, die er sich selbst auszahlte. Ferner veranlasste der Beklagte eine Zahlung der DI. GmbH an einen Notar i.H.v. 521,22 EUR. Am 7.5.2012 wurden die Beendigung der Liquidation und das Erlöschen der DI. GmbH bekannt gemacht.
Rz. 5
Der Kläger, der im Jahr 2011 Kenntnis von der Umwandlung erlangte und erfolglos die Zwangsvollstreckung gegen die DI. GmbH betrieb, richtete an den Beklagten unter der Anschrift ... ein auf den 16.12.2013 datiertes Schreiben, mit dem er den Beklagten zur Zahlung von 35.023,64 EUR aufforderte, weil dieser gem. § 823 Abs. 2 BGB, § 73 GmbHG für die gegenüber der M. GmbH titulierten Forderungen hafte. Der Beklagte, der zu dieser Zeit unter der Anschrift nicht mehr wohnte, bestreitet den Zugang des Schreibens. Am 17.12.2013 beantragte der Kläger den Erlass eines Mahnbescheids ebenfalls unter der Angabe der vorgenannten Adresse des Beklagten, wobei die Forderung mit "Werkvertrag/Werklieferungsvertrag gem. Zhlg.-Aufforderung vom 16.12.2013" bezeichnet wurde. Der Mahnbescheid wurde nach einem erfolglosen Zustellungsversuch und Korrektur der Adresse am 11.1.2014 an den Beklagten zugestellt, der die Einrede der Verjährung erhoben hat.
Rz. 6
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers unter Abweisung der weitergehenden Klage i.H.v. 28.278,99 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Senat zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision hat Erfolg. Sie führt, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rz. 8
Über die Revision ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da der Kläger in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten war. Das Urteil beruht inhaltlich jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urt. v. 4.4.1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.).
Rz. 9
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 10
Dem Kläger stehe gegen den Beklagten dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus §§ 71 Abs. 4, 64 Satz 1 GmbHG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB zu. Die DI. GmbH sei zahlungsunfähig gewesen, als der Beklagte aus dem Vermögen der Gesellschaft an sich selbst Zahlungen veranlasst habe. Die Forderung des Klägers gegen die M. GmbH habe sich nach der Umwandlung zunächst gegen die DI. KG gerichtet und mit deren Löschung sei die DI. GmbH selbst primär Schuldnerin geworden. Die Zahlungen seien nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar gewesen. Der Kläger hätte Insolvenzantrag stellen müssen. Stattdessen habe er die Liquidation fortgesetzt und sich über den Umweg der Liquidatorenvergütung für eine nicht erkennbare Tätigkeit im wirtschaftlichen Ergebnis seine Stammeinlage in die DI. GmbH zurückgezahlt.
Rz. 11
Zwar sei an sich die Gesellschaft Inhaberin des Anspruchs nach § 64 Satz 1 GmbHG. Sei jedoch die Liquidation der Gesellschaft abgeschlossen, könnten die Gesellschaftsgläubiger über § 823 Abs. 2 BGB einen Anspruch gegen den Geschäftsführer bzw. Liquidator unmittelbar geltend machen. Insoweit sei § 64 Satz 1 GmbHG Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. Die Insolvenzreife der DI. GmbH sei für den Beklagten erkennbar gewesen. Weder sei die Geltendmachung des Anspruchs treuwidrig noch sei der Anspruch verjährt. Der Anspruch sei erst mit der Beendigung der Liquidation der DI. GmbH am 7.5.2012 überhaupt entstanden und die dreijährige Regelverjährung daher nach der Zustellung der Anspruchsbegründung im vorliegenden Rechtsstreit am 15.6.2015 geendet.
Rz. 12
Dem Kläger stünde eine Forderung i.H.v. 28.278,99 EUR zu, welche dem Betrag entspreche, den der Beklagte an sich ausgezahlt habe. Auf diesen Betrag sei der Direktanspruch des Gläubigers begrenzt.
Rz. 13
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
Rz. 14
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass § 64 Satz 1 GmbHG Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ist, wenn die Liquidation der Gesellschaft abgeschlossen ist.
Rz. 15
a) Nach der Rechtsprechung des BGH ist zwischen dem Erstattungsanspruch der Gesellschaft nach § 64 Satz 1 GmbHG und der Insolvenzverschleppungshaftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft nach § 15a Abs. 1 InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB zu unterscheiden. Die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Insolvenzantragspflicht führt zu einer deliktischen Haftung des Geschäftsführers gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft, die auf den Ersatz des Schadens gerichtet ist, der ihnen durch die verspätete oder unterlassene Stellung des Insolvenzantrags entstanden ist (BGH, Urt. v. 16.12.1958 - VI ZR 245/57, BGHZ 29, 100, 102 ff.; Urt. v. 19.2.1990 - II ZR 268/88, BGHZ 110, 342, 360 f.; Urt. v. 24.1.2012 - II ZR 119/10 ZIP 2012, 723 Rz. 10, 27; Urt. v. 22.10.2013 - II ZR 394/12 ZIP 2014, 23 Rz. 7; Urt. v. 21.10.2014 - II ZR 113/13 ZIP 2015, 267 Rz. 13; Urt. v. 18.11.2014 - II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rz. 12). Demgegenüber handelt es sich bei § 64 Satz 1 GmbHG nicht um einen Deliktstatbestand, sondern um eine eigenständige Anspruchsgrundlage bzw. einen "Ersatzanspruch eigener Art", der der Erhaltung der verteilungsfähigen Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger dient und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger verhindern soll (BGH, Urt. v. 25.1.2010 - II ZR 258/08 ZIP 2010, 470 Rz. 10; Urt. v. 15.3.2011 - II ZR 204/09 ZIP 2011, 1007 Rz. 20; Beschl. v. 21.5.2019 - II ZR 337/17 ZIP 2019, 1719 Rz. 16). Nach Erlass des Berufungsurteils hat der Senat auch ausdrücklich ausgesprochen, dass § 64 Satz 1 GmbHG kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ist (BGH, Beschl. v. 21.5.2019 - II ZR 337/17 ZIP 2019, 1719 Rz. 16).
Rz. 16
b) Für den Zeitraum nach Abschluss der Liquidation ergibt sich nichts anderes. Der Schutzzweck des Zahlungsverbots nach § 64 Satz 1 GmbHG bleibt auch mit dem Abschluss der Liquidation unverändert. Das Berufungsgericht, das sich für seinen gegenteiligen Standpunkt auf die Entscheidung des Senats vom 13.3.2018 beruft, verkennt, dass in dieser Entscheidung die Schutzgesetzeigenschaft von § 73 Abs. 3 GmbHG verneint und ein unmittelbarer Anspruch des Gläubigers in entsprechender Anwendung von § 268 Abs. 2 i.V.m. § 93 Abs. 5 AktG angenommen wurde, wenn die Liquidation der GmbH beendet und lediglich ein Gläubiger vorhanden ist (BGH, Urt. v. 13.3.2018 - II ZR 158/16, BGHZ 218, 80 Rz. 15, 41 ff., 46 ff.).
Rz. 17
2. Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
Rz. 18
a) Der Kläger kann den Anspruch nicht auf § 31 Abs. 1 GmbHG stützen, weil es sich insoweit um einen der Gesellschaft zustehenden Anspruch handelt, den der Kläger nicht aus eigenem Recht verfolgen kann (BGH, Urt. v. 4.5.1977 - VIII ZR 298/75, BGHZ 68, 312, 319; Urt. v. 19.2.1990 - II ZR 268/88, BGHZ 110, 342, 360; Urt. v. 13.11.1995 - II ZR 113/94 ZIP 1996, 68; Urt. v. 16.7.2007 - II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 Rz. 36 - Trihotel; Urt. v. 24.10.2005 - II ZR 129/04 ZIP 2005, 2257 [zur Unterbilanzhaftung]; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl., § 31 Rz. 6; Ekkenga in MünchKomm/GmbHG, 3. Aufl., § 31 Rz. 21; Kuntz in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, § 31 Rz. 5; Heidinger in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 31 Rz. 7; Schmolke in BeckOK GmbHG, Stand: 1.5.2019, § 31 Rz. 29; Wicke, GmbHG, 3. Aufl., § 31 Rz. 4; Thiessen in Bork/Schäfer, GmbHG, 4. Aufl., § 31 Rz. 8; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 8. Aufl., Rz. 62; a.A. Habersack in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 31 Rz. 12; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl., § 31 Rz. 9; Konzen in FS Ulmer, 2003, S. 323, 345 f.; tendenziell auch Scholz/Verse, GmbHG, 12. Aufl., § 31 Rz. 8; Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., § 31 Rz. 5). Der Senat sieht auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsprechung zu § 73 Abs. 3 GmbHG, nach der - wie unter nachfolgend III 1a) näher erläutert - die Verfolgung des der Gesellschaft zustehenden Anspruchs durch einen bei der Liquidation übergangenen Gläubiger in Betracht kommt, keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen. Die Voraussetzung für eine entsprechende Anwendung der Bestimmungen des Aktiengesetzes, insb. des § 62 Abs. 2 AktG, sind nicht erfüllt.
Rz. 19
aa) Eine Analogie setzt voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke aufweist und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH, Urt. v. 3.2.2015 - II ZR 105/13 ZIP 2015, 778 Rz. 11; Beschl. v. 29.9.2015 - II ZB 23/14, BGHZ 207, 114 Rz. 23; Urt. v. 13.3.2018 - II ZR 158/16, BGHZ 218, 80 Rz. 31; Urt. v. 18.9.2018 - II ZR 312/16, BGHZ 219 Rz. 58; Urt. v. 8.1.2019 - II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rz. 14).
Rz. 20
bb) Für ein an die Vorschriften des Aktiengesetzes angelehntes Verfolgungsrecht der Gesellschaftsgläubiger in Bezug auf einen Anspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG fehlt es schon an einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz. Der Gesetzgeber hat im GmbH-Recht - anders als im Aktienrecht - die Pflicht des Gesellschafters, das Stammkapital der Gesellschaft zu erhalten, seit jeher ausdrücklich mit einem auf die Haftung gegenüber der Gesellschaft ausgerichteten Regelungskonzept abgesichert (Entwurf eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 9; Thiessen in Bork/Schäfer, GmbHG, 4. Aufl., § 31 Rz. 8) und hieran auch angesichts der vorstehend unter II 2a angeführten Rechtsprechung des BGH festgehalten.
Rz. 21
b) Für Ansprüche entsprechend § 31 Abs. 1 GmbHG gegen den begünstigten Gesellschafter wegen Verstoßes gegen § 73 Abs. 1 GmbHG gilt dies ebenso, weil die zu §§ 30, 31 GmbHG entwickelten Grundsätze auf diese Ansprüche übertragbar sind (BGH, Urt. v. 9.2.2009 - II ZR 292/07, BGHZ 179, 344 Rz. 42 - Sanitary; Paura in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 73 Rz. 53, 55; Gesell in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., § 73 Rz. 33; a.A. Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 11. Aufl., § 73 Rz. 20, 29; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 73 Rz. 15; MünchKomm/GmbHG/H.-F. Müller, 3. Aufl., § 73 Rz. 51; Brünkmans/Hofmann in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 4. Aufl., § 73 Rz. 23; Servatius in Bork/Schäfer, GmbHG, 4. Aufl., § 73 Rz. 20; Nerlich in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 73 Rz. 62; BeckOK GmbHG/Lorscheider, Stand: 1.8.2019, § 73 Rz. 13). Der Gegenansicht, die für ihre Position auf die besonderen Schwierigkeiten des übergangenen Gläubigers beim Zugriff auf den Anspruch der Gesellschaft hinweist (Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 11. Aufl., § 73 Rz. 29; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 73 Rz. 15; Brünkmans/Hofmann in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 4. Aufl., § 73 Rz. 23), ist zwar zuzugeben, dass der Senat die entsprechende Anwendung von § 268 Abs. 2 i.V.m. § 93 Abs. 5 AktG auf den gegen den Liquidator gerichteten Anspruch ebenfalls damit begründet hat, dass der Zugriff des Gläubigers auf den Anspruch im Wege der Pfändung zeitintensiv, kostenträchtig und nicht prozessökonomisch ist und dies der Regelungsabsicht des GmbHG, insb. des § 73 GmbHG, widerspreche (BGH, Urt. v. 13.3.2018 - II ZR 158/16, BGHZ 218, 80 Rz. 41 ff., 43 ff.). Der gegen den Gesellschafter gerichtete Anspruch findet seine Grundlage jedoch im allgemeinen Kapitalerhaltungsgebot, das in der Liquidationsphase der GmbH nach § 73 Abs. 1 GmbHG nur erweitert wird. Wie unter vorstehend a) aufgezeigt, fehlt es für ein an die Vorschriften des Aktiengesetzes angelehntes Verfolgungsrecht der Gesellschaftsgläubiger in Bezug auf einen Anspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG an einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz.
Rz. 22
III. Das Berufungsurteil ist aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Rz. 23
1. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Rz. 24
a) Ob der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 73 Abs. 3 Satz 1 GmbHG verfolgen kann, kann vom Senat nicht abschließend beurteilt werden. Der Liquidator einer GmbH, der bei der Verteilung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter eine Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber einem Gläubiger nicht berücksichtigt hat, ist, wenn die Gesellschaft bereits im Handelsregister gelöscht ist, dem Gläubiger analog §§ 268 Abs. 2 Satz 1, 93 Abs. 5 AktG jedenfalls dann unmittelbar zum Ersatz bis zur Höhe der verteilten Beträge verpflichtet, wenn keine weiteren Gläubiger vorhanden sind (BGH, Urt. v. 13.3.2018 - II ZR 158/16, BGHZ 218, 80 Rz. 46). Die Voraussetzungen eines Anspruchs gem. § 73 Abs. 3 Satz 1 GmbHG hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Rz. 25
aa) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte allerdings unter Verstoß gegen § 73 Abs. 1 GmbHG eine Verteilung vorgenommen.
Rz. 26
(1) Verteilung i.S.d. § 73 Abs. 1 GmbHG sind sämtliche Leistungen, die als Auszahlung i.S.d. § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG angesehen werden können (BGH, Urt. v. 9.2.2009 - II ZR 292/07, BGHZ 179, 344 Rz. 42 - Sanitary; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 11. Aufl., § 73 Rz. 2a; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 73 Rz. 2). Allerdings stehen Gesellschafter, die der Gesellschaft als Drittgläubiger gegenüberstehen, den anderen Gläubigern grundsätzlich gleich (BGH, Urt. v. 4.7.1973 - VIII ZR 156/72, WM 1975, 102 f.; Büteröwe in Henssler/Strohn, GesR, 4. Aufl., § 73 GmbHG Rz. 3; Brünkmans/Hofmann in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 4. Aufl., § 73 Rz. 8), es sei denn, die Tilgung der Verbindlichkeit wäre eine verdeckte Ausschüttung (Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 11. Aufl., § 73 Rz. 2a; vgl. BGH, Urt. v. 13.11.1995 - II ZR 113/94 ZIP 1996, 68; Beschl. v. 15.10.2007 - II ZR 243/06, DStR 2007, 2270, 2271).
Rz. 27
(2) Das Berufungsgericht hat festgestellt, der Beklagte habe sich über den Umweg der Liquidatorenvergütung für eine nicht erkennbare Tätigkeit im wirtschaftlichen Ergebnis seine Stammeinlage in die DI. GmbH zurückgezahlt. Damit hat es eine verdeckte Ausschüttung an den Beklagten bejaht. Dies greift die Revision nicht an.
Rz. 28
bb) Liegt eine Verteilung unter Verstoß gegen § 73 Abs. 1 GmbHG vor, ist der Gläubiger so zu stellen, wie er bei Berücksichtigung der Forderung in der Liquidation gestanden hätte (BGH, Urt. v. 13.3.2018 - II ZR 158/16, BGHZ 218, 80 Rz. 46). Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, insb. ist unklar, ob es sich bei dem Kläger um den einzigen Gläubiger der DI. GmbH gehandelt hat, dessen Forderung im Liquidationsverfahren unberücksichtigt geblieben ist.
Rz. 29
b) Soweit ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO in Betracht kommen könnte, hat das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht erinnert, keine Feststellungen zum Schaden des Klägers getroffen. Ersatzfähig wäre der Schaden, der dem Kläger durch die verspätete oder unterlassene Stellung des Insolvenzantrags entstanden ist.
Rz. 30
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass nach dem bisherigen Sach- und Streitstand des Verfahrens nicht davon auszugehen ist, dass ein möglicher Anspruch gem. § 73 Abs. 3 Satz 1 GmbHG, den der Kläger entsprechend § 268 Abs. 2 i.V.m. § 93 Abs. 5 AktG verfolgen könnte, verjährt wäre.
Rz. 31
a) Der Anspruch aus § 73 Abs. 3 Satz 1 GmbHG verjährt nach § 73 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 43 Abs. 4 GmbHG innerhalb von fünf Jahren, wobei die Verjährung mit der Vornahme der pflichtwidrigen Handlung, also der Verteilung, beginnt (BGH, Urt. v. 9.2.2009 - II ZR 292/07, BGHZ 179, 344 Rz. 12 - Sanitary; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 11. Aufl., § 73 Rz. 30; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl., § 73 Rz. 15; MünchKomm/GmbHG/H.-F. Müller, 3. Aufl., § 73 Rz. 41; Paura in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 73 Rz. 43).
Rz. 32
An der Verjährung ändert es nichts, dass der Kläger den Anspruch nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung nur subsidiär geltend machen kann bzw. - wie der Senat ausgesprochen hat - jedenfalls nach Löschung der GmbH (BGH, Urt. v. 13.3.2018 - II ZR 158/16, BGHZ 218, 80 Rz. 55). Die entsprechende Anwendung von §§ 268 Abs. 2, 93 Abs. 5 AktG führt nur zu einem Verfolgungsrecht des Gläubigers (BGH, Urt. v. 13.3.2018 - II ZR 158/16, BGHZ 218, 80 Rz. 52). Unabhängig davon, ob der Gläubiger den Anspruch der Gesellschaft in Prozessstandschaft verfolgt (LG Köln, AG 1976, 105 f.; Habscheid in FS F. Weber, 1975, S. 197 f.) oder einen eigenen, von dem Anspruch der Gesellschaft abhängigen Anspruch (Hopt/Roth in Großkomm/AktG, 5. Aufl., § 93 Rz. 549 f.; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 93 Rz. 294; Spindler in MünchKomm/AktG, 5. Aufl., § 93 Rz. 301), würde zumindest die Abhängigkeit des Anspruchs von demjenigen der Gesellschaft dazu führen, dass der Schuldner in gleicher Weise wie gegenüber der Gesellschaft die Verjährung des Anspruchs einreden kann (Hopt/Roth in Großkomm/AktG, 5. Aufl., § 93 Rz. 596).
Rz. 33
b) Ausgehend von der zeitlich ersten Zahlung am 8.10.2009 kann Verjährung nicht eingetreten sein, wenn vom Kläger bis zum 8.10.2014 die Verjährung hemmende Maßnahmen ergriffen worden wären. Hierzu hat das Berufungsgericht zwar keine Feststellungen getroffen. Die Zustellung des Mahnbescheids am 11.1.2014 an den Beklagten konnte aber nach seinem eigenen Vorbringen gem. §§ 204 Abs. 1 Nr. 3, 209 BGB die Hemmung der Verjährung des hier verfolgten Anspruchs bewirken.
Rz. 34
aa) Der Mahnantrag und der auf seiner Grundlage ergangene Mahnbescheid muss den geltend gemachten prozessualen Anspruch nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO individualisieren, d.h., den Anspruch unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung bezeichnen. Fehlt es hieran, tritt keine Hemmung der Verjährung durch den antragsgemäß erlassenen Mahnbescheid ein. Die Individualisierung kann auch nicht mehr verjährungshemmend nachgeholt werden. Der Regelung des § 204 BGB liegt das Prinzip zugrunde, dass die Verjährung durch eine aktive Rechtsverfolgung des Gläubigers gehemmt wird, die einen auf die Durchsetzung seines Anspruchs gerichteten Willen für den Schuldner erkennbar macht; der Gläubiger muss dem Schuldner seinen Rechtsverfolgungswillen so klarmachen, dass dieser sich darauf einrichten muss, auch nach Ablauf der (ursprünglichen) Verjährungszeit in Anspruch genommen zu werden. Entscheidend ist mithin, ob die konkrete Maßnahme der Rechtsverfolgung die geforderte Warnfunktion erfüllt. Der Anspruchsgegner muss erkennen können, "worum es geht" (BGH, Urt. v. 18.6.2015 - III ZR 198/14, BGHZ 206, 41 Rz. 17 f.; Urt. v. 13.10.2015 - II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rz. 16; Urt. v. 8.5.2018 - II ZR 314/16 WM 2018, 2052 Rz. 11).
Rz. 35
Ein im Mahnverfahren geltend gemachter Anspruch ist dann i.S.v. § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinreichend individualisiert, wenn er durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so unterschieden und abgegrenzt werden kann, dass er Grundlage eines materiell rechtskraftfähigen Vollstreckungstitels sein kann und dem Schuldner die Beurteilung ermöglicht, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will. Wann diese Anforderungen erfüllt sind, kann nicht allgemein und abstrakt festgelegt werden; vielmehr hängen Art und Umfang der erforderlichen Angaben im Einzelfall von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruchs ab (BGH, Urt. v. 18.6.2015 - III ZR 198/14, BGHZ 206, 41 Rz. 19; Urt. v. 13.10.2015 - II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rz. 17; Urt. v. 8.5.2018 - II ZR 314/16 WM 2018, 2052 Rz. 12).
Rz. 36
Voraussetzung für die verjährungshemmende Wirkung ist allerdings nicht, dass aus dem Mahnbescheid für einen außenstehenden Dritten ersichtlich ist, welcher konkrete Anspruch mit dem Mahnbescheid geltend gemacht wird; es reicht aus, dass dies für den Antragsgegner erkennbar ist. Im Mahnbescheid kann zur Bezeichnung des geltend gemachten Anspruchs auch auf Rechnungen oder andere (vorprozessuale) Urkunden Bezug genommen werden. Diese sind jedenfalls dann zur Individualisierung des Anspruchs geeignet, wenn sie dem Mahnbescheid in Abschrift beigefügt werden oder dem Gegner bereits zugegangen sind (BGH, Urt. v. 13.10.2015 - II ZR 281/14, NJW 2016, 1083 Rz. 18). Die im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids enthaltene Falschangabe des Datums eines vorprozessualen Anspruchsschreibens, auf das der Antragsteller, ohne es dem Antrag beizufügen, zur Individualisierung seines Anspruchs Bezug nimmt, ist unschädlich, wenn für den Antragsgegner ohne Weiteres ersichtlich ist, um welches Schreiben es sich handelt (BGH, Urt. v. 14.7.2010 - VIII ZR 229/09 NJW-RR 2010, 1455 Rz. 13).
Rz. 37
bb) Danach ist unter Berücksichtigung des Beklagtenvorbringens die Verjährung durch die Zustellung des Mahnbescheids am 11.1.2014 gehemmt worden. Zwar ist nicht festgestellt, dass das im Mahnbescheid bezeichnete Anspruchsschreiben vom 16.12.2013 dem Beklagten bekannt war. Der Beklagte hat aber vorgetragen, vom Kläger mit Schreiben vom 20.12.2013, zugestellt am 24.12.2013, zur Zahlung der im Mahnbescheid bezeichneten Forderung aufgefordert worden zu sein und dieses Schreiben vorgelegt. Die dem Schreiben beigefügte Forderungsaufstellung entspricht dem Betrag nach der im Mahnverfahren geltend gemachten Forderung. In dem Schreiben macht der Kläger auch deutlich, dass er den Beklagten wegen der Verletzung der sich aus § 73 GmbHG ergebenden Pflichten in Anspruch nehmen will.
Rz. 38
Für die Hemmung der Verjährung kommt es entgegen der Sicht der Revision nicht darauf an, dass der Kläger die einzelnen aus dem Vermögen der DI. GmbH geleisteten Zahlungen nicht bezeichnet hat. Anders als die Revision meint, ist der Anspruch nicht - wie etwa der Anspruch aus § 64 Satz 1 GmbHG (vgl. dazu BGH, Urt. v. 8.5.2018 - II ZR 314/16 WM 2018, 2052 Rz. 15) - auf Erstattung der an die Gesellschafter verteilten Einzelbeträge gerichtet, die jeweils als rechtlich selbstständiger Anspruch anzusehen sind, sondern auf Schadensersatz (Paura in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 73 Rz. 38). Der Gläubiger, der den Anspruch der Gesellschaft verfolgt, ist so zu stellen, wie er bei der Berücksichtigung seiner Forderung in der Liquidation gestanden hätte (BGH, Urt. v. 13.3.2018 - II ZR 158/16, BGHZ 218, 80 Rz. 62). Angesichts dessen reicht es für die Individualisierung des Anspruchs aus, dass der Gläubiger die ihm gegen die Gesellschaft zustehende Forderung konkret bezeichnet.
IV. Rechtsbehelfsbelehrung:
Rz. 39
Gegen dieses Versäumnisurteil kann die säumige Partei innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung des Versäumnisurteils beginnt, schriftlich Einspruch durch eine von einer beim BGH zugelassenen Rechtsanwältin oder einem beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnete Einspruchsschrift beim BGH, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe (Postanschrift: 76125 Karlsruhe) einlegen.
Fundstellen
Haufe-Index 13679426 |
BB 2020, 1237 |
BB 2020, 395 |
DB 2020, 329 |
DStR 2020, 458 |