Leitsatz (amtlich)

Wer einer GmbH in notarieller Form, aber wegen Minderjährigkeit schwebend unwirksam beigetreten ist, kann nach Eintritt der Volljährigkeit die Beitrittserklärung formfrei genehmigen.

 

Tatbestand

Die Parteien haben schon mehrere Rechtsstreite miteinander geführt. Diese gehen darauf zurück, daß der Kläger im Sommer 1970 bei der … GmbH, an deren Gründung der noch minderjährige Beklagte (geboren 5. Dezember 1948) beteiligt war, einen Betrag von 6.000 DM angelegt hatte. Über das Vermögen der GmbH wurde Ende 1970 das Konkursverfahren eröffnet. Der Konkursverwalter und der Beklagte haben in einem zwischen ihnen geführten Rechtsstreit am 26. Januar 1972 einen gerichtlichen Vergleich unter anderem mit dem Inhalt geschlossen, daß der (damalige und jetzige) Beklagte „zur Abgeltung aller Ansprüche der Konkursmasse DM 1.000” zahle.

In dem Vorprozeß zwischen den Parteien 1 O 572/74 beim Landgericht Kempten (Allgäu), der durch Versäumnisurteil des Bundesgerichtshofes zu VI ZR 268/75 vom 5. Juli 1977 mit Verwerfungsbeschluß vom 20. Dezember 1977 rechtskräftig abgeschlossen worden ist, sind die aufgrund des Versäumnisurteils vom Kläger an den Beklagten zu erstattenden Kosten im Hauptbetrag auf 1.654,94 DM festgesetzt worden.

Der Kläger hat im vorliegenden Rechtsstreit gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß Vollstreckungsabwehrklage erhoben und vorgetragen, daß er mit der nach Beendigung des GmbH-Konkursverfahrens durch Beschluß des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 10. April 1978 – Az: 6 M 1121/78 gepfändeten und ihm zur Einziehung überwiesenen Forderung der GmbH gegen den Beklagten aufgerechnet habe, die im Beschluß wie folgt bezeichnet ist: „… aus GmbH-Gesellschaftsvertrag vom 27.1.1969 und dem Geschäftsanteil-Übernahmevertrag vom 25.6.1969 auf Zahlung der auf das Stammkapital von 20.000 DM zu leistenden Einlagen (§§ 3 Abs 1 Nr 4, 16 Abs 3, 19, 24, 25 GmbHG) und auf Erstattung von verbotenen Rückzahlungen (§§ 30, 31 GmbHG)”.

Der Kläger hat beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß für unzulässig zu erklären und den Beklagten zu verpflichten, die vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses herauszugeben. Beide Vorinstanzen haben den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit der zugelassenen Revision verfolgt er seinen Antrag auf Klagabweisung weiter; er hat gegen den in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat nicht vertretenen Kläger Erlaß eines Versäumnisurteils beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die nach §§ 794 Abs 1 Nr 2, 795, 767 ZPO zulässige Vollstreckungsabwehrklage greift durch, wenn der Kläger wirksam gegen den Erstattungsanspruch des Beklagten aufgerechnet hat. Dies nimmt das Berufungsgericht an, denn der GmbH habe die gepfändete und dem Kläger überwiesene Stammeinlageforderung zugestanden. Hiergegen wendet sich die Revision – auch unter Berücksichtigung der Säumnis des Klägers (vgl LM ZPO § 331 Nr 3) – im Ergebnis ohne Erfolg.

1. a) Der am 5. Dezember 1948 geborene Beklagte war noch minderjährig, als er im GmbH-Gesellschaftsvertrag vom 27. Januar 1969 eine Stammeinlage von 19.000 DM übernahm und – worauf im folgenden nicht weiter eingegangen zu werden braucht – am 25. Juni 1969 den nicht eingezahlten Geschäftsanteil der volljährigen Gründungsgesellschafterin S. im Nennbetrag von 1.000 DM erwarb. Seine Beteiligung blieb daher trotz der Eintragung der GmbH im Handelsregister schwebend unwirksam, denn der notwendige Schutz des Minderjährigen geht den Interessen des Rechtsverkehrs vor (s BGHZ 17, 160, 166f für die Kommanditgesellschaft; für die GmbH kann nichts anderes gelten, vgl Hachenburg/Ulmer, GmbHG 7. Aufl § 2 RdNr 83, Scholz/Winter, GmbHG 6. Aufl § 2 Anm 50).

b) Diese Ansicht legt auch das Berufungsgericht zugrunde. Es meint jedoch, der Beklagte habe den Gesellschaftsvertrag als Volljähriger durch schlüssige Handlungen genehmigt und damit wirksam gemacht. Das ist im Ausgangspunkt richtig und läßt auch keinen Rechtsfehler bei der Würdigung des Sachverhalts erkennen.

Ein bis zum Eintritt der Volljährigkeit schwebend unwirksamer Vertrag mit dem Minderjährigen wird nicht automatisch wirksam, sondern erst durch Genehmigung des nunmehr unbeschränkt Geschäftsfähigen (§ 108 Abs 3 BGB; ebenso § 1829 Abs 3 BGB, wobei hier ausdrücklich offenbleibt, ob für die Beteiligung des Minderjährigen an der GmbH die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung notwendig ist). Sie kann nach dem Grundgedanken des § 182 Abs 2 BGB formfrei erklärt werden. Das bedarf keiner weiteren Begründung, soweit es darum geht, die Formfreiheit nicht nur auf den unmittelbar geregelten Fall der Zustimmung eines Dritten, sondern auch auf die Genehmigung dessen anzuwenden, der die Erklärung selbst – schwebend unwirksam – abgegeben hatte. Bedenken gegen die formfreie Genehmigung des in der gehörigen Form abgeschlossenen GmbH-Gesellschaftsvertrags ließen sich – wenn überhaupt – aus § 2 Abs 2 GmbHG herleiten, wonach die Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrags durch Bevollmächtigte nur auf Grund einer notariell errichteten oder beglaubigten Vollmacht zulässig ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Formzwang auch für die Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter eines beschränkt Geschäftsfähigen gilt (so Ulmer und Winter aaO). Für ihn besteht jedenfalls dann kein Bedürfnis, wenn – wie hier – die Legitimation desjenigen, der die Genehmigung erklärt, nicht zweifelhaft sein kann.

Die Genehmigung des Gesellschaftsvertrags durch schlüssiges Verhalten des Beklagten sieht das Berufungsgericht darin, daß er seine Eintragung im Handelsregister (gemeint ist wohl diejenige als Geschäftsführer, da der Gesellschafter als solcher nicht eingetragen, sondern nur in die Gesellschafterliste aufgenommen wird) niemals rückgängig gemacht und die erst Anfang Februar 1970 gedruckten Kapitalanlage-Zertifikate zur Weitergabe an die Vertragspartner der GmbH unterzeichnet habe. Hiergegen ist aus Rechtsgründen nichts einzuwenden, auch wenn der Beklagte – worauf die Revision abhebt – die Zertifikate nur in Erfüllung seiner Aufgabe als Geschäftsführer unterschrieben hat. Entscheidend ist der Gesichtspunkt, daß er allein die werbende Tätigkeit der Gesellschaft weiterführte, zumal das Berufungsgericht aus den beruflichen Sachkenntnissen des Beklagten den Schluß gezogen hat, daß er sich der Genehmigungsbedürftigkeit der Erklärungen, die er als Minderjähriger abgegeben hatte, bewußt gewesen sei. Auch diese Feststellung lag im Rahmen einer möglichen, im Revisionsrechtszug nicht nachprüfbaren Beweiswürdigung.

2. Aufgrund des von ihm genehmigten Gesellschaftsvertrags ist der Beklagte zur Leistung der übernommenen und bisher nicht erbrachten Stammeinlage verpflichtet. Diesen ihm überwiesenen Anspruch kann der Kläger geltend machen. Er übersteigt – auch bei Berücksichtigung eines vorrangig aufgerechneten Betrags von 7.400 DM (vgl S 4 des Beschlusses des Berufungsgerichts vom 28.7.78) – den Kostenerstattungsanspruch des Beklagten.

Die gegen den Beklagten entstandene Einlageforderung ist nicht durch den Prozeßvergleich mit dem Konkursverwalter über das Vermögen der GmbH, Rechtsanwalt E., im Rechtsstreit 15 O 135/71 beim Landgericht Stuttgart erloschen. Diesen Vergleich kann der erkennende Senat selbst auslegen, denn das Berufungsgericht hat – weil es aus Rechtsgründen hierzu keinen Anlaß sah – den Gegenstand des Vergleichs nicht abschließend beurteilt. Für die Einbeziehung auch des Anspruchs auf Leistung der Stammeinlage spricht, daß der Beklagte 1.000 DM „zur Abgeltung aller Ansprüche der Konkursmasse” zahlen sollte. Dagegen sprechen entscheidend folgende Umstände: Der Konkursverwalter hatte mit seiner Klage auf Zahlung von 50.000 DM einen Teilanspruch auf Schadensersatz geltend gemacht. Mit der Formulierung „alle Ansprüche” kann daher nach den Umständen ebensogut nur beabsichtigt gewesen sein, alle Schadensersatzansprüche, also auch die nicht eingeklagten Teile, zu erledigen. Daß der Beklagte die Stammeinlage nicht erbracht hat, ist in der Klageschrift nur beiläufig bei der Darstellung des unstreitigen Sachverhalts erwähnt worden. Hingegen hat der Beklagte nichts dafür vorgetragen, daß dieser Anspruch bei Abschluß des Vergleichs erneut angesprochen worden wäre. Auch sonst ist dem Parteivortrag nichts dafür zu entnehmen, daß sich der Konkursverwalter – für den Beklagten erkennbar – das Bestehen einer Stammeinlageforderung vergegenwärtigt, auf sie aber verzichtet hat, obwohl ihm als mit der Konkursverwaltung einer GmbH betrauten Rechtsanwalt die hiergegen aus § 19 GmbHG bestehenden Bedenken im Zweifel bekannt waren. Der Beschluß zum „Mehrwert des Vergleichs”, den das Gericht seinerzeit auf 5.000 DM festgesetzt hat, läßt zwar die für die Festsetzung ausschlaggebenden Erwägungen nicht erkennen, gibt aber wegen der geringen Höhe des Betrags auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß hierbei die Einlageforderung berücksichtigt worden wäre.

Andere Anhaltspunkte als die vorgenannten sind für die Auslegung nicht ersichtlich. Sie ergeben sich auch nicht aus der unter Beweis gestellten, von der Revision als übergangen gerügten Behauptung des Beklagten, er habe den Vergleichsvorschlag deswegen angenommen, weil er sich mit dem Betrag von 1.000 DM die Sicherheit habe erkaufen wollen, künftig nicht mehr irgendwelchen Ansprüchen der GmbH oder des Konkursverwalters ausgesetzt zu sein. Das kann unterstellt werden, gibt aber für die Auslegung des Vergleichs nichts her. Denn es kommt nicht auf die einseitigen Erwartungen des Beklagten an, die überdies in dem relativ geringen Betrag von 1.000 DM keine Grundlage besaßen, die einem verständigen Betrachter für die Annahme genügt hätte, hiermit seien über den Schadensersatzanspruch hinaus schlechthin alle Ansprüche der GmbH gegen den Beklagten erledigt. Hieran ändert auch nichts, daß die Ansprüche gegen den Beklagten wegen dessen schlechter wirtschaftlicher Lage seinerzeit wertlos gewesen sein mögen; denn das konnte sich bei einem erst am Anfang seines Berufslebens stehenden jungen Mann alsbald ändern. Die nach alledem verbleibenden Zweifel an einer Auslegung des Vergleichs in dem Sinne, daß die Einbeziehung der Einlageforderung dem erklärten Willen der Parteien entsprochen hätte, gehen zu Lasten des Beklagten, der für die Tatsachen, die noch für die von ihm beanspruchte Auslegung sprechen könnten, darlegungspflichtig und beweispflichtig gewesen wäre.

Die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift ebenfalls nicht durch. Er hat die Stammeinlage nicht erbracht. Der Anspruch auf die Einlage verjährt innerhalb der regelmäßigen Frist von dreißig Jahren (§ 195 BGB) und nicht innerhalb der Fünfjahresfrist, die gemäß § 31 Abs 5 GmbHG – sofern dem Verpflichteten keine bösliche Handlungsweise zur Last fällt – für den Anspruch auf Erstattung von Kapitalrückzahlungen gilt.

3. Das Berufungsgericht hat schließlich, von der Revision insoweit auch nicht beanstandet, die Pfändung und Überweisung für wirksam angesehen. Der Beschluß vom 10. April 1978 ist in seinem Bestand nicht angegriffen worden. Das Berufungsgericht hat ferner ohne Rechtsfehler angenommen, daß § 19 GmbHG der Pfändung nicht entgegensteht (vgl SenUrt v 22.11.62 – II ZR 8/62, LM GmbHG § 19 Nr 4 = NJW 1963, 102). Denn nach seinen Feststellungen befand sich die GmbH zur Zeit der Pfändung im Zustand der Beendigung nach durchgeführter Liquidation. Sie war im Handelsregister gelöscht und der Geschäftsbetrieb auch über den Abwicklungszustand hinaus aufgehoben. Diese Umstände führten nicht zum Wegfall der GmbH als Rechtspersönlichkeit, so daß sie noch Träger der Einlageforderung sein konnte. Da nicht ersichtlich ist, daß sich noch Gläubiger der GmbH für die Verwirklichung der Forderung interessierten, und die Gesellschaft infolge der Einstellung ihres Geschäftsbetriebs den Schutz des § 19 GmbHG nicht mehr braucht, bleibt dem Kläger die Geltendmachung des Anspruchs überlassen. Auch konkursrechtliche Bedenken bestehen hiergegen nicht, die ohnehin nur noch aus § 166 KO (Nachtragsverteilung) hergeleitet werden könnten; denn es fehlt schon an einer entsprechenden Anordnung des Konkursgerichts.

Der Kläger hat mit der gepfändeten und ihm überwiesenen Forderung wirksam aufgerechnet. Diese Einwendung betrifft den im Kostenfestsetzungsbeschluß festgestellten Anspruch, der durch die Aufrechnung erloschen ist. Daher haben die Vorinstanzen die Vollstreckung aus dem Beschluß mit Recht für unzulässig erklärt. Da die titulierte Forderung in vollem Umfang getilgt ist, kann der Kläger auch die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses verlangen (BGH, Urt v 10.10.75 – V ZR 5/74, WM 1975, 1213 unter 2b).

 

Fundstellen

Haufe-Index 647975

NJW 1980, 1842

DNotZ 1981, 183

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