Entscheidungsstichwort (Thema)
Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters gegenüber dem Gericht (Zeugnisverweigerungsrecht). Beweiswürdigung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters besteht dem Gericht gegenüber auch dann, wenn der Steuerberater im Auftrage beider Prozeßparteien diese bei ihren Verhandlungen über einen Vertrag in steuerrechtlicher Hinsicht beraten hat und es zwischen den Vertragspartnern zu einem Rechtsstreit über diesen Vertrag kommt.
2. Das Gericht hat die Versagung der Entbindung des Steuerberaters von seiner Verschwiegenheitspflicht durch die nicht beweispflichtige Partei nach § 286 ZPO frei zu würdigen.
Normenkette
StBerG § 57 Abs. 1; ZPO §§ 286, 383 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 16.09.1981) |
LG Köln (Urteil vom 01.03.1979; Aktenzeichen 6 O 469/78) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. September 1981 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten gegen das am 1. März 1979 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 6 0 469/78 – zurückgewiesen und die Beklagte auf die Anschlußberufung der Klägerinnen verurteilt hat, über den vom Landgericht zugesprochenen Betrag von 10.500,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19. Dezember 1978 hinaus weitere 31.500,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18. September 1980 zu zahlen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerinnen zu 1) und 2) sind Töchter und die Klägerin zu 3) ist Enkelin des Geschäftsführers der Beklagten, F M sr..
Durch notariellen Vertrag vom 12. Februar 1970 überließen die Eheleute M sr. den Klägerinnen zu 1) und 2) sowie ihrem im Oktober 1977 verstorbenen Sohn F M jr., der von der Klägerin zu 3) beerbt worden ist, unter anderem das in K, O Straße, gelegene Hausgrundstück gegen teilweise Übernahme der dinglichen Grundstücksbelastungen nebst deren zugrundeliegenden Verbindlichkeiten. Die Eheleute M sr. ließen die Grundstücke an die Erwerber als Miteigentümer in Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf. In derselben notariellen Urkunde gründeten die Erwerber eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Zwecke des Erwerbs, der Erhaltung, Verwaltung und Erweiterung des Grundbesitzes als gesamthänderisch gebundenen Familienvermögens. Geschäftsführer der BGB-Gesellschaft war bis zu seinem Tode F M jr..
Durch Vertrag vom 1. August 1971 mietete F M sr. als damaliger Alleininhaber der beklagten Firma, in die F M jr. am 1. Januar 1972 als Kommanditist eintrat, von der BGB-Gesellschaft die Büroräume und Garagen im Hause K, O Straße. Der Mietvertrag lautet auszugsweise:
„Der Mietvertrag beginnt mit dem 1.8.1971 und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.
…
Der Mietpreis wird monatlich mit DM 1.500,– festgesetzt. Die Miete ist im voraus zu entrichten, und zwar auf das Konto der Gemeinschaft bei der Spar- und Darlehenskasse eGmbH,
K.
…”
Die Klägerinnen verlangen Zahlung rückständiger Miete. Im ersten Rechtszug haben sie die Miete für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 1978, nämlich 10.500,– DM, begehrt.
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte die Miete auszuzahlen habe oder aufgrund einer Verrechnungsabrede mit angeblichen Darlehensforderungen der Beklagten gegen die Klägerinnen habe verrechnen dürfen. Die Beklagte behauptet unter Beweisantritt, sie habe die Finanzierung der Grundstückskäufe, Baukosten und sonstigen Aufwendungen für die Unterhaltung und Erhaltung der Häuser darlehensweise für die Gesellschaft übernommen. Die Parteien seien sich darüber einig gewesen, daß die Miete solange nicht ausbezahlt werden solle, als die Darlehensschuld nicht getilgt sei. Der Mietzins habe stattdessen mit den Darlehensforderungen verrechnet werden sollen. Demgemäß sei die Miete auf ausdrückliche Anweisung des damaligen Geschäftsführers der BGB-Gesellschaft, F M jr., entsprechend verbucht worden, und zwar durch den Ehemann der Klägerin zu 2), den Zeugen D.
Das Landgericht hat die Beklagte gemäß Klagantrag verurteilt. Es hat dahinstehen lassen, ob eine Verrechnungsvereinbarung bestanden hat, weil schon der Vortrag der Beklagten zu der behaupteten Darlehensforderung unsubstantiiert sei.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und diese auf die Anschlußberufung der Klägerinnen, durch die sie die Klage wegen der Mietrückstände für die Zeit vom 1. Januar 1979 bis 30. September 1980 um 31.500,– DM erweitert haben, zur Zahlung dieses Betrages verurteilt. Die in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage auf Feststellung, daß die Beklagte berechtigt sei, auch gegen Mietzinsforderungen ab 1. Oktober 1980 Darlehensansprüche zu verrechnen, hat es als unzulässig abgewiesen.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerinnen beantragen, verfolgt die Beklagte den Klagabweisungsantrag weiter. Die Abweisung der Widerklage hat sie hingenommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht führt aus:
Die Beklagte habe nicht bewiesen, daß die von ihr geltend gemachte Verrechnungsabrede getroffen worden sei. Es sei schon nicht eindeutig klar, ob bis Juni 1978 stets eine Verrechnung der Miete stattgefunden habe. Aus den von der Beklagten zu den Akten gereichten Unterlagen, insbesondere den Kontenblättern, ergebe sich das nicht. Denn daraus sei nicht ersichtlich, ob die Klägerinnen von der Verbuchung Kenntnis und die Verrechnung gebilligt hatten. Die Kontenblätter seien auch nicht lückenlos für die Zeit nach Abschluß des Mietvertrages vorhanden. Die Bezeichnung Gesellschaft des bürgerlichen Rechts befinde sich nicht auf allen Kontenblättern. Letztlich handele es sich nur um interne Eintragungen in den Unterlagen der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die nichts darüber aussagten, ob eine Verrechnungsvereinbarung getroffen war oder nicht. Die als Partei vernommenen Klägerinnen, von denen die Klägerin zu 1) jetzt Geschäftsführerin der BGB- Gesellschaft sei, hätten die behauptete Verrechnungsvereinbarung nicht bestätigt. Die Beklagte habe für den von ihr behaupteten Abschluß einer Verrechnungsvereinbarung als Zeugen zwar ihre Steuerberater und deren Gehilfen benannt. Die Klägerinnen hätten aber unter Hinweis darauf, daß die Zeugen bis 1978 als Steuerberater bzw. deren Gehilfe auch für die BGB-Gesellschaft tätig gewesen seien, auf die Pflicht zur Verschwiegenheit gemäß §§ 57, 62 StBerG aufmerksam gemacht. Sie hätten auf ausdrückliches Befragen durch das Gericht die genannten Zeugen von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit nicht entbunden. Eine Vernehmung dieser Zeugen sei daher mit Rücksicht auf die §§ 383 Abs. 1 Nr. 6, 385 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht gekommen.
II. Mit Erfolg rügt die Revision, das Berufungsurteil beruhe auf der Verletzung von Verfahrensrecht und müsse aufgehoben werden.
1. Sie führt aus, das Berufungsurteil behandele die Beklagte zu Unrecht als beweisfällig.
Die Beklagte habe ihr vollständiges Journal für die Jahre 1975 und 1977 vorgelegt. Diese Unterlagen ließen ersehen, daß jedenfalls in diesen beiden Jahren das Konto Nr. 4211 (Miete) mit den monatlichen Beträgen von DM 1.500,– belastet und auf dem Konto Nr. 1930 (BGB-Gesellschaft) Gutschriften in entsprechender Höhe vorgenommen worden seien. In der Berufungsinstanz habe die Beklagte weitere Kontenblätter vorgelegt. Das Berufungsgericht schöpfe den Sachvortrag und Beweisantritt der Beklagten nicht aus, wenn es lediglich ausführe, daß es sich bei den Kontenblättern nur um interne Eintragungen in den Buchungsunterlagen der Beklagten handele. Die Beklagte habe nämlich weiter unter Benennung des Zeugen G D vorgetragen, daß diese Art der Verbuchung im Journal der Beklagten von dem damaligen Geschäftsführer der BGB-Gesellschaft, F M jr., so angeordnet worden sei. Das Berufungsgericht hätte den Zeugen dazu vernehmen müssen. Denn hätte dieser die Behauptung bestätigt, so hätte sich hieraus die Zustimmung der Klägerinnen zur geschehenen Verbuchung ergeben. Dies wäre zumindest ein Indiz für die Verrechnungsabrede gewesen.
2. Der Revision ist zu folgen, soweit sie sich dagegen wendet, daß das Berufungsgericht den Antrag auf Vernehmung des Zeugen D nicht berücksichtigt hat.
Im Zivilprozeß sind der gesamte Streitstoff und die angebotenen Beweise zu erschöpfen (BGHZ 53, 245, 259; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 41. Aufl. § 286 Anm. 2 B, 3 A). Das Gericht muß daher grundsätzlich alle angebotenen Beweise erheben, soweit kein Ablehnungsgrund vorliegt. Ein Beweisangebot kann unter anderem dann abgelehnt werden, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache unerheblich ist (BGH aaO S. 259). Letzteres kann vor allem bei den sogenannten Hilfs- oder Indiztatsachen zutreffen. Um eine solche handelt es sich bei der Behauptung der Beklagten, der damalige Geschäftsführer der BGB-Gesellschaft, F M jr., habe selbst angeordnet, daß der Mietzins in den Buchungsunterlagen der Beklagten verrechnet werde. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist der Richter im Zivilprozeß bei Beweisanträgen im Rahmen eines Indizienbeweises freier gestellt als bei sonstigen Beweisanträgen. Er darf und muß vor der Beweiserhebung prüfen, ob der Indizienbeweis schlüssig ist, d.h., ob die Gesamtheit aller Indizien – ihre Richtigkeit unterstellt – ihn von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen würde. Daher ist es grundsätzlich kein Verfahrensfehler, wenn der Richter von der Beweiserhebung absieht, weil nach seiner Ansicht die Hilfstatsache für den Nachweis der Haupttatsache nicht ausreicht (BGH aaO S. 261). Aus der Begründung seiner Entscheidung muß sich aber ergeben, ob er die Beachtlichkeit der Indiztatsachen überhaupt geprüft hat. Zwar braucht er nicht jedes Vorbringen und jedes abgelehnte Beweisangebot in den Entscheidungsgründen ausdrücklich abzuhandeln (BGHZ 3, 162, 175; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 1979 – 1 BvR 733/78 = NJW 1980, 278; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 41. Aufl. § 286 Anm. 2 D). Jedenfalls dann, wenn die Beachtlichkeit der Indiztatsache naheliegt, muß sich jedoch zumindest aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe ergeben, daß ihre Schlüssigkeit geprüft worden ist. Hier liegt ein Fall vor, in dem eine solche Prüfung geboten ist.
Die Kontenblätter lassen erkennen, daß der BGB-Gesellschaft an Mieten für das Büro in den Jahren 1973 bis 1977 jeweils 18.000,– DM gutgeschrieben worden sind. Diese buchungstechnischen Vorgänge in den internen Unterlagen der Beklagten sind für sich allein zwar noch kein schlüssiges Indiz für die behauptete Verrechnungsvereinbarung. Sie erlangen jedoch Bedeutung im Zusammenhang mit der unter Beweis gestellten Behauptung der Beklagten, die Verbuchungen seien auf Anordnung des damaligen Geschäftsführers der BGB-Gesellschaft erfolgt, der gleichzeitig Kommanditist der Beklagten war und in der Firma mitarbeitete. Trifft diese Behauptung zu, liegt der Schluß nahe, die BGB-Gesellschaft habe sich, vertreten durch ihren Geschäftsführer, mit einer Verrechnung einverstanden erklärt. Aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergibt sich nicht, daß das Berufungsgericht die Behauptung der Beklagten auf ihre Beachtlichkeit geprüft hat. Daß es zwar die Buchungsunterlagen würdigt, in diesem Zusammenhang jedoch den Vortrag der Beklagten über das Zustandekommen der einschlägigen Buchungen nicht einmal erwähnt, legt vielmehr die Annahme nahe, daß es dieses Vorbringen überhaupt nicht berücksichtigt hat. Hierfür spricht auch, daß es ausführt, es fehle an jedem Anhaltspunkt dafür, daß die Klägerinnen eine eventuelle Verrechnung genehmigt hätten. Wenn nämlich der Vater der Klägerin zu 3) als Vertreter der BGB-Gesellschaft die fragliche Buchungsanweisung erteilt haben sollte, kann vom Fehlen jeglichen Anhalts für ein Einverständnis mit der von der Beklagten behaupteten Verrechnung keine Rede sein. Hätte das Berufungsgericht die behauptete Indiztatsache in seine Würdigung einbezogen, wäre es dem Beweisangebot möglicherweise nachgekommen mit der Folge, daß es dann zu einer anderen Beweiswürdigung und Entscheidung gelangt wäre.
3. Die Revision rügt weiter, daß das Berufungsgericht sich damit begnügt hat, das Unterlassen der beschlossenen Vernehmung der Steuerberater und deren Gehilfen nur mit der Erwägung zu begründen, die Vernehmung dieser Zeugen sei nicht in Betracht gekommen, weil die Klägerinnen sie nicht von der Schweigepflicht entbunden hätten. Es sei schon zweifelhaft, ob die Zeugen überhaupt der Schweigepflicht unterlagen. Jedenfalls hätte das Berufungsgericht die Versagung der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht nach § 286 ZPO frei würdigen müssen.
4. Der Revision kann nicht darin gefolgt werden, daß die Steuerberater und deren Gehilfe der Verschwiegenheitspflicht nicht unterlagen. Ihre Rüge, das Berufungsgericht habe verfahrensfehlerhaft die Versagung der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht nicht gemäß § 286 ZPO gewürdigt, ist aber berechtigt.
a) Die Verschwiegenheitspflicht der Steuerberater und ihres Gehilfen erstreckt sich auch darauf, ob die behauptete Verrechnungsvereinbarung getroffen worden ist.
Gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind Personen zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in betreff der Tatsache, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht. Nach § 57 Abs. 1 StBerG haben Steuerberater und Steuerbevollmächtigte ihren Beruf unter anderem verschwiegen auszuüben. Sie müssen ihre Gehilfen, die nicht selbst Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind, zur Verschwiegenheit verpflichten (§ 62 StBerG), so daß auch für den Zeugen E unter denselben Voraussetzungen Schweigepflicht bestand. Unstreitig war das Steuerberatungsbüro Sch bis Mai 1978 sowohl von der Beklagten als auch von der BGB-Gesellschaft als Steuerberater beauftragt. Die Parteien zogen ihre Steuerberater bei den Vertragsverhandlungen hinzu, um sich über steuerrechtliche Konsequenzen der Verträge informieren zu lassen. Die Zeugen Sch nahmen somit berufstypische Aufgaben im Auftrage beider Parteien wahr (§ 33 StBerG).
Die Pflicht zur Verschwiegenheit bezieht sich auf alles, was dem Steuerberater in Ausübung oder bei Gelegenheit seiner Berufstätigkeit anvertraut worden oder bekannt geworden ist, auch auf solche Tatsachen, die keine unmittelbare Verbindung zur eigentlichen Berufstätigkeit haben (vgl. RGZ 54, 360, 361; Karl-Heinz Mittelsteiner DStR 1976, 340, 341; Mittelsteiner/Gehre, StBerG, 2. Aufl. § 57 Anm. 5; Kolbeck/ Peter/Rawald, StBerG, 3. Aufl. § 57 Rdn. 39; LG München I DStR 1982, 179). Der Verschwiegenheitspflicht unterlag die behauptete Verrechnungsabrede daher auch dann, wenn die Zeugen Sch insoweit nicht beratend tätig wurden, sondern von der Abrede nur bei Gelegenheit ihrer Berufsausübung Kenntnis erlangten. Hiergegen wendet sich die Revision auch nicht. Sie nimmt vielmehr an, daß die an sich der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Tatsache der Verrechnungsvereinbarung gegenüber den Parteien keiner Geheimhaltung mehr bedürfe, weil bei den Vertragsverhandlungen sämtlichen Prozeßbeteiligten ohnehin alle Fakten offenbart worden seien. Dem kann nicht gefolgt werden.
Die Verschwiegenheitspflicht besteht gegenüber jedermann, auch gegenüber Behörden, Gerichten und anderen Stellen (Kolbeck/ Peter/Rawald aaO § 57 Rdn. 39; Seybold/Hornig aaO § 18 Rdn. 7 a.E.). Der Hinweis der Revision darauf, für den Notar werde die Ansicht vertreten, daß dieser sich gegenüber den Beteiligten auf die Verschwiegenheitspflicht nicht berufen könne, besagt nichts über die Geheimhaltungspflicht gegenüber dem Gericht. Denn es geht hier nicht darum, ob die Steuerberater den Parteien selbst Mitteilungen machen dürfen über den Inhalt der damaligen Vertragsverhandlungen, sondern darum, ob diese Auskünfte auch gegenüber dem Gericht erteilt werden können. Letzteres ist abzulehnen; denn das Gericht kann nicht mit den Parteien selbst gleichgesetzt werden. Das Bedürfnis nach Geheimhaltung gegenüber jeder anderen Person und gegenüber jeder staatlichen Stelle besteht fort, weil geheime Tatsachen erst dann die Natur eines Geheimnisses verlieren, wenn sie allgemein bekannt oder jedermann ohne weiteres zugänglich sind (BGHZ 40, 288, 292). In dem von der Revision aufgefaßten Sinne sind die Ausführungen bei Seybold/Hornig (BNotO, 5. Aufl. § 18 Rdn. 7), der Notar könne sich auf seine Verschwiegenheitspflicht den Beteiligten gegenüber grundsätzlich nicht berufen, nicht zu verstehen. Denn in dem Abschnitt, in dem Seybold/Hornig die Verschwiegenheitspflicht des Notars im Zivilprozeß behandeln (§ 18 Rdn. 54), vertreten sie nicht die Auffassung, die Schweigepflicht entfalle auch im Verhältnis zum Prozeßgericht, wenn der Rechtsstreit zwischen den Beteiligten den Inhalt der Verhandlungen vor dem Notar betreffe. Das von der Revision angesprochene Problem wird dort nicht erörtert.
b) Das Gericht hat gemäß § 286 ZPO nicht nur das Ergebnis einer Beweisaufnahme zu würdigen, sondern den gesamten Inhalt der Verhandlung. Dazu gehören auch die Handlungen, Erklärungen und Unterlassungen einer Partei, die Verweigerung einer Antwort oder Auskunft sowie die Vorenthaltung von Beweismitteln (BGH, Urteil vom 12. Januar 1960 – VI ZR 220/58 = NJW 1960, 821; Urteil vom 20. Juni 1967 – VI ZR 201/65 = NJW 1967, 2012 = WM 1967, 845, 846; unveröffentlichtes Senatsurteil vom 8. Oktober 1980 – VIII ZR 268/79 S. 5; RG JW 1915, 1361).
Das Berufungsgericht würdigt die Versagung der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht nicht ausdrücklich, sondern stellt lediglich fest, daß die Zeugen im Hinblick auf die Weigerung der Klägerinnen nicht vernommen werden konnten. Aus der Gesamtheit der Entscheidungsgründe ist auch nicht zu entnehmen, daß das Gericht die Weigerung der Klägerinnen in seine Beurteilung mit einbezogen hat. Die Würdigung des Streitstoffes ist infolgedessen verfahrensfehlerhaft (§ 286 ZPO), so daß es auf die von der Revision aufgeworfene Frage, ob in analoger Anwendung des § 444 ZPO Schlüsse zum Nachteil der Klägerinnen gezogen werden können, weil diese die Steuerberater ohne stichhaltige Gründe nicht von der Schweigepflicht entbunden haben, nicht ankommt.
Das Berufungsgericht hätte möglicherweise anders erkannt, wenn es die Versagung der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht in seine Beurteilung aufgenommen hätte. Denn auch im Prozeßrecht gelten die Grundsätze von Treu und Glauben, nach denen Rechtspositionen nicht mißbraucht werden dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 1960 – VI ZR 220/58 = NJW 1960, 821). Darum kommt es im Falle der Verweigerung eines Beweises auf die Stichhaltigkeit der Weigerungsgründe auch dann an, wenn die Partei zur Verschaffung oder Benutzung des Beweismittels nicht verpflichtet ist. Einen triftigen Grund dafür stellen höherwertige, über den Rechtsstreit hinausgehende Interessen der nicht beweispflichtigen Partei dar (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 1960 – VI ZR 220/58 = NJW 1960, 821; BGH, Urteil vom 20. Juni 1967 – VI ZR 201/65 = NJW 1967, 2012; OLG Frankfurt NJW 1980, 2758, bestätigt durch unveröffentlichten Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 1. Juli 1980 – VI ZR 261/79). Solche sind hier nicht erkennbar.
Die Klägerinnen haben ihre Weigerung, die Steuerberater von ihrer Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, auf Anfrage des Berufungsgerichts nachträglich damit begründet, sie hielten es für unverantwortlich, die Zeugen, die bis Mai 1978 im Auftrage beider Parteien tätig waren, in eine Kollision mit ihren Berufspflichten zu bringen. Zu einer solchen Kollision kam es gerade nicht, wenn die Klägerinnen die Entbindung von der Schweigepflicht erklärten.
III. Nach allem war das Berufungsurteil, soweit es von der Revision angegriffen worden ist, aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstellen