Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 10.12.1976)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. Dezember 1976 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger, jetzt Ende 40, war als Beamter auf Lebenszeit im Sparkassenwesen bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Stadtsparkasse P., beschäftigt. Nachdem durch eine Änderung der Gesetzgebung die Möglichkeit zur privatrechtlichen Anstellung von Vorstandsmitgliedern der Sparkassen eröffnet worden war, schlossen der Kläger und die Stadtsparkasse P. den Dienstvertrag vom 8. Oktober 1970, nach dessen §§ 1 Abs. 1 und 9 Abs. 1 a der Kläger für die Zeit vom 1. September 1970 bis 31. August 1975 als Vorstandsmitglied angestellt wurde. Die Versorgung des Klägers ist vor allem in § 11 des Dienstvertrages geregelt, dessen Absätze 1 und 2 a und b folgenden Wortlaut haben:

„(1) Dem Vorstandsmitglied und seinen Hinterbliebenen wird Versorgung nach den für die Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen geltenden Vorschriften gewährt.

(2) Bei der Bemessung der Versorgungsbezüge gelten die folgenden besonderen Regelungen:

  1. Das Vorstandsmitglied erhält ab 1.9.1970 einen Versorgungsanspruch von 57 % des Grundgehaltes. Das Ruhegeld erhöht sich jährlich ab 7. Dezember 1971 um 2 % und ab 7. Dezember 1974 um jeweils 1 % bis zum Höchstsatz von 75 %.
  2. Ruhegeldfähige Bezüge

    aa) Als ruhegeldfähiger Bezug gilt ein Zwölftel des bei Eintritt des Versorgungsfalles vertraglich zustehenden Grundbetrages.

    bb) § 166 LBG NW in der Fassung vom 6.5.1970 findet keine Anwendung.

    cc) Bei Änderungen der Besoldung der Landesbeamten in Besoldungsgruppe B 2 in Nordrhein-Westfalen ändert sich die Höhe des ruhegeldfähigen Bezuges entsprechend.”

Die Stadtsparkasse P. ging Ende 1973 in der Beklagten auf. Mit Schreiben vom 28. Dezember 1973 hatte sie im Hinblick hierauf gemäß § 10 des Dienstvertrags das Anstellungsverhältnis zum 31. Dezember 1973 gekündigt. Nach § 10 Abs. 2 gilt unter bestimmten, hier unstreitig erfüllten Voraussetzungen „die Vereinigung der Sparkassen als wichtiger Grund (§ 626 BGB) zur Kündigung des Anstellungsverhältnisses”.

Am 15. August 1974 nahm der Kläger eine Tätigkeit bei der Rechnungsprüfungsstelle für die Industrie- und Handelskammern auf. Die Parteien streiten darüber, ob und in welchem Umfang das Einkommen des Klägers aus dieser Tätigkeit auf seinen Ruhegehaltsanspruch gegen die Beklagte anzurechnen ist. Der Kläger hat mit der Klage die Zahlung seines vollen Ruhegehalts für den Monat November 1975 in Höhe von 3.411,79 DM verlangt, da ein Ruhen der Versorgungsbezüge nicht in Betracht komme. Die Beklagte hat einen Teilbetrag von 667,38 DM anerkannt und im übrigen Klagabweisung beantragt. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 2.314,03 DM verurteilt. Auf ihre Berufung hat das Oberlandesgericht die über 667,38 DM hinausgehende Klage abgewiesen und dementsprechend auch die auf Zuerkennung der vollen Klagesumme gerichtete Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Anspruch im Umfang der Klagabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß dem Kläger für den Monat November 1975 ohne Berücksichtigung seines Einkommens aus der Verwendung beim DIHT (4.502 DM) ein Anspruch auf Versorgungsbezüge in Höhe von 3.411,79 DM zustehen würde, nämlich 66 % nach dem ruhegeldfähigen Grundbetrag von 5.169,38 DM (§ 11 Abs. 2 b und § 6 des Dienstvertrags). Das Berufungsgericht hält jedoch den Einwand der Beklagten für begründet, daß der Kläger den Versorgungsanspruch nur bis zu der Höchstgrenze des § 168 Beamtengesetz Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 1970 (GV. NW. S. 344 – LEG) geltend machen könne, die es mit 5.169,38 DM annimmt. Soweit die Summe von Einkommen aus der Tätigkeit beim DIHT und den Versorgungsbezügen die Höchstgrenze übersteige, würden die Versorgungsbezüge ruhen. Dies sei in Höhe von 2.744,41 DM der Fall, nämlich:

Versorgungsbezüge + Einkommen =

7.913,79 DM

Höchstgrenze

5.169,38 DM

Ruhensbetrag

2.744,41 DM

Nach Abzug dieses Betrags von dem Monatsbetrag der Versorgungsbezüge (3.411,79 DM abzüglich 2.744,41 DM) würde nur noch ein Anspruch auf Versorgungsbezüge in Höhe von 667,38 DM bestehen, wie ihn die Beklagte anerkannt hat. § 168 LBG, der – abgesehen von Abs. 6 – mit dem ab 1967 und auch noch im November 1975 geltenden § 158 Bundesbeamtengesetz (BBG) weitgehend übereinstimmt, lautet in seinen hier interessierenden Teilen wie folgt:

„(1) Bezieht ein Versorgungsberechtigter aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst ein Einkommen, so erhält er daneben seine Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen der in Abs. 2 bezeichneten Höchstgrenze.

(2) Als Höchstgrenze gelten

1. Für Ruhestandsbeamte

  1. bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze beginnt, mindestens jedoch bis zum Ende des Monats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden,

    die für denselben Zeitraum bemessenen ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der das Ruhegehalt berechnet ist,

  2. von dem Zeitpunkt an, in dem der Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze beginnt, frühestens jedoch vom Ersten des auf die Vollendung des 65. Lebensjahres folgenden Monats an,

    der Betrag nach Buchst. a, erhöht um 60 v. H. des Betrages des Gesamteinkommens aus der Versorgung und der Verwendung im öffentlichen Dienst, der diese Höchstgrenze übersteigt.

(5) Verwendung im öffentlichen Dienst im Sinne des Abs. 1 ist jede Beschäftigung im Dienst von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts im Reichsgebiet oder der Verbände von solchen: ausgenommen ist die Beschäftigung bei Kirchen und öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften oder ihren Verbänden. …

(6) Hat ein Ruhestandsbeamter neben dem Amt, aus dem er Versorgungsbezüge erhält, mindestens ein Jahr lang eine sonstige Tätigkeit im öffentlichen Dienst ununterbrochen ausgeübt und setzt er diese Tätigkeit nach seinem Übertritt in den Ruhestand fort, so ist in der Ruhensberechnung als Einkommen aus der Verwendung nur der Betrag anzusetzen, um den sich dieses Einkommen seit Beginn des Versorgungsbezuges erhöht hat.”

1. a) Die Auslegung des Berufungsgerichts, auf den Ruhegehaltsanspruch des Klägers sei § 168 LBG anzuwenden, läßt keinen Rechtsfehler erkennen. In § 11 Abs. 1 des Dienstvertrags wird bestimmt, daß die „Versorgung nach den für die Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen geltenden Vorschriften gewährt” wird. Nach § 13 des Vertrages finden ganz allgemein die für Beamte des Landes Nordrhein-Westfalen geltenden Vorschriften Anwendung, „soweit der Dienstvertrag auf beamtenrechtliche Grundsätze Bezug nimmt”. Bei dieser umfassenden Verweisung auf das Beamtenrecht ist es nicht nur möglich, sondern naheliegend, dessen Vorschriften für die privatrechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien bis zu der Grenze heranzuziehen, von der ab ihre Anwendung auf Nichtbeamte sinnwidrig wäre (vgl. BAG in AP § 242 BGB Ruhegehalt – Beamtenversorgung Nr. 1 unter 2). Diese Grenze wird hier nicht überschritten. Der Zweck der Vorschrift, unter Berücksichtigung des beamtenrechtlichen Alimentationsgrundsatzes eine Doppelbelastung öffentlicher Haushalte zu vermeiden, läßt sich, ohne seine Berechtigung zu verlieren, auf Angestellte Öffentlich-rechtlicher Sparkassen übertragen, wenn und solange der Angestellte – wie hier – in seiner neuen Tätigkeit eine insgesamt angemessene Vergütung erhält. Die Ansicht der Revision, jene Regelung passe hier dennoch nicht, weil der Dienstvertrag des Klägers auf 5 Jahre befristet gewesen sei, ist deshalb nicht stichhaltig, weil die Ruhensvorschriften auch für die Versorgungsbezüge von Zeitbeamten sinngemäß gelten. In gewissen Verschlechterungen, die der Kläger durch seinen Übergang aus der beamtenrechtlichen Position in ein privatrechtliches Dienstverhältnis in Kauf genommen hat, hat das Berufungsgericht keinen Grund für die Folgerung gesehen, § 168 LBG sei nicht anzuwenden. Auch diese Ausführungen bewegen sich im Rahmen einer möglichen tatrichterlichen Vertragsauslegung, sie sind daher mit der Revision, die insofern keinen Rechtsfehler aufzuzeigen vermag, nicht angreifbar. Dies gilt auch, soweit das Berufungsgericht die Bestimmungen des § 11 Abs. 2 des Dienstvertrags nicht als abschließende, der Anwendung des § 168 LBG entgegenstehende Regelung der Höhe der Versorgungsbezüge beurteilt hat; mit ihren gegenteiligen Ausführungen versucht die Revision lediglich in unzulässiger Weise die tatrichterliche durch eine eigene, nicht zwingende Wertung zu ersetzen.

2. Das Berufungsgericht hat § 168 LBG richtig angewendet.

a) Die Vorschrift kommt nur zum Zug, wenn der Versorgungsberechtigte „aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst ein Einkommen” bezieht (Abs. 1). Dies ist hier der Fall, wie sich aus § 168 Abs. 5 LEG ergibt. Danach ist Verwendung im Öffentlichen Dienst unter anderem jede Beschäftigung im Dienst von Körperschaften des öffentlichen Rechts „oder der Verbände von solchen”. Die Industrie- und Handelskammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 3 Abs. 1 des Industrie- und Handelskammergesetzes vom 18. Dezember 1956, BGBl. I S. 920 – IHKG), der DIHT ist ihre Spitzenorganisation, die Rechnungsprüfungsstelle wiederum ein unselbständiger Teil von ihm (vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, 3. Aufl., § 3 Bem. 1 a.E. und § 12 Bem. 4 S. 335). Der Anwendung von § 168 LBG steht nicht entgegen, daß der DIHT die Rechtsform eines eingetragenen Vereins mit den Industrie- und Handelskammern als Mitgliedern hat, also privatrechtlich organisiert ist (vgl. BVerwGE 39, 300, 303 f). Ebensowenig kann der Kläger daraus etwas für sich herleiten, daß mit der Ruhensregelung nach ihrem Grundgedanken nur eine Doppelbelastung öffentlicher Mittel vermieden werden solle (BVerfGE 12, 102 und BGH, Urt. v. 23. Mai 1977 – IV ZR 13/76 in NJW 1977, 1493, 1495 unter 3 a zu den vergleichbaren Ruhensvorschriften in der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder). Denn eine solche Sachlage ist gerade gegeben: Die Industrie- und Handelskammern beziehen ihre Einnahmen im wesentlichen aus den Beiträgen der Kammerzugehörigen (§ 3 Abs. 2 IHKG), die Beiträge sind öffentliche Abgaben (Frentzel/Jäkel/Junge, § 3 Bem. 3 b und 4). Der Grundgedanke, eine Doppelbelastung öffentlicher Mittel zu vermeiden, rechtfertigt auch die Beschränkung der Ruhensregelung auf Einkommen aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst, so daß ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht in Betracht kommt. Es werden im Verhältnis zum Einkommen aus der Tätigkeit bei einem privatwirtschaftlichen Arbeitgeber oder einer selbständigen Tätigkeit ungleiche Sachverhalte ungleich behandelt (s. zur Verfassungsmäßigkeit Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 232 § 158 Nr. 21).

b) Das Berufungsgericht hat die Kürzungsgrenze nach § 168 Abs. 2 Nr. 1 a LBG berechnet. Hiergegen bestehen keine Bedenken. Die in Nr. 1 a und b geregelten Alternativen unterscheiden – soweit hier von Interesse – allein danach, ob der Versorgungsberechtigte schon das 65. Lebensjahr vollendet hat. Erst wenn dies der Fall ist, wie vorliegend nicht, kommt die höhere Kürzungsgrenze nach Nr. 1 b zum Zug. Für eine Regelungslücke besteht kein Anhalt. Denn der Nichtbeamte, der vertraglich Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen hat, steht nach der die Versorgung auslösenden Beendigung seines Dienstverhältnisses nicht anders da als ein Ruhestandsbeamter, und die Differenzierung nach dem Lebensalter trifft beide gleich.

Für die hiernach mit 5.169,38 DM ermittelte Kürzungsgrenze hat sich das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler auf § 11 Abs. 2 b aa des Dienstvertrags gestützt, wonach als ruhegeldfähiger Bezug ein Zwölftel des bei Eintritt des Versorgungsfalls vertraglich zustehenden Grundbetrags gilt, das sich unstreitig auf den angegebenen Betrag belaufen hat. Diese Regelung ist eindeutig, denn nach § 168 Abs. 2 Nr. 1 a LBG gelten als Höchstgrenze „die für denselben Zeitraum bemessenen ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, aus der das Ruhegehalt berechnet ist”. Die für aufsteigende Gehälter maßgebliche Endstufe der Besoldungsgruppe interessiert hier nicht, da ein fester Grundbetrag vereinbart worden war, der an die Besoldungsgruppe B 2 gekoppelt ist (§ 6 Abs. 2, 7 b Dienstvertrag).

c) Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß als Einkommen aus der Verwendung des Klägers beim DIHT für November 1975 die unstreitig von ihm bezogenen 4.502 DM anzusetzen sind und nicht nur ein nach § 168 Abs. 6 LBG ermittelter Differenzbetrag. Letzteres hätte vorausgesetzt, daß der Kläger „neben dem Amt, aus dem er Versorgungsbezüge erhält, mindestens ein Jahr lang eine sonstige Tätigkeit im öffentlichen Dienst ununterbrochen ausgeübt” und sie nach seinem Eintritt in den Ruhestand fortgesetzt hat. Das Gesetz will denjenigen, der zwei Ämter gleichzeitig ausgefüllt hat, nicht als wieder tätig werdenden Ruhestandsbeamten behandeln. Das Dienstverhältnis zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der Beklagten ist jedoch nach der rechtsirrtumsfreien Auslegung durch das Berufungsgericht zum 31. Dezember 1973 und nicht erst mit dem ohne die Kündigung eingetretenen Ablauf des Dienstvertrags am 31. August 1975 beendet worden. Seine Tätigkeit beim DIHT hat der Kläger am 15. August 1974 aufgenommen und sie folglich zu keinem Zeitpunkt neben der Tätigkeit im Sparkassendienst ausgeübt.

Nach alledem war die Revision zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Stimpel, Dr. Schulze, Fleck, Bundschuh, Dr. Skibbe

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1502392

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