Leitsatz (amtlich)
Die Behauptung einer nur vermuteten Tatsache durch den Konkursverwalter ist auch im Anfechtungsprozeß zulässig, wenn greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts bestehen. Diese können sich auch aus unstreitigen oder unter Beweis gestellten Indizien ergeben.
Eine bargeldlose Überweisung des Gemeinschuldners ist inkongruent, wenn der Gläubiger zu dem Zeitpunkt, in dem sein Anspruch gegen das Kreditinstitut auf Gutschrift des Geldeinganges entsteht, keine durchsetzbare Forderung gegen den Gemeinschuldner hat (Ergänzung von BGHZ 118, 171, 176 f).
Zur Inkongruenz der Erfüllung von Abschlagsforderungen durch den späteren Gemeinschuldner während seiner wirtschaftlichen Krise.
Normenkette
ZPO § 138 Abs. 1; KO § 30 Nrn. 2, 1 Fall 2; VOB/B § 16 Nr. 1 A
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 16.04.1999) |
LG Koblenz |
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. April 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. Juni 1996 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen der O. GmbH (fortan: Gemeinschuldnerin). Der Beklagte erbrachte als Subunternehmer für die Gemeinschuldnerin Elektroarbeiten sowie Sanitär- und Heizungsarbeiten unter anderem an den Bauvorhaben „T.” und „A.”. Unter dem 5. März 1996 stellte der Beklagte der Gemeinschuldnerin für die Arbeiten am „T.” einen Betrag von 70.000 DM (brutto) als Abschlagszahlung in Rechnung. Mit weiterer Abschlagsrechnung vom 11. März 1996 bat der Beklagte für das Bauvorhaben „A.” um Zahlung in Höhe von 47.933,64 DM brutto.
Am 15. April 1996 fand bei der Gemeinschuldnerin eine Krisensitzung statt, an der die beiden Gesellschafter, der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin und die Leiter der Hochbau- und Tiefbau-Abteilungen teilnahmen. Gegenstand der Besprechung waren die dann am 19. April 1996 beantragte Gesamtvollstreckung für ein Erfurter Tochterunternehmen und deren Einfluß auf die wirtschaftliche Lage der Gemeinschuldnerin.
Mit Überweisungsaufträgen vom 19. April 1996 über 40.000 DM und über 20.000 DM veranlaßte die Gemeinschuldnerin zwei à conto Zahlungen auf die Abschlagsrechnung des Beklagten vom 5. März 1996. Mit weiterem Überweisungsauftrag vom 23. April 1996 über 15.000 DM erbrachte die Gemeinschuldnerin eine à conto Zahlung auf die Abschlagsrechnung vom 11. März 1996.
Am 24. April 1996 stellte der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin Konkursantrag, der zur Verfahrenseröffnung führte.
Der Kläger fordert mit der Anfechtungsklage die Rückzahlung der von der Gemeinschuldnerin insgesamt überwiesenen 75.000 DM. Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
1. Das Berufungsgericht hat die Anfechtung unter anderem für unbegründet gehalten, soweit sie auf § 30 Nr. 2 KO gestützt wird. Dazu hat es ausgeführt:
Der Beklagte habe keine inkongruente Deckung erhalten. Die Zahlungen am 19. April und 23. April 1996 seien zwar nach Eintritt der Krise und jedenfalls weniger als 10 Tage vor Stellung des Konkursantrags erfolgt. Es stehe jedoch nicht fest, daß die Abschlagsforderungen noch nicht fällig gewesen seien. Hierfür sei der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Allerdings habe der Kläger mit seinem Vortrag erster Instanz, es hätten „immense Forderungen” des Beklagten von rund 200.000 DM offen gestanden, die Fälligkeit der hier in Rede stehenden Abschlagszahlungen nicht zugestanden. Er habe jedoch nicht ausreichend substantiiert dargetan, daß der Beklagte die Abschlagszahlungen nicht zu der Zeit, als tatsächlich gezahlt worden sei, zu beanspruchen gehabt habe. Wenn uneingeschränkt die Regeln der VOB/B vereinbart gewesen wären, hätte es vom Grundsatz her tatsächlich an der Fälligkeit gemangelt, denn es fehlten prüfbare Aufstellungen zu den Abrechnungen. Die gegenteilige Behauptung des Beklagten hierzu sei unsubstantiiert. In den Rechnungen würden mit keinem Wort irgendwelche Anlagen erwähnt. Allerdings trage der Kläger ausdrücklich vor, die Aufträge seien aufgrund eines Verhandlungsprotokolls erteilt worden, wie es für ein anderes Bauvorhaben vorgelegt werde. Das vorgelegte Verhandlungsformular sehe unter der Nummer 9 verschiedene Varianten vor, die durch Ankreuzen gewählt werden könnten. Die in dem Parallelfall – ebenfalls mit einem Elektrounternehmen – gewählte Alternative bestimme, daß 50 % bei Rohmontage und 50 % bei Fertigstellung gezahlt werden sollten, ohne dies von einer prüffähigen Aufstellung der Leistungen abhängig zu machen. Der Kläger hätte deshalb konkret vortragen müssen, wie die Fälligkeitsvereinbarung im Streitfall ausgesehen habe. Er könne sich nicht – wie geschehen – darauf zurückziehen, ihm lägen die Verhandlungsprotokolle nicht mehr vor und der Beklagte solle sie vorlegen. Hierin liege kein zulässiger Beweisantritt.
2. Das hält den Angriffen der Revision nicht stand.
a) Der Beklagte hat die Deckung im Wege der Gutschriften der am 19. April 1996 und 23. April 1996 von der Gemeinschuldnerin veranlaßten Überweisungen erhalten. Die Anfechtung gemäß § 30 Nr. 2 KO ist möglich, wenn der Gläubiger die gewährte Befriedigung nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Der hierfür maßgebliche Zeitpunkt bestimmt sich danach, wann die rechtlichen Wirkungen der entsprechenden Rechtshandlung eingetreten sind (BGHZ 138, 40, 46 f; BGH, Urt. v. 29. April 1999 – IX ZR 163/98, ZIP 1999, 973). Die im Wege der bargeldlosen Überweisung vorgenommene Rechtshandlung war demgemäß inkongruent, wenn zu dem Zeitpunkt, in dem der Anspruch des Gläubigers gegen das Kreditinstitut auf Gutschrift des für ihn bestimmten Geldeinganges entstand (vgl. BGHZ 118, 171, 176 f; BGH, Urt. v. 1. März 1984 – IX ZR 34/83, ZIP 1984, 809, 811; Schimansky in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. Bd. I § 47 Rn. 6; Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 30 Rn. 148), keine durchsetzbare Forderung gegen den Gemeinschuldner bestand. Der Anspruch auf Gutschrift ist auf Überführung des eingezahlten oder überwiesenen Betrages in das Vermögen des Empfängers gerichtet. Er entsteht, sobald die Empfängerbank den betreffenden Betrag erhalten hat bzw. bei der innerbetrieblichen Überweisung – hier über 40.000 DM sowie über 15.000 DM – bereits mit der Belastungsbuchung auf dem Konto des Auftraggebers (BGH, Urt. v. 14. November 1989 – XI ZR 97/88, ZIP 1990, 368 f; Urt. v. 24. Oktober 1996 – IX ZR 284/95, ZIP 1996, 2080, 2082). Das Berufungsgericht hat deshalb im Ausgangspunkt richtig gesehen, daß es darauf ankommt, ob dem Beklagten aus den Bauaufträgen „T.” und „A.” gegen die Gemeinschuldnerin Mitte April 1996 fällige Ansprüche auf die erbrachten Abschlagszahlungen zustanden.
b) Der Bauvertrag des BGB kannte bis zu der Einfügung des § 632a BGB durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 3. März 2000 (BGBl. I S. 330) keine Abschlagszahlungen, weil die Gesamtvergütung erst mit der Abnahme der Bauleistung fällig wird (§ 641 BGB a.F.). Beim BGB-Bauvertrag konnten daher 1996 Abschlagszahlungen nur geltend gemacht werden, wenn sie von den Vertragsparteien besonders vereinbart worden waren. Haben die Bauvertragsparteien die VOB/B zur Grundlage des Vertrags gemacht, ergibt sich der Anspruch auf Abschlagszahlungen aus § 16 Nr. 1 Abs. 1 und 3 VOB/B. Hierzu ist erforderlich, daß die Leistungen durch eine prüfbare Aufstellung nachgewiesen werden. Die Abschlagszahlungen sind dann binnen 18 Werktagen nach Zugang dieser Aufstellung zu leisten.
Das Berufungsgericht stellt fest, daß es vorliegend an prüfbaren Aufstellungen zu den Abrechnungen fehle. Gegenrügen werden hierzu nicht erhoben. Danach standen dem Beklagten in der maßgebenden Zeit ab dem 19. April 1996 fällige Ansprüche auf die angewiesenen Abschlagszahlungen nur zu, wenn die Abschlagsrechnungen bezüglich der Nachweiserfordernisse und der Leistungszeit etwa getroffenen besonderen Vereinbarungen zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten entsprachen. Nur in diesem Fall hat der Beklagte mit den Gutschriften eine Deckung erlangt, die er zu der Zeit zu beanspruchen hatte.
aa) Der Kläger hat im zweiten Rechtszug unwidersprochen vorgetragen, daß zwischen den Bauvertragsparteien die Geltung der VOB/B vereinbart worden sei. An dem Vortrag, daß dies auch für die Fälligkeitsregelungen gelten sollte, war er nicht durch ein Geständnis nach § 532 a.F., § 290 ZPO gehindert. Entgegen der Rüge der Revisionserwiderung enthielt das Vorbringen des Klägers (auf Seite 1, 3. Absatz des Schriftsatzes seiner Prozeßbevollmächtigten vom 1. September 1997) kein Geständnis nach § 288 ZPO. Die Ausführungen bezogen sich vielmehr auf eine Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin sowie ganz allgemein auf ihre Leistungsrückstände gegenüber dem Beklagten und nicht auf die Fälligkeit im Rechtssinn der in Streit stehenden Forderungen.
bb) Die Revision hat Erfolg, soweit sie beanstandet, das Berufungsgericht habe den Prozeßvortrag, auf den der Kläger die mangelnde Fälligkeit des Anspruchs auf Abschlagszahlungen stützt, als rechtlich unbeachtlich und einer Beweisaufnahme nicht zugänglich gewürdigt.
Der Kläger hat behauptet, die Bauvertragsparteien hätten die VOB/B vereinbart. Aus dem Gesamtzusammenhang war diese Behauptung so zu verstehen, daß auch die Fälligkeitsregelung der VOB gelten sollte. Der Kläger hat dieses im Blick auf § 16 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/B i.V.m. § 30 Nr. 2 KO schlüssige Vorbringen dadurch unter Beweis gestellt, daß er beantragt hat, dem Beklagten aufzugeben, die Verhandlungsprotokolle betreffend die Bauvorhaben „T.” und „A.” vorzulegen, aus denen sich dies ergebe, § 421 ZPO. Er hat weiter unter Beweisantritt (Zeugin K.) vorgetragen, daß sich bei der Gemeinschuldnerin Ausfertigungen der Verhandlungsprotokolle nicht befänden. Ferner hat er behauptet, diese lägen dem Beklagten vor. Daß dem Beklagten der Bauauftrag auf der Grundlage des von der Gemeinschuldnerin regelmäßig verwendeten „Verhandlungsprotokolls” erteilt worden sei, ergebe sich bezüglich des Bauvorhabens T. aus der Rechnung des Beklagten vom 31. Mai 1995, in der hierauf Bezug genommen werde. Die Gemeinschuldnerin habe Bauaufträge stets auf der Grundlage eines Verhandlungsprotokolls derjenigen Art erteilt, wie es – bezogen auf einen hier nicht streitgegenständlichen Fall – zur Gerichtsakte gelangt sei.
Dem Gebot der Erschöpfung der Beweismittel folgend (§ 286 ZPO) hätte das Berufungsgericht den nach §§ 420, 421, 424 ZPO angetretenen Beweis erheben müssen. Insbesondere sind die Voraussetzungen für die Anordnung der beantragten Vorlage der Urkunde durch den Beklagten (§ 425 ZPO) gegeben. Der Beweisantrag ist im Sinne dieser Vorschrift begründet. Nach § 422 ZPO ist der Gegner zur Vorlegung der Urkunde verpflichtet, wenn der Beweisführer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Herausgabe oder die Vorlegung der Urkunde verlangen kann. Im vorliegenden Fall hat der Kläger ein Einsichtsrecht aus § 810 BGB glaubhaft gemacht. In der Urkunde ist ein zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten bestehendes Rechtsverhältnis (Bauauftrag) beurkundet. Mit seinem Vortrag, die für die Gemeinschuldnerin bestimmte Ausfertigung der Vertragsurkunde sei nicht mehr auffindbar, hat er ein rechtliches Interesse daran dargelegt, die für den Beklagten bestimmte Ausfertigung einzusehen (§ 424 Satz 1 Nr. 5 ZPO). Der Beklagte hatte zwar nicht zugestanden, daß die Urkunde sich in seinen Händen befinde, sich aber über den Antrag nicht erklärt; dies reicht nach § 425 ZPO aus.
Schließlich durfte das Berufungsgericht von einer Beweiserhebung nicht deshalb absehen, weil der Kläger ein hier nicht streitgegenständliches Verhandlungsprotokoll vorgelegt hat, aus dem sich mehrere Möglichkeiten für Abschlagszahlungen ergeben, und der Kläger nicht konkret vorgetragen hat, welchen Inhalt die Fälligkeitsvereinbarungen für die hier fraglichen Bauvorhaben hatten. Der unter Beweis gestellte Vortrag des Klägers kann nur dahin verstanden werden, im konkreten Fall ergebe sich aus dem Vergabeprotokoll keine Fälligkeit der Werklohnforderung ohne Vorlage einer prüfbaren Aufstellung der Leistung. Diesen Vortrag konnte das Berufungsgericht allerdings als Vermutung werten. Das steht jedoch, wie die Revision zutreffend geltend macht, der Zulässigkeit des Beweisantrags nicht entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 10. Januar 1995 – VI ZR 31/94, NJW 1995, 1160, 1161; v. 25. April 1995 – VI ZR 178/94, WM 1995, 1561, 1562; v. 11. Juli 1996 – IX ZR 226/94, ZIP 1996, 1516, 1522). Es wird einer Partei, die – wie der Konkursverwalter – an dem streitigen Vertragsschluß nicht mitgewirkt hat, häufig nicht erspart bleiben, im Zivilprozeß Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genaue Kenntnis haben kann, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält. Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen erst dort, wo die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl” oder „ins Blaue hinein” aufstellt, wobei in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt ist, daß in der Regel nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte Willkür rechtfertigen kann (BGH, Urt. v. 25. April 1995 aaO m.w.N.). Im vorliegenden Fall spricht das den Bauverträgen nach den Behauptungen des Klägers zugrundeliegende Regelungswerk – ungeachtet seiner praktischen Handhabung durch die Gemeinschuldnerin und den Beklagten – eher dafür, daß die Fälligkeit der Abschlagsforderung an die Vorlage einer prüfungsfähigen Aufstellung der Leistungen geknüpft war. Das Berufungsgericht durfte deshalb das Vorbringen des Klägers nicht als rechtsmißbräuchlich werten.
Für das Revisionsverfahren ist danach zu unterstellen, daß der Auftrag auf der Grundlage der VOB/B erteilt wurde und die Fälligkeit der Abschlagszahlungen die Vorlegung einer prüfbaren Aufstellung voraussetzte. Da eine solche nicht vorgelegt worden ist, waren die Forderungen des Klägers nicht fällig, so daß die Gemeinschuldnerin Zahlungen geleistet hat, die der Beklagte zu dieser Zeit nicht zu beanspruchen hatte. Gemäß § 30 Nr. 2 KO hätte sonach der Beklagte beweisen müssen, daß ihm bei Eingang der Zahlungen weder die Zahlungseinstellung und der Eröffnungsantrag, noch eine Benachteiligungsabsicht des Geschäftsführers der Gemeinschuldnerin bekannt war. Da er diesen Beweis nicht erbracht hat, ist die Revision begründet.
II.
1. Das Berufungsgericht hat eine Anfechtung nach § 30 Nr. 1 Fall 2 KO ebenfalls ausgeschieden. Hierzu hat es ausgeführt:
Nach dieser Vorschrift müsse der Konkursverwalter darlegen und beweisen, daß die Rechtshandlung, die dem Gläubiger Sicherheit oder Befriedigung gewähre, nach der dem Gläubiger bekannten Zahlungseinstellung erfolgt sei. Im vorliegenden Fall sei dem Kläger der Nachweis nicht gelungen, der Beklagte habe zum Zeitpunkt der Zahlungen Kenntnis von der Krise gehabt. Die vom Landgericht durchgeführte Zeugenvernehmung ergebe hierfür nichts Konkretes. Der Kläger ziehe in zweiter Instanz die Glaubwürdigkeit des Zeugen O. in Zweifel und habe zum Beweis dessen, daß der Beklagte – entgegen der Aussage des Zeugen O. – nach der Krisensitzung bei dem Zeugen vorgesprochen habe, die Zeugin K. benannt. Die Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Zeugen O. bedeute jedoch nicht, daß der Kläger den ihm obliegenden Beweis der Kenntnis des Beklagten von der Krise geführt habe. Der Kläger trage nicht vor, welche Tatsachen dem Beklagten bekannt gewesen sein sollen. Konkret werde nur behauptet, er sei über den Verlauf der Krisensitzung unterrichtet gewesen. Dieses sei jedoch nicht ansatzweise bewiesen. Aus diesen Erwägungen heraus brauche auch dem Beweisantrag des Klägers auf Parteivernehmung des Beklagten dazu, ihm sei bekannt gewesen, daß die Gemeinschuldnerin zahlungsunfähig gewesen sei, nicht nachgegangen zu werden; es würde letztlich eine Rechtsbehauptung unter Beweis gestellt.
2. Diese Begründung beruht auf Rechtsfehlern. Das Berufungsgericht hätte – wie die Revision zutreffend rügt – den Prozeßvortrag des Klägers zur Kenntnis des Beklagten von der Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin nicht als rechtlich unbeachtlich und einer weiteren Beweisaufnahme (§ 445 Abs. 1 ZPO) nicht zugänglich würdigen dürfen.
Ob jemand eine Zahlungseinstellung kennt, ist eine – innere – Tatsache. Ein unzulässiger Ausforschungsantrag liegt hier nicht vor, weil eine Reihe von unstreitigen und streitigen, aber von dem Kläger unter Beweis gestellten Indizien für eine Kenntnis des Beklagten von der Zahlungseinstellung der Gemeinschuldnerin bereits zum maßgebenden Zeitpunkt – Anspruch auf Gutbuchung der ersten der drei von der Gemeinschuldnerin veranlaßten Überweisungen (s. oben I 2 a) – sprechen.
Wie die Revision im Zusammenhang mit der vom Berufungsgericht ebenfalls verneinten Anfechtung nach § 31 Nr. 1 KO (s. unter 3.) zu Recht beanstandet, hat das Berufungsgericht den unter Zeugenbeweis (Zeugin K.) gestellten Vortrag des Klägers nicht erkennbar berücksichtigt, der Beklagte sei in der Zeit zwischen der Krisensitzung am 15. April 1996 und dem Konkursantrag am 24. April 1996 zweimal bei dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin gewesen, und zwar zusammen mit D. O., dem Sohn des Geschäftsführers, der Bauherr des Bauvorhabens „T.” gewesen sei. Angesichts der kurzen Zeitspanne zwischen der Krisensitzung am 15. April 1996 und der Konkursantragstellung am 24. April 1996 sowie der am 19. April 1996 und 23. April 1996 veranlaßten Abschlagszahlungen von 40.000 DM und 20.000 DM auf die Abschlagsrechnung betreffend das Bauvorhaben T. vom 5. März 1996 über insgesamt 70.000 DM, lag es nicht fern, wenn es sich nach der Lebenserfahrung nicht sogar aufdrängte, daß der Beklagte – falls er den Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin zusammen mit D. O. aufgesucht hat – von jenem über die Krise der Gemeinschuldnerin informiert und durch die in Aussicht gestellten erheblichen Abschlagszahlungen zur Weiterarbeit bewegt worden ist. Dafür spricht im übrigen auch, daß der Geschäftsführer A. O. bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht eingeräumt hat, daß ihm in den Tagen nach der Krisensitzung Listen mit den Gläubigern der Gemeinschuldnerin vorlagen. Daß diese Gegenstand der Besprechungen mit dem Beklagten waren, liegt nach dem derzeitigen Sachstand nicht fern.
Das Berufungsgericht hätte jedenfalls den Beklagten – wie beantragt – über die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin vernehmen müssen.
3. Aus dem gleichen Grund durfte das Berufungsgericht auch die Absichtsanfechtung (§ 31 Nr. 1 KO) nicht ohne weitere Beweisaufnahme an der mangelnden Kenntnis der Benachteiligungsabsicht seitens des Beklagten scheitern lassen.
III.
Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht entscheidungsreif ist (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.).
1. Der Kläger hat im Hinblick auf § 30 Nr. 1 Fall 2 sowie Nr. 2 KO schlüssig vorgetragen, daß die von der Gemeinschuldnerin veranlaßten Überweisungen nach Zahlungseinstellung erfolgt sind.
a) Zahlungseinstellung ist dasjenige äußerliche Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, daß er nicht in der Lage ist, seine fälligen, eingeforderten Zahlungsverpflichtungen im wesentlichen zu erfüllen (vgl. BGH, Urt. v. 4. Oktober 2001 – IX ZR 81/99, ZIP 2001, 2097 = WM 2001, 2181). Im vorliegenden Fall hat die Gemeinschuldnerin spätestens Anfang April 1996 ihre Zahlungen eingestellt.
b) Aus der eigenen Forderungsaufstellung des Beklagten vom 10. Mai 1996, die er zur Konkurstabelle angemeldet hat, ergibt sich, daß auf acht Rechnungen betreffend die Bauvorhaben „G.”, „A.”, „D.” und „T.” 12. Februar 1996, 5. März 1996, 11. März 1996 und 6. April 1996 über insgesamt 218.987,81 DM keinerlei Zahlungen erfolgt sind, mit Ausnahme der (40.000 + 20.000 + 15.000 =) 75.000 DM, die Gegenstand des vorliegenden Anfechtungsprozesses sind. Die 77 Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin erhielten für den Monat März 1996 keine Löhne und Gehälter mehr. Diese waren am 10. April 1996 fällig. Der Kläger hat sie auf 266.000 DM beziffert. Das Arbeitsamt Montabaur hat als Rückstand für das letzte Jahr bis zur Konkurseröffnung (1. Juni 1996) ein Konkursausfallgeld in Höhe von 860.000 DM als Konkursforderung angemeldet. Mit der Zahlung fälliger Sozialversicherungsbeiträge befand sich die Gemeinschuldnerin Anfang April ebenfalls erheblich im Rückstand: Aus der Anmeldung der Techniker Krankenkasse in Verbindung mit dem Überweisungsauftrag der Gemeinschuldnerin vom 15. April 1996, dem Tag der Krisensitzung, ergibt sich, daß die Gemeinschuldnerin für den Monat März 1996 nur den Arbeitnehmer-Anteil der Sozialversicherungsbeiträge gezahlt hat. Bei der Deutschen Angestellten Krankenkasse und der Barmer Ersatzkasse verblieben für die Zeit ab März 1996 ebenfalls nicht unerhebliche Verbindlichkeiten. Die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes bezifferte die zur Konkurstabelle angemeldeten Rückstände für Februar 1996 auf (38.493,97 + 1.203,59 =) 39.697,56 DM und für März 1996 auf (60.034,17 + 1.203,59 =) 61.237,76 DM.
Vor diesem Hintergrund kam die Zahlungseinstellung der Schuldnerin spätestens darin zum Ausdruck, daß sie die Löhne für den Monat März 1996 nicht mehr zahlen konnte. Die Zahlungseinstellung erfaßte ersichtlich einen wesentlichen Teil der Verbindlichkeiten der Schuldnerin. Daran ändert nichts, daß nach Angaben des Zeugen L. im März 1996 ein Teil des Weihnachtsgeldes 1995 ausgezahlt worden ist. Ein Schuldner, der vereinzelt noch Zahlungen leistet, kann gleichwohl im Sinne der Anfechtungsvorschriften seine Zahlungen eingestellt haben. Das gilt sogar dann, wenn die Zahlungen – für sich genommen – beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen (BGH, Urt. v. 13. April 2000 – IX ZR 144/99, ZIP 2000, 1016, 1017; Urt. v. 4. Oktober 2001 – IX ZR 81/99, ZIP 2001, 2097, 2098). Aus dieser Sicht wird das Berufungsgericht auch erneut das Vorbringen des Klägers über Besuche des Beklagten beim Geschäftsführer A. O. und die dabei angeblich erlangte Kenntnis von Zahlungsschwierigkeiten der Gemeinschuldnerin würdigen müssen.
2. Im Rahmen der Anfechtung des § 30 Nr. 2 KO kann die Fälligkeit des Anspruchs auf Abschlagszahlung nicht unter Hinweis auf die Einstellung der Arbeiten am 23. oder 24. April 1996 verneint werden. Dabei kommt es aus Rechtsgründen nicht darauf an, ob der Anspruch auf die Gutschriften vor oder nach der Einstellung der Arbeiten an den Bauvorhaben „T.” und „A.” entstanden ist. Die Arbeitseinstellung als solche führt nicht zur Beendigung des Vertragsverhältnisses und läßt den Anspruch des Bauherrn auf Erfüllung der Werkleistung unberührt. In diesen Fällen behält der Auftragnehmer grundsätzlich den etwaigen Anspruch auf Abschlagszahlung, den er jedenfalls für den Fall geltend machen darf, daß er eine Abnahme oder deren unberechtigte Verweigerung nicht nachweisen kann (vgl. BGH, Urt. v. 15. Juni 2000 – VII ZR 30/99, WM 2000, 1909, 1910 = NJW 2000, 2818, 2819; einschränkend OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 231). Das Berufungsgericht wird sich auch mit dem unter Zeugenbeweis gestellten Vortrag des Beklagten (auf Seite 4 f der Berufungserwiderung vom 21. Januar 1999) auseinandersetzen müssen, wonach die prüfbare Aufstellung der Abschlagsrechnung als Anlage beigefügt war.
3. Die nach der Beweiserhebung möglicherweise festzustellende Inkongruenz der Überweisungen vom 19. und 23. April 1996 wäre nach ständiger Rechtsprechung ein starkes Beweisanzeichen für eine Benachteiligungsabsicht des Schuldners und für eine Kenntnis des Gläubigers von dieser Absicht (BGHZ 137, 267, 283; BGH, Urt. v. 21. Januar 1999 – IX ZR 329/97, ZIP 1999, 406, 407). Dieses Beweisanzeichen müßte der Beklagte entkräften, weil § 30 Nr. 2 KO die Beweislast insoweit dem Anfechtungsgegner auferlegt (BGH, Urt. v. 20. November 2001 – IX ZR 159/00, ZIP 2002, 228, 229 f).
Unterschriften
Kirchhof, Fischer, Ganter, Raebel, Kayser
Fundstellen
Haufe-Index 772123 |
DB 2003, 445 |
BGHR 2003, 102 |
BauR 2002, 1608 |
NJW-RR 2002, 1419 |
IBR 2003, 305 |
KTS 2002, 717 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 1690 |
WuB 2002, 1173 |
ZAP 2002, 1041 |
ZIP 2002, 1408 |
DZWir 2003, 160 |
InVo 2002, 489 |
MDR 2002, 1270 |
NZI 2002, 486 |
ZInsO 2002, 721 |
BKR 2002, 787 |
NZBau 2002, 564 |
ZBB 2002, 499 |