Leitsatz (amtlich)
a) Das Fehlen der Vertretungsmacht des Abwesenheitspflegers für den in Berlin (West) lebenden Eigentümer eines in der früheren DDR gelegenen Grundstücks kann nicht darauf gestützt werden, daß der Anordnung der Pflegschaft die wahrheitswidrige Behauptung zugrunde lag, der Aufenthalt des Eigentümers sei unbekannt.
b) Die Vertretungsmacht des Abwesenheitspflegers nach § 105 FGB endete erst, wenn diesem der Wegfall des Grundes der Anordnung (hier: Tod des Pflegebefohlenen) bekannt geworden war.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 3; DDR: FGB § 105
Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Urteil vom 15.08.1995) |
LG Cottbus |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. August 1995 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Erbeserbe der 1942 ums Leben gekommenen Jüdin Beatrice L. Frau L. war Eigentümerin eines im Grundbuch von L. eingetragenen Hausgrundstücks. Sie war von Frau Ernestina G. beerbt worden, die bis zu ihrem Tode am 20. Juni 1982 in B. (damals B.) gelebt hatte. Ein Antrag von Frau G. auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung zur Berichtigung des Grundbuchs war wiederholt, zuletzt im Juni 1950 durch die Landesregierung Brandenburg, mit dem Hinweis abgelehnt worden, daß die Grundstücke nach § 3 der „Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz” vom 25. November 1941 (RGBl I S. 722) dem Reich verfallen und aufgrund des SMAD-Befehles Nr. 124 beschlagnahmt seien.
Die Familie des (verstorbenen) Ehemannes der Beklagten nutzte das Grundstück seit Ende der dreißiger Jahre als Mieter. Ab ihrer Heirat im Jahre 1971 wohnt auch die Beklagte dort. Auf ihren Antrag ordnete das Staatliche Notariat die „Abwesenheitspflegschaft gem. § 105 Abs. 1 Buchst. b FGB” für Ernestine G. an und bestimmte als Wirkungskreis des Pflegers u.a. die Vertretung der Abwesenden „beim Abschluß eines Kaufvertrages”. Antrag und Anordnung datieren vom 15. Juni 1981. Die Niederschrift über die Begründung des Antrags enthält die Angabe, die Beklagte habe sich „mit einer Verwandten der Ernestine G. vermutlich die Tochter brieflich, wegen der Erteilung einer Vollmacht zum Verkauf” in Verbindung gesetzt. Tatsächlich war Frau G., wie die Beklagte wußte, kinderlos. Den Brief hatte sie, wie sie angibt, an Frau G. gerichtet. Zum Pfleger wurde der Steuerberater der Beklagten bestellt. Dieser vertrat Frau G. beim Verkauf des Grundstücks an die Beklagte durch Urkunde vom 29. September 1982. Die Beklagte ist als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
Der Kläger hat beantragt, die Nichtigkeit des Kaufvertrags festzustellen sowie die Beklagte zur Herausgabe des Grundstücks und zur Bewilligung der Berichtigung des Grundbuchs zu seinen Gunsten zu verurteilen. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig, das Oberlandesgericht als unbegründet abgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Revision des Klägers, mit der er seine Anträge weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Der Senat ist mit der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Zivilgerichten nicht befaßt (§ 17 a Abs. 5 ZPO), denn das Berufungsgericht hat zu Recht eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen. Zutreffend ist es davon ausgegangen, daß es an die den Rechtsweg verneinende Entscheidung der ersten Instanz nicht gebunden war. Verneint das Eingangsgericht die Zulässigkeit des Rechtsweges, sei es unter Verstoß gegen § 17 b Abs. 2 GVG, sei es ausnahmsweise zu Recht (vgl. Senatsbeschl. v. 19. November 1992, V ZB 37/92, WM 1993, 77) durch Urteil, kann eine Bindung der höheren Instanz nicht eintreten, da sonst die Überprüfung der getroffenen Entscheidung überhaupt entfiele. Auf das in diesem Falle gegebene Rechtsmittel der Berufung (Senatsbeschl. v. 19. November 1992, V ZB 37/92 aaO) hat das Oberlandesgericht über den Rechtsweg zu entscheiden. Hierbei hat es, unter den Voraussetzungen des § 17 a GVG, seinerseits in ein Vorabverfahren einzutreten. Davon kann allerdings abgesehen werden, wenn die Zulässigkeit des Rechtsweges bejaht wird und im Falle der Vorabentscheidung kein Anlaß bestünde, die Beschwerde an den Bundesgerichtshof zuzulassen (Senatsbeschl. v. 9. November 1995, V ZB 27/94, WM 1996, 87, für BGHZ 131, 169 bestimmt; Senatsurt. v. 29. März 1996, V ZR 326/94, WM 1996, 864, für BGHZ 132, 245 vorgesehen). Dieser Ausnahmefall ist hier gegeben, denn das Berufungsgericht sieht sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 118, 34; 120, 198 und 204; 130, 231) als berechtigt an, den geltend gemachten Feststellungs-, Herausgabe- und Bewilligungsanspruch zuzuerkennen, wenn der Kaufvertrag vom 29. September 1992 mit Fehlern behaftet ist, die die Zivilgerichte trotz des grundsätzlichen Vorrangs des Vermögensgesetzes zu beachten haben (untypische Zusatzmängel).
II.
1. In der Sache ist das Berufungsgericht der Auffassung, Mängel des Kaufvertrags, die aus dem von dem Kläger behaupteten kollusiven Zusammenwirken des Staatlichen Notariats mit der Beklagten folgten, seien wegen des Vorrangs des Vermögensgesetzes unbeachtlich. Dies gelte insbesondere für eine unzureichende Prüfung der Voraussetzungen der Pflegschaft und die Bestellung eines ungeeigneten Pflegers. Auch eine Überschreitung des Wirkungskreises des Pflegers beim Abschluß des Kaufvertrags sei unter diesem Gesichtspunkt hinzunehmen. Von den Zivilgerichten zu beachten seien dagegen die Wirkungen, die der vor dem Abschluß des Kaufvertrags erfolgte Tod der Pflegebefohlenen auf die Vertretungsbefugnis des Pflegers gehabt habe. Nach der in der DDR herrschenden Praxis habe der Pfleger den Kaufvertrag vom 29. September 1982 wirksam abschließen können. Bis zur Herausgabe des Handbuchs für Notare durch das Ministerium der Justiz der DDR im Jahre 1982 sei weitestgehend die Auffassung vertreten worden, auch im Falle des Todes des Pfleglings ende die Pflegschaft erst mit deren Aufhebung. Jedenfalls sei das Handeln des Abwesenheitspflegers solange als wirksam angesehen worden, bis dieser – woran es im Streitfalle fehle – von einem Aufhebungsbeschluß oder dem Tod des Pfleglings Kenntnis erhalten habe. Von dieser Rechtslage hat sich das Berufungsgericht durch Anhörung des ehemaligen Leiters der Abteilung Staatliche Notariate beim Bezirksgericht F. S. überzeugt.
Dies hält der rechtlichen Überprüfung stand.
2. Ob die auf das Eigentum gestützten Ansprüche des Klägers bereits daran scheitern, daß, was das Berufungsgericht offen läßt, die Erblasserin Beatrice L. einer Enteignung nach den Anordnungen des nationalsozialistischen Gesetzgebers ausgesetzt war, kann auch in der Revision offenbleiben. Auch wenn ein Vermögensentzug nach der „Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz” – an den das Vermögensgesetz einen Anspruch auf Wiedergutmachung knüpft (§ 1 Abs. 6 VermG) – nicht vorgelegen haben sollte, ist er doch zu Lasten des Erbeserben der Verfolgten, des Klägers, aufgrund der Anordnung des Staatlichen Notariats der DDR eingetreten. Hierdurch geschehenes Vermögensunrecht ist zivilrechtlich hinzunehmen, denn es findet nach Maßgabe des Vermögensgesetzes Ausgleich.
a) Nach ihrem äußeren Bilde kann der Pflegschaft für Frau G. bereits die Wirksamkeit nicht abgesprochen werden. Der in der Anordnung vom 15. Juni 1981 zum Ausdruck gekommene Wille des Staatlichen Notariats ist auf eine Abwesenheitspflegschaft im Sinne des § 105 Abs. 1 Buchst. b, 1. Alternative FGB gerichtet. Danach konnte bei Vorliegen eines persönlichen oder gesellschaftlichen Fürsorgebedürfnisses ein Pfleger für einen volljährigen Bürger bestellt werden, wenn der Aufenthalt des Bürgers unbekannt war und er dadurch seine Vermögensangelegenheiten nicht wahrnehmen konnte. Der Wille des Notariats, Pflegschaft wegen unbekannten Aufenthaltes anzuordnen, ergibt sich aus der Wohnsitzangabe der Pflegebedürftigen („letzter bekannter Wohnsitz B.”) und der Begründung der Anordnung, wonach ein Einschreiben der Beklagten an die Tochter unbeantwortet geblieben sei. Hierzu gelangt im Ergebnis auch die Revision.
So gesehen kann nicht ohne weiteres von einem Mißbrauch des Pflegschaftsrechtes ausgegangen werden. Diese Frage stellt sich vielmehr vor allem in den Fällen der 2. Alternative des § 105 Abs. 1 Buchst. b FGB, wonach für einen Bürger bekannten Aufenthaltes, der an der Erledigung seiner Angelegenheiten verhindert war, ein Pfleger bestellt werden konnte. Diese Vorschrift wurde aufgrund einer Rundverfügung des Ministeriums der Justiz (Nr. 6/77 v. 20. Mai 1977; Schriftenreihe des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen, Heft 1, Dok. 22) gegenüber Bürgern mit Wohnsitz außerhalb der DDR auch dann angewendet, wenn sie nicht bereit waren, eine Vollmacht zu erteilen. Die Rundverfügung ging zwar ihrem Wortlaut nach von einer Vollmacht zur Grundstücksverwaltung aus, tatsächlich gab sie aber in einer Reihe von Fällen die Grundlage dafür ab, durch Bestellung eines Pflegers das Eigentum gegen den Willen des Berechtigten zu veräußern. In solchen Fällen kann sich die Frage nach der Nichtigkeit der Anordnung wegen Mißbrauches des Instituts zu einem dem Fürsorgegedanken entgegengesetzten Zwecke stellen. War dagegen, wovon die Anordnung vom 15. Juni 1981 äußerlich ausgeht, der Aufenthalt der Pflegebefohlenen unbekannt, ging ihr das Moment der Willensbeugung in pflegewidriger Absicht ab.
b) Träfe die Behauptung des Klägers zu, wonach der für das Staatliche Notariat handelnde Amtsträger und die Beklagte einvernehmlich die Voraussetzungen einer Abwesenheitspflegschaft nach § 105 Abs. 1 Buchst. b, 1. Alternative FGB vorgetäuscht hatten, wäre der Anordnung der Pflegschaft allerdings die Rechtswirksamkeit zu versagen. Ähnliches könnte gelten, wenn das Notariat zur Diskriminierung der Eigentümerin eine Überprüfung der Angaben der Beklagten unterlassen hätte (zu einem solchen Falle vgl. BezG Erfurt, DtZ 1993, 92). Der Pfleger wäre dann beim Abschluß des Kaufvertrages nicht gesetzlicher Vertreter (§ 105 Abs. 3 FGB) der Eigentümerin gewesen. Zu Recht ist indessen das Berufungsgericht den Behauptungen des Klägers nicht nachgegangen, denn der Mangel des Kaufs könnte von den Zivilgerichten wegen des Vorrangs des Vermögensgesetzes nicht beachtet werden. Er wäre auf Umstände zurückzuführen, die den Tatbestand einer unerlaubten Machenschaft begründeten (§ 1 Abs. 3 VermG). Ein Rückübertragungsanspruch wäre auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Praxis der DDR die Ersetzung des Willens des Eigentümers zur Veräußerung durch Anordnung einer Pflegschaft nach § 105 Abs. 1 Buchst. b, 2. Alternative FGB geläufig war (oben zu a). Auch hierin läge eine unlautere Machenschaft (Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, Vermögensgesetz, § 1 Rdn. 116; Zumschlinge/Anker, ZOV 1995, 102; vgl. auch VG Potsdam, Kimme/Pée/Schmidt-Räntsch § 4 VermG 103/93). Die Frage, ob der Entziehungserfolg gesetzmäßig auf einem sonstigen Wege, etwa durch Überführung des Grundstücks in Volkseigentum und Begründung eines Nutzungsrechtes zugunsten der Beklagten, hätte herbeigeführt werden können, stellt sich nicht. Zwar ist der Gedanke des rechtmäßigen Alternativverhaltens dem Wiedergutmachungsrecht nicht fremd (zum Rückerstattungsrecht: Schwarz, Rückerstattung nach den Gesetzen der Alliierten Mächte, 1974, S. 176 f; zur Verfolgungseigentümlichkeit des Schadens im Bereich des Bundesentschädigungsgesetzes: BGH, E. v. 22. Juni 1955, RzW 1956/293 Nr. 50; v. 30. Mai 1968, RzW 1968/500 Nr. 8; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 11. November 1996, 7 B 276.96, Pressemitteilung OV Special 23/96). Er kommt aber jedenfalls dann nicht zum Zuge, wenn es sich bei dem alternativen Zugriff auf das Vermögen um eine abstrakt theoretische Möglichkeit handelt, zu deren rechtlichen Voraussetzungen der vorgetragene Sachverhalt keinen Hinweis gibt (weitergehend das Schadensersatzrecht, das ein rechtmäßiges Alternativverhalten regelmäßig nur dann berücksichtigt, wenn der Schädiger bei pflichtgemäßem Verhalten denselben Erfolg auch tatsächlich herbeigeführt hätte; BGH, Urt. v. 25. November 1992, VIII ZR 170/91, NJW 1993, 520, 522 m.w.N.). So liegen die Dinge hier.
c) Auf die Frage, ob eine ungenaue Bezeichnung des Wirkungskreises des Pflegers unrechtstypisch wäre, kommt es nicht an. Zu Unrecht meint nämlich die Revision, an der Vertretungsmacht des Pflegers habe es (auch) deshalb gefehlt, weil dessen Wirkungskreis in der Anordnung vom 15. Juni 1981 nicht hinreichend beschrieben worden sei. Daß die Vertretung „beim Abschluß eines Kaufvertrages” das streitige Grundstück zum Gegenstand hatte und dessen Verkauf, nicht dessen Ankauf betraf, ergibt sich aus der Begründung der Anordnung. Sie stützt sich darauf, daß die Beklagte Reparaturen am Gebäude vornehmen und deshalb das Grundstück erwerben wollte.
3. Rechtlich zutreffend ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Folgen des nach der Bestellung des Pflegers eingetretenen Todes des Pflegebefohlenen seien von dem Zivilgericht zu beachten. Dies bedarf aus der Sicht des „allgemeinen Verkehrsrisikos”, das dem Vorrang des Vermögensrechtes Grenzen setzt, keiner Begründung.
Auch bei der Anwendung der maßgeblichen § 105 Abs. 1 Buchst. b, 1. Alternative, § 106 FGB ist dem Berufungsgericht kein Fehler unterlaufen.
a) Ohne Erfolg rügt die Revision die Beiziehung eines Sachkundigen des Rechts der ehemaligen DDR. Dieses ist allerdings nicht nach § 293 ZPO zu ermitteln, sondern aufgrund des Anwendungsbefehles im Einigungsvertrag (hier Art. 234 § 1 und § 15 EGBGB) vom Richter wie sonstiges deutsches Recht aufgrund eigener Kenntnis anzuwenden. Dadurch ist er aber nicht gehindert, in besonderen Fällen sachkundige Hilfe heranzuziehen, denn die Anwendung des Rechts der DDR auf sogen. Altfälle hat nach der dort geübten Praxis zu erfolgen (Senatsurt. v. 24. Februar 1995, V ZR 288/93, WM 1995, 1420). Diese ist dem erkennenden Richter nicht immer zugänglich. Bei der Wahl des Sachkundigen wird allerdings, wenn Ansprüche Regimegeschädigter in Frage stehen, mit besonderer Zurückhaltung zu verfahren sein.
b) Die Meinungen eines Rechtskundigen sind indessen, anders als ein Sachverständigenurteil auf einem anderen Fachgebiet, vom erkennenden Gericht und, soweit sie revisibles Recht betreffen, in der Revisionsinstanz voll nachzuprüfen (vgl. BGH, Urt. v. 11. November 1987, IVa ZR 143/86, BGHR ZPO § 293, Steuerrecht 1). Dem hält das Berufungsurteil im Ergebnis stand.
Allerdings hat das Handbuch für Notare, entgegen der von Stavorinus vor dem Berufungsgericht geäußerten Auffassung, in der Frage, ob die Abwesenheitspflegschaft mit dem Tode des Pflegebefohlenen kraft Gesetzes endet (Handbuch S. 308), zu keinem Umbruch in der Rechtspraxis der DDR geführt. Dies wurde bereits vorher, soweit ersichtlich einhellig, bejaht (vgl. Kommentar zum Familienrecht der DDR, herausgeg. vom Ministerium der Justiz, 1967, Anm. zu § 106; ebenso in der 4., überarbeiteten Auflage, 1973, aaO; Kollektivlehrbuch Familienrecht, Staatsverlag der DDR, 1972, S. 497; ebenso in der 3., überarbeiteten Auflage, 1981, S. 335). Auch käme es nicht darauf an, welche Meinung gerade zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages mit der Beklagten vorherrschend gewesen war, sondern darauf, welche Gesetzesauslegung sich als die richtige erwiesen hatte. Sie konnte sich auch später durchgesetzt haben.
Maßgeblich ist indessen, und insoweit ist die auf Stavorinus gestützte Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, daß die Vertretungsbefugnis des Abwesenheitspflegers so lange bestehen blieb, bis diesem der Grund für den Wegfall der Anordnung bekannt geworden war. Dies bestimmt § 106 Abs. 2 FGB allgemein für die Befugnis des Pflegers, rechtswirksam für den Pflegebedürftigen zu handeln. Die Revision hebt darauf ab, die Vorschrift sei trotz ihres eindeutigen Wortlauts enger zu verstehen gewesen, da sich ihr Sinn erst aus dem Zusammenhang mit § 106 Abs. 1 FGB erschlossen habe; § 106 Abs. 1 habe nur Pflegschaften zum Gegenstand gehabt, die erst mit der Aufhebung des sie anordnenden Beschlusses ihr Ende gefunden hätten, er habe mithin die Abwesenheitspflegschaften nicht berührt. Bereits letzteres ist zweifelhaft (vgl. Kommentar zum Familienrecht der DDR, aaO, 5. Aufl., 1982, § 106 Anm. 1). Jedenfalls entspricht es dem mit der Abwesenheitspflegschaft verfolgten Ziel, Sicherheit im Rechtsverkehr zu schaffen, das Erlöschen der Vertretungsbefugnis nicht automatisch mit dem Tode des Pfleglings zu verbinden. Diesem Grundsatz trägt auch § 1921 Abs. 2 BGB Rechnung, wonach die Abwesenheitspflegschaft (§ 1911 BGB) im Falle des Todes des Abwesenden erst mit der Aufhebung durch das Vormundschaftsgericht endet.
Unterschriften
Hagen, Lambert-Lang, Tropf, Schneider, Krüger
Fundstellen
Haufe-Index 1128852 |
NJW 1997, 1586 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1997, 382 |
MDR 1997, 447 |