Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 11. November 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung - mit Ausnahme der Zurückweisung betreffend den Zahlungsantrag in einer 26.589,52 € nebst Zinsen übersteigenden Höhe - ohne Erfolg geblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
Rz. 2
Die Klägerin kaufte im Jahr 2014 von der Beklagten ein von dieser hergestelltes Fahrzeug Mercedes Benz GLK 350 CDI 4MATIC. Den Kaufpreis in Höhe von 29.500 € finanzierte die Klägerin durch Aufnahme eines Darlehens. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 5) der Baureihe OM 651 oder OM 642 verbaut, der mit einem sogenannten Thermofenster ausgestattet ist.
Rz. 3
Die Klägerin hat die Beklagte - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - auf Zahlung unter anderem von 26.589,52 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs in Anspruch genommen sowie die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge im Umfang der Zulassungsentscheidung des Senats weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 5
Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB lägen nicht vor. Der unstreitige Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung, deren Einordnung als unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 unterstellt werden könne, genüge ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht, um das Verhalten der für die Beklagte handelnde Person als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 scheide aus, weil das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich dieser Vorschriften liege.
II.
Rz. 6
Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
Rz. 7
1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.
Rz. 8
2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV in der maßgeblichen Fassung (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2023 - VIa ZR 374/22, zVb, Rn. 9 ff.) wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Be-stimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ).
Rz. 9
Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso BGH, Urteile vom 20. Juli 2023 - III ZR 267/20, WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom 12. Oktober 2023 - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder der Klägerin Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.
III.
Rz. 10
Die angefochtene Entscheidung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 ZPO, weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine deliktische Haftung der Beklagten wegen einer jedenfalls fahrlässigen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verneint werden könnte. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Rz. 11
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird die Klägerin Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259) die erforderlichen Feststellungen zu der - bislang lediglich unterstellten - Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben. Für den Differenzschaden kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin das Fahrzeug zur gewerblichen Nutzung erworben hat.
Menges |
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Möhring |
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Vogt-Beheim |
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Fundstellen
Dokument-Index HI16145548 |