Leitsatz (amtlich)
Zum Grundsatz der Staatenimmunität, wenn die Klage auf Rückzahlungsansprüche aus Staatsanleihen gestützt ist, die infolge der nachträglich durch Gesetz eingeführten Allgemeinverbindlichkeitserklärung einer Gläubigerentscheidung gegen andere Staatsanleihen ausgetauscht worden sind (Fortführung von BGH, Urt. v. 8.3.2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191).
Normenkette
GG Art. 25; GVG § 20 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG Schleswig vom 7.7.2016 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Kläger machen gegen die Hellenische Republik Zahlungsansprüche aus von dieser emittierten Staatsanleihen geltend, die im März 2012 eingezogen und durch neue Anleihen mit einem niedrigeren Nennwert ersetzt wurden.
Rz. 2
Im September 2010 und im März 2011 erwarben die Kläger von der Beklagten in den Jahren 1998 und 2003 emittierte ISIN-GR-Anleihen und zahlten dafür insgesamt 41.571,41 EUR. Bei den Anleihen, deren Anleihebedingungen keine Umschuldungsklauseln (sog. Collective Action Clauses) enthielten, handelte es sich um dematerialisierte Wertpapiere, die im Girosystem der griechischen Zentralbank registriert waren und die zunächst nur an in diesem System registrierte "Träger" ausgegeben wurden.
Rz. 3
Der Kläger zu 1) erwarb über die H. Sparkasse AG bzw. über die c. bank AG Anleihen mit einem Nennwert von insgesamt 24.000 EUR. Die Klägerin zu 2) erwarb über die D. Bank Privat- und Geschäftskunden AG Anleihen mit einem Nominalwert von 20.000 EUR. Auf den den Klägern erteilten Abrechnungen zu den getätigten Anleihekäufen findet sich jeweils der Hinweis "Wertpapierrechnung Verwahrland Griechenland" bzw. "Verwahrungs-Art: Wertpapierrechnung Griechenland".
Rz. 4
Im Zuge der Restrukturierung des griechischen Staatshaushaltes wurde durch das griechische Gesetz 4050/2012 vom 23.2.2012 geregelt, dass durch Mehrheitsentscheidung der Anleihegläubiger Anleihebedingungen geändert und ein Umtausch von Anleihen gegen neue Anleihen vorgesehen werden können und diese Entscheidung sodann durch Beschluss des Ministerrates der Beklagten für allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Nach dem Gesetz bewirkt der Ministerratsbeschluss, dass die überstimmte Minderheit der Anleihegläubiger an den Mehrheitsbeschluss gebunden ist und dieser Vorrang vor gegenteiligen Gesetzesbestimmungen, Rechtsvorschriften oder Vereinbarungen hat. Überdies führt im Fall eines Austausches der betroffenen Titel die Einbuchung der neuen Titel im Girosystem zur Aufhebung aller Rechte und Verpflichtungen aus den alten Titeln. Eine Änderung der betroffenen Anleihen erfordert, dass die Anleihegläubiger sich an der Abstimmung über die Änderung bzw. den Umtausch mit einem Quorum von mindestens 50 % des ausstehenden Nennbetrages beteiligen und eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln des teilnehmenden Kapitals dem Änderungsvorschlag zustimmt.
Rz. 5
Am 24.2.2012 richtete sich die Beklagte an Investoren, die direkt am Girosystem der griechischen Zentralbank beteiligt waren, und lud diese zur Teilnahme an der Umschuldung ein. Sie bot an, die betroffenen Anleihepapiere gegen neue Staatsanleihen und Schuldverschreibungen mit einem um 53,5 % verringerten Nennwert umzutauschen.
Rz. 6
Die an der Abstimmung teilnehmenden Gläubiger repräsentierten zusammen 91,5 % des ausstehenden Gesamtnennbetrages und 94,34 % des teilnehmenden Kapitals stimmten für den Änderungsvorschlag. Mit ihrer Billigung durch Beschluss des Ministerrats der Beklagten vom 9.3.2012 wurde diese Mehrheitsentscheidung allgemeinverbindlich. Aufgrund dessen wurden am 12.3.2012 die alten Anleihen eingezogen, womit sämtliche aus ihnen resultierenden Rechte und Pflichten erloschen, und die neuen Anleihen in das Girosystem der griechischen Zentralbank eingebucht. Daraufhin wurden auch in den Depotbeständen der Kläger, die dem Umtausch nicht zugestimmt hatten, die alten Anleihen ausgebucht und gleichzeitig die neuen Anleihen mit geringerem Nennwert sowie anderer Stückelung und Laufzeit eingebucht.
Rz. 7
Mit ihrer Klage begehren die Kläger Zahlung des für den Erwerb der Anleihen investierten Kapitals abzgl. vereinnahmter Zahlungen, Zug um Zug gegen Abtretung der im März 2012 eingebuchten Anleihen, und Ersatz entgangenen Gewinns aus einer alternativen Festzinsanlage. Die Kläger stützen sich in erster Linie auf von ihnen behauptete vertragliche Ansprüche auf Rückzahlung der ursprünglich erworbenen Staatsanleihen bzw. auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung und hilfsweise auf Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung bzw. wegen rechtswidriger Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriffs.
Rz. 8
Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen, da der Klage der Grundsatz der Staatenimmunität entgegenstehe. Auf die Frage der internationalen Zuständigkeit komme es somit nicht an. Die Berufung der Kläger hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 10
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in WM 2017, 285 veröffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 11
Das LG habe die Klage mit Recht als unzulässig abgewiesen, weil die deutsche Gerichtsbarkeit nicht eröffnet sei. Dies sei bereits höchstrichterlich geklärt, soweit die Kläger Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger Schädigung bzw. wegen rechtswidriger Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriffs geltend machten. Die Beklagte könne sich aber auch bezüglich vertraglicher Erfüllungs- und Nichterfüllungsansprüche auf die Staatenimmunität berufen. Denn auch insoweit seien die Umschuldungsmaßnahmen und nicht die verweigerte Erfüllung eines im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrags von der Beklagten als Vertragspartnerin geschuldeten Zahlungsanspruchs Gegenstand des Rechtsstreits. Bei einer Entscheidung über Ansprüche aus dem Grundverhältnis wäre über die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten durchgeführten Umschuldungsmaßnahmen zu befinden, da auch die Kläger davon ausgingen, dass Erfüllungsansprüche aus den ursprünglichen Anleihen nur dann noch existieren könnten, wenn das Gesetz "rechtswidrig" sei. Überdies bleibe ein Staat auch als Marktteilnehmer ein spezieller Vertragspartner. Er behalte auch bei seinem Auftreten als Marktteilnehmer grundsätzlich seine hoheitlichen Rechte und könne sich, wenn er diese im Rahmen des Vertragsverhältnisses ausübe, auf seine Staatenimmunität berufen. Denn wenn der Staat gezielt durch hoheitliches Handeln das Vertragsverhältnis störe, erscheine es nicht möglich, in einer nachfolgend gegen den Staat gerichteten Haftungsklage keine Infragestellung von Handlungen in Ausübung hoheitlicher Rechte zu sehen.
Rz. 12
Überdies wären die deutschen Gerichte jedenfalls international nicht zuständig. Es handele sich schon nicht um eine Zivil- oder Handelssache i.S.v. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: EuGVVO a.F.). Überdies seien weder die Voraussetzungen des Verbrauchergerichtsstands gem. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 EuGVVO a.F. gegeben noch liege der gem. Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO a.F. maßgebliche Erfüllungsort im Bezirk des LG Itzehoe.
II.
Rz. 13
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.
Rz. 14
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Grundsatz der Staatenimmunität der Klage insgesamt entgegensteht.
Rz. 15
a) Die Frage, ob die deutsche Gerichtsbarkeit nach den Grundsätzen der Staatenimmunität eröffnet ist, ist von Amts wegen (BVerfGE 46, 342, 359; BGH, Urt. v. 9.7.2009 - III ZR 46/08, BGHZ 182, 10 Rz. 20 m.w.N.; v. 8.3.2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rz. 11; v. 24.3.2016 - VII ZR 150/15, BGHZ 209, 290 Rz. 16) und vor Ermittlung der internationalen Zuständigkeit (BGH, Urt. v. 8.3.2016, a.a.O., und Beschl. v. 26.11.2015 - III ZR 26/15, juris Rz. 3; Stürner, IPRax 2008, 197, 203 m.w.N.; Wagner, RIW 2014, 260, 261) zu prüfen.
Rz. 16
b) Soweit im Völkerrecht in einem allgemeinen Sinne von Staatenimmunität die Rede ist, bezieht sich diese auf den völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsatz, dass ein Staat nicht fremdstaatlicher nationaler Gerichtsbarkeit unterworfen ist. Allerdings hat das Recht der allgemeinen Staatenimmunität, nicht zuletzt wegen des zunehmend kommerziellen grenzüberschreitenden Tätigwerdens staatlicher Stellen, einen Wandel von einem absoluten zu einem nur mehr relativen Recht durchlaufen. Es ist keine allgemeine Regel des Völkerrechts mehr, dass ein Staat Immunität auch für nicht-hoheitliches Handeln ("acta iure gestionis") genießt (vgl. BVerfGE 16, 27, 33 ff.; 117, 141, 152 f.; BVerfG NJW 2014, 1723 Rz. 19; BGH, Urt. v. 8.3.2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rz. 12). Staatenimmunität besteht aber nach dem als Bundesrecht i.S.v. Art. 25 GG geltenden allgemeinen Völkergewohnheitsrecht auch heute noch weitgehend uneingeschränkt für solche Akte, die hoheitliches Handeln eines Staates darstellen ("acta iure imperii"), soweit der ausländische Staat auf sie nicht verzichtet. Andernfalls könnte die rechtliche Prüfung durch die Gerichte eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns erfordern, was mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus folgenden Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht vereinbar wäre (vgl. BVerfGE 117, 141, 152 f.; BVerfG NJW 2014, 1723 Rz. 19 f.; BGH, Urt. v. 26.9.1978 - VI ZR 267/76, WM 1979, 586 und vom 8.3.2016, a.a.O.).
Rz. 17
Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Staatstätigkeit richtet sich nicht nach deren Motiv oder Zweck. Sie kann auch nicht danach vorgenommen werden, ob die Betätigung in erkennbarem Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben des Staates steht. Dies folgt daraus, dass die Tätigkeit eines Staates, wenn auch nicht insgesamt, aber doch zum weitaus größten Teil hoheitlichen Zwecken und Aufgaben dient und mit ihnen in einem erkennbaren Zusammenhang steht. Maßgebend für die Unterscheidung ist vielmehr die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses. Es kommt darauf an, ob der ausländische Staat in Ausübung der ihm zustehenden Hoheitsgewalt und damit öffentlich-rechtlich oder wie eine Privatperson, also privatrechtlich, tätig geworden ist (BVerfGE 16, 27, 61 f.; BGH, Urt. v. 8.3.2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rz. 14 und Beschl. v. 30.1.2013 - III ZB 40/12, WM 2013, 1903 Rz. 11).
Rz. 18
Mangels völkerrechtlicher Unterscheidungsmerkmale ist die Abgrenzung grundsätzlich nach dem Recht des entscheidenden Gerichts zu beurteilen (BVerfGE 16, 27, 62; BVerfG NJW 2014, 1723 Rz. 21; BGH, Urt. v. 8.3.2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rz. 15), hier also nach deutschem Recht. Die Heranziehung nationaler Regelungen zur Unterscheidung hoheitlichen staatlichen Handelns von nicht-hoheitlichem staatlichem Handeln findet erst dort ihre Grenze, wo der unter den Staaten allgemein anerkannte Bereich hoheitlicher Tätigkeit berührt ist. Das betrifft etwa die Betätigung der auswärtigen und militärischen Gewalt, die Gesetzgebung, die Ausübung der Polizeigewalt und die Rechtspflege (vgl. BVerfGE 16, 27, 63; BVerfG NJW 2014, 1723 Rz. 21; BGH, Urt. v. 8.3.2016, a.a.O.). Insoweit kann es ausnahmsweise geboten sein, eine nach nationalem Recht als privatrechtlich einzuordnende Tätigkeit eines ausländischen Staates gleichwohl als der Staatenimmunität unterfallenden Akt iure imperii zu qualifizieren, wenn dieser zum Kernbereich völkerrechtlich anerkannter Staatsgewalt zu rechnen ist (vgl. BVerfGE 16, 27, 63 f.; BVerfG NJW 2014, 1723 Rz. 21; BGH, Urt. v. 8.3.2016, a.a.O.).
Rz. 19
c) Nach diesen Grundsätzen steht - wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision unangegriffen angenommen hat - der Klage der Grundsatz der Staatenimmunität entgegen, soweit sie (hilfsweise) auf Schadensersatzansprüche wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung bzw. wegen rechtswidriger Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriffs gestützt ist. Insoweit besteht das maßgebliche, potentiell haftungsbegründende Verhalten der Beklagten im Erlass des Gesetzes 4050/2012 vom 23.2.2012 sowie dem Beschluss des Ministerrats vom 9.3.2012, aufgrund derer die Mehrheitsentscheidung der Gläubiger über das Umtauschangebot allgemeinverbindlich wurde und bei denen es sich um hoheitliche Maßnahmen handelt, deren Rechtmäßigkeitskontrolle der Grundsatz der Staatenimmunität verhindern will (BGH, Urt. v. 8.3.2016 - VI ZR 516/14, BGH 209, 191 Rz. 19 ff.).
Rz. 20
d) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend angenommen, dass der Klage der Grundsatz der Staatenimmunität auch insoweit entgegensteht, als sie auf vertragliche Rückzahlungsansprüche aus den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen bzw. auf vertragliche Ersatzansprüche wegen deren Nichterfüllung gestützt ist (ebenso OLG München, Urt. v. 8.12.2016 - 14 U 4840/15, juris Rz. 145 ff.; OLG Oldenburg, Urt. v. 26.5.2017 - 6 U 1/17, n.v. Umdr. S. 11 ff.; OLG Dresden, Urt. v. 21.6.2017 - 5 U 1533/16, n.v. Umdr. S. 7; OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.7.2017 - 16 U 85/16, n.v. Umdr. S. 21 ff.; OLG Köln, Urt. v. 1.9.2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdr. S. 12 ff.; OLG Hamburg, Urt. v. 1.9.2017 - 1 U 145/16, n.v. Umdr. S. 8 ff.; KG, Urt. v. 11.9.2017 - 10 U 173/15, n.v. Umdr. S. 6 ff.; LG Konstanz, Urt. v. 19.11.2013 - 2 O 132/13, IPRspr. 2013 Nr. 172 S. 370, 372; LG Osnabrück, RIW 2016, 76, 77 ff.; LG Kempten, Urt. v. 16.11.2015 - 21 O 1342/14, BeckRS 2015, 116949 Rz. 16; LG Bonn, Urt. v. 19.10.2016 - 1 O 216/14, juris Rz. 130 ff.; v. 14.12.2016 - 1 O 317/13, juris Rz. 52 ff.; Freitag in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl., Rz. 6.657).
Rz. 21
aa) Zwar stellt die Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen nach ganz überwiegender Ansicht ein nicht-hoheitliches Handeln dar (vgl. nur BVerfGE 117, 141, 153; BGH, Urt. v. 8.3.2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rz. 17; OLG Oldenburg, WM 2016, 1878, 1880; OLG Köln WM 2016, 1590, 1594 m.w.N.; vgl. auch EuGH, Urt. v. 11.6.2015 - Rs. C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, Fahnenbrock u.a., ZIP 2015, 1250 Rz. 53).
Rz. 22
Nach der oben dargestellten Rechtsprechung kommt es für die Frage der Immunität aber nicht auf die Rechtsnatur des Grundverhältnisses an, sondern auf die Natur der staatlichen Handlung, also die Rechtsnatur der Maßnahme, über deren Berechtigung die Parteien streiten (BGH, Urt. v. 8.3.2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rz. 17). Demgemäß hat das BVerfG in einem Fall, dem eine Lohnzahlungsklage gegen den griechischen Staat zugrunde lag (vgl. BAGE 144, 244 Rz. 6), der den Nettolohn eines bei ihm in Deutschland beschäftigten Staatsbürgers wegen der Einführung einer Quellensteuer i.H.v. 5 % des Bruttolohnes gekürzt hatte, die Immunität mit der Begründung bejaht, Gegenstand des Rechtsstreits sei die hoheitlich zu beurteilende Besteuerung mit der ausländischen Quellensteuer durch den beklagten Staat, nicht die unterbliebene vollständige Auszahlung eines im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis vom beklagten Staat als Arbeitgeber geschuldeten (Brutto-)Gehalts (BVerfG NJW 2014, 1723 Rz. 22). Damit hat das BVerfG nicht auf die teilweise Nichtzahlung des Arbeitsentgelts abgestellt, sondern auf den Grund für diese Nichtzahlung, nämlich die Steuererhebung.
Rz. 23
bb) Nach diesen Maßgaben ist für die Beurteilung der Immunität im vorliegenden Fall unabhängig von der rechtlichen Einkleidung der geltend gemachten Zahlungsansprüche nicht die Rechtsnatur der Kapitalaufnahme durch Emission von Staatsanleihen, sondern die Rechtsnatur der hoheitlichen Maßnahmen der Beklagten, die letztlich zur Ausbuchung der Anleihen aus den Wertpapierdepots der Kläger führten, maßgeblich (OLG München, Urt. v. 8.12.2016 - 14 U 4840/15, juris Rz. 146 ff.; LG Konstanz, Urt. v. 19.11.2013 - 2 O 132/13, IPRspr. 2013 Nr. 172 S. 372; LG Osnabrück, RIW 2016, 76, 77; LG Bonn, Urt. v. 19.10.2016 - 1 O 216/14, juris Rz. 131; v. 14.12.2016 - 1 O 317/13, juris Rz. 53).
Rz. 24
(1) Auch wenn sich die Kläger darauf berufen, vertragliche Erfüllungsansprüche aus den ursprünglich von ihnen erworbenen Staatsanleihen bzw. vertragliche Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung geltend zu machen, ist - wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat - zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Rechtsstreits nicht einfach die im Zeitpunkt der Fälligkeit verweigerte Erfüllung eines im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrages von der Beklagten als Vertragspartnerin geschuldeten Zahlungsanspruchs ist (ebenso OLG München, Urt. v. 8.12.2016 - 14 U 4840/15, juris Rz. 147; LG Bonn, Urt. v. 19.10.2016 - 1 O 216/14, juris Rz. 132; KG, Urt. v. 11.9.2017 - 10 U 173/15, n.v. Umdr. S. 7). Denn bei den streitgegenständlichen Anleihen handelt es sich um (dematerialisierte) Wertpapiere, die griechischem Recht unterlagen, im System der griechischen Zentralbank geführt wurden und vor Eintritt ihrer Fälligkeit auf der Grundlage des Gesetzes 4050/2012 und des Ministerratsbeschlusses vom 9.3.2012 zunächst aus diesem System und in der Folge auch aus den Wertpapierdepots der Kläger ausgebucht wurden. Ferner ist in dem Gesetz 4050/2012 vorgesehen, dass die Einbuchung der neuen Anleihen im Girosystem zur Aufhebung aller Rechte und Verpflichtungen aus den alten Titeln führt.
Rz. 25
Angesichts dieser Umstände würde die Zuerkennung eines vertraglichen Erfüllungsanspruchs denknotwendig voraussetzen, dass das angerufene Gericht die Rechtswidrigkeit und eine daraus ggf. resultierende Nichtigkeit oder Unbeachtlichkeit des Gesetzes 4050/2012 und des Ministerratsbeschlusses vom 9.3.2012 feststellt (vgl. OLG München, Urt. v. 8.12.2016 - 14 U 4840/15, juris Rz. 149; LG Osnabrück, RIW 2016, 76, 78 f.; LG Wuppertal, Urt. v. 26.4.2016 - 5 O 218/14, n.v. Umdr. S. 20).
Rz. 26
Damit ist aber gerade eine Beurteilung des hoheitlichen Handelns der Beklagten erforderlich, die mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus folgenden Rechtsprinzip, dass Staaten nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht vereinbar wäre (vgl. Nodoushani, WuB 2016, 481, 485). Denn es geht - ebenso wie im Rahmen außervertraglicher Ansprüche - maßgeblich um die Frage, ob der griechische Gesetzgeber berechtigt war, mit Wirkung gegenüber ausländischen Gläubigern, die beim Erwerb der Anleihen in die Geltung seiner Zivilrechtsordnung eingewilligt hatten, gegen deren Willen neue Vorschriften in seine Rechtsordnung einzufügen, welche früher geltende Normen ersetzen oder ergänzen. Gerade dadurch ist aber der Grundsatz der Staatenimmunität unmittelbar berührt (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rz. 25; Paulus EWiR 2016, 577, 578).
Rz. 27
Noch deutlicher wird - worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist - dieser enge Zusammenhang mit dem unstreitig hoheitlichen Handeln der Beklagten durch Gesetz und Ministerratsbeschluss, soweit die Kläger einen vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung aus § 280 Abs. 1 BGB geltend machen. Denn insofern wird gerade das hoheitliche Handeln der Beklagten als maßgebliche, die Schadensersatzpflicht auslösende Pflichtverletzung gerügt.
Rz. 28
(2) Die Beklagte kann - entgegen der Ansicht der Revision (ebenso OLG Oldenburg, WM 2016, 1878, 1880; OLG Köln WM 2016, 1590, 1594; Mankowski WuB 2017, 290, 293; M. J. Müller RIW 2016, 80, 81) - auch nicht mit einem sonstigen Schuldner einer privaten Forderung gleichgesetzt werden, der sich darauf beruft, seine Verbindlichkeit sei durch ein Gesetz oder eine andere hoheitliche Maßnahme erloschen, und dessen Einwendung nach dem anwendbaren materiellen Recht zu prüfen ist (OLG Köln, Urt. v. 1.9.2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdr. S. 14 f.). Denn die Beklagte hat hier die zum Erlöschen ihrer Verbindlichkeit führenden Maßnahmen selbst in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger durch Parlamentsgesetz und Ministerratsbeschluss erlassen, während einem privaten Schuldner ein gesetzlicher Eingriff in vertragliche Verpflichtungen unmöglich ist (OLG Köln, Urteil vom 1.9.2017, a.a.O.; LG Bonn, Urt. v. 19.10.2016 - 1 O 216/14, juris Rz. 132; Thole, WM 2012, 1793, 1794).
Rz. 29
cc) Der Einordnung der hier für die Beurteilung der Immunität maßgeblichen Maßnahmen als hoheitlich steht das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (nachfolgend: EuGH) vom 11.6.2015 (C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, Fahnenbrock u.a., ZIP 2015, 1250) nicht entgegen. Dieses Urteil ist zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (EuZustVO, ABl. Nr. L 324, S. 79) ergangen und befasst sich nur mit der Zustellung von Klagen, also mit der Möglichkeit, einen Sachverhalt überhaupt zur gerichtlichen Überprüfung zu bringen und die Gelegenheit zur Klärung komplexer juristischer Fragen zu schaffen. Demgemäß hat der EuGH auf die Besonderheiten des unionsrechtlichen Zustellungsrechts abgestellt, insb. auf das mit der EuZustVO verfolgte Ziel der Schnelligkeit bei der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke und die damit verbundene Beschränkung auf eine erste Prüfung der vorliegenden Informationen (vgl. EuGH, a.a.O., Rz. 46). Immunitätsfragen stellen sich auf dieser Stufe noch nicht, sondern erst auf der Stufe der Gerichtsbarkeit, die der Zustellung nachgelagert ist (BGH, Urt. v. 8.3.2016 - VI ZR 516/14, BGHZ 209, 191 Rz. 24; Knöfel, RIW 2015, 503, 504; Mankowski, EWiR 2015, 495, 496).
Rz. 30
dd) Der Verneinung der deutschen Gerichtsbarkeit im vorliegenden Fall steht auch nicht das Urteil des BGH vom 20.7.2016 (IV ZR 245/15, WM 2016, 1586) entgegen (ebenso OLG Köln, Urt. v. 1.9.2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdr. S. 16). In diesem Urteil hat der BGH entschieden, dass eine Klage auf Rückzahlung griechischer Staatsanleihen, die von der Hellenischen Republik wegen des Zwangsumtausches der Anleihen aufgrund des Gesetzes 4050/2012 verweigert wird, vom Deckungsschutz in der Rechtschutzversicherung nicht durch eine Klausel ausgeschlossen ist, nach der Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Enteignungs-, Planfeststellungs-, Flurbereinigungs- sowie im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten besteht (BGH, a.a.O., Rz. 20 ff.). Die Frage der - möglicherweise fehlenden - Erfolgsaussichten einer Klage gegen die Hellenische Republik ist offen gelassen worden, weil dieser Einwand nicht in der gebotenen Form und Frist erhoben worden war (BGH, a.a.O., Rz. 32 ff.).
Rz. 31
ee) Das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit ergibt sich auch nicht aus Art. 10 Abs. 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit vom 2.12.2004 (ILM 44 (2005), 801, 807), da dieses Übereinkommen bisher nicht in Kraft getreten und weder von Griechenland noch von Deutschland gezeichnet oder ratifiziert worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die in diesem Artikel enthaltene Regelung, die überdies die Feststellung einer internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetzt (vgl. YILC 1991 II (2) S. 34), die Immunität über die oben dargestellte Rechtsprechung hinaus einschränken würde und insoweit als Völkergewohnheitsrecht gälte (so zu der Regelung für Arbeitsverträge in Art. 11 des Übereinkommens EGMR, Urt. v. 23.3.2010 - 15869/02, Cudak/Litauen, Slg. 2010 - III, 153 Rz. 66 f.; v. 29.6.2011 - 34869/05, Sabeh El Leil/Frankreich, NJOZ 2012, 1333 Rz. 54; in Bezug auf Art. 10 offengelassen von BGH, Urt. v. 24.3.2016 - VII ZR 150/15, BGHZ 209, 290 Rz. 21 und 24), sind nicht ersichtlich (vgl. OLG Köln, Urt. v. 1.9.2017 - 6 U 186/16, n.v. Umdr. S. 18).
Rz. 32
ff) Schließlich steht der Verneinung der deutschen Gerichtsbarkeit im vorliegenden Fall auch nicht das Urteil des BAG vom 26.4.2017 (5 AZR 962/13, RIW 2017, 611 Rz. 15 ff.) entgegen. Die diesem Urteil zugrunde liegende Fallkonstellation ist nicht mit der hier in Rede stehenden vergleichbar, da die streitgegenständlichen Anleihen griechischem Recht unterlagen, im System der griechischen Zentralbank geführt wurden und aufgrund der streitgegenständlichen hoheitlichen Maßnahmen aus diesem System ausgebucht und durch neue Anleihen ersetzt wurden.
Rz. 33
2. Da die Klage somit schon deshalb unzulässig ist, weil die deutsche Gerichtsbarkeit nicht eröffnet ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob die Auffassung des Berufungsgerichts, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich weder aus Art. 15 Abs. 1, Art. 16 Abs. 1 EuGVVO a.F. noch aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO a.F., rechtlicher Überprüfung standhält.
Fundstellen
Haufe-Index 11469466 |
BGHZ 2019, 153 |
DB 2018, 1138 |
DB 2018, 6 |
DB 2018, 7 |