Leitsatz (amtlich)
›Gestattet der Eigentümer einem Dritten die Benutzung eines Grundstücks zum Betrieb einer Tankstelle durch Abschluß eines Miet- oder Pachtvertrages mit einem Mineralölhandelsunternehmen, verjähren die Ansprüche des Eigentümers gegen das Mineralölhandelsunternehmen wegen Veränderungen des Grundstücks nach § 558 BGB.‹
Verfahrensgang
Thüringer OLG |
LG Meiningen |
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, Lagertanks für Kraftstoffe aus Grundstücken des Klägers zu entfernen.
A. H., die Großmutter des Klägers, war Eigentümerin von zwei aneinandergrenzenden Grundstücken in Thüringen, auf denen schon vor dem Zweiten Weltkrieg eine Tankstelle betrieben wurde. Hierzu dienten zwei Tanks, die die S. AG in die Grundstücke eingebracht hatte. Ab 1958 betrieb sie die Tankstelle aufgrund eines Vertrages mit dem VEB M., dem Rechtsvorgänger der Beklagten (im folgenden ebenfalls Beklagte). Zur Lagerung der Kraftstoffe dienten dabei zunächst die von der S. AG eingebrachten Tanks. In der Folgezeit wurden diese stillgelegt. Die Beklagte brachte drei neue Tanks in die Grundstücke ein, aus denen fortan der Kraftstoffverkauf erfolgte.
Das Vertragsverhältnis zwischen A. H. und der Beklagten wurde zum Ablauf des 31. Dezember 1978 beendet. Ab dem 1. Januar 1979 wurde die Tankstelle von der Schwester des Klägers, R. B., aufgrund eines von ihr mit der Beklagten hierzu abgeschlossenen Tankstellenvertrages betrieben. Mit Schreiben vom 29. September 1991 kündigte R. B. dieses Vertragsverhältnis mit Wirkung zum 31. Dezember 1991. Gleichzeitig verlangte sie die Beseitigung der Tankanlagen und der von der Beklagten eingebauten Tanks. Die Beklagte beseitigte die oberirdischen Anlagen, die in das Erdreich eingebauten Lagertanks beließ sie in den Grundstücken.
Mit der am 6. Mai 1994 der Beklagten zugestellten Klage hat der Kläger, der im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach seinem Vater Eigentümer der Grundstücke geworden ist, die Verurteilung der Beklagten zur Entfernung sämtlicher in die Grundstücke eingebrachter Tanks und die Feststellung von Ersatzpflichten begehrt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Berufung des Klägers insoweit stattgegeben, als er die Verurteilung der Beklagten zur Entfernung der von ihr eingebrachten Tanks begehrt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte, das Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.
Entscheidungsgründe
I. Auf Antrag der Revisionsklägerin ist gegen den trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Revisionsbeklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden, ohne daß dieses inhaltlich auf der Säumnis des Beklagten beruht (BGHZ 37, 79, 81; 98, 362, 364).
II. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagte sei gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zur Entfernung der drei von ihr eingebrachten Tanks verpflichtet. Der Anspruch des Klägers sei nicht verjährt. Zwischen den Parteien habe kein Miet- oder Pachtverhältnis bestanden, das zur Verjährung des Entfernungsanspruches nach § 558 Abs. 1 BGB führen könne. Die Verjährung von Ansprüchen aus dem Rechtsverhältnis zwischen der Schwester des Klägers und der Beklagten lasse die Ansprüche des Klägers unberührt.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
III. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht sei fehlerhaft besetzt gewesen, geht fehl. Das Berufungsurteil ist von drei Richtern am Landgericht getroffen worden. Das war nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RpflAnpG in dessen bis zum 31. Dezember 1995 geltender Fassung zulässig. Gemäß § 10 Abs. 4 RpflAnpG mußte der Vorsitz in der mündlichen Verhandlung nicht von einem Vorsitzenden Richter geführt werden.
IV. Der Anspruch des Klägers aus seinem Eigentum an den Grundstücken, von der Beklagten die Entfernung der Tanks verlangen zu können, ist gemäß § 558 BGB verjährt.
1. Auf die Ansprüche des Klägers aus seinem Eigentum finden seit dem 3. Oktober 1990 nach Art. 233 § 2 Abs. 1 EGBGB die Vorschriften des bürgerlichen Rechts Anwendung, auf den Klageanspruch mithin § 1004 BGB (Senatsurt. v. 19. Februar 1993, V ZR 269/91, ZIP 1993, 793, 794).
Die Tanks, deren Entfernung der Kläger verlangt, sind während des Bestehens des Tankstellenvertrages zwischen A. H. und der Beklagten in die Grundstücke eingebaut worden. Ob die Beklagte bei Beendigung dieses Vertrages grundsätzlich verpflichtet gewesen wäre die Tanks aus den Grundstücken zu entfernen, mag offenbleiben. Ein Anspruch gegen die Beklagte auf Entfernung der Tanks war schon deshalb ausgeschlossen, weil der Betrieb der Tankstelle vom 1. Januar 1979 an durch R. B. erfolgen sollte. Nach dem hierzu geschlossenen Tankstellenvertrag hatte die Beklagte R. B. die zum Betrieb der Tankstelle notwendigen "tanktechnischen Einrichtungen" zu überlassen. R. B. hatte den für die Lagerung der Tanks benötigten "Grund und Boden" zur Verfügung zu stellen. Hierzu war sie nur in der Lage, weil A. H. oder ihr Vater die Grundstücke ihr dazu überlassen hatten. Zwischen den Beteiligten bestand mithin Einigkeit, den Betrieb der Tankstelle auf den Grundstücken über die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit A. H. hinaus fortzusetzen. Eine Entfernung der Tanks kam nicht in Betracht.
Art und Zeitpunkt des Übergangs des Eigentums an den Grundstücken von A. H. auf den Vater des Klägers werden von den Parteien nicht dargestellt. Hierauf kommt es auch nicht an. Die Gestattung der Nutzung der Grundstücke zum Betrieb der Tankstelle durch R. B. schloß einen Anspruch aus dem Eigentum an den Grundstücken auf Entfernung der Tanks gegen die Beklagte aus (vgl. zu § 1004 BGB Senatsurt. v. 17. März 1958, V ZR 63/58, NJW 1958, 2061, 2062). Das zwischen dem Vater des Klägers und R. B. insoweit bestehende Rechtsverhältnis endete mit Ablauf des 31. Dezember 1991, wie aus der Aufforderung von R. B. an die Beklagte, die Tanks bei Beendigung des Tankstellenvertrages mit Ablauf des 31. Dezember 1991 "wegen Eigenbedarfs" zu entfernen und den nachfolgenden vorprozessualen Aufforderungen durch den Kläger zur Entfernung folgt.
2. Seit Beginn des 1. Januar 1992 konnte der Kläger damit von der Beklagten Entfernung der Tanks gemäß § 1004 Abs. 1 BGB verlangen. Der Durchsetzung dieses Anspruchs steht indessen die von der Beklagten aus § 558 Abs. 1 BGB erhobene Einrede der Verjährung entgegen.
a) Auf den am 3. Oktober 1990 zwischen R. B. und der Beklagten bestehenden Tankstellenvertrag finden, soweit dieser die Rechte und Pflichten zur Nutzung der Tankstellengrundstücke regelt, gemäß Art. 233 § 2 Abs. 1, § 3 EGBGB die Vorschriften des Miet- bzw. Pachtrechts des bürgerlichen Rechts Anwendung. Der Ausschluß von Ansprüchen gegen Mieter durch das Recht der DDR, bauliche Veränderungen bei Beendigung des Vertragsverhältnisses rückgängig zu machen, entfiel (MünchKomm-BGB/Voelskow, 3. Aufl., § 547 a Rdn. 7). R. B. war damit berechtigt, die Entfernung der Tanks aus den von ihr der Beklagten überlassenen Grundstücken zu verlangen.
b) Nach §§ 581 Abs. 2, 558 Abs. 1 BGB verjähren die Ansprüche des Vermieters wegen Veränderungen der Mietsache in sechs Monaten. Dieser Verjährung unterliegt auch der Anspruch des Grundstückseigentümers aus § 1004 Abs. 1 BGB gegen den Mieter oder Pächter, sofern der Eigentümer dem Vermieter oder Verpächter die Nutzung eines Grundstücks durch Vermietung oder Verpachtung an einen Dritten gestattet hat.
Zweck von § 558 BGB ist es, die mit der Beendigung eines Gebrauchsüberlassungsverhältnisses verbundenen Ansprüche einer beschleunigten Klarstellung zuzuführen (BGHZ 47, 53, 56). Dieses Ziel gebietet es, den Anwendungsbereich von § 558 BGB weit zu fassen.
Von der Rechtsprechung ist daher anerkannt, daß nicht nur die vertraglichen Ansprüche wegen Veränderungen und Verschlechterungen der zum Gebrauch überlassenen Sache der kurzen Verjährung unterliegen, sondern sämtliche konkurrierenden Ansprüche aus demselben Sachverhalt. Hierzu gehören auf seiten des Vermieters Ansprüche aus unerlaubter Handlung (RGZ 142, 258, 262; BGH, Urteile v. 28. Mai 1957, VIII ZR 205/56, LM BGB § 558 Nr. 1; v. 8. Januar 1986, VIII ZR 313/84, NJW 1986, 1608), § 22 WHG (BGHZ 98, 235, 238) und aus dem Eigentum (BGHZ 98, 235, 241).
In persönlicher Hinsicht hat die Rechtsprechung den Anwendungsbereich von § 558 BGB auf Ansprüche gegen Dritte erstreckt, die in den Schutzbereich des Mietvertrages einbezogen sind (BGHZ 71, 175, 178 f). Auf die Verjährung von Schadensersatzansprüchen, die der Vermieter aus abgetretenem Recht des Eigentümers geltend macht, findet § 558 BGB Anwendung (BGHZ 54, 264, 268). Ebenso ist zu entscheiden, sofern der Eigentümer und Vermieter wirtschaftlich eng miteinander verbunden sind (BGHZ 116, 293, 296). Aus der Sicht des Mieters ist die Personenverschiedenheit von Eigentümer und Vermieter zufällig. Die vom Eigentümer dem Vermieter übertragene Obhut berechtigt letzteren, den beim Eigentümer eingetretenen Schaden nach den Vorschriften des Mietvertragsrechts geltend zu machen (Erman/Kuckuk, BGB, 9. Aufl., vor § 249 Rdn. 143; MünchKomm-BGB/Grunsky, 3. Aufl., vor § 249 Rdn. 121; Soergel/Mertens, BGB, 12. Aufl., vor § 249 Rdn. 254; Staudinger/Medicus, BGB, 12. Aufl., § 249 Rdn. 196). Soweit er vertraglich beschränkt ist, gilt dies auch für seine Drittschadensliquidation.
Zum Speditionsrecht ist anerkannt, daß die im Speditionsvertrag vereinbarte Verjährung gegen den Eigentümer auch dann wirkt, wenn er selbst nicht Partner des Speditionsvertrages ist, jedoch weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß die in seinem Eigentum stehende Sache einem nach den Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen arbeitenden Spediteur zur Beförderung oder Lagerung übergeben wird (BGH, Urt. v. 10. Mai 1984, I ZR 52/82, NJW 1985, 2411, 2412). Dementsprechend ist in der neueren Literatur und der Rechtsprechung der Amtsgerichte anerkannt, daß § 558 BGB im Fall der Untervermietung auf die Ansprüche des Hauptvermieters gegen den Untermieter Anwendung zu finden hat (Staudinger/Sonnenschein, BGB, 1995, § 558 Rdn. 21; Bub/Treier/Gramlich, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl., VI, Rdn. 21 a; Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, Rdn. 1350 ff; AG Nordenham, NJW-RR 1989, 523; AG Lemgo, ZMR 1994, 416). Dem ist zu folgen, soweit der Eigentümer die Vermietung der Sache gestattet hat. Der Eigentümer rechnet damit oder weiß, daß seine Sache von dem Dritten aufgrund Mietvertrages genutzt wird. Durch die Gestattung der Vermietung ermöglicht er dem Vermieter ihre Überlassung an den Dritten. Ist das Gestattungsverhältnis zwischen Eigentümer und Vermieter auf das Mietverhältnis zwischen Vermieter und Mieter abgestimmt, muß dem Mieter gegenüber Ansprüchen des Eigentümers auch die Berufung auf die Verjährung aus dem Mietverhältnis möglich sein.
c) So verhält es sich mit dem vom Kläger gegen die Beklagte geltend gemachten Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB. Bei Einbau der Tanks konnten Ansprüche aus Eigentum und Vertrag nicht auseinanderfallen. Eine unterschiedliche Zuordnung erfuhren sie erst dadurch, daß R. B. Vertragspartnerin der Beklagten wurde. Sie war von A. H. oder ihrem Vater dadurch zum Vertragsschluß mit der Beklagten instand gesetzt worden, daß diese ihr die Grundstücke zum Betrieb der Tankstelle überließen. Die damit einhergehende unterschiedliche rechtliche Zuordnung von Grundstückseigentum und Ansprüchen aus dem Tankstellenvertrag kollidiert mit dem Zweck von § 558 BGB, Ansprüche wegen des Zustands der Grundstücke bei Beendigung des Tankstellenvertrags zur Vermeidung des Rechtsverlustes innerhalb kurzer Frist rechtshängig zu machen. Die Kollision ist dadurch zu lösen, daß die aus dem Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und R. B. folgende Verjährung auch gegenüber dem Anspruch des Klägers aus dem Eigentum wirkt.
Die Beklagte hat nach ihrem unbestrittenen Vorbringen die oberirdischen Einrichtungen von den Grundstücken des Klägers im Anschluß an die Beendigung des Tankstellenvertrages mit R. B. zum Jahresende 1991 entfernt. Anlaß, den Anspruch auf Entfernung der Tanks aus den Grundstücken erst im Mai 1994 rechtshängig zu machen, hat sie dem Kläger nicht gegeben. Daß die Bevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 13. April 1992 mitgeteilt haben, die Beklagte sei an einer einvernehmlichen Regelung interessiert, und am 8. Oktober 1992 erklärt haben, sich noch einmal mit der Beklagten in Verbindung zu setzen, um eine "die Interessen sämtlicher Beteiligten berücksichtigende Lösung" zu suchen, bedeutet weder die Unterbrechung der Verjährung des Klageanspruchs, noch läßt dies die Erhebung der Einrede der Verjährung durch die Beklagte treuwidrig erscheinen.
Fundstellen
Haufe-Index 2993470 |
BGHZ 135, 152 |
BGHZ, 152 |
BB 1997, 1227 |
DB 1997, 2270 |
NJW 1997, 1983 |
BGHR BGB § 1004 Abs. 1 Verjährung 1 |
BGHR BGB § 558 Abs. 1 Konkurrenz 3 |
DRsp I(133)635b |
JR 1997, 507 |
WM 1997, 1157 |
ZIP 1997, 985 |
ZMR 1997, 400 |
JuS 1997, 941 |
MDR 1997, 724 |
WuM 1997, 372 |