Normenkette
VVG § 203 Abs. 2 S. 1, Abs. 5; BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Parteien und unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 26. Mai 2020 teilweise aufgehoben, das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 26. Juni 2019 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass die Erhöhung des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossenen Krankenversicherung, Versicherungsschein Nr.: 000359617 F, im Tarif V. um 59,04 € zum 1. Januar 2015 bis zum 28. Februar 2019 nicht wirksam geworden ist.
2. Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht zur Tragung des Erhöhungsbetrages aus der Erhöhung des Monatsbeitrags im Tarif V. um 59,04 € zum 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2016 verpflichtet ist.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.416,96 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. November 2018 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum 2. November 2018 aus den vom Kläger vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2016 auf die unter Ziffer 2. aufgeführte Beitragserhöhung gezahlten Prämienanteilen gezogen hat.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen der Kläger zu 89 % und die Beklagte zu 11 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 54 % und die Beklagte zu 46 %.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 3.054,44 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.
Rz. 2
Der bei der Beklagten versicherte Kläger unterhält dort unter anderem die Tarife T. und V.. Die Beklagte informierte ihn mit Schreiben vom November 2011 nebst Anlagen über eine Beitragserhöhung zum 1. Januar 2012 im Tarif T. um 34,45 € monatlich. Für den Tarif V. teilte sie mit Schreiben vom November 2014 nebst Anlagen eine Erhöhung zum 1. Januar 2015 um 59,04 € monatlich mit.
Rz. 3
Das Schreiben vom November 2011 verwies zur Erläuterung auf ein Informationsblatt. In der Anlage "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2012" hieß es auszugsweise:
"Mit Ihrer privaten Krankenversicherung (PKV) sichern Sie sich lebenslang den vereinbarten Leistungsumfang. Ihr privater Krankenversicherungsschutz bietet Ihnen eine optimale Versorgung und alle Möglichkeiten der modernen Medizin.
Auf unsere Leistungen können Sie sich jetzt und in Zukunft verlassen!
Damit dies so bleibt, sind wir wie alle privaten Krankenversicherer verpflichtet, einmal jährlich die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen zu vergleichen. Dies erfolgt für jeden Tarif separat und getrennt nach Alter und Geschlecht. Weichen die Zahlen um mindestens 10 % nach oben oder unten voneinander ab, sind wir gesetzlich verpflichtet, die Beiträge anzupassen. Die Überprüfung hat ergeben, dass zum 01.01.2012 eine Anpassung in den gekennzeichneten Tarifen erforderlich ist.
…"
Rz. 4
Im Schreiben vom November 2014 hieß es auszugsweise:
"Die Beitragsanpassung in der Krankenversicherung wird durch die Entwicklung der medizinischen Kosten ausgelöst, die in den letzten Jahren gestiegen sind. Bei der Anpassung unserer Tarife müssen wir aber auch weitere Einflussfaktoren berücksichtigen."
Rz. 5
In der zugehörigen Anlage "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2015" hieß es zur Frage "Was sind die Gründe für die Beitragsanpassung in der Kranken-, Krankentagegeld- und Pflegeergänzungs-Versicherung?" auszugsweise:
"Mit Ihrer privaten Kranken-/Pflege-Versicherung sichern Sie sich lebenslang eine optimale Versorgung. In der privaten Krankenversicherung (PKV) stehen Ihnen alle Möglichkeiten der modernen Medizin offen - und das ein Leben lang! Denn die einmal vertraglich vereinbarten Leistungen sind lebenslang garantiert.
Ihr privater Krankenversicherungsschutz berücksichtigt darüber hinaus den medizinischen Fortschritt bei Diagnostik, Therapiemethoden und Medikamenten. Mit dem medizinischen Fortschritt wächst also der Umfang Ihres Versicherungsschutzes.
Damit wir unser Leistungsversprechen dauerhaft einhalten können, müssen wir wie alle privaten Krankenversicherer einmal jährlich alle Beiträge überprüfen. Dies erfolgt in der Kranken-, Krankentagegeld- und Pflegeergänzungs-Versicherung für jeden einzelnen Tarif, getrennt nach Alter und - für Verträge, die vor dem 21.12.2012 abgeschlossen wurden - zusätzlich nach Geschlecht.
Bei der Überprüfung vergleichen wir die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen. Weichen die Zahlen um den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegten Prozentsatz nach oben oder unten voneinander ab, müssen die Beiträge angepasst werden. Hierzu sind wir gesetzlich verpflichtet.
Neben den Leistungsausgaben beeinflussen weitere Faktoren den Beitrag:
Steigende Lebenserwartung
…
Kapitalmarktsituation
…
Entwicklung des Versichertenbestandes
…"
Rz. 6
Weitere Beitragserhöhungen im Tarif V. erfolgten zum 1. Januar 2017 und 1. Januar 2019.
Rz. 7
Der Kläger hält die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig und hat mit seiner Klage die Rückzahlung von Prämienanteilen in Höhe von 2.754,47 € nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die Beitragserhöhungen unwirksam seien und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet sei. Weiterhin hat er die Feststellung verlangt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen, die sie aus seinen Zahlungen auf die Beitragserhöhungen gezogen habe, verpflichtet sei und diese Nutzungen zu verzinsen habe. Außerdem hat er die Beklagte auf Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen.
Rz. 8
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das Urteil dahingehend abgeändert, dass die Beklagte zur Zahlung von 1.745,58 € nebst Zinsen ab dem 3. November 2018 verurteilt worden ist sowie die Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2012 und 1. Januar 2015 bis zum 1. März 2019 und die Nichtverpflichtung zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages festgestellt worden sind. Außerdem ist die Pflicht zur Herausgabe der vor dem 1. März 2019 gezogenen Nutzungen aus den vom 1. Januar 2015 bis zum 28. Februar 2019 auf diese Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen und zur Verzinsung dieser Nutzungen ab dem 3. November 2018 festgestellt worden. Die weitergehende Klage ist abgewiesen worden.
Rz. 9
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 10
Die Revision hat teilweise Erfolg.
Rz. 11
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind die Tariferhöhungen zum 1. Januar 2012 und zum 1. Januar 2015 in formeller Hinsicht unwirksam und erst durch die Zustellung der Klageerwiderung geheilt und zum 1. März 2019 wirksam geworden. Daher könne der Kläger die Rückzahlung der aufgrund dieser unwirksamen Tariferhöhungen in dem geltend gemachten Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2017 geleisteten erhöhten Prämien in Höhe von 1.745,58 € erstattet verlangen.
Rz. 12
Vorliegend genügten die von der Beklagten vorgelegten Begründungsschreiben nebst Anlagen für die Jahre 2012 und 2015 nicht den zu stellenden Mindestanforderungen an eine Mitteilung der maßgeblichen Gründe im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG. Es sei erforderlich, in der Mitteilung zur Begründung der Prämienanpassung die Rechnungsgrundlage zu nennen, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst habe. Der Versicherungsnehmer könne den dortigen Ausführungen nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Faktor die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst habe.
Rz. 13
Der Kläger müsse sich nicht etwaige Vorteile aus den geleisteten erhöhten Prämienbeiträgen anrechnen lassen. Eine etwaige Unwirksamkeit einer Prämienerhöhung habe keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit und den Fortbestand des Krankenversicherungsschutzes. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf Entreicherung berufen. Sie habe nicht konkret dargetan, dass es ihr bei einer gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der erhöhten Prämien nicht möglich wäre, die zur Bildung von Sparprämien und gesetzlichen Beitragszuschlägen verwendeten erhöhten Prämienanteile wieder zurück zu buchen.
Rz. 14
Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen, die die Beklagte aus den Prämienanteilen gezogen habe, die er vom 1. Januar 2015 bis zum Eintritt der Heilung am 1. März 2019 auf die Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2012 und zum 1. Januar 2015 gezahlt habe. Der Zinsanspruch folge aus § 291 BGB.
Rz. 15
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
Rz. 16
1. Die Revision ist zulässig, insbesondere auch rechtzeitig begründet worden. Die Revisionsbegründung ist am 12. Oktober 2020, dem letzten Tag der verlängerten Begründungsfrist, eingegangen. Die Frist wurde mit Einwilligung des Klägers verlängert. Die Beklagte hat durch die eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin ihrer Prozessbevollmächtigten glaubhaft gemacht, dass der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Klägers telefonisch in eine entsprechende Fristverlängerung eingewilligt hat.
Rz. 17
2. Die Revision ist teilweise begründet.
Rz. 18
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Klage auch für den auf die Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen gerichteten Feststellungsantrag angenommen.
Rz. 19
Ein feststellungsfähiges gegenwärtiges Rechtsverhältnis liegt vor, soweit der Kläger die Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen im Tarif T. zum 1. Januar 2012 sowie im Tarif V. zum 1. Januar 2015 festgestellt wissen möchte. Allein mit dem vom Kläger erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überzahlter Beiträge wäre nicht rechtskräftig festgestellt, dass er zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus den streitgegenständlichen Beitragsanpassungen ergebenden Erhöhungsbetrages verpflichtet ist (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 17).
Rz. 20
Soweit die Revision rügt, das Feststellungsinteresse sei dadurch entfallen, dass das Berufungsgericht die Beitragsanpassung im Tarif V. zum 1. Januar 2017 für wirksam gehalten und im Übrigen eine Heilung der früheren Begründungsmängel angenommen habe, kommt es darauf nicht an. Die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhung ist eine Vorfrage für den Leistungsantrag und geht entgegen der weiteren Rüge der Revision zugleich über das dort erfasste Rechtsschutzziel des Klägers hinaus; sie ist deshalb - anders als die Revision meint - auch als Zwischenfeststellungsklage im Sinne von § 256 Abs. 2 ZPO zulässig (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 17). Bei der Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO macht die Vorgreiflichkeit das sonst für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse entbehrlich (BGH, Urteil vom 23. April 2013 - II ZR 74/12, BGHZ 197, 162 Rn. 29).
Rz. 21
b) Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass bei einer Prämienanpassung nach § 203 Abs. 2 VVG erst durch die Mitteilung einer den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügenden Begründung die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt wird (vgl. Senatsurteile vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 21 ff.; vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 66).
Rz. 22
c) Das Berufungsgericht hat den erforderlichen Inhalt der nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden maßgeblichen Gründe zutreffend bestimmt. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 16. Dezember 2020 (IV ZR 294/19, VersR 2021, 240) entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 26).
Rz. 23
Wie der Senat in dem genannten Urteil weiter ausgeführt hat, steht der Anwendung von § 203 Abs. 5 VVG auch für den Zeitraum vor jener Entscheidung nicht entgegen, dass der Begriff der "maßgeblichen Gründe" der Auslegung bedurfte (vgl. aaO Rn. 37).
Rz. 24
d) Die Revision hat jedoch teilweise Erfolg, soweit das Berufungsgericht entschieden hat, dass die Begründungen der Prämienanpassungen nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprachen; das trifft nur zum Teil zu. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden.
Rz. 25
aa) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht die Begründung der Prämienanpassung zum 1. Januar 2015 als nicht den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG entsprechend beurteilt.
Rz. 26
Nach der aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts konnte ein Versicherungsnehmer den Mitteilungen nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Schwellenwert die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat. Die "Informationen zur Beitragsanpassung" beschreiben in allgemein gehaltener Form die jährliche Durchführung der Prämienüberprüfung, ohne das Ergebnis der aktuellen Überprüfung mitzuteilen. Der Versicherungsnehmer muss daraus nicht den Schluss ziehen, dass die beschriebenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Prämienerhöhung in diesem Fall eingetreten sind. Entgegen der Ansicht der Revision enthält auch das Schreiben vom November 2014 diese Information nicht, sondern beschränkt sich auf einen allgemeinen Hinweis auf einen Anstieg der medizinischen Kosten in den letzten Jahren. Die Revision rügt daher bereits aus diesem Grund zu Unrecht, das Berufungsgericht habe das Schreiben insoweit unberücksichtigt gelassen.
Rz. 27
Schon wegen dieses Mangels der Mitteilung konnte die Prämienerhöhung noch keine Wirkung entfalten. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob - was die Revision in Frage stellt - weitere Beanstandungen des Berufungsgerichts hinsichtlich der Klarheit der Mitteilungen berechtigt sind.
Rz. 28
bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügt die Mitteilung der Prämienanpassung zum 1. Januar 2012 den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG.
Rz. 29
(1) Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht an, der Versicherer habe in seiner Mitteilung auch anzugeben, ob die nach der Überprüfung zukünftig erforderlichen Versicherungsleistungen nach oben oder nach unten von den kalkulierten Ausgaben abgewichen seien.
Rz. 30
Nach § 203 Abs. 5 VVG müssen nicht alle Gründe der Beitragserhöhung genannt werden, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 29). In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO). Dagegen ist es ohne Bedeutung, ob die über den Schwellenwert hinausreichende Veränderung in Gestalt einer Steigerung oder einer Verringerung eingetreten ist. Die Überprüfung der Prämie wird unabhängig von diesem Umstand ausgelöst, sobald der Schwellenwert überschritten wird. Da die Mitteilungspflicht nicht den Zweck hat, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 36), ist ein Hinweis des Versicherers darauf, in welche Richtung sich die maßgebliche Rechnungsgrundlage verändert hat, auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zur Information des Versicherungsnehmers erforderlich.
Rz. 31
(2) Ebenfalls unzutreffend ist die weitere Annahme des Berufungsgerichts, dass die Angaben zu den Voraussetzungen der Prämienanpassung ("Weichen die Zahlen um mindestens 10 % […] voneinander ab") aufgrund ihrer Abweichung vom Gesetzeswortlaut des § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG ("eine Abweichung von mehr als 10 Prozent") - der insoweit § 12b Abs. 2 Satz 2 VAG in der damals geltenden Fassung entspricht - nicht den Mindestanforderungen genügen. Dem Versicherungsnehmer wird damit dennoch der maßgebliche Grund der Prämienanpassung, eine nach den festgelegten Schwellenwerten relevante Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen, mitgeteilt. Die genaue gesetzliche Bezeichnung dieser Veränderung ist dagegen aus Sicht des Versicherungsnehmers kein entscheidender Umstand für die Prämienanpassung
Rz. 32
(3) Die nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Angaben sind dagegen in dieser Mitteilung enthalten. Da keine weiteren Feststellungen zum Inhalt der Mitteilung zu erwarten sind, kann der Senat diese Frage selbst beantworten. Die Prämienanpassung wird dort damit begründet, dass eine solche bei einer bestimmten Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten "Leistungsausgaben", d.h. den Versicherungsleistungen, erfolgen müsse und dies zum 1. Januar 2012 in den gekennzeichneten Tarifen erforderlich geworden sei. Dem kann der Versicherungsnehmer mit hinreichender Klarheit als Ergebnis der Überprüfung für den konkreten Tarif entnehmen, dass für diesen eine solche Abweichung eingetreten ist.
Rz. 33
e) Zu Recht hat das Berufungsgericht dagegen angenommen, dass die in der Klageerwiderung nachgeholten Angaben zu den Gründen der Prämienanpassungen nur zu einer Heilung ex nunc führen, so dass die zum 1. Januar 2015 vorgesehene Prämienerhöhung gemäß § 203 Abs. 5 VVG erst ab dem zweiten auf die Zustellung der Klageerwiderung am 24. Januar 2019 folgenden Monat, d.h. ab März 2019, wirksam wurde. Auf den Antrag des Klägers war daher die Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen bis zu diesem Zeitpunkt festzustellen. Wenn eine Mitteilung der Prämienanpassung zunächst ohne eine den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügende Begründung erfolgt, diese aber später nachgeholt wird, wird dadurch die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt (Senatsurteile vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, VersR 2021, 240 Rn. 42; vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 66). Entgegen der Ansicht der Revision kann der Versicherer den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Prämienanpassung nicht in seiner Mitteilung unabhängig von diesen gesetzlichen Voraussetzungen selbst bestimmen.
Rz. 34
f) Zu Unrecht nimmt die Revision an, dass in der Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs durch den Kläger eine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung liege. Wie der Senat bereits entschieden hat, steht unabhängig davon, ob ein Versicherungsnehmer die streitgegenständlichen Prämienanpassungen auch in materieller Hinsicht angreift, § 242 BGB einer Wahrnehmung seiner Informationsrechte und des daraus folgenden Rückzahlungsanspruchs nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, VersR 2021, 240 Rn. 44).
Rz. 35
g) Das Berufungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Rückgewähranspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Erhöhungsbeträge, die er ohne wirksame Prämienanpassungserklärung gezahlt hat, der Höhe nach uneingeschränkt umfasst.
Rz. 36
aa) Entgegen der Ansicht der Revision kommt im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eine Anrechnung des genossenen Versicherungsschutzes nicht in Betracht, wenn sich bei einem wirksamen Versicherungsvertrag als Rechtsgrund der erbrachten Leistungen nur eine Prämienerhöhung als unwirksam erweist (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, VersR 2021, 240 Rn. 46).
Rz. 37
bb) Die Beklagte kann sich auch nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen.
Rz. 38
(1) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Beklagte nicht dadurch entreichert, dass sie die vereinnahmten höheren Prämien auch zur Erbringung von Versicherungsleistungen verwendet hat. Damit hat sie eigene Verbindlichkeiten aus dem weiterhin wirksamen Versicherungsvertrag erfüllt. Verwendet der Empfänger einer Leistung die Mittel dazu, sich von einer Verbindlichkeit zu befreien, besteht die Bereicherung grundsätzlich fort (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2016 - IX ZR 160/14, WM 2016, 2319 Rn. 16 m.w.N.).
Rz. 39
(2) Es fehlt an einem dauerhaften Vermögensverlust, soweit die Beklagte die erhöhten Prämienzahlungen nach ihrem Vortrag zur Bildung von Rückstellungen verwendet haben will. Zahlungen des Versicherungsnehmers, die ohne wirksame Prämienerhöhung erfolgten, sind nicht nach den für Prämien geltenden Vorschriften zu verwenden (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, VersR 2021, 240 Rn. 51).
Rz. 40
Falls die Beklagte aus den Zahlungen des Klägers ohne gesetzliche Grundlage Rückstellungen gebildet haben sollte, kommt es - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - für die Entreicherung auf die Möglichkeiten einer Rückbuchung oder späteren Verrechnung gegenüber dem Kläger an. Eine Bereicherung ist nicht weggefallen, soweit der Bereicherte seine eigene Verfügung über den empfangenen Vermögensvorteil wieder rückgängig machen kann (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, VersR 2021, 240 Rn. 52). Dazu hat die für den Wegfall der Bereicherung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nichts Konkretes vorgetragen.
Rz. 41
h) Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber angenommen, dass der Kläger zur Zahlung der Prämienanteile, die betragsmäßig der zum 1. Januar 2015 im Tarif V. erfolgten Erhöhung entsprechen, auch über den Zeitpunkt der nächsten wirksamen Prämienerhöhung in diesem Tarif zum 1. Januar 2017 hinaus nicht verpflichtet sei und daher auch die bis zum 31. Dezember 2017 gezahlten Prämienanteile in diesem Umfang zurückzuerstatten seien. Der Kläger kann daher nur die Erhöhungsbeträge für die Jahre 2015 und 2016 in Höhe von 1.416,96 € (59,04 € x 24 Monate) zurückverlangen. Dieser Betrag ist - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - ab Rechtshängigkeit zu verzinsen. Außerdem ist zwar einerseits - wie oben unter e) dargelegt - auszusprechen, dass die Prämienerhöhung bis zum 1. März 2019 nicht wirksam geworden ist, aber andererseits festzustellen, dass der Kläger für den Tarif V. nur bis zum 31. Dezember 2016 nicht zur Zahlung der erhöhten Prämienanteile verpflichtet ist.
Rz. 42
Ab der Prämienanpassung im Tarif V. zum 1. Januar 2017, die nach der Entscheidung des Berufungsgerichts auch zu diesem Zeitpunkt wirksam wurde, bestand ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Prämie in der durch diese letzte Anpassung festgesetzten neuen Gesamthöhe. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 16. Dezember 2020 (IV ZR 294/19, VersR 2021, 240 Rn. 55) entschieden hat, bildet eine spätere wirksame Prämienanpassung fortan die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner Gesamthöhe.
Rz. 43
i) Die Feststellung der Pflicht zur Herausgabe gezogener Nutzungen entfällt für die Nutzungen aus den für den Tarif T. gezahlten Erhöhungsbeträgen und ist nach dem eben Gesagten für den Tarif V. auf die Nutzungen aus den bis zum 31. Dezember 2016 gezahlten Erhöhungsbeträgen zu beschränken. Zudem hat das Berufungsgericht für die Zahlungen auf den Tarif V. auch zu Unrecht einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen insoweit angenommen, als sie in demselben Zeitraum, für den das Berufungsgericht dem Kläger Zinsen aus den zurückzuzahlenden Prämienanteilen zugesprochen hat, gezogen wurden. Der Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen ist vielmehr auf die Zeit vor Eintritt der Verzinsungspflicht für die Hauptforderung beschränkt (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, VersR 2021, 240 Rn. 58 m.w.N.). Da der Kläger die Verzinsung ab dem 3. November 2018 berechtigt beantragt hat, sind daher nur die vor diesem Verzinsungsbeginn gezogenen Nutzungen herauszugeben.
Rz. 44
j) Ebenfalls zu Unrecht hat das Berufungsgericht einen Zinsanspruch bezüglich der gezogenen Nutzungen, für die eine Herausgabepflicht der Beklagten festgestellt worden ist, angenommen. § 291 BGB als Anspruchsgrundlage für Prozesszinsen greift bei einer Klage, die auf die Feststellung einer Verbindlichkeit gerichtet ist, nicht ein (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 - IV ZR 294/19, VersR 2021, 240 Rn. 59 m.w.N.). Auch ein Verzugszinsanspruch aufgrund einer Mahnung des Klägers oder einer Erfüllungsverweigerung der Beklagten kommt bereits deswegen nicht in Betracht, weil weder festgestellt noch behauptet ist, dass der Kläger vorgerichtlich die Herausgabe der Nutzungen verlangt hätte.
Mayen |
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Harsdorf-Gebhardt |
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Dr. Brockmöller |
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Dr. Bußmann |
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Dr. Bommel |
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Fundstellen
NJW-RR 2022, 34 |
VersR 2022, 155 |