Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 01.08.2003) |
Tenor
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. August 2003 werden verworfen.
Die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten Y wegen räuberischer Erpressung (Einzelstrafe: ein Jahr und sechs Monate) und wegen schwerer räuberischer Erpressung (Einzelstrafe: drei Jahre und drei Monate) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und den Angeklagten K wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit ihren wirksam auf den jeweiligen Strafausspruch beschränkten Revisionen wendet sich die Staatsanwaltschaft allein gegen die Strafzumessung für die von den Angeklagten gemeinsam begangene schwere räuberische Erpressung (Fall II 2 der Urteilsgründe) und beanstandet insbesondere die Annahme eines minder schweren Falles. Die Rechtsmittel, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten werden, haben keinen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betraten die jeweils mit einem Schal maskierten Angeklagten am Morgen des 22. Januar 2003 eine Filiale der Firma Sc und zwangen die Kassiererin unter Vorhalt eines großen Küchenmessers und eines Klappmessers, sie in das Büro zu dem dort befindlichen Tresor zu führen. In dem Büro hielten sich – für die Angeklagten unerwartet – fünf weitere Mitarbeiter der Firma Sc auf. Wiederum unter Vorhalt der Messer zwangen die Angeklagten die Anwesenden, sich auf den Boden zu legen, während einer der Angestellten den Tresor öffnen mußte. Er entnahm 3.080,- EUR, die er den Angeklagten übergab. Diese durchwühlten alsdann die Taschen ihrer Opfer, nahmen noch zwei Mobiltelefone an sich und verließen das Geschäft. Die Kassiererin hatte während des Überfalls eine leichte, zwei Zentimeter lange Schnittwunde am Arm erlitten, die nach den Urteilsausführungen unabsichtlich zugefügt worden sein kann. Nach dem Vorfall war sie mehrere Wochen arbeitsunfähig und befand sich einige Monate in psychologischer Behandlung. Beide Angeklagte standen bei Begehung der Tat unter dem Einfluß von Rauschmitteln, was ihre Schuldfähigkeit jedoch nicht erheblich einschränkte.
Die Strafkammer ist bei beiden Angeklagten von einem minder schweren Fall der (besonders) schweren räuberischen Erpressung im Sinne von § 250 Abs. 3 StGB ausgegangen. In diesem Zusammenhang hat sie auf das jugendliche Alter der Angeklagten, auf ihr von Reue getragenes Geständnis, ihre Entschuldigung bei den Geschädigten, ihren Verzicht auf Rückgabe der bei der Tat verwendeten Gegenstände und insbesondere auch darauf abgestellt, daß der Angeklagte Y erstmalig zu einer freiheitsentziehenden Rechtsfolge und der Angeklagte K erstmalig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sind. Bei dem Angeklagten K ist als straferschwerender Gesichtspunkt benannt worden, daß er die Tat während einer laufenden Bewährungsfrist aus einem Jugendstrafverfahren begangen hat.
Innerhalb des so gefundenen Strafrahmens sind die bei der Kassiererin infolge der Tat eingetretenen physischen und psychischen Beeinträchtigungen, die erzielte hohe Beute und bei dem Angeklagten K die strafrechtlichen Vorbelastungen strafschärfend berücksichtigt worden. Zu Gunsten des Angeklagten Y hat die Strafkammer die erlittene sechswöchige Untersuchungshaft, die begonnene Schadenswiedergutmachung und den Umstand gewertet, daß er noch nicht erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Bei dem Angeklagten K hat sich strafmildernd ausgewirkt, daß er infolge der neuerlichen Tatbegehung mit dem Widerruf eines nicht unerheblichen Strafrestes einer Jugendstrafe zu rechnen hat. Schließlich hat die Strafkammer bei Festsetzung der Strafen zu Gunsten beider Angeklagten die drohenden ausländerrechtlichen Maßnahmen bedacht.
2. Die Strafzumessung des Landgerichts ist rechtsfehlerfrei. Insbesondere hält die Anwendung des nach § 250 Abs. 3 StGB für minder schwere Fälle vorgesehenen Strafrahmens rechtlicher Nachprüfung stand.
Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimißt, ist im wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR StGB § 177 Abs. 5 Strafrahmenwahl 2 m.w.N.). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGH StV 2002, 20; BGH, Urt. vom 26. Juni 2001 – 5 StR 151/01). Das ist hier nicht der Fall.
Allerdings hat das Landgericht bei der Wahl des Strafrahmens in erster Linie auf die strafmildernden Umstände abgestellt und die früheren strafrechtlichen Verfehlungen des Angeklagten Y und die Jugendstrafen des Angeklagten K im einzelnen nicht erörtert. Angesichts der ausführlichen Darstellung der früheren Straftaten bei den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten und deren Würdigung innerhalb der konkreten Strafzumessung ist jedoch nicht zu besorgen, der Tatrichter könnte das Gewicht der Vortaten bei der Strafrahmenwahl nicht bedacht haben (vgl. BGHSt 34, 355, 359; BGH StV 1995, 24). Daß die Strafkammer das maskierte Vorgehen der Angeklagten in diesem Fall nicht ausdrücklich berücksichtigt hat, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn der Tatrichter ist nicht gehalten, sämtliche Strafzumessungsgesichtspunkte im Einzelnen auszuführen (vgl. BGHR StPO § 267 Abs. 3 Satz 1 Strafzumessung 2; BGH StV 1996, 662). Auch spricht der genannte Umstand im Rahmen der erforderlichen und vom Landgericht vorgenommenen Gesamtbewertung nicht ohne weiteres gegen die Annahme eines minder schweren Falles.
Soweit die Beschwerdeführerin weiter geltend macht, die Strafkammer habe bei der Wahl des Strafrahmens den Milderungsgründen ein zu großes Gewicht beigemessen, erschöpfen sich ihre Ausführungen letztlich in dem im Revisionsverfahren unbeachtlichen Versuch, die Wertung des Tatrichters durch eine eigene zu ersetzen und die festgestellten für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände anders zu gewichten.
Zutreffend hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, daß die Strafkammer die nach § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkte bezeichnet und rechtsfehlerfrei gegeneinander abgewogen hat. Die so gefundenen sehr maßvollen Strafen lösen sich noch nicht von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein.
Unterschriften
Harms, Basdorf, Gerhardt, Brause, Schaal
Fundstellen