Leitsatz (amtlich)
Zur Frage eines gedanklichen Inverbindungbringens (Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne) zweier Bildmarken, die in der Darstellung der Ziffer 1 bestehen.
Normenkette
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 9. April 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 9. Juli 1996 wird insgesamt zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland” (ARD). Diese bietet u.a. ein gemeinsames Fernsehprogramm an, das unter der Bezeichnung „Erstes Deutsches Fernsehen” allgemein bekannt ist. Die ARD verwendet zur Kennzeichnung dieses Programms eine graphisch besonders gestaltete Ziffer „1”, wie sie aus der nachstehend wiedergegebenen Quellenkennung ersichtlich ist:
Diese „1”, die bereits vorher anderweit verwendet worden ist, wird seit dem 15. April 1993 ständig als Quellenkennung oben links in das Fernsehbild des „Ersten Deutschen Fernsehens” der ARD eingeblendet. Sie findet darüber hinaus im Rahmen der ARD auch sonst vielfältige Verwendung.
Für die vorstehend abgebildete Ziffer „1” sowie für diese Ziffer in verschiedenen Kombinationen mit weiteren Bestandteilen besteht Markenschutz (u.a.) für den Kläger. Die Marke Nr. 2 033 288 ist seit dem 25. März 1993 neben weiteren Waren und Dienstleistungen auch für „Sendung und Weitersendung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, auch durch Draht-, Kabel- und Satellitenfunk” eingetragen.
Die Beklagte betreibt – über Kabel und Satellit – ebenfalls einen Fernsehsender. Das von ihr ausgestrahlte Programm, das früher mit „Der Kabelkanal” gekennzeichnet war, trägt seit Ende des Jahres 1994 die Bezeichnung „Kabel 1”. Seitdem verwendet die Beklagte zur Bezeichnung ihres Programms die nachstehend wiedergegebene Kennzeichnung und Variationen hiervon:
Sie hat im Revisionsverfahren vorgetragen, sie verwende seit dem 21. August 1997 unter dem Druck drohender Zwangsvollstreckung vorläufig eine davon abweichende Kennzeichnung.
Die Kennzeichnung mit dem Zusatz „Kabel 1” genießt seit dem 12. Juni 1995 als Marke Nr. 394 05 818 für eine große Anzahl von Waren und Dienstleistungen auf dem Gebiet Produktion und Sendung von Fernsehprogrammen, u.a. für „Sendung und Weitersendung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen, auch durch Draht-, Kabel- und Satellitenfunk”, Schutz.
Der Kläger hat in der Verwendung der Kennzeichnung der Beklagten eine Verletzung seiner Markenrechte – auch einer kraft Verkehrsgeltung erlangten Benutzungsmarke – gesehen, weil die angegriffene Kennzeichnung die Ziffer „1” darstelle und weil wegen der großen Ähnlichkeit mit der „ARD-1” angesichts deren Bekanntheit die Gefahr von Verwechslungen bestehe. Er hat Ansprüche auf Unterlassung der Verwendung der Kennzeichnung in verschiedenen Ausgestaltungen und auf Einwilligung in die Löschung der Marke der Beklagten geltend gemacht.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat eine Verwechslungsgefahr in Abrede gestellt und eine Verkehrsdurchsetzung der „ARD-1” bestritten. Sie hat geltend gemacht, daß Schutz allein für die besondere graphische Gestaltung der „ARD-1” in Betracht komme, mit der ihre Kennzeichnung keine Ähnlichkeit habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, nachdem die Parteien zuvor hinsichtlich dreier Varianten der Kennzeichnung der Beklagten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten.
Das Berufungsgericht (OLG Köln NJWE-WettbR 1997, 205 = ZUM-RD 1997, 493) hat die Beklagte zur Unterlassung der Verwendung dreier Ausgestaltungen einer „1” in Form ihrer Kennzeichnung im audiovisuellen Bereich in Alleinstellung und zur Einwilligung in die Löschung der Marke Nr. 394 05 818 verurteilt. Die weitergehende, vier weitere Ausgestaltungen betreffende Berufung hat es zurückgewiesen.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat, soweit es – für die Revisionsinstanz allein noch von Interesse – eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr bejaht hat, ausgeführt:
Dem Kläger stehe, weswegen die Frage von Ansprüchen aus einer Benutzungsmarke nach § 4 Nr. 2 MarkenG offenbleiben könne, Schutz aus der eingetragenen Klagemarke zu. Die Benutzung des von der Beklagten für ihr Programm verwendeten Zeichens in den drei der Verurteilung zugrundeliegenden Ausgestaltungen sei zu untersagen, weil die Gefahr bestehe, daß Fernsehzuschauer es mittelbar mit der Klagemarke verwechselten.
Zwar könne keine Rede davon sein, daß – im Bereich der audiovisuellen Medien – die Ziffer „1” als solche u.a. zugunsten des Klägers geschützt sei. Das gelte auch dann, wenn das Klagezeichen in dem Umfang Verkehrsgeltung erlangt haben sollte, wie dies der Kläger in Anspruch nehme. Es entspreche den Grundsätzen des früheren Warenzeichen- und des jetzigen Markengesetzes, daß Zeichen nur in der konkreten Ausgestaltung Schutz genössen, in der sie tatsächlich eingetragen seien oder Verwendung fänden, im Streitfall also in der Form der „ARD-1”.
Fraglich sei deshalb allein, ob zwischen der „ARD-1” und den angegriffenen Verwendungsformen der Bezeichnung der Beklagten eine Verwechslungsgefahr bestehe. Diese sei in der Erscheinungsform einer bildlichen mittelbaren Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne zu bejahen.
Für diese Annahme reiche angesichts der für die Verwechslungsgefahr maßgeblichen Wechselwirkung zwischen Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit und Markenähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke schon ein relativ geringer Grad von Markenähnlichkeit aus, weil die Waren/Dienstleistungen teilweise identisch seien und die Klagemarke – gerichtsbekannt – den Fernsehzuschauern in besonders hohem Maße bekannt sei. Tatsächlich seien die Zeichen dagegen sogar von einer erheblichen Ähnlichkeit, weil mehrere prägende Elemente völlig und andere überwiegend übereinstimmten und die vorhandenen Unterschiede diese Übereinstimmungen weder überlagerten noch in den Hintergrund rücken ließen.
Die „ARD-1” sei geprägt durch einen breiten vertikal aufsteigenden Schenkel und einen zweiten, demgegenüber wesentlich schmaleren Schenkel, der als schräg verlaufendes „Dach” erscheine, stumpf ende und auffällig kurz sei. Diese Elemente verliehen der Ziffer „1” bei der gebotenen Gesamtschau insofern eine Eigenart, als die deutlich unterschiedliche Breite der beiden Schenkel ins Auge falle und sich einpräge. Ebenfalls prägend sei der parallel zu der „Dachschräge” verlaufende untere Abschluß des vertikalen Schenkels. Hinzu komme bei der eingetragenen Marke eine gewisse perspektivische Wirkung.
Die von der Beklagten verwendete Kennzeichnung enthalte ebenfalls die Ziffer „1”. Sie bestehe aus einem perspektivisch dargestellten spiralförmigen Band, dessen eines Ende die Form einer „1” aufweise. Dieses Ende werde auch als Zahl wahrgenommen, weil die für die Ziffer „1” charakteristischen Merkmale deutlich zur Geltung kämen und das Ende des Bandes augenfällig in der Mitte der Kennzeichnung und mit deutlichem Abstand zu dem Spiralbogen positioniert sei. Die darin enthaltene Ziffer „1” weise einen breiten aufsteigenden Schenkel und einen nur kurzen und wesentlich schmaleren zweiten Schenkel auf, der rechtwinklig angesetzt sei, stumpf ende und in seiner oberen Begrenzung anfangs geradlinig verlaufe und dann einen Bogen nach unten beschreibe, wodurch seine geringe Breite erreicht werde.
Die prägenden Merkmale der einander gegenüberstehenden Zeichen wiesen deutliche Übereinstimmungen auf, die eine erhebliche Ähnlichkeit bewirkten, weil die wenigen Unterschiede in der Darstellung der Ziffer „1”, die bei der „ARD-1” allein die herkunftskennzeichnende Funktion erfülle, und der verbleibende Teil des spiralförmigen Bandes nicht geeignet seien, den durch die Übereinstimmungen entstehenden Eindruck der Ähnlichkeit zu beseitigen oder auch nur nachhaltig zu schwächen.
Zwar werde der Fernsehzuschauer die Zeichen nicht unmittelbar, also in der Weise verwechseln, daß er die angegriffene Kennzeichnung sehe und meine, es handele sich um die bekannte „ARD-1”. Dies scheide schon wegen des Spiralbandes aus. Der Verkehr werde aber wegen der augenfälligen Ähnlichkeiten an die „ARD-1” erinnert und deshalb annehmen, daß es sich bei der Kennzeichnung der Beklagten um eine Abwandlung der Klagemarke und die Bezeichnung eines dem Kläger nahestehenden Senders handele, also zwischen der ARD und der Beklagten wirtschaftliche oder organisatorische Beziehungen bestünden.
Soweit die angegriffenen Kennzeichnungen zusätzlich zu dem Bild noch die Bestandteile „KABEL” bzw. „KABEL 1” enthielten, ändere das nichts an der vorerwähnten Annahme des Verkehrs, weil diesem bekannt sei, daß auch untereinander verbundene Sender unter einer eigenen Bezeichnung aufträten.
Die Unterlassungsansprüche hätten auch nach den früheren Vorschriften der § 15 Abs. 1, § 24 Abs. 1, § 31 WZG wegen mittelbarer Verwechslungsgefahr bestanden.
Aus den gleichen Gründen sei auch der Anspruch auf Löschung der angegriffenen Marke der Beklagten sowohl nach den Vorschriften des Markengesetzes als auch nach denen des früheren Warenzeichengesetzes gegeben.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Die in Frage stehenden Ansprüche auf Unterlassung und Löschung sind, weil die Kollisionslage – für die Marke der Beklagten durch die Anmeldung am 12. Dezember 1994 – bereits vor Inkrafttreten des Markengesetzes am 1. Januar 1995 bestanden hat, gemäß § 153 Abs. 1 MarkenG nur dann begründet, wenn sie sich sowohl aus den nunmehr geltenden Vorschriften des Markengesetzes als auch aus den früher geltenden Vorschriften des Warenzeichengesetzes ergeben.
2. Rechtsfehlerfrei – und in der Revisionsinstanz unbeanstandet – hat das Berufungsgericht eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne zwischen der Klagemarke und den angegriffenen Kennzeichnungen der Beklagten verneint.
3. In ebenfalls nicht zu beanstandender Weise ist das Berufungsgericht bezüglich aller angegriffenen Verwendungsformen der Kennzeichnung der Beklagten davon ausgegangen, daß eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auch dann gegeben sein kann, wenn der Verkehr zwar – wie im Streitfall – nicht der Gefahr unmittelbarer Verwechslungen (die angegriffene Kennzeichnung für die Klagemarke zu halten) erliegt, sondern im Sinne der in § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besonders angesprochenen Gefahr des gedanklichen Inverbindungbringens der einander gegenüberstehenden Kennzeichen die angegriffene Bezeichnung infolge teilweiser Übereinstimmung mit der Klagemarke in einem wesensgleichen Stamm dem Inhaber der Klagemarke zuordnet (Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens: BGH, Urt. v. 29.10.1998 – I ZR 125/96, GRUR 1999, 587, 589 = WRP 1999, 530 – Cefallone, m.w.N.) oder trotz Erkennens der gegebenen Unterschiede der Zeichen wegen teilweiser Übereinstimmung von der Annahme wirtschaftlicher oder organisatorischer Zusammenhänge zwischen den Markeninhabern ausgeht (unmittelbare Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne: vgl. BGH, Urt. v. 6.12.1990 – I ZR 249/88, GRUR 1991, 317, 319 = WRP 1991, 231 – MEDICE, m.w.N.; Urt. v. 5.12.1996 – I ZR 157/94, GRUR 1997, 311, 313 = WRP 1997, 310 – Yellow Phone; s. auch EuGH GRUR 1994, 286, 287 f. Tz. 36 – quattro/Quadra). Im Streitfall ist allerdings keine Verwechslungsgefahr in einem der vorgenannten Sinne gegeben.
a) Obwohl das Berufungsgericht ausdrücklich die Frage einer mittelbaren Verwechslungsgefahr bejaht hat, wird aus den Entscheidungsgründen deutlich, daß es dabei die vom Bundesgerichtshof in aller Regel als Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens benannte Konstellation nicht geprüft hat. Hierzu bestand auch kein Anlaß, da sich dem unstreitigen Sachverhalt und dem Klagevorbringen schon keine hinreichenden Anhaltspunkte zur Frage des Charakters der Klagemarke als Stammbestandteil einer Markenserie entnehmen lassen.
b) Aber auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne hat das Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfrei bejaht.
aa) Ist eine Marke zugleich Firmenkennzeichen, so kann eine kennzeichnungsrechtlich relevante Verwechslungsgefahr zu bejahen sein, wenn der angesprochene Verkehr die Unternehmen der Parteien zwar als verschieden auseinanderhält, aufgrund der Ähnlichkeit der angegriffenen Kennzeichnung aber zu der Annahme gelangt, zwischen den Unternehmen der Parteien bestünden wirtschaftliche oder organisatorische Beziehungen (BGH GRUR 1991, 317, 318 – MEDICE). Schon dazu fehlt es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen.
bb) Aber auch die Beurteilung der Verwechslungsgefahr durch das Berufungsgericht ist nicht frei von Rechtsfehlern. Die Prüfung der Verwechslungsgefahr, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles umfassend zu erfolgen hat, impliziert eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH, Beschl. v. 6.5.1999 – I ZB 54/96, GRUR 1999, 995, 997 = WRP 1999, 936 – HONKA, m.w.N.). Für die Prüfung der Markenähnlichkeit ist dabei auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen abzustellen (BGH, Beschl. v. 8.7.1999 – I ZB 49/96, WRP 2000, 173, 174 = MarkenR 2000, 20 – RAUSCH/ELFI RAUCH, m.w.N.). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß im Streitfall die Frage einer Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne in Rede steht. Das Berufungsgericht ist diesen Beurteilungsgrundsätzen nicht gerecht geworden. Es hat eine unzulässige zergliedernde Betrachtungsweise vorgenommen und nicht hinreichend den Gesamteindruck der Zeichen berücksichtigt.
cc) Es entspricht, wie der Bundesgerichtshof verschiedentlich ausgesprochen hat (BGH, Beschl. v. 8.12.1994 – I ZB 15/92, GRUR 1995, 269, 270 – U-KEY; Beschl. v. 7.6.1996 – I ZB 10/94, GRUR 1996, 771, 772 = WRP 1996, 1160 – THE HOME DEPOT; Beschl. v. 5.3.1998 – I ZB 28/95, GRUR 1998, 932, 933 = WRP 1998, 868 – MEISTERBRAND), der allgemeinen Lebenserfahrung, daß der Verkehr ein Kennzeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen, wie es ihm bei der konkreten Verwendung entgegentritt, aufnimmt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen. Das gilt bei Wortzeichen, soweit diese in einzelnen Bestandteilen einen mehr oder weniger bestimmten Sinn enthalten, ebenso wie bei reinen Bildzeichen, die, soweit sie – wie die im Streitfall in Frage stehenden Kennzeichnungen – (auch) einen Bedeutungsgehalt vermitteln, hierauf auch nicht teilweise reduziert werden dürfen.
Zwar hat das Berufungsgericht – rechtsfehlerfrei unter Außerachtlassung der Ziffer „1” als solcher – den Gesamteindruck der graphischen Gestaltung der Klagemarke durch das eigenartige Verhältnis der Schenkelbreiten sowie der „Dachschräge” und des dazu korrespondierenden schrägen Schenkelabschlusses in aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Weise bestimmt.
Bei der Beurteilung der Ausführungsformen der angegriffenen Kennzeichnung hat es aber rechtsfehlerhaft eine Bestimmung des Gesamteindrucks unterlassen und lediglich in unzulässig zergliedernder Betrachtungsweise Übereinstimmungen mit der Klagemarke hervorgehoben. Es hat deswegen den sich aus der Anordnung und Gestaltung des spiralförmigen Bandes ergebenden Bewegungseindruck und dessen zentrierende, die Ziffer „1” dynamisch hervorhebende Wirkung unbeachtet gelassen.
Das Berufungsgericht hat dabei auch vernachlässigt, daß es diejenigen Merkmale, die notwendig zur Darstellung der Ziffer „1” erforderlich sind, schon deshalb seiner Beurteilung nicht zugrunde legen durfte, weil dafür dem Kläger ein Schutz infolge der Eintragung der „ARD-1” nicht zugewachsen ist. Es handelt sich hierbei um zwei an ihrem oberen Ende verbundene Schenkel in unterschiedlicher einerseits vertikaler, andererseits dazu spitzwinkliger bis annähernd horizontaler Richtung; dabei ist üblicherweise der vertikale Schenkel dicker als der andere Schenkel und dieser kürzer als ersterer. Zwar ist im Verletzungsverfahren von der eingetragenen Form der Marke und von deren Schutzfähigkeit auszugehen; es ist dem Verletzungsgericht bei der Beurteilung der Rechtsverletzung aber nicht versagt, denjenigen Bestandteilen, die als für sich nicht unterscheidungskräftig oder als freihaltungsbedürftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG Ausschließlichkeitsrechte nicht zu begründen vermögen, auch im Gesamtzeichen keinen (eigenständigen) Schutz zuzubilligen.
Auch der Ziffer „1” als solcher kann zwar nicht die für die Eintragung als Marke erforderliche abstrakte Eignung zur Unterscheidung von Waren/Dienstleistungen im Sinne von § 3 Abs. 1 MarkenG abgesprochen werden. Die Ziffer „1” als solche ist jedoch für die im Streitfall in Rede stehenden Waren/Dienstleistungen schon deshalb nicht konkret unterscheidungskräftig (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), weil sie als Grundzahl und erste Ziffer der Zahlenreihe nach der allgemeinen Lebenserfahrung vom angesprochenen Verkehr in der Regel beschreibend und nicht kennzeichnend verstanden wird. Das gilt um so mehr, als der Verkehr besonders auch auf dem Gebiet der Sendung und Weitersendung sowie der Produktion von Rundfunk- und Fernsehprogrammen an die beschreibende Verwendung derartiger Ordnungszahlen (zur Unterscheidung einzelner Programme eines Senders) allgemein gewöhnt ist. Darüber hinaus unterliegt (insbesondere auch) die erste Ziffer der Zahlenreihe als von den Wettbewerbern des Klägers benötigte beschreibende Angabe im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aus den vorgenannten Gründen auf dem hier in Betracht zu ziehenden Gebiet der Sendung und Weitersendung von Rundfunk- und Fernsehprogrammen einem erheblichen Freihaltungsbedürfnis. Anhaltspunkte dafür, daß diese Eintragungshindernisse für die Ziffer „1” als solche durch eine – angesichts des hohen Maßes des Freihaltungsbedürfnisses erforderliche – annähernd allgemeine Verkehrsdurchsetzung für den Kläger ausgeräumt worden sind (§ 8 Abs. 3 MarkenG), lassen sich weder dem Berufungsurteil noch sonst dem Klagevorbringen entnehmen.
Kann demnach allein die besondere graphische Gestaltung der „ARD-1” als Schutzgegenstand der Klagemarke deren Schutzumfang bestimmen, ohne daß auf die Grundgestaltung der Ziffer „1” als solcher zurückgegriffen werden darf, ist auch eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne trotz der bestehenden großen Ähnlichkeit oder sogar Identität der einander gegenüberstehenden Dienstleistungen angesichts des unterschiedlichen Gesamteindrucks und der deshalb allenfalls am äußersten Rand liegenden Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken zu verneinen.
4. Das Berufungsgericht hat – von seinem rechtlichen Ausgangspunkt aus folgerichtig – nicht geprüft, ob dem Kläger, worauf sich die Revisionserwiderung bezieht, die geltend gemachten Ansprüche wegen Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung der Klagemarke, die nach der vom Berufungsgericht bisher ungeprüft gelassenen Behauptung des Klägers im Verkehr bekannt ist, gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG oder § 1 UWG zustehen. Das ist indessen, wie das Revisionsgericht aufgrund eigener Beurteilung entscheiden kann, nicht der Fall.
Allerdings ergibt sich seit dem Inkrafttreten des Markengesetzes am 1. Januar 1995 der Schutz bekannter Kennzeichnungen, wie ihn der Kläger hier geltend macht, in erster Linie aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG (§ 152 MarkenG). Der Schutz der bekannten Marke im Markengesetz stellt sich als eine umfassende spezialgesetzliche Regelung dar, mit der der bislang in der Rechtsprechung entwickelte Schutz fixiert und ausgebaut werden sollte (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks. 12/6581, S. 72 = BlPMZ 1994, Sonderheft S. 66). Diese Regelung ist an die Stelle des bisherigen von der Rechtsprechung entwickelten Schutzes getreten und läßt in ihrem Anwendungsbereich für eine gleichzeitige Anwendung des § 1 UWG grundsätzlich keinen Raum (BGHZ 138, 349, 351 – MAC Dog).
Im Streitfall sind Ansprüche aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG zu verneinen, ohne daß es darauf ankommt, daß die in Betracht zu ziehenden Dienstleistungen identisch sind, zumindest aber im engsten Ähnlichkeitsbereich liegen. Die im Schrifttum (vgl. Nachweise bei Fezer, Markenrecht, 2. Aufl., § 14 Rdn. 431) auch in anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft diskutierte Frage, ob Art. 5 Abs. 2 MarkenRL und dementsprechend auch § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG den besonderen Schutz bekannter Marken auf Fälle der fehlenden Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit beschränkt oder, sei es in erweiternder Auslegung, sei es bei gebotener entsprechender Anwendung, ebenso auch Fälle erfaßt, in denen es, wie im Streitfall, um ähnliche oder sogar identische Waren-/Dienstleistungen geht, bedarf hier keiner Entscheidung. Deshalb erübrigt sich auch eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 Abs. 3 EG. Denn für das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen einer Rufausnutzung oder Rufschädigung in unlauterer Weise ohne rechtfertigenden Grund lassen sich dem unstreitigen Sachverhalt und dem Klagevorbringen keine hinreichenden Anhaltspunkte entnehmen.
Die Revisionserwiderung beruft sich insoweit auf die Ausführungen der Berufungsbegründung; diese behandelt jedoch unter dem Aspekt der Rufbeeinträchtigung abstrakt allein die Frage der Gefahr einer Schwächung der Klagemarke aufgrund der Verwendung der angegriffenen Kennzeichnung, ohne sich unter Heranziehung der konkreten tatsächlichen Umstände des Streitfalls mit dem Maß der Markenähnlichkeit und deren Beziehung zu der erforderlichen Unlauterkeit sowie der Frage eines rechtfertigenden Grundes auseinanderzusetzen. Das genügt nicht den Anforderungen, die an die Begründung eines Anspruchs aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG zu stellen sind.
III. Danach war das Berufungsurteil aufzuheben, soweit in ihm zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, und die Berufung des Klägers gegen das landgerichtliche Urteil insgesamt zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Erdmann, RiBGH Prof. Dr. Mees ist infolge Ausscheidens an der Unterschriftsleistung verhindert. Erdmann, Starck, Bornkamm, Büscher
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 20.10.1999 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556162 |
BGHR |
NJW-RR 2000, 1202 |
GRUR 2000, 608 |
Nachschlagewerk BGH |
AfP 2000, 279 |
WRP 2000, 529 |
MarkenR 2000, 134 |