Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltendmachung eines erbvertraglich vermachten Hofübernahmerechts
Leitsatz (amtlich)
- Zur Treuwidrigkeit einer Berufung auf den Ablauf einer vereinbarten Erklärungsfrist aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes.
- Die gewillkürte Schriftform einer Erklärung ist trotz Fehlens einer Unterschrift dann gewahrt, wenn gleichwohl die mit der Formvereinbarung bezweckte Klarheit erreicht wird.
Normenkette
BGB § 2332 Abs. 3, §§ 125-127, 130, 242
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. August 1994 aufgehoben.
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Ellwangen vom 29. September 1993 wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beklagte meint, der Kläger, ihr Sohn, habe das ihm erbvertraglich vermachte Hofübernahmerecht nicht rechtzeitig schriftlich geltend gemacht.
Die in Gütergemeinschaft lebenden Eltern des Klägers schlossen 1967 einen Erbvertrag. Darin räumten sie dem Kläger das Recht ein, mit dem Tod des erstversterbenden Elternteils den vom Vater eingebrachten, circa 63 ha großen landwirtschaftlichen Betrieb gegen ein Leibgedinge und einen Übernahmepreis für den Überlebenden zu übernehmen. Dieses Vermächtnis sollte, wenn der Überlebende nicht wieder und auch der Kläger nicht heiratete, mit der Vollendung seines 28. Lebensjahres am 18. April 1986 fällig sein. § 2 Nr. 4 des Vertrages hat folgenden Wortlaut:
Das Vermächtnis entfällt, wenn der Bedachte
a)
auf den Tod des erststerbenden Elternteils den Pflichtteil verlangt
b)
das Übernahmerecht nicht binnen zwei Jahren seit der Fälligkeit schriftlich geltend macht.
Macht der Bedachte sich gegenüber dem Überlebenden von uns einer Verfehlung schuldig, die den Tatbestand der Pflichtteilsentziehung schaffen, so verwirkt er dadurch das ihm etwa zugefallene aber noch nicht erfüllte Vermächtnis.
Seit 1982 bis zum Jahresende 2000 hat der zum Landwirt ausgebildete Kläger den Hof gepachtet. Unstreitig bewirtschaftet er ihn gut. 1982 hat er für im Betrieb entstandene Schulden seiner Eltern ein in Halbjahresraten zu tilgendes Darlehen und weiter 1987 zur Bewirtschaftung erforderliche Kredite aufgenommen, die zum Teil durch Grundschulden abzusichern waren.
Am 17. Juni 1985 starb der Vater des Klägers. Dessen Alleinerbin ist nach dem Erbvertrag die Beklagte. Sie hat nicht wieder geheiratet. Auch der Kläger ist unverheiratet. Vor seinem 30. Geburtstag ließen der Kläger und die Beklagte sich wegen der Übernahme mehrfach von dem Bezirksnotar D. beraten. Am 14. Februar 1990 übersandte dieser ihnen den Entwurf eines hinsichtlich von Einzelheiten noch festzusetzenden Hofübergabevertrages.
Der Kläger klagt in erster Linie auf Feststellung seines näher bezeichneten Hofübernahmerechts und hilfsweise auf Übereignung der einzelnen aufgeführten Hofflächen gegen ebenfalls im einzelnen aufgeführte Gegenleistungen. Das Landgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Sein Übernahmevermächtnis ist nicht entfallen; die Beklagte muß es erfüllen.
I.
Das Landgericht hat dem Wortlaut des Vermächtnisses im Erbvertrag folgend festgestellt, daß der Kläger berechtigt ist, den "zum Gesamtgut ... gehörenden landwirtschaftlichen Betrieb Geb. 3 und 3a und b in Neuselhalden mit allen am 17. Juni 1985 dazugehörenden Grundstücken, Grundstücksbeteiligungen und Zubehörden zu übernehmen" .
Gegen den Feststellungsausspruch bestehen keine Bedenken, auch wenn der Kläger schon auf Leistung klagen könnte. Es ist anerkannt, daß eine Feststellungsklage trotz möglicher Leistungsklage dann zulässig ist, wenn diese unter dem Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit zu einer sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt (BGH, Urteil vom 05.02.1987 - III ZR 16/86 - BGHR ZPO § 256 Abs. 1 Feststellungsinteresse 4 m.w.N.). Zutreffend hat das Landgericht darauf hingewiesen, daß nach Klärung der Frage, ob das Übernahmerecht entfallen ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer wesentlich erleichterten Lösung der vom Kläger Zug-um-Zug zu erbringenden Gegenleistungen zu rechnen ist.
II.
Das Berufungsgericht hat seine Klagabweisung damit begründet, der Kläger habe nicht bewiesen, das Vermächtnis rechtzeitig schriftlich geltend gemacht zu haben. Für einen Verzicht der Beklagten auf die Einhaltung der Frist oder für eine Fristverlängerung hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben. Weil der Kläger nicht bewiesen habe, daß er seinen Übernahmewillen vor seinem 30. Geburtstag am 18. April 1988 ausdrücklich oder zumindest konkludent geltend gemacht habe, könne offenbleiben, ob die Beklagte auf die Schriftform verzichtet habe oder treuwidrig handele, wenn sie sich auf das Fehlen der Schriftform berufe.
Diese Begründung des Berufungsurteils ist durch Rechtsfehler beeinflußt.
1.
Unstreitig hat der Kläger ein Schriftstück mit dem Text
"Betr. Hofübergabe
Ich Ernst Z. mache hiermit mein Übernahmerecht von dem Betrieb geltend"
auf den Tisch des von den Parteien gemeinsam genutzten Wohnzimmers gelegt.
Der Kläger behauptet, diese von ihm nicht unterschriebene Erklärung sei mit dem Datum des 17. April 1988 versehen an seinem 30. Geburtstag niedergelegt worden. Beweis hat er dafür nicht angetreten. Die Beklagte weiß nicht mehr, ob das Schriftstück unterschrieben war, ist sich aber sicher, daß sie es erst nach dem Stichtag gesehen hat; ihrer Schätzung nach ist es ihr etwa 8 bis 14 Tage danach vorgelegt worden.
2.
Das Schriftstück reicht als schriftliche Geltendmachung im Sinne von § 2 Nr. 4b des Erbvertrages aus.
a)
Der Vermächtnisanspruch des Klägers ist, weil die entsprechenden, im Erbvertrag genannten Voraussetzungen vorliegen, unbedingt entstanden und seit Vollendung seines 28. Lebensjahres am 18. April 1986 fällig. Deshalb bedurfte die Geltendmachung von Gesetzes wegen keiner Form. Insbesondere die Regelung des § 313 BGB gilt, wie das Berufungsurteil zutreffend ausführt, dafür nicht. Das Übertragungsverlangen des Klägers als Vermächtnisnehmers begründete nicht die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung oder zum Eigentumserwerb. Vielmehr ist der Vermächtnisanspruch die schon bestehende Rechtsgrundlage dieser Verpflichtung.
Die Schriftform ist lediglich rechtsgeschäftlich in der Regelung des Erbvertrages vorgeschrieben. Die vom Tatrichter unterlassene und dem Senat mögliche Auslegung dieses Erbvertrages ergibt, daß diese Regelung den Zweck erfüllen soll, für die von dieser Vermächtnisregelung Betroffenen, den Vermächtnisnehmer und den Erben, Klarheit zu schaffen. War diese Klarheit jedenfalls für die Beteiligten gegeben, hatte also der Kläger der Beklagten gegenüber hinreichend deutlich gemacht, daß er das schon bestehende Übernahmerecht nicht aufgeben wollte, dann war es trotz der §§ 127, 126 BGB im Verhältnis der Parteien zueinander gleichgültig, daß der Kläger seinen Namen nicht unter seine Erklärung gesetzt, sondern in diese eingefügt hat.
b)
Mit dem Niederlegen auf dem gemeinsamen Wohnzimmertisch, ging die Erklärung in die tatsächliche Verfügungsgewalt der Beklagten als Empfängerin gemäß § 130 BGB über. Damit war der Anspruch geltend gemacht im Sinne des Erbvertrages. Das gilt selbst dann, wenn die Beklagte am Geburtstag den Zettel nicht mehr wahrgenommen haben sollte; ihr war die Kenntnisnahme bei üblichem Verlauf nach der Verkehrsauffassung möglich und diese war auch zu erwarten (BGH, Urteile vom 19.01.1955 - IV ZR 160/54 - LM BGB § 130 Nr. 2 und vom 21.06.1989 - VIII ZR 252/88 - LM BGB § 130 Nr. 21 = NJW-RR 1989, 1214 unter II 2 b).
3.
Es kann offenbleiben, ob der Kläger das Schriftstück seiner Behauptung entsprechend tatsächlich am 18. April 1988 auf den Wohnzimmertisch niedergelegt hat oder erst 8 bis 14 Tage später, wie die Beklagte vorträgt. Letzteres kann unterstellt werden.
a)
Die Beklagte handelt im Hinblick auf ihr in den Augen des Klägers vertrauensbegründendes Verhalten vor und nach seinem 30. Geburtstag widersprüchlich und deshalb treuwidrig, wenn sie sich bei einer unterstellten Fristüberschreitung von im Verhältnis nur wenigen Tagen auf die Nichteinhaltung der Zweijahresfrist beruft. Deshalb muß sie sich so behandeln lassen, als habe der Kläger die Frist eingehalten. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Frage nach der Treuwidrigkeit nicht weiter untersucht, weil es die fristgerechte Geltendmachung als unabdingbare Voraussetzung angesehen hat. Damit hat es die Reichweite des Grundsatzes von Treu und Glauben zu sehr eingeschränkt.
b)
Wie oben bereits ausgeführt, sollten die für die Geltendmachung im Erbvertrag bestimmte Schriftform und demgemäß auch die Frist dazu dienen, für den mit dem Vermächtnis belasteten Alleinerben und den Vermächtnisnehmer Klarheit zu schaffen. Die Erreichung dieses Zwecks stand hier niemals in Frage. Etwas anderes hätte möglicherweise gelten können, wenn der Kläger noch lange Zeit nach Fristablauf keine Klarheit geschaffen hätte. Auch hätte möglicherweise die Beklagte sich sofort nach dem 30. Geburtstag des Klägers auf das Entfallen berufen können, wenn sie z.B. lange und mehrfach vor Ablauf der Frist unmißverständlich gegenüber dem Kläger klar gemacht hätte, daß sie nach deren Ablauf das Nichtgeltendmachen als endgültige Aufgabe des Anspruchs ansehen werde.
c)
So haben die Parteien sich aber gerade nicht verhalten.
Von ausschlaggebender Bedeutung für die Beurteilung der Treuwidrigkeit der Beklagten sind ihr Verhalten und ihre Äußerungen, wie sie der Kläger von seinem Empfängerhorizont aus verstehen mußte, anläßlich der Übernahme Verhandlungen vor dem Notar. Nur dort ist die im Erbvertrag bestimmte Frist ausdrücklich erörtert worden und bestand Anlaß dafür. Die außer dem Notar vom Berufungsgericht vernommenen Zeugen, die Geschwister des Klägers, ein Verwandter und ein Mitarbeiter auf dem Hof, sind nur dazu gehört worden, ob der Kläger in ihrer Gegenwart sich etwa zu seiner endgültigen Übernahmeabsicht geäußert habe. Zur Haltung der Beklagten haben sie nichts bekundet.
Der Bezirksnotar ist sowohl in erster Instanz als auch durch das Berufungsgericht vernommen worden. Nach den in beiden Rechtszügen übereinstimmend getroffenen Feststellungen ist für ihn nach den Äußerungen der Parteien klar gewesen, daß beide sich darüber einig waren, der Kläger werde übernehmen, daß beide die Wahrung von Form und Frist nicht für wesentlich hielten. Vielmehr haben sie ihn ausdrücklich nach der Möglichkeit einer Übergabe auch noch nach dem Stichtag gefragt; diese Möglichkeit hat er bejaht, falls sie sich insoweit einig seien. Nicht anders als der Notar konnte der Kläger die Äußerungen und das Verhalten seiner Mutter vor dem Stichtag verstehen.
Hinzu kommen weitere bedeutsame Umstände. Unstreitig hat die Beklagte noch lange nach dem Stichtag - also nachdem sie die unzweideutige schriftliche Übernahmeerklärung des Klägers ihrem Vortrag zufolge einige Tage nach Ablauf der Frist zur Kenntnis genommen hatte - auch vor dem Notar über die Einzelheiten der vom Kläger nach der Übernahme zu erbringenden Gegenleistungen verhandelt, ohne jemals sich auf die Fristversäumung zu berufen. Unstreitig hat sie niemals die mit Grundschulden verbundene Aufnahme von Bankdarlehen und den Beginn des Stallumbaus von unmißverständlichen Erklärungen des Klägers hinsichtlich des damals schon fälligen Vermächtnisanspruches abhängig gemacht. Schließlich hat das Verhalten der Beklagten wegen der Regelung in § 2 Nr. 4a des Erbvertrages gemäß § 2332 Abs. 3 BGB dazu geführt, daß der Kläger seinen auf den Nachlaß seines Vaters bezogenen Pflichtteilsanspruch noch nach dem mit seinem 30. Geburtstag eingetretenen Fristablauf hat verjähren lassen.
Unterschriften
Dr. Schmitz
Dr. Zopfs
Römer
Dr. Schlichting
Terno
Fundstellen
Haufe-Index 1456422 |
NJW 1996, 2501 |