Leitsatz (amtlich)
Eine Bürgschaft nach § 7 MaBV sichert grundsätzlich keinen Anspruch des Auftraggebers gegen den Bauträger auf Erstattung des durch Überschreitung der festgelegten Bauzeit entstandenen Verzugsschadens gemäß §§ 284, 286 Abs. 1 BGB a.F. (Ergänzung zum Senatsurteil vom 22. Oktober 2002 – XI ZR 393/01, WM 2002, 2411 ff.).
Normenkette
BGB § 765; MaBV § 7
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 7. Februar 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger nimmt die beklagte Bank aus einer Bürgschaft gemäß § 7 Makler- und Bauträgerverordnung (im folgenden: MaBV) in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die H. K. Bauträger GmbH (nachfolgend: K. GmbH) verpflichtete sich im Dezember 1995 durch notariellen Kauf- und Bauträgervertrag, ein Mehrfamilienhaus zu sanieren und dem Kläger zu übereignen. Die Parteien vereinbarten, daß der Kaufpreis in Höhe von 663.228 DM sofort zu leisten sei, sobald dem Kläger eine der Vorschrift des § 7 MaBV genügende Bürgschaft eines deutschen Kreditinstituts ausgehändigt worden sei. Der Werklohn über 2.220.872 DM sollte in bestimmten Raten nach Baufortschritt gezahlt werden, ein Teilbetrag von 1.250.000 DM jedoch spätestens am 29. Dezember 1995, sofern eine § 7 MaBV entsprechende Bankbürgschaft gestellt werde. Für die bezugsfertige Sanierung des Gebäudes war eine Bauzeit bis zum 31. Dezember 1996 vorgesehen.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten übernahm mit Urkunde vom 16. Januar 1996 gegenüber dem Kläger eine Bürgschaft „gemäß § 7 MaBV”. In der Urkunde heißt es: Die K. GmbH wird „zur Ausführung des Kaufvertrages vom 23.12.95 … Vermögenswerte in Höhe von 2.884.100 DM erhalten …. Zur Sicherung aller etwaigen Ansprüche des Auftraggebers gegen den Gewerbetreibenden auf Rückgewähr oder Auszahlung der vorgenannten Vermögenswerte, die der Gewerbetreibende erhalten hat, … übernehmen wir hiermit die selbstschuldnerische Bürgschaft … bis zum Höchstbetrag von DM 1.913.228,00”. Nach Übergabe der Bürgschaftsurkunde zahlte der Kläger die darin vereinbarte Höchstsumme an die K. GmbH. Einen Tag vor Ablauf des festgelegten Fertigstellungstermins (31. Dezember 1996) überwies er, der sich seit Oktober 1996 über den Bautenstand durch einen von ihm beauftragten Architekten laufend unterrichten ließ, weitere 970.872 DM, was dem vereinbarten Restbetrag entspricht.
Am 11. August 1999 wurden dem Kläger die Schlüssel für die Immobilie ausgehändigt. In der Folgezeit verhandelte er mit der K. GmbH erfolglos über den Ersatz eines Verzugsschadens wegen Bauverzögerung.
Der Kläger hat u.a. vorgetragen: Das Mehrfamilienhaus sei vor der Schlüsselübergabe im Sommer 1999 nicht bezugsfertig gewesen. Infolgedessen habe er einen Mietausfall in Höhe von 279.624 DM hinnehmen und außerdem Rechtsanwaltskosten über 21.821,46 DM sowie Architektenkosten über 6.246 DM aufwenden müssen. Die Beklagte hält dem vor allem entgegen, die Höchstbetragsbürgschaft sichere die geltend gemachten Verzugsschäden nicht.
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 307.692,06 DM zuzüglich Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und ihn aufgrund der im Wege der Anschlußberufung erhobenen Widerklage der Beklagten zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde vom 16. Januar 1996 verurteilt. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren und den Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat eine Bürgenhaftung der Beklagten verneint und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Die Höchstbetragsbürgschaft der Beklagten sichere allerdings entgegen der Ansicht des Landgerichts auch Ansprüche des Klägers gegen die K. GmbH auf Ersatz von Verzugsschäden im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB a.F.. Sinn und Zweck der Bürgschaft „gemäß § 7 MaBV” sei es, den Bauherrn nicht nur hinsichtlich ganz bestimmter Teilzahlungsraten aus dem Vertrag und deren Rückzahlung, sondern gegenüber allen Risiken abzusichern, die sich aus der sofortigen Zahlung des Kaufpreises oder Werklohns ergäben. Dazu zählten auch Schadensersatzansprüche wegen nicht rechtzeitiger Fertigstellung des Bauwerks. Auch sie seien in die Endabrechnung des Bauvorhabens einzustellen und begründeten einen Anspruch des Auftraggebers auf Rückzahlung des zu viel Geleisteten. Der Kläger könne von der Beklagten demgemäß grundsätzlich die durch Überschreitung des festgelegten Fertigstellungstermins (31. Dezember 1996) verursachten Schäden ersetzt verlangen.
Indessen habe der Kläger die streitgegenständlichen Ansprüche im Verhältnis zur Beklagten verwirkt. Durch die laufenden Berichte seines Architekten sei ihm schon vor dem 31. Dezember 1996 bekannt gewesen, daß – jedenfalls seiner Meinung nach – noch erhebliche Bauleistungen zu erbringen gewesen seien. Es habe sich daher bereits zu diesem Zeitpunkt ein erheblicher Verzugsschaden, z.B. durch Ausfall der ab Januar 1997 kalkulierten Mieteinnahmen, deutlich abgezeichnet und aufgrund dessen ein Zurückbehaltungsrecht bestanden. Indem der Kläger dennoch am 30. Dezember 1996 den gesamten Restwerklohn in Höhe von 970.872 DM gezahlt habe, habe er erst die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Beklagten aus dem Bürgschaftsvertrag geschaffen. Die bewußte Nichtausübung des Zurückbehaltungsrechts führe in Anlehnung an die Regeln des § 162 BGB dazu, daß die durch die Bauverzögerung entstandenen Schadensersatzansprüche ihr gegenüber nicht mehr geltend gemacht werden könnten.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nur im Ergebnis stand. Die Klage ist schon deshalb unbegründet, weil die ersetzt verlangten Schäden wegen verzögerter Fertigstellung und Übergabe des Bauwerks von der Höchstbetragsbürgschaft der Beklagten „gemäß § 7 MaBV” nicht erfaßt werden.
1. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 18. Juni 2002 – XI ZR 359/01, WM 2002, 1655 ff. (zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) für eine fast gleichlautende Bürgschaftserklärung im einzelnen ausgeführt hat, sichert eine Bürgschaft nach § 7 MaBV sowohl Ansprüche des Auftraggebers auf Ersatz von Aufwendungen für die Mängelbeseitigung als auch Ansprüche auf Rückgewähr der Vorauszahlung, die aus einer auf Mängel des Bauwerks gestützten Wandelung oder Minderung oder aus einem Schadensersatzanspruch wegen (teilweiser) Nichterfüllung resultieren (vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Januar 1999 – IX ZR 140/98, WM 1999, 535, 537; Senatsurteil vom 22. Oktober 2002 – XI ZR 393/01, WM 2002, 2411, 2412). Entscheidend ist, daß dem Auftraggeber – gleichgültig aus welchem Grund – ein Anspruch auf (teilweise) Rückgewähr seiner Vorauszahlung zusteht, weil der Bauträger seine kauf- oder werkvertragliche Verpflichtung (teilweise) nicht oder schlecht erfüllt hat.
Eine solche Auslegung entspricht auch dem Schutzzweck der Bürgschaft. Durch die nach § 7 Abs. 1 MaBV vom Bauträger zu stellende Bankbürgschaft soll der Vertragsgegner einen angemessenen Ausgleich für die von ihm eingegangene Verpflichtung erhalten, die Vergütung für das herzustellende Werk sofort zu entrichten, und nicht erst, entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 641 Abs. 1 Satz 1 BGB, bei Abnahme oder, wie es § 3 Abs. 2 MaBV gestattet, in Raten entsprechend dem Bauablauf nach Bauabschnitten. Eine Vorleistungspflicht benachteiligt den Erwerber nämlich in erheblichem Maße. Er verliert insbesondere die Möglichkeit, sein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB geltend zu machen oder mit (Schadensersatz-)Ansprüchen aufzurechnen, wenn der Bauträger die ihm obliegenden Pflichten nicht oder schlecht erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1999 – IX ZR 140/98, WM 1999, 535, 537; Senatsurteil vom 22. Oktober 2002 – XI ZR 393/01, aaO S. 2412).
2. Nach diesen Grundsätzen sind die hier in Rede stehenden Verzugsschäden von der Beklagten weder ganz noch teilweise zu ersetzen.
a) Die Bürgschaft nach § 7 MaBV sichert keine Ansprüche des Auftraggebers auf Ersatz entgangener Steuervorteile oder Nutzungen, die durch Überschreitung der Bauzeit entstanden sind. Dies hat der erkennende Senat in dem erst nach der angefochtenen Entscheidung ergangenen Urteil vom 18. Juni 2002 (aaO S. 1658) bereits für einen vertraglich vereinbarten Anspruch des Bauherrn auf Zahlung einer pauschalierten Nutzungsausfallentschädigung angenommen. Ferner hat er in dem zitierten Urteil vom 22. Oktober 2002 (aaO) entschieden, daß für einen gesetzlichen Anspruch des Bauherrn aus §§ 284, 286 Abs. 1 BGB a.F. auf Ersatz eines Mietausfallschadens nichts anderes gelten kann.
aa) Der sich aus einem vom Bauträger zu vertretenden Leistungsverzug ergebende Anspruch des Auftraggebers gemäß §§ 284, 286 Abs. 1 BGB a.F. ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kein unselbständiger Rechnungsposten im Rahmen der Schlußabrechnung, der zu einer durch die Bankbürgschaft „gemäß § 7 MaBV” gesicherten Rückzahlungsforderung führen kann. In die Schlußabrechnung des Bauvorhabens sind – wie die Revisionserwiderung zu Recht einwendet und auch das Landgericht nicht verkannt hat – grundsätzlich nur solche Ansprüche einzustellen, die auf einer Minderung der Gebrauchstauglichkeit oder des Wertes der Unternehmerleistung, also einer Äquivalenzstörung beruhen und das im Bauträgervertrag angelegte Gleichgewicht der gegenseitigen Leistungen wiederherstellen sollen (siehe auch Gero Fischer WM 2003, 1, 2, m.w.Nachw.). Allein bei ihnen besteht nämlich die Gefahr, daß der um sein Leistungsverweigerungsrecht gebrachte Erwerber im Falle der Insolvenz des Bauträgers oder vergleichbarer Leistungshindernisse nicht das erhält, was ihm nach dem Bauträgervertrag zusteht. Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß §§ 284, 286 Abs. 1 BGB a.F. ist seiner Natur nach nicht auf die Herstellung einer Gleichwertigkeit von (Voraus-)Leistung und Gegenleistung gerichtet, sondern auf Ersatz eines selbständigen, weitergehenden Verzögerungsschadens. Infolgedessen tritt er neben etwaige Ansprüche des Auftraggebers wegen Nicht- oder Schlechterfüllung des Bauträgervertrages und bleibt von einem Rücktritt des Gläubigers vom Vertrag unberührt (BGHZ 88, 46, 49 f.; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. I § 21 I b, S. 495, jeweils m.w.Nachw.). Ein solcher Anspruch, der nicht darauf beruht, daß die Unternehmerleistung hinter der vertraglich vorausgesetzten Gebrauchstauglichkeit oder Werthaltigkeit zurückbleibt, wird von der Bürgschaft nach § 7 MaBV grundsätzlich nicht erfaßt.
bb) Eine andere Betrachtungsweise ist auch mit dem Wortlaut der von der Beklagten übernommenen Bürgschaft gemäß § 7 MaBV nicht zu vereinbaren. Die Begriffe der „Rückgewähr” oder „Auszahlung” knüpfen an die vom Auftraggeber an den Bauträger aufgrund der Vorleistungspflicht bereits überlassenen Vermögenswerte und bei einem Zurückbleiben der Gegenleistung wieder ganz oder teilweise zurückzuzahlenden Beträge an. Selbst bei großzügiger Auslegung und strikter Anwendung des § 5 AGBG a.F. spricht nichts dafür, daß danach auch ein aus Überschreitung der vereinbarten Bauzeit resultierender Vermögensschaden im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB a.F. zu den durch die Bankbürgschaft gesicherten Risiken zählt.
Der Sicherungszweck einer Bürgschaft gemäß § 7 MaBV würde unzulässigerweise ausgedehnt, wenn die Bürgenhaftung auf alle vor der Abnahmereife entstandenen Ansprüche des Auftraggebers unabhängig von einer Beeinträchtigung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses erstreckt würde. Soll das den Regeln des § 7 MaBV zugrunde liegende Risikoverteilungsmodell zu Lasten des Bürgen geändert werden und dieser auch für die regelmäßig unabsehbaren Folgen verspäteter – sonst aber völlig einwandfreier – Leistungen des Bauträgers einstehen, so muß sich ein solcher Wille grundsätzlich aus der Vertragsurkunde ergeben (§ 766 BGB). Davon kann hier keine Rede sein. Aus der Bezugnahme der Bürgschaftsurkunde auf den Kaufvertrag, wonach die vom Bauträger zu stellende Bürgschaft „die Rückzahlung des Werklohnes bis zur vollständigen Fertigstellung der Sanierungs- und Renovierungsarbeiten” sichern sollte, ergibt sich vielmehr deutlich, daß Verzögerungsschäden im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB a.F. nicht abgedeckt sind.
b) Infolgedessen ist eine Bürgenhaftung der Beklagten nicht gegeben. Dies gilt nicht nur für den vom Kläger in erster Linie geltend gemachten Mietausfall, sondern auch für die darüber hinaus ersetzt verlangten Rechtsanwalts- und Architektenkosten. Zwar ist nicht ausgeschlossen, daß die vom Bauherrn für die Bauaufsicht oder ähnliche Aufgaben aufgewandten Architektenkosten als Teil des durch die Nicht- oder Schlechterfüllung des Bauträgervertrages entstandenen Schadens ersatzfähig sind und in vollem Umfang von der Bankbürgschaft „gemäß § 7 MaBV” erfaßt werden (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 2002, aaO S. 1658). So ist es hier aber nicht. Vielmehr sind die Architekten- und Anwaltskosten nach dem Sachvortrag des Klägers durch den Leistungsverzug der Bauträgerin entstanden, so daß sich ein Schadensersatzanspruch ausschließlich aus den §§ 284, 286 Abs. 1 BGB a.F. ergeben kann.
III.
Die Revision des Klägers war daher zurückzuweisen.
Unterschriften
Nobbe, Müller, Joeres, Wassermann, Mayen
Fundstellen
Haufe-Index 893671 |
DB 2003, 1673 |
NJW 2003, 1862 |
BGHR 2003, 387 |
BGHR |
BauR 2003, 700 |
EBE/BGH 2003, 79 |
EWiR 2003, 721 |
IBR 2003, 198 |
NZM 2003, 327 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 485 |
WuB 2003, 381 |
ZAP 2003, 584 |
ZIP 2003, 430 |
ZfIR 2003, 234 |
DNotZ 2004, 43 |
MDR 2003, 465 |
ZfBR 2003, 357 |
BKR 2003, 177 |
BKR 2003, 242 |
BTR 2003, 90 |
BrBp 2003, 116 |
BrBp 2003, 36 |
NZBau 2003, 270 |
ZBB 2003, 124 |
JbBauR 2004, 374 |
Kreditwesen 2003, 407 |