Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob die Parteien eines Grundstückskaufvertrags den beurkundeten Teil des Vertrags nach ihrem mutmaßlichen Willen auch ohne eine mangels Beurkundung nichtige Versorgungsabrede geschlossen hätten.
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG (Entscheidung vom 25.01.1979) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 25. Januar 1979 aufgehoben,
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Durch notariellen "Überlassungsvertrag" vom 26. Juli 1974 übertrug der Kläger sein in Elmshorn gelegenes Grundstück mit Gastwirtschaft der Beklagten. Der Kläger behielt sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor. Außerdem wurde vereinbart, jedoch nicht beurkundet, daß die Beklagte und ihr Ehemann den damals 63 Jahre alten und kranken Kläger wie einen Familienangehörigen betreuen und versorgen sollten. Am 6. Mai 1975 widerrief der Kläger die seiner Ansicht nach mit der Grundstücksübertragung verbundene Schenkung wegen groben Undankes. Das Eigentum ist noch nicht auf die Beklagte umgeschrieben; für sie ist eine Auflassungsvormerkung eingetragen.
Der Kläger hat zunächst Rückauflassung und Herausgabe des Grundstücks von der Beklagten verlangt. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Im Berufungsverfahren hat sich der Kläger dem Rechtsmittel der Beklagten angeschlossen und nunmehr beantragt, die Beklagte zum Verzicht auf ihre Rechte aus der Auflassungserklärung vom 26. Juli 1974 und zur Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung zu verurteilen. Nach diesem Antrag hat das Oberlandesgericht erkannt.
Mit der Revision will die Beklagte weiterhin Klageabweisung erreichen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsurteil ist unanfechtbar, soweit die Klageänderung als sachdienlich zugelassen worden ist (§ 268 ZPO). Ob das Berufungsgericht, wie die Revision meint, den Begriff der Sachdienlichkeit (§ 263 ZPO) verkannt hat, ist daher einer revisionsrechtlichen Nachprüfung entzogen. Die von der Revision aufgeworfene weitere Frage, ob mit der Klageänderung zugleich der ursprüngliche Klageantrag mindestens teilweise zurückgenommen worden ist und ob deswegen eine Kostenentscheidung im Sinne des § 269 Abs. 3 ZPO hätte getroffen werden müssen, kann dahingestellt bleiben, weil das Berufungsurteil ohnehin der Aufhebung unterliegt und aufgrund der Zurückverweisung auch über den Kostenpunkt erneut zu befinden sein wird.
II.
Das Berufungsgericht hält den notariellen Vertrag vom 26. Juli 1974 für nichtig, weil sich die Beklagte als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks zur Pflege und Betreuung des Klägers verpflichtet habe, diese Verpflichtung aber unter Verstoß gegen § 313 BGB nicht mitbeurkundet worden sei und die Parteien ohne diese formunwirksame Abrede auch den beurkundeten Teil des Vertrages nicht geschlossen hätten (§ 139 BGB).
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß dem Beurkundungserfordernis gemäß § 313 BGB nicht nur die Verpflichtung zur Grundstücksübertragung, sondern alle Vereinbarungen unterliegen, die nach dem Willen der Parteien zu dem schuldrechtlichen Übereignungsgeschäft gehören (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. BGHZ 63, 359, 361; 69, 266, 268; 74, 346, 348). Wenn daher, wie das Berufungsgericht rechtsbedenkenfrei feststellt, die Versorgungsabrede eine Gegenleistung für die Grundstücksübertragung sein sollte, so hätte diese Vereinbarung mitbeurkundet werden müssen. Für die Entscheidung kommt es mithin darauf an, ob die Parteien den beurkundeten Teil des Vertrages nach ihrem mutmaßlichen Willen auch ohne die mangels Beurkundung nichtige Versorgungsabrede geschlossen hätten (§ 139 BGB). Dies verneint das Berufungsgericht. Seine Feststellungen dazu beruhen indessen auf einer unvollständigen Würdigung des Streitstoffes, die wesentlichen Tatsachenvortrag der Beklagten außer acht läßt.
Die Revision rügt zu Recht, daß sich das Berufungsgericht nicht mit der Behauptung der Beklagten befaßt habe, im Beurkundungstermin seien die Möglichkeit eines späteren Zerwürfnisses der Parteien und die sich hieraus ergebenden Folgen für ihr häusliches Zusammenleben ausdrücklich erörtert worden, wobei der Notar darauf hingewiesen habe, daß in einem solchen Falle für den Kläger aufgrund seines Nießbrauchsrechts "keinerlei Risiko" bestehe. Hätte das Berufungsgericht diese vom Kläger nicht bestrittene, zudem unter Beweis gestellte Behauptung berücksichtigt, so ist nicht auszuschließen, daß es zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Denn wenn die Parteien schon von vornherein die Möglichkeit einer Auflösung ihrer häuslichen Gemeinschaft und damit eines Scheiterns des Versorgungszwecks in Betracht gezogen hatten, gleichwohl aber eine diesbezügliche Regelung (etwa in Form eines Rücktrittsvorbehalts) in der Vertragsurkunde unterließen, weil sich der Kläger - nach notarieller Beratung - durch das vereinbarte Nießbrauchsrecht als hinreichend gesichert ansah, so könnte sich hieraus ergeben, daß der Kläger den beurkundeten Teil des Rechtsgeschäfts letztlich auch ohne die nichtige Versorgungsabrede geschlossen hätte. Es ist Sache der tatrichterlichen Beurteilung, ob sich ein solcher Rückschluß auf den mußmaßlichen Parteiwillen ziehen läßt. Das übergangene Vorbringen der Beklagten kann dafür aber von Bedeutung sein; es muß deshalb vom Berufungsgericht geprüft und gewürdigt werden.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Ihm bleibt auch die vom endgültigen Prozeßausgang abhängige Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 3018795 |
NJW 1981, 222 |
NJW 1981, 222 (Volltext mit amtl. LS) |