Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere räuberische Erpressung
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 22. April 1999 aufgehoben
- in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe (bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge) mit den Feststellungen zum Mitsichführen einer Schußwaffe;
im Ausspruch über
- die Gesamtstrafe,
- den Vorwegvollzug der Maßregel (Unterbringung in einer Entziehungsanstalt) sowie
- die Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in neun Fällen, wegen schwerer räuberischer Erpressung in fünf Fällen, wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in einem Falle sowie wegen zweier Fälle des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Überdies hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug von sieben Jahren und sechs Monaten der erkannten Freiheitsstrafe angeordnet und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die Revision des Angeklagten, die die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat teilweise Erfolg; sie führt zur Aufhebung der Verurteilung in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe sowie des Ausspruchs über die Gesamtstrafe und eines Teils der Maßregelanordnungen. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf folgendes:
1. Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen 7 und 8 der Urteilsgründe nicht (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG).
Die im Schlafzimmer des Angeklagten deponierte durchgeladene und entsicherte Gaspistole hat das Landgericht zwar zu Recht als Schußwaffe im Sinne des Tatbestandes qualifiziert; denn bei ihr traten die Partikel der Patronenladung nach vorne aus (UA S. 23; vgl. BGHSt 24, 136 sowie BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1 Schutzwaffe 1 und 3 zur früheren Fassung dieser Vorschrift, an die sich der Gesetzgeber bewußt angelehnt hat; vgl. BT-Drucks. 12/6853 S. 41).
Der Tatbestand setzt darüber hinaus aber voraus, daß der Täter die Schußwaffe beim Handeltreiben mit sich führt. Ein Mitsichführen liegt dann vor, wenn er die Schußwaffe bewußt gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, daß er sich ihrer jederzeit bedienen kann. Am eigenen Körper muß die Waffe nicht getragen werden; es genügt, wenn sie sich in Griffweite befindet. Der Wille des Täters, die Waffe gegebenenfalls einzusetzen, ist nicht erforderlich. Setzt sich die Tat aus mehreren Einzelakten zusammen, reicht es zur Tatbestandserfüllung aus, wenn der qualifizierende Umstand nur bei einem Einzelakt verwirklicht ist (vgl. nur BGHSt 42, 368; 43, 8, 10; BGH NJW 1999, 3206, 3207). Je ferner allerdings die Gefahr des Einsatzes der Waffe liegt, desto höhere Anforderungen sind an die Prüfung und Darlegung des subjektiven Merkmals des Bewußtseins der Verfügbarkeit der Waffe zu stellen (vgl. BGHSt 43, 8, 14).
Die Übergabe von Heroin und Geld fand den Feststellungen zufolge „in der Wohnung” des Angeklagten statt. Dieser hatte „im Schlafzimmer neben dem Bett auf dem Boden und somit in unmittelbarer Nähe der Übergabe” die „griffbereite” durchgeladene und entsicherte Gaspistole in einem Kästchen „deponiert”.
Diese Feststellungen sind lückenhaft. Es versteht sich nicht von selbst, daß die in Rede stehenden Einzelakte des Handeltreibens in der Wohnung des Angeklagten ebendort im Schlafzimmer stattgefunden haben. Bei der gegebenen Fallgestaltung wäre aber nur dann, wenn der Angeklagte ohne weiteres Zugriff auf die Pistole gehabt hätte, von einem Mitsichführen im Sinne des Tatbestandes auszugehen. Ein Vorhandensein der in einem Behältnis gelagerten Schußwaffe in einem anderen Raum erweist sich in der Regel dafür nicht als genügend (siehe zu einem ähnlichen Sachverhalt auch BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 1). Die allgemein gehaltene Wendung des Landgerichts, der Angeklagte habe „in unmittelbarer Nähe der Übergabe von Rauschgift und Geld” und „griffbereit” die Pistole „deponiert” gehabt, belegt für sich nicht das Merkmal des Mitsichführens. Es hätte vielmehr der konkreten Darlegung bedurft, wie die räumlichen Verhältnisse im einzelnen waren, die es dem Angeklagten nach Ansicht der Strafkammer ermöglichten, sich jederzeit der Pistole zu bedienen.
Auch die Begründung für das Bewußtsein des Angeklagten von der Verfügbarkeit der Waffe im Zusammenhang mit den Betäubungsmittelgeschäften genügt unter den gegebenen besonderen Umständen nicht den zu stellenden Anforderungen. Das Landgericht hat hierzu lediglich ausgeführt, der Angeklagte sei sich der Existenz der Waffe am Aufbewahrungsort bewußt gewesen. Das reicht hier jedoch nicht aus. Der ansonsten geständige Angeklagte hatte sich darauf berufen, die Waffe habe keinen Bezug zu den Drogengeschäften gehabt; sie sei vielmehr von den letzten Banküberfällen „übrig geblieben”. Damit hätte sich die Strafkammer auseinandersetzen müssen. Es lag nicht fern, daß dem Angeklagten das aktuelle Bewußtsein des Bewaffnetseins bei seinen Verhandlungen mit dem Drogenkurier fehlte. Immerhin hatte sich der Angeklagte im übrigen mit seiner Einlassung zur guten Qualität des Heroins und zum Ladezustand der bei den Banküberfällen verwendeten Gaswaffe selbst in erheblichem Maße belastet. Um so mehr hätte seine Erklärung zur Waffe der Würdigung bedurft.
Dieser Mangel des Urteils führt zur Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen 7 und 8. Der Aufhebung unterliegen auch die Feststellungen zum Mitsichführen der Waffe; im übrigen haben die Feststellungen zu diesen Fällen Bestand. Ergänzende Feststellungen sind zulässig.
Danach entfallen die insoweit in Ansatz gebrachten Einzelstrafen. Schon das führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe.
2. Der Gesamtstrafausspruch hält jedoch auch sonst rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, ob die mit Beschluß des Amtsgerichts München vom 29. Dezember 1993 gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, deren Rest bis zum 28. September 1998 zur Bewährung ausgesetzt war (UA S. 7 unter Ziffer 7), bereits erledigt war. Wäre das nicht der Fall, käme hier die Bildung zweier Gesamtstrafen in Betracht, weil der Angeklagte in den Fällen 1, 2, 3a und 3b der Urteilsgründe die Taten vor den Verurteilungen durch das Amtsgericht Wolfratshausen vom 12. Februar 1993 und das Amtsgericht München vom 17. Februar 1993 begangen hat (§ 55 Abs. 1 StGB). Die Strafen aus diesen Verurteilungen waren Gegenstand des genannten anderweitigen Gesamtstrafbeschlusses. War diese Strafe indessen erledigt, wäre ein Härteausgleich wegen nicht mehr möglicher Einbeziehung zu erwägen gewesen.
3. Die Anordnung des teilweisen Vorwegvollzuges der Freiheitsstrafe vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt kann danach keinen Bestand haben. Auswirkungen der Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe sind insoweit nicht auszuschließen. Der Senat weist darauf hin, daß der neue Tatrichter – sollte er erneut den Vorwegvollzug eines Teils der Strafe bestimmen (§ 67 Abs. 2 StGB) – unter besonderer Beachtung des Rehabilitationsinteresses und im Blick auf die Höhe der Strafe auch die Dauer eines solchen Vorwegvollzuges sorgfältig zu begründen und gegebenenfalls zum Ausdruck zu bringen hätte, woraus sich die bei einer längeren Dauer des Vorwegvollzuges für den Angeklagten ergebende zusätzliche Belastung rechtfertigt (vgl. BGH NStZ 1999, 613; NStZ-RR 1999, 44). Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bleibt von der Aufhebung des Gesamtstrafausspruches indessen unberührt (vgl. BGH NStZ 1982, 483).
4. Die Anordnung einer Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis (§ 69a Abs. 1 StGB) unterliegt ebenfalls der Aufhebung, weil das Urteil hierzu keine Begründung enthält (§ 267 Abs. 6 StPO).
5. Die in den Fällen 1 bis 6 b verhängten Einzelstrafen sind von den Rechtsfehlern ersichtlich nicht beeinflußt; gegen sie ist auch sonst im Ergebnis von Rechts wegen nichts zu erinnern.
a) Das Landgericht hat für die Fälle 1, 2 und 3 b, in denen es minder schwere Fälle der schweren räuberischen Erpressung bzw. der versuchten schweren räuberischen Erpressung angenommen hat, irrig § 250 Abs. 3 StGB nF herangezogen, der mit dem 6. StrRG in Kraft getreten ist. Das ist fehlerhaft, weil das alte Recht insoweit milder ist (vgl. § 2 Abs. 3 StGB). § 250 Abs. 2 StGB aF sah Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren vor; nach § 250 Abs. 3 StGB nF reicht der Strafrahmen bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Im Ergebnis kann sich das indes nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, weil das Landgericht tatsächlich in diesen Fällen einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu fünf Jahren zugrundegelegt hat. Überdies hat es in den Fällen 4 b, 5 b und 6 b die Untergrenze des Strafrahmens nach § 250 Abs. 2 StGB nF, die derjenigen nach § 250 Abs. 1 StGB aF entspricht, im Anschluß an die Milderung nach den §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB rechtsfehlerhaft mit sechs Monaten anstatt richtig mit zwei Jahren angegeben; auch das beschwert den Angeklagten jedoch nicht.
b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Verneinung minder schwerer Fälle der schweren räuberischen Erpressung in den Fällen 4 b, 5 b und 6 b. Die zugrundeliegenden Erwägungen des Landgerichts lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Differenzierung zwischen den Fällen 1, 2 und 3 b einerseits (minder schwere Fälle) sowie den Fällen 4 b, 5 b und 6 b (keine minder schweren Fälle) hat die Strafkammer mit der zwischen den Taten beider Fallgruppen verstrichenen Zeit und der zwischenzeitlich vom Angeklagten anderweit verbüßten Haft begründet. Das ist tragfähig.
c) Die in Ansatz gebrachten Einzelstrafen stehen auch noch in einem gerechten Verhältnis zu denjenigen Strafen, die dem Mittäter D. zugemessen worden sind. Das Landgericht hat die Frage des Verhältnisses der Strafen der beiden Mittäter ausdrücklich erörtert. Es hat die sogenannte Lebensbeichte D. s hervorgehoben, ohne die die Taten und die Beteiligung des Angeklagten wohl unaufgeklärt geblieben wären. Überdies hat es ersichtlich nicht außer acht gelassen, daß es in den Fällen 1, 3 b, 4 b, 5 b und 6 b der Angeklagte war, der mit der Gaswaffe die Banken betrat und den eigentlichen Überfall verübte, während der Mittäter jeweils vor den Banken wartete. Bei dieser Sachlage erweist sich die Strafbemessung nicht als rechtsfehlerhaft; sie ist vielmehr Ausdruck des dem Tatrichter bei der Straffindung eingeräumten Beurteilungsrahmens.
Unterschriften
Maul, Granderath, Boetticher, Schomburg, Schluckebier
Fundstellen
Haufe-Index 540094 |
NStZ 2000, 433 |
StV 2000, 622 |