Leitsatz (amtlich)
Der wegen Zuerkennung des Hauptantrags nicht beschiedene Hilfsantrag des Klägers wird allein durch die Rechtsmitteleinlegung des Beklagten Gegenstand des Berufungsverfahrens.
Normenkette
ZPO §§ 528, 537 a.F.
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 17.07.2002; Aktenzeichen 9 U 26/02) |
LG Lüneburg |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Celle v. 17.7.2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über die Hilfsanträge der Kläger nicht entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger gründeten am 31.12.1996 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zum Zwecke des Erwerbs eines Grundstücks in P., der Fertigstellung der begonnenen Bebauung, dessen Vermietung und Verwaltung und damit im Zusammenhang stehender Tätigkeiten. Durch notariellen Vertrag v. 30.12.1998 trat der Beklagte dieser Gesellschaft bei. In § 2 des Vertrages wurde eine Beteiligung des Beklagten am Gesellschaftsvermögen von 94 % und der Kläger von jeweils 1,5 % vereinbart. Gemäß § 3b des Vertrages sicherten die Kläger zu, dass die Gesellschaft zur Zeit des Beitritts des Beklagten keine Verbindlichkeiten habe, die höher als 1.659.946 DM seien. In der Beitrittsurkunde war eine von dem Beklagten zu erbringende Gegenleistung an die Gesellschaft nicht vereinbart. In einer Gesellschafterversammlung vom selben Tage vereinbarten die Parteien:
"Herr J. Ju. stellt die Gesellschafter von den gegenüber der V.bank AG - Ha.- eingegangenen Verpflichtungen bis zur Höhe von 1.659.946 DM (in Worten: ...) im Innenverhältnis frei."
Im Oktober 2000 schlossen die Kläger den Beklagten aus der Gesellschaft aus und begründeten dies damit, dass der Beklagte seiner Freistellungsverpflichtung gegenüber der V.bank sowie gegenüber der H.bank nicht nachgekommen sei.
Mit ihrer Klage haben die Kläger die Feststellung der Wirksamkeit des Ausschlusses des Beklagten sowie Zahlung des auf ihn entfallenden Kapitalfehlbetrages und hilfsweise Zahlung eines Betrages, in dessen Höhe sie von den Banken in Anspruch genommen worden seien, sowie Freistellung von der verbliebenen Darlehensverpflichtung bei der H.bank verlangt.
Das LG hat der Klage mit dem Hauptantrag stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen und eine Entscheidung über die Hilfsanträge der Kläger nicht getroffen.
Auf die gegen das Urteil des Berufungsgerichts eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger hat der Senat die Revision zugelassen, soweit über die Hilfsanträge der Kläger nicht entschieden worden ist.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist begründet.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Ablehnung einer Entscheidung über die Hilfsanträge ausgeführt, die von den Klägern in erster Instanz gestellten Hilfsanträge seien dem Senat nicht angefallen. Eine Beschäftigung mit den Hilfsanträgen sei mit § 537 ZPO a.F. unvereinbar. Das Argument, die "Erledigung" des Hilfsanspruchs werde durch die Einlegung der Berufung wieder in Frage gestellt, so dass auch der unerledigt gebliebene Teil ohne weiteres dem Berufungsgericht anfalle, überzeuge nicht.
II. Diese Ansicht des Berufungsgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass im Berufungsverfahren der wegen Zuerkennung des Hauptantrages nicht beschiedene Hilfsantrag des Klägers der Berufungsinstanz allein durch die Rechtsmitteleinlegung seitens des Beklagten anfällt (RGZ 77, 20, 126 f.; BGH, Urt. v. 16.11.1951 - I ZR 22/51, LM § 525 ZPO Nr. 1; Urt. v. 29.6.1957 - IV ZR 313/56, BGHZ 25, 79 [85]; Urt. v. 29.1.1964 - V ZR 23/63, BGHZ 41, 38 [39 ff.]; Urt. v. 24.1.1990 - VIII ZR 296/88, MDR 1990, 711 = NJW-RR 1990, 518 [519]; Urt. v. 24.9.1991 - XI ZR 245/90, MDR 1992, 46 = NJW 1992, 117; Urt. v. 20.9.1999 - II ZR 345/97, GmbHR 1999, 1194 = MDR 1999, 1459 = NJW 1999, 3779, für das Revisionsverfahren). Hiervon abzuweichen besteht auch unter Würdigung der von dem Berufungsgericht angeführten Literaturstimmen (Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 526 Rz. 28; Rimmelpacher in Aktualisierungsbd., § 528 Rz. 44; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 537 Rz. 10; Merle, ZZP 83, 436 [448 ff.]; Brox, Recht im Wandel, FS Carl Heymanns Verlag 1965, S. 121, 134 ff.) kein Anlass. Denn zu den Grundbedingungen des Klageverfahrens, die auch im Rechtsmittelzug weiter gelten (§ 537 ZPO a.F.), gehört es, dass der Kläger durch seine Anträge bestimmt, mit welchen Ansprüchen sich das Gericht befassen muss. Diese von dem Kläger zur Überprüfung gestellten Streitgegenstände kann der Beklagte allein durch ein Anerkenntnis oder durch die Hinnahme einer Verurteilung, nie jedoch dadurch beschränken, dass er Rechtsmittel einlegt. Es besteht keine Veranlassung, von dem Kläger, der in erster Instanz voll obsiegt hat, die Einlegung eines Rechtsmittels - auch nicht im Wege einer Eventual-Anschließung (Gummer/Heßler in Zöller, ZPO, 24. Aufl., § 528 Rz. 20; Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 528 Rz. 15) - gegen ein zu seinen Gunsten ergangenes Urteil zu verlangen, um die volle Überprüfung seines unveränderten Klagebegehrens im Rechtsmittelzug sicherzustellen.
III. Da das Berufungsgericht auf Grund seines abweichenden Rechtsstandpunkts zu den Hilfsanträgen keine Feststellungen getroffen hat, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Streitwert wird bis zur Entscheidung über die Zulassung der Revision auf 1.552.727,38 EUR, danach auf 802.272,38 EUR festgesetzt.
Fundstellen
Haufe-Index 1251129 |
DStR 2005, 40 |
BGHR 2005, 192 |
FamRZ 2004, 1962 |
NJW-RR 2005, 220 |
MDR 2005, 162 |
MDR 2006, 554 |
BrBp 2005, 123 |
BrBp 2005, 38 |