Leitsatz (amtlich)

Der Kraftfahrzeughalter haftet dem Unfallgeschädigten nicht für Kosten der Nebenklage in dem Strafverfahren gegen den schuldigen Fahrer.

 

Verfahrensgang

OLG Düsseldorf (Entscheidung vom 18.04.1957)

LG Düsseldorf (Entscheidung vom 30.05.1956)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 18. April 1957, soweit es ihn betrifft, aufgehoben und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts in Düsseldorf vom 30. Mai 1956 insoweit abgeändert, als er verurteilt worden ist, dem Kläger Kosten zu erstatten, die diesem als Nebenkläger in dem Strafverfahren gegen den Kraftfahrer Johannes Beyer entstanden sind.

Der Kläger wird mit diesem Anspruch abgewiesen.

Die Kosten der Revision werden dem Kläger auferlegt.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Als der Kläger am 18. Dezember 1953 in Düsseldorf die östliche Fahrbahn der Prinz-Georg-Straße überquerte, wurde er von einem Personenkraftwagen des Beklagten erfaßt und erheblich verletzt.

Wegen der Unfallfolgen hat er den Beklagten und dessen Fahrer Johannes B. auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Haftung des Beklagten nach dem Straßenverkehrsgesetz bejaht, doch hat das Landgericht den Ansprüchen des Klägers wegen mitwirkenden eigenen Verschuldens nur zu 2/3 entsprochen, das Oberlandesgericht lediglich zu 1/2. Nach Erlaß des Grundurteils vom 29. November 1956 hat das Oberlandesgericht über die Ansprüche der Höhe nach durch mehrere Teilurteile erkannt, darunter durch das Urteil vom 18. April 1957 über den Anspruch auf Ersatz der Kosten, die dem Kläger als Nebenkläger in dem Strafverfahren gegen den Fahrer Johannes Be. wegen fahrlässiger Körperverletzung (22 Ms 201/54 des Schöffengerichts Düsseldorf) entstanden sind. Das Oberlandesgericht hat den Beklagten verurteilt, die Hälfte dieser Kosten mit 245 DM nebst Zinsen an den Kläger zu zahlen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten, mit der er beantragt, den Kläger mit diesem Anspruch abzuweisen.

Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß die rechtliche Möglichkeit einer Ersatzpflicht des Beklagten für die Nebenklagekosten des Klägers auf der Grundlage seiner Schadenshaftung nach § 7 StVG ebenso gegeben sei, wie sie nach § 823 Abs. 1 BGB im Verhältnis des Fahrers Be. zum Kläger bestehe. Entscheidend sei allein, ob zwischen dem Unfall und der Entstehung der Nebenklagekosten ein adäquater Kausalzusammenhang bestehe. Das Berufungsgericht hat dies bejaht. Es ist daher der Ansicht, daß dem Kläger der Anspruch auf Ersatz der halben Nebenklagekosten gegen den Beklagten ebenso zustehe wie gegen Be. Bei diesem hat es freilich weiter erwogen, daß ihn auf Grund seiner Verurteilung im Strafverfahren auch eine verfahrensrechtliche Kostenerstattungspflicht gegenüber dem Kläger trifft. Das Berufungsgericht nimmt an, daß sachlichrechtlicher und kostenrechtlicher Erstattungsanspruch selbständig nebeneinander bestehen und jeweils eigener Beurteilung unterliegen. Bei der Möglichkeit, im Kostenfestsetzungsverfahren einen Vollstreckungstitel über die gesamten Kosten der Nebenklage zu erlangen, hat es jedoch ein Rechtsschutzinteresse des Klägers an der Geltendmachung des sachlich-rechtlichen Anspruchs auf Ersatz der halben Kosten gegen Be. verneint und im Ergebnis seine Klage auf Ersatz dieser Kosten gegen Be. abgewiesen. Den Beklagten, der an dem Strafverfahren nicht beteiligt gewesen ist, hat es dagegen zur Erstattung dieser Kosten verurteilt.

Diese Beurteilung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Der erkennende Senat hat sich in seinen Urteilen vom 17. Mai 1957 - VI ZR 63/56 (BGHZ 24, 263) und 24. September 1957 - VI ZR 300/56 (LM Nr. 4 zu § 23 StVO = NJW 1957, 1878 = VersR 1957, 719) bereits mit der Frage beschäftigt, ob bei einem Verkehrsunfall der Verletzte von dem schuldigen Schädiger Ersatz der Kosten verlangen kann, die ihm als Nebenkläger in dem Strafverfahren gegen den Schädiger erwachsen sind. In dem Falle der Entscheidung vom 17. Mai 1957 war der Schädiger im Strafverfahren freigesprochen worden. Der Senat hat dort erwogen, der Kostenregelung des Strafprozesses komme entsprechend dem allgemeinen Prozeßgrundsatz, daß der Prozeßerfolg über die Kostenlast zwischen den Parteien entscheide, im Verhältnis zwischen Nebenkläger und Angeklagtem abschließende Bedeutung zu. Wer sich als Nebenkläger am Strafverfahren beteilige, könne sich dieser Prozeßfolge nicht entziehen und das Prozeßrisiko auf dem Wege der Geltendmachung zivilrechtlicher Haftung einseitig auf den Angeklagten abwälzen. Dem Verletzten ist daher ein sachlich-rechtlicher Anspruch aus § § 823, 249 BGB auf Ersatz der Nebenklagekosten abgesprochen worden. In der Entscheidung vom 24. September 1957 hat der Senat darauf hingewiesen, daß sich diese Rechtsgrundsätze in ihrer Anwendbarkeit nicht auf den Fall der Freisprechung des angeklagten Schädigers beschränken, sondern weitergreifende Bedeutung haben und auch den Fall erfassen, daß das Strafverfahren gegen den Urheber des Unfalls auf Grund des Straffreiheitsgesetzes vom 17. Juli 1954 eingestellt worden ist. Sie müssen nicht minder auch dort gelten, wo der Angeklagte - wie hier Be. - im Strafverfahren verurteilt worden ist.

Das Berufungsgericht ist hiernach von einer unrichtigen Betrachtung ausgegangen, wenn es meint, daß wegen der Nebenklagekosten ein sachlich-rechtlicher und ein verfahrensrechtlicher Erstattungsanspruch in Unabhängigkeit nebeneinander bestehen. Je nach dem Ausgang des Strafverfahrens ist nur die Möglichkeit gegeben, die Kostenerstattung auf dem im Strafprozeß eröffneten Wege zu erlangen; ein materieller Schadensersatzanspruch auf Erstattung dieser Kosten scheidet daneben aus.

Diese Grundsätze sind zwar unmittelbar nur für das Verhältnis des Nebenklägers zum Angeklagten maßgebend. Hat der Unfallverletzte aber nicht einmal gegen den Angeklagten einen aus der Schadenshaftung ableitbaren Anspruch auf Ersatz der Nebenklagekosten, so kann ihm, wie der Senat auch bereits in der Entscheidung vom 24. September 1957 ausgesprochen hat, ein solcher Anspruch erst recht nicht gegen jemand gegeben sein, gegen den sich das Strafverfahren gar nicht gerichtet hat. Wäre es anders, würde sich der Nebenkläger bei einem Freispruch des Angeklagten wegen der Kosten der Nebenklage, die er im Verhältnis zum freigesprochenen Angeklagten selbst tragen muß, bei jenem anderen schadlos halten können, der an dem Strafverfahren überhaupt nicht beteiligt gewesen ist, - ein sinnwidriges Ergebnis, das nicht rechtens sein kann.

Gegen die Annahme, daß der Beklagte wegen der dem Kläger erwachsenen Kosten der Nebenklage schadensersatzpflichtig gemacht werden könnte, spricht im übrigen auch, daß der Beklagte nur nach dem Straßenverkehrsgesetz haftet; ihn trifft die Gefährdungshaftung, die dem Halter eines Kraftfahrzeugs unabhängig von seinem eigenen Verschulden oder dem des Fahrers gesetzlich auferlegt ist und von der er sich nach § 7 Abs. 2 StVG nur durch den Nachweis befreien kann, daß der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden ist. Noch weniger als bei einer Verschuldenshaftung kann also davon die Rede sein, daß es der Zweck eines Strafverfahrens sei, der Verwirklichung der aus solcher Gefährdungshaftung fließenden Ansprüche zu dienen.

Unzweifelhaft will das Straßenverkehrsgesetz - in begrenztem Umfang - Schutz auch nur gegen die Gefahren gewähren, die der Betrieb von Kraftfahrzeugen mit sich bringt. In dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 22. April 1958 - VI ZR 65/57 hat der erkennende Senat dargelegt, daß im Falle des § 823 Abs. 1 BGB ebenso wie in dem des § 823 Abs. 2 BGB nicht unter allen Umständen jeder mit der haftungsbegründenden Handlung in adäquatem ursächlichem Zusammenhang stehende Schaden zu ersetzen ist, sondern daß es im besonderen auch darauf ankommt, ob der geltend gemachte Schaden innerhalb des Schutzzweckes der verletzten Norm liegt, ob es sich um Folgen handelt, um deretwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Das gilt auch für die Schadenshaftung nach dem Straßenverkehrsgesetz. Es liegt aber auf der Hand, daß die Kosten einer Nebenklage im Strafverfahren gegen den Fahrer wegen einer von ihm verschuldeten Körperverletzung nicht zu den Folgen gehören, die das Gesetz mit der dem Fahrzeughalter wegen der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs auferlegten Gefährdungshaftung anzuwenden bezweckt.

Der Kläger war hiernach mit seinem Kostenerstattungsanspruch abzuweisen.

Nach § 91 ZPO muß der Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens tragen. Wegen der Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens hat es bei der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts in dem rechtskräftigen Schlußurteil vom 27. Juni 1957 sein Bewenden (vgl. BGHZ 20, 253).

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018555

NJW 1958, 1044

NJW 1958, 1044 (Volltext mit amtl. LS)

MDR 1958, 597

MDR 1958, 597 (Volltext mit amtl. LS)

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