Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirkungen einer unzulässigen und unbegründeten Klage zur Zeit der Erledigungserklärung des Klägers bei Widerspruch des Beklagten
Leitsatz (amtlich)
Das Feststellungsinteresse für einen Antrag gegen den künftigen Erblasser auf Feststellung des Nichtbestehens eines Pflichtteilsentziehungsrechts entfällt nach dessen Tode.
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1; BGB § 2333
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 8. März 1991 aufgehoben, soweit über die Kosten entschieden und festgestellt ist, daß die Mutter der Parteien kein Recht gehabt habe, dem Kläger den Pflichtteil aufgrund des Vorfalls zu entziehen, der in dem Erbvertrag vom 22. Juli 1983 - UR Nr. 1618/83 Notar Salzmann, Trier - geschildert ist. Die Klage wegen der genannten Feststellung wird abgewiesen.
Von den Kosten des zweiten und des dritten Rechtszuges tragen der Kläger 16% und die Beklagte 84%.
Tatbestand
Der Kläger ist durch Erbvertrag seiner Eltern vom 2. Juli 1983 von beiden Elternteilen enterbt worden; zu ihrer Alleinerbin haben beide Eltern die Schwester des Klägers berufen. In dem Erbvertrag erklärten die Eltern ferner, dem Kläger die beiden Pflichtteile nach ihnen zu entziehen, weil er den Vater vorsätzlich körperlich mißhandelt habe. Der Kläger läßt beide Pflichtteilsentziehungen nicht gelten, weil er nicht in der behaupteten und im Erbvertrag näher dargestellten Weise gegen seinen Vater tätlich geworden und weil die angebliche Tätlichkeit nicht geeignet sei, eine Pflichtteilsentziehung zu rechtfertigen.
Nach dem Tode des Vaters am 22. Februar 1986 nahm die Schwester des Klägers die Erbschaft an. Der Kläger erhob Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit beider Pflichtteilsentziehungen, und zwar gegen die Mutter, soweit es sich um die von ihr ausgesprochene Entziehung handelt, und gegen die Schwester wegen der Entziehung durch den Vater. Gegen die Schwester richtet sich auch das weitere Begehren, mit dem der Kläger von dieser Auskunft über den Nachlaß des Vaters sowie Wertermittlung und im Wege der Stufenklage nicht näher bezifferte Zahlungen auf seinen Pflichtteil nach diesem fordert.
Das Landgericht hat den Feststellungsanträgen durch Teilurteil stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung beider (früheren) Beklagten zurückgewiesen. Auf ihre Revision hat der Senat die Feststellungsanträge dahin ausgelegt, daß der Kläger gegen die Schwester auf positive Feststellung seines Pflichtteilsrechts nach dem Vater und gegen die Mutter auf Feststellung des Nichtbestehens ihres Pflichtteilsentziehungsrechts klage. Er hat die so verstandenen Feststellungsanträge für zulässig befunden und hat die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils an die Vorinstanz zurückverwiesen (BGHZ 109, 306).
Nach der Zurückverweisung ist die Mutter der Parteien am 3. September 1990 verstorben. Die Schwester des Klägers führt den Rechtsstreit seitdem - zugleich als Alleinerbin der Mutter - auf der Beklagtenseite alleine fort.
Mit dem zweiten Berufungsurteil hat das Oberlandesgericht festgestellt:
- Soweit der Kläger auf Feststellung des Nichtbestehens eines Pflichtteilsentziehungsrechts der Mutter aus den Gründen des im Erbvertrag geschilderten Vorfalls klage, sei die Hauptsache erledigt.
- Der Kläger habe ein Pflichtteilsrecht nach seinem Vater.
- Der Mutter habe ein Pflichtteilsentziehungsrecht aufgrund des angeführten Vorfalls nicht zugestanden.
Die dagegen gerichtete Revision hat der Senat nur angenommen, soweit es sich um die unter 3. genannte Feststellung handelt. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den Rechtsstreit, soweit er vor dem Senat noch anhängig ist, für in der Hauptsache erledigt erklärt, weil er den Pflichtteilsanspruch nach der Mutter vor dem Landgericht inzwischen eingeklagt habe. Hilfsweise hat er seinen (restlichen) Revisionsantrag aufrechterhalten.
Die Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen und beantragt,
die Klage wegen der angeführten Feststellung als unzulässig abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt, soweit sie angenommen worden ist, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage als unzulässig.
1.
Da die Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers widersprochen hat, hat der Senat darüber zu befinden, ob die Klage, soweit sie ihm zur Entscheidung vorliegt, unzulässig oder unbegründet war. Ist dies zur Zeit der Erledigungserklärung der Fall, dann muß er die Klage abweisen (BGHZ 106, 359, 366f. und ständig). Dazu bedarf es der Klärung, welche Anträge der Kläger vor dem Berufungsgericht zuletzt gestellt hat. Das läßt sich dem zweiten Berufungsurteil allein nicht zuverlässig entnehmen: Während es im Tatbestand des Berufungsurteils (BU 8) heißt, der Kläger beantrage nunmehr, die Berufung mit der der Entscheidungsformel entsprechenden Maßgabe zurückzuweisen, sagt der übrige Akteninhalt darüber etwas anderes.
2.
Mit Schriftsatz vom 24. September 1990 (Bd. II Bl. 292f. d.A.), der Beklagten zugestellt am 25. September 1990 (Bl. 296 d.A.), hat der Kläger den Rechtsstreit im Verhältnis zu der früheren Beklagten zu 1), seiner Mutter, in der Hauptsache für erledigt erklärt und die Klage gegen seine Schwester zugleich dahin erweitert, daß zusätzlich auch sein Pflichtteilsrecht nach der Mutter festgestellt werde. Ausweislich der Protokolle vom 19. Oktober 1990 (Bd. II Bl. 348 d.A.) und vom 25. Januar 1991 (Bl. 380 d.A.) hat der Kläger die angekündigte Erledigungserklärung abgegeben und den erweiterten Antrag auf Feststellung seiner Pflichtteilsrechte nach beiden Eltern in beiden mündlichen Verhandlungen vor dem Berufungsgericht gestellt, und zwar in Verbindung mit dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung des Beklagten und mit der Maßgabe, "daß das Bestehen des Pflichtteilsrechts des Klägers mit der Feststellung begehrt werde, daß es ihm nicht entzogen worden sei aus den Gründen des Erbvertrages vom 22. Juli 1983". Da die Sitzungsprotokolle der Beweiskraft des Urteilstatbestandes vorgehen (§ 314 Satz 2 ZPO), ist deren Inhalt für die gestellten Anträge maßgebend.
3.
Das Berufungsgericht hat die Anträge des Klägers dahin ausgelegt, er wolle seine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Entziehungsrechts der Mutter weiterverfolgen, obwohl er diese im Hinblick auf ihren Tod am 3. September 1990 gerade für in der Hauptsache erledigt erklärte. Daß eine Partei sich derart widersprüchlich verhalten wolle, darf ihr im allgemeinen nicht ohne ausdrücklichen Hinweis auf den Widerspruch unterstellt werden. Hinzu kommt hier, daß das Berufungsgericht die Widersprüchlichkeit (vgl. dazu für einen umgekehrt liegenden Fall BGHZ 106, 359, 368) nicht erkannt, sondern den Anträgen sogar entsprochen hat. Indessen hat der Kläger ausweislich des Protokolls (Bd. II Bl. 349 d.A.) vor dem Berufungsgericht noch ausdrücklich betont, daß die zweite Pflichtteilsentziehung durch das Testament der Mutter vom 26. Juni 1986 nicht Gegenstand des Feststellungsantrages sein solle. Mit Rücksicht darauf durfte das Berufungsgericht die Anträge in dem widersprüchlichen Sinn verstehen. Das gilt um so mehr, als die Revision in Kenntnis der gegen die Zulässigkeit bestehenden Bedenken bestätigt hat, daß der Feststellungsantrag von Anfang an in diesem Sinne gemeint gewesen ist.
4.
In dem ersten Revisionsurteil in der vorliegenden Sache hat der Senat das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) des Klägers für seine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Pflichtteilsentziehungsrechts der Mutter aus besonderen Gründen des Einzelfalles bejaht (BGHZ 109, 306, 309, 310). Dieses (eingeschränkte) Feststellungsinteresse ist jedoch mit dem Tod der Mutter weggefallen. Nach dem Tod der Mutter kommt es für den Kläger nicht mehr (nur) darauf an, ob die Mutter ein Entziehungsrecht hat oder hatte, sondern auf das umfassendere Rechtsverhältnis, ob er selbst - trotz der Entziehung - ein Pflichtteilsrecht hat. Das früher zur Entscheidung gestellte Entziehungsrecht ist damit zu einer bloßen Vortrage für das umfassendere Rechtsverhältnis geworden, die jetzt als dessen unselbständiges Element - auch zur Vermeidung einer unnötigen Prozeßhäufung - nicht mehr Gegenstand einer gesonderten Feststellung sein kann. Dementsprechend hat der Senat in einem Rechtsstreit über die positive Feststellung eines Pflichtteilsentziehungsrechts entschieden, daß die Erben nach dem Tode des Erblassers dessen Klage infolge Wegfalls seines Feststellungsinteresses nicht mehr mit dem alten Klageantrag, sondern nur noch mit geänderten Anträgen als einen (erweiterten) Streit über das Pflichtteilsrecht fortführen können (Urteil vom 11. Oktober 1989 - IVa ZR 208/87 - FamRZ 1990, 146 = LM 158 zu § 256 ZPO).
5.
Danach muß die Klage abgewiesen werden. Der trotz Erledigungserklärung hilfsweise aufrechterhaltene Revisionsantrag bedarf keiner zusätzlichen Entscheidung durch den Senat. Er hat hier nur zur Folge, daß der Streitwert für das Revisionsverfahren sich trotz der Erledigungserklärung ausnahmsweise nicht auf den Betrag der bis dahin entstandenen Kosten ermäßigt (BGHZ 106, 359, 366 und öfter).
Unterschriften
Bundschuh
Dr. Schmidt-Kessel
Dr. Zopfs
Römer
RiBGH Dr. Schlichting ist ortsabwesend und an der Unterschrift verhindert; Bundschuh
Fundstellen