Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 13.12.1995) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 10. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. Dezember 1995 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung von Trennungs- und Kindesunterhalt in Anspruch genommen.
Die Parteien haben am 7. Dezember 1987 die Ehe geschlossen, aus der das Kind M., geboren am 30. September 1991, hervorgegangen ist. M. lebt seit der am 22. Juli 1993 erfolgten Trennung der Eltern bei der Klägerin. Die Ehe der Parteien ist seit dem 13. Juni 1995 rechtskräftig geschieden.
Der Beklagte war im streitbefangenen Zeitraum Zeitsoldat. Er wohnt zusammen mit einer neuen Partnerin in M.. Von dort aus fuhr er regelmäßig mit dem Pkw zu seinem Dienstort D.. Die Klägerin arbeitete schon während des Zusammenlebens der Parteien stundenweise im Friseursalon ihrer Eltern. Diese Tätigkeit setzte sie nach der Trennung fort.
Durch einstweilige Verfügung vom 6. Oktober 1993 wurde der Klägerin auf die Dauer von sechs Monaten ab Oktober 1993 Trennungsunterhalt von monatlich 475 DM und Kindesunterhalt von monatlich 326 DM zugesprochen. Diese Beträge zahlte der Beklagte. Darüber hinaus erbrachte er im August und Oktober 1993 Zahlungen von 300 DM sowie 400 DM an die Klägerin und leistete ab April 1994 Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 275 DM.
Mit ihrer Klage machte die Klägerin für die Zeit vom 15. August 1993 bis einschließlich Mai 1994 einen Unterhaltsrückstand von 7.487,63 DM geltend, davon 844 DM an rückständigem Kindesunterhalt. Für die Zeit ab 1. Juni 1994 verlangte sie Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.237,71 DM sowie Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 375 DM abzüglich monatlich gezahlter 275 DM.
Das Amtsgericht – Familiengericht – verurteilte den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage, rückständigen Trennungs- und Kindesunterhalt von 3.324,64 DM bzw. 464 DM und Trennungsunterhalt für Juni 1994 von 756,07 DM, vom 1. Juli 1994 bis 31. Dezember 1994 von monatlich 800,45 DM und ab Januar 1995 von monatlich 790,49 DM sowie Kindesunterhalt ab Juni 1994 von monatlich 335 DM zu zahlen, für die Zeit bis Dezember 1994 abzüglich monatlich gezahlter 275 DM.
Mit der hiergegen gerichteten Berufung begehrte der Beklagte nach Teilrücknahme des Rechtsmittels eine Herabsetzung des Trennungsunterhalts auf monatlich 600 DM für die Zeit ab Juni 1994. Die Klägerin legte Anschlußberufung ein, mit der sie weiteren Trennungsunterhalt von 1.100 DM für die Zeit vom 15. August 1993 bis 31. Mai 1994 erstrebte. Der Beklagte beantragte, die Anschlußberufung zurückzuweisen.
Das Oberlandesgericht änderte das amtsgerichtliche Urteil im Ausspruch über den Trennungsunterhalt ab und verurteilte den Beklagten insofern zur Zahlung folgender Beträge:
für die Zeit vom 15. August 1993 bis 31. Mai 1994 insgesamt 4.409 DM;
vom 1. Juni 1994 bis 12. Juni 1995 monatlich 732 DM.
Die weitergehenden Rechtsmittel wies das Oberlandesgericht zurück.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der zugelassenen Revision, mit der er sein zweitinstanzliches Begehren weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. a) Die Klägerin hat nach § 1361 Abs. 1 BGB Anspruch auf den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Parteien angemessenen Trennungsunterhalt. Bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß diese allein durch die Einkünfte des Beklagten geprägt worden seien. Die Einkünfte der Klägerin hat das Berufungsgericht nicht für bedarfsprägend gehalten, weil die ihnen zugrundeliegende Erwerbstätigkeit im Hinblick auf die Betreuungsbedürftigkeit des gemeinschaftlichen Kindes als überobligationsmäßig anzusehen sei. Durch Einkünfte aus einer Tätigkeit, die ohne unterhaltsrechtliche Nachteile jederzeit eingestellt werden dürfe, könnten die ehelichen Lebensverhältnisse nicht nachhaltig mitbestimmt werden.
Dieser Ansatz für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Er entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Senatsurteile vom 24. November 1982 – IVb ZR 310/81 – FamRZ 1983, 146, 149 f.; vom 14. Dezember 1983 – IVb ZR 38/82 – FamRZ 1984, 364, 365 f. und vom 23. Dezember 1987 – IVb ZR 108/86 – FamRZ 1988, 256).
b) Die Revision wendet sich gegen die Beurteilung der Erwerbstätigkeit der Klägerin als überobligationsmäßig. Sie weist darauf hin, daß der Senat zur Frage der Erwerbsobliegenheit getrennt lebender und vor allem geschiedener Eltern entschieden habe, daß schulpflichtige minderjährige Kinder den betreuenden Elternteil nicht ohne weiteres an der Aufnahme jeglicher Erwerbstätigkeit hinderten, vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles eine Teilzeitarbeit bis hin zu einer Halbtagsbeschäftigung in Betracht komme und die Zumutbarkeit einer derartigen Erwerbstätigkeit erst recht zu bejahen sei, wenn diese bereits in der Ehe neben der Kinderbetreuung ausgeübt worden sei und es darum gehe, ob die Tätigkeit beizubehalten sei. Die Revision meint, diese Grundsätze könnten im Einzelfall auch die Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit eines Elternteils begründen, der ein noch nicht schulpflichtiges Kind betreue. Das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, daß die Klägerin die während der Ehe ausgeübte Tätigkeit fortsetze und zudem im Betrieb ihrer Eltern arbeite.
Damit kann die Revision nicht durchdringen. Der Senat hat hinsichtlich der Frage, ob einer Mutter, die zwei Kinder im Alter von 11 und knapp 7 Jahren zu betreuen hatte, die Beibehaltung der schon vor der Trennung mit halber Arbeitskraft ausgeübten Tätigkeit als Lehrerin zugemutet werden könne, entscheidend darauf abgehoben, daß eine Erwerbstätigkeit, die nicht aus Not wegen unzureichender Versorgung durch den unterhaltspflichtigen Ehegatten, sondern aus freien Stücken aufgenommen werde, im allgemeinen Anlaß zu einer Überprüfung geben werde, ob nicht die Grenzen des Zumutbaren zunächst zu eng gezogen worden seien. Die Ausübung der Erwerbstätigkeit könne in diesem Zusammenhang ein bedeutsames Indiz sein (Senatsurteil vom 23. September 1981 – IVb ZR 600/80 – FamRZ 1981, 1159, 1161). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier indessen nicht vor. Nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten hat die Klägerin nämlich nicht aus freien Stücken gearbeitet, sondern damit die Parteien die Kosten des gemeinsamen Haushalts bestreiten konnten. Der in beengten finanziellen Verhältnissen aus Gründen wirtschaftlicher Notwendigkeit aufgenommenen Erwerbstätigkeit kommt eine indizielle Bedeutung für die Zumutbarkeit der Fortsetzung der Tätigkeit aber nicht zu. Davon ist ersichtlich auch das Oberlandesgericht Köln in seiner von der Revision angeführten Entscheidung in FamRZ 1990, 1241, 1242 ausgegangen.
Nach der Rechtsprechung des Senats braucht sich eine Ehefrau, die Unterhalt von ihrem Ehemann verlangt, im Regelfall jedenfalls nicht auf eine eigene Erwerbstätigkeit verweisen zu lassen, wenn sie ein noch nicht schulpflichtiges Kind betreut (Senatsurteile vom 7. Oktober 1981 – IVb ZR 610/80 – FamRZ 1982, 25, 27 und vom 23. Februar 1983 – IVb ZR 363/81 – FamRZ 1983, 456, 458). Dieser Grundsatz gilt zwar nur insoweit, als nicht die Umstände des Einzelfalles eine Abweichung bedingen. Für derartige Ausnahmeumstände trägt aber derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der eine Ausnahme von der erfahrungsgemäßen Regel der Betreuungsbedürftigkeit in Anspruch nimmt (Senatsurteil vom 23. Februar 1983 aaO; MünchKomm/Richter 3. Aufl. § 1570 Rdn. 9). Im vorliegenden Fall hätte daher der Beklagte konkrete Umstände vorbringen müssen, die für eine Erwerbsobliegenheit der Klägerin trotz der Betreuung des zu Beginn des hier maßgeblichen Zeitraums erst knapp zwei Jahre alten Kindes M. hätten sprechen können. Dafür reicht der pauschale Hinweis auf die Beschäftigung der Klägerin im Betrieb ihrer Eltern – ohne konkrete Angaben über die Betreuungssituation des Kindes – nicht aus.
Danach ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht die Erwerbstätigkeit der Klägerin als überobligationsmäßig angesehen und deshalb zur Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht herangezogen hat.
2. Bei der Bestimmung des unterhaltserheblichen Einkommens des Beklagten ist das Berufungsgericht von einem Monatsnettoeinkommen von 3.245,50 DM im Jahre 1993 und von 3.032,34 DM in den Jahren 1994 und 1995 ausgegangen. Hiervon hat es Beitragsleistungen für verschiedene Versicherungsverträge (monatlich 207,10 DM), Fahrtkosten zur Arbeitsstelle (monatlich 462 DM), den Beitrag zum Bundeswehrverband (monatlich 9 bzw. 14 DM), die Ratenzahlung auf ein Darlehen zur Finanzierung von Hausratsgegenständen (monatlich 50 DM) sowie den Tabellenunterhalt für das Kind M. (monatlich 370 DM) abgezogen.
Diesen Ansatz beanstandet die Revision hinsichtlich der Abzüge für die Fahrtkosten und die Darlehensrate.
a) Hinsichtlich der Fahrtkosten hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die tatsächlich geltend gemachten Kosten von monatlich 1.200 DM für Fahrten mit dem Pkw von M. nach D. (bei einer einfachen Strecke von 75 km) seien unnötig, völlig unangemessen und deshalb unterhaltsrechtlich nicht relevant. Dem Beklagten sei es zuzumuten, jedenfalls in einer Entfernung von höchstens 30 km von dem Standort D. Wohnung zu nehmen und von dort aus seinen Arbeitsplatz mit dem Pkw anzufahren. Dann würden bei Zugrundelegung einer Kilometerpauschale von 0,42 DM und 220 Diensttagen pro Jahr Kosten von 462 DM anfallen.
Die Revision rügt demgegenüber, das Berufungsgericht habe bei seiner Beurteilung außer acht gelassen, daß die Benutzung des Pkw für die Fahrten des Beklagten von M. zu seinem Dienstort D. einer während des Zusammenlebens der Parteien geübten Gewohnheit entsprochen habe, da die Klägerin einen Umzug nach D. anläßlich der Versetzung des Beklagten abgelehnt habe. Zudem habe berücksichtigt werden müssen, daß die Zumutbarkeit eines Umzugs wegen der hierdurch anfallenden Kosten und der höheren Mietpreise in D. und Umgebung sowie seines Ausscheidens als Zeitsoldat zum 31. Dezember 1996 in Frage gestellt werde. Darüber hinaus habe geprüft werden müssen, ob Fahrtkosten nicht wenigstens im Umfang der Kosten für öffentliche Verkehrsmittel als abzugsfähig anzusehen gewesen wären.
Die Höhe der in Ansatz gebrachten Fahrtkosten beanstandet die Revision zu Recht. Zwar hat das Berufungsgericht es unter den gegebenen Umständen rechtsfehlerfrei abgelehnt, einen Abzug in der für die Pkw-Nutzung geltend gemachten Höhe von 1.200 DM vorzunehmen. Es ist aber nicht auszuschließen, daß dem Beklagten höhere Fahrtkosten als monatlich 462 DM zuzubilligen sind.
Das Oberlandesgericht ist aufgrund des Vorbringens des Beklagten ersichtlich davon ausgegangen, daß ihm die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel für die Fahrt zur Arbeitsstelle angesichts des damit verbundenen beträchtlichen Zeitaufwandes nicht zugemutet werden könne. Es hat deshalb grundsätzlich die Kosten der Pkw-Nutzung für berücksichtigungsfähig gehalten. Wenn der Beklagte seine Wohnung in M. beibehielte, ergäben sich unter Zugrundelegung der vom Berufungsgericht angewandten Berechnungsart monatliche Fahrtkosten von nahezu 1.200 DM, durch die das Nettoeinkommen des Beklagten zu mehr als 1/3 aufgezehrt würde. Wenn die Kosten der Pkw-Nutzung indessen einen derart hohen, unverhältnismäßigen Aufwand verursachen, durch den angemessene Unterhaltsleistungen ausgeschlossen werden, ist zu prüfen, ob von dem Unterhaltspflichtigen nicht ein Wechsel des Wohnortes erwartet werden kann. Das kann etwa der Fall sein, wenn an eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht zu denken ist, das Wohnen nahe am Arbeitsplatz nach den Lebensumständen zumutbar ist und mit zumutbarer Mietbelastung eine neue Wohnung gefunden werden kann (Kalthoener/Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 6. Aufl. Rdn. 937; Wendl/Haußleiter, Unterhaltsrecht 4. Aufl. § 1 Rdn. 100; Palandt/Diederichsen, BGB 57. Aufl. § 1603 Rdn. 6; vgl. auch OLG Koblenz FamRZ 1994, 1609, 1610).
Daß eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft von den Parteien in Betracht gezogen worden wäre, hat der Beklagte nach seinem in dem Tatbestand des Berufungsurteils in Bezug genommenen schriftsätzlichen Vorbringen selbst nicht konkret geltend gemacht, vielmehr hat er eingeräumt, noch während des Trennungsjahres seine Freundin in die frühere Ehewohnung aufgenommen zu haben. Für die Zumutbarkeit eines Umzugs spricht weiterhin die seitens des Beklagten dargelegte Absicht, nach seinem Ausscheiden bei der Bundeswehr eine Berufsausbildung an der Fachhochschule in K. zu absolvieren, womit – ohne einen Umzug – noch höhere Fahrtkosten verbunden wären. Das Berufungsgericht hat schließlich auch den Einwand des Beklagten berücksichtigt, daß er in D. bzw. in der unmittelbaren Umgebung von D. keine vom Mietzins her angemessene Wohnung hätte anmieten können und hat in tatrichterlicher Würdigung angenommen, daß dies jedenfalls in einem Umkreis von 30 km möglich gewesen wäre.
Die Höhe der als abzugsfähig anzuerkennenden Kosten zu bestimmen, ist in erster Linie dem Tatrichter vorbehalten. Wenn das Berufungsgericht insoweit die in seinem Bezirk gebräuchlichen unterhaltsrechtlichen Leitlinien zugrundegelegt hat, die einen Kostenansatz von 0,42 DM pro Kilometer vorsehen, so unterliegt das aus Rechtsgründen keinen Bedenken. Der Senat hat es in ständiger Rechtsprechung mangels sonstiger konkreter Anhaltspunkte für angemessen gehalten, die mit 0,40 DM pro Kilometer der Höhe nach in etwa vergleichbare Kilometerpauschale nach § 9 Abs. 3 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen heranzuziehen (Senatsurteile vom 8. Juli 1992 – XII ZR 127/91 – BGHR BGB § 1578 Abs. 1 Satz 1 Unterhaltsbemessung 29 und vom 20. Oktober 1993 – XII ZR 89/92 – FamRZ 1994, 87, 88).
Die Revision wendet allerdings zu Recht ein, der Beklagte habe geltend gemacht, daß die Kosten der Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel für die Fahrten von M. nach D. mit monatlich 606 DM anzusetzen seien. Da einem Unterhaltschuldner grundsätzlich zugestanden werden muß, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen, kommt es für die Entscheidung darauf an, ob die behaupteten Kosten, deren Höhe die Klägerin bestritten hat, zutreffend sind. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Die Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben.
b) Die Revision wendet sich ferner dagegen, daß das Oberlandesgericht die von dem Beklagten geltend gemachte Ratenzahlung zur Tilgung des für die Anschaffung von Hausrat aufgenommenen Darlehens nur in Höhe von monatlich 50 DM als abzugsfähig anerkannt hat. Hierzu ist im Berufungsurteil ausgeführt, der Beklagte habe den notwendigsten Hausrat nach der Trennung der Parteien mit monatlich 50 DM finanzieren können; ein höherer Betrag erscheine unter den gegebenen Verhältnissen nicht angemessen.
Die hiergegen gerichtete Rüge der Revision greift nicht durch.
Zwar kann die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen durch zu tilgende Verbindlichkeiten in unterhaltsrechtlich beachtlicher Weise eingeschränkt werden. Das gilt aber grundsätzlich nicht, soweit es sich um Kosten der privaten Lebensführung handelt. Nur wenn und soweit etwa Anschaffungen zur normalen Haushaltsführung dringend erforderlich sind und nicht mit den zur Verfügung stehenden Mitteln finanziert werden können, kann wegen der betreffenden Aufwendungen ein Abzug in Betracht kommen. Das setzt indessen voraus, daß das Eingehen der Verbindlichkeit unvermeidbar war, was der Unterhaltspflichtige im einzelnen darzulegen hat (Kalthoener/Büttner, aaO Rdn. 1008 f.).
Dem Beklagten waren nach seinem eigenen Vorbringen nach der Trennung von der Klägerin die vorhandenen Möbel weitgehend verblieben. Er benötigte deshalb im wesentlichen Wäsche, Geschirr, Besteck usw. sowie ein Kinderbett für M.. Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage und unter Berücksichtigung der beengten finanziellen Verhältnisse in tatrichterlicher Würdigung zu der Beurteilung gelangt ist, dringend erforderlicher neuer Hausrat sei mit monatlichen Ratenzahlungen von 50 DM (anstatt von 250 DM, wie im Berufungsverfahren geltend gemacht) finanzierbar, ist das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
3. Den Unterhaltsbedarf der Klägerin hat das Berufungsgericht allerdings nicht ausgehend von dem mit monatlich 2.197,40 DM für 1993 und monatlich 1.997,24 DM für 1994 und 1995 festgestellten bereinigten Nettoeinkommen des Beklagten, sondern mit einem als Existenzminimum angesehenen Mindestbedarfssatz von 1.150 DM angesetzt. Das rügt die Revision zu Recht. Eine solche Vorgehensweise entspricht nicht der gesetzlichen Regelung (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u.a. BGHZ 104, 158, 168 = FamRZ 1988, 705, 708; Urteil vom 11. Januar 1995 – XII ZR 122/93 – FamRZ 1995, 346, 347; Urteil vom 15. November 1995 – XII ZR 231/94 – FamRZ 1996, 345, 346; Urteil vom 16. April 1997 – XII ZR 233/95 – FamRZ 1997, 806, 808). Der Unterhaltsbedarf eines getrennt lebenden Ehegatten bemißt sich vielmehr gemäß § 1361 Abs. 1 BGB nach den individuell ermittelten Lebens-, Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten. Es ist nicht auszuschließen, daß der pauschalierende Mindestbetrag den aus den ehelichen Lebensverhältnissen individuell ermittelten Betrag übersteigt. Abweichungen von der individuellen Bedarfsbemessung sind nur bei konkreten Feststellungen zu bedarfserhöhenden Umständen, insbesondere zu trennungsbedingt eingetretenen Mehrkosten der Lebensführung, rechtlich zulässig, deren Voraussetzungen konkret darzulegen sind und deren Höhe gegebenenfalls geschätzt werden kann (§ 287 ZPO).
4. Da das Oberlandesgericht somit seiner Unterhaltsberechnung einen zu hohen Unterhaltsbedarf der Klägerin zugrundegelegt hat, kann das Berufungsurteil, soweit es angefochten ist, auch aus diesem Grund nicht bestehen bleiben.
Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Das Berufungsgericht hat sich die Frage, ob der Klägerin trennungsbedingter Mehrbedarf zuzubilligen ist, nicht vorgelegt. Hierzu hätte indessen Anlaß bestanden, da die Klägerin geltend gemacht hat, für ihre Wohnung eine monatliche Warmmiete von 855 DM zahlen zu müssen. Damit muß die Klägerin im Verhältnis zu ihrem individuell bestimmten Grundlebensbedarf unangemessen hohe Wohnkosten aufbringen. In welcher Höhe diese durch die Trennung veranlaßten Kosten durch den Bezug von Wohngeld ausgeglichen werden, bedarf ebenso der tatsächlichen Feststellung und tatrichterlichen Würdigung wie die Frage, ob die Klägerin nicht eine preiswertere angemessenere Wohnung hätte finden können.
Die Berechnung des eigenen Einkommens der Klägerin, das das Berufungsgericht durchgehend mit monatlich 800 DM netto festgestellt hat, bedarf für das Jahr 1993 der Überprüfung. Ausweislich der vorgelegten Lohnsteuerkarte ist neben der einbehaltenen Lohn- und Kirchensteuer auch ein Arbeitnehmeranteil am Gesamtsozialversicherungsbetrag abgeführt worden. Unter Berücksichtigung dieser Abzüge ergibt sich auch unter Hinzurechnung geringfügiger Trinkgelder ein deutlich unter 800 DM liegender Betrag. Das Berufungsgericht wird schließlich zu beachten haben, daß der Beklagte nach seinem eigenen Vorbringen auf die als abzugsfähig anerkannte Lebensversicherung seit dem 1. Juli 1994 keine Beiträge mehr zahlt.
Unterschriften
Blumenröhr, Hahne, Gerber, Sprick, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 1383893 |
FamRZ 1998, 1501 |