Leitsatz (amtlich)
Die Überlassung der Ausübung des Nießbrauchs kann vertraglich mit dinglicher Wirkung (im Falle der Eintragung im Grundbuch) ausgeschlossen werden.
Der vertragliche Ausschluß steht der Pfändung nicht entgegen.
Normenkette
BGB § 1059; ZPO § 857 Abs. 1, 3, § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 3. November 1983 aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 11. Mai 1983 geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte ist Verwalter im Konkurs des Klägers, über dessen Vermögen am 2. November 1982 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Die Parteien streiten um die Massezugehörigkeit der Nießbrauchsrechte des Klägers an den Grundstücken Ziegelstraße 16 und 18 in W…
Alleineigentümerin dieser Grundstücke war die Ehefrau des Klägers, die 1979 zusammen mit diesem ein gemeinschaftliches Testament errichtete. Darin setzte sie die gemeinsame Tochter Sigrid B… zur Alleinerbin ein. Sodann bestimmte sie:
„Meinem Ehemann Gerhard B… steht als Vermächtnis das Nießbrauchsrecht an meinem gesamten Nachlaß zu. … Als Nießbrauchsberechtigter ist mein Ehemann nicht befugt, die Ausübung des Nießbrauchs einem anderen zu überlassen.”
Nach dem Tode der Ehefrau bestellte Sigrid dem Kläger den Nießbrauch an den Grundstücken Ziegelstraße 16 und 18. Hierbei wurde entsprechend der testamentarischen Anordnung die Überlassung der Nießbrauchsausübung ausgeschlossen. Der Ausschluß ist im Grundbuch eingetragen.
1981 räumte Sigrid B… Frau Gerda S… an dem Grundstück Ziegelstraße 16 ebenfalls ein – nachrangiges – Nießbrauchsrecht ein.
Der Kläger vertritt die Auffassung, infolge des Ausschlusses der Ausübungsüberlassung seien seine Nießbrauchsrechte und die hieraus fließenden (Ausübungs-) Einzelrechte konkursfrei. Darüber hinaus habe er sich ein Jahr vor der Eröffnung des Konkursverfahrens Frau Gerda S… gegenüber verpflichtet, die Ausübung des Nießbrauchs am Grundstück Ziegelstraße 16 zu unterlassen; an diese Vereinbarung sei der Beklagte ebenfalls gebunden.
Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß der Beklagte nicht berechtigt sei, an den Grundstücken Ziegelstraße 16 und 18 in W… die Nießbrauchsrechte des Klägers auszuüben; hilfsweise begehrt er die Feststellung, daß der Beklagte für die Zeit der Nießbrauchsausübung verpflichtet sei, die durch die Grundpfandrechte an den nießbrauchsbelasteten Grundstücken abgesicherten Darlehen zu tilgen.
Das Landgericht hat dem Hauptantrag des Klägers stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben.
Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten führt zur völligen Klageabweisung; der Rechtsstreit ist nach dem unstreitigen Sachverhalt zur Endentscheidung reif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
I. Zum Hauptantrag:
Das Berufungsgericht meint, weil die Befugnis des Klägers aus § 1059 Satz 2 BGB, die Ausübung der ihm an den Grundstücken Ziegelstraße 16 und 18 eingeräumten Nießbrauchsrechte einem Dritten zu überlassen, mit dinglicher Wirkung ausgeschlossen sei, seien diese Rechte gemäß § 857 Abs. 3 ZPO unpfändbar und daher nach § 1 Abs. 1 KO konkursfrei. Dieser Auffassung folgt der Senat nicht.
1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß hier die Überlassungsbefugnis des Nießbrauchers aus § 1059 Satz 2 BGB bei der Bestellung der Nießbrauchsrechte wirksam abbedungen wurde.
Zwar sieht § 1059 BGB einen Ausschluß der Ausübungsüberlassung nicht ausdrücklich vor. In Literatur und Rechtsprechung ist es jedoch anerkannt, daß die das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Eigentümer und Nießbraucher regelnden Vorschriften durch Vereinbarung der Beteiligten abgeändert oder aufgehoben werden können, soweit dadurch nicht die begriffswesentlichen Grenzen zwischen Eigentum und Nießbrauch verletzt werden (vgl. BayObLGZ 1972, 364, 366; 1977, 81, 84; Staudinger/Promberger, BGB 12. Aufl. Vorbem. zu §§ 1030 ff. Rdn. 10; MünchKomm/Petzoldt Vor § 1030 Rdnrn. 13 ff.; BGB-RGRK/Rothe 12. Aufl. § 1059 Rdn. 6; Palandt/Bassenge, BGB 44. Aufl. Anm. 1 Vor § 1030). Unter diesem Gesichtspunkt begegnet eine Abrede zwischen Eigentümer und Nießbraucher, die es dem Nießbraucher untersagt, die Ausübung seines Rechts einem anderen zu überlassen, keinen Bedenken. Mit Recht geht daher die allgemeine Meinung dahin, § 1059 Satz 2 BGB enthalte nachgiebiges Recht (LG Mönchengladbach NJW 1969, 140; Staudinger a.a.O. § 1059 Rdn. 8; MünchKomm/Petzoldt § 1059 Rdn. 10; BGB-RGRK/Rothe a.a.O.; Palandt/Bassenge, BGB 44. Aufl. § 1059 Anm. 2 d). Ein solcher Ausschluß hat, sofern er beim Grundstücksnießbrauch wie hier im Grundbuch eingetragen ist (§§ 873, 877 BGB), dingliche Wirkung (so auch die zitierte Literatur und Rechtsprechung; a.A. Planck/Brodmann, BGB 5. Aufl. § 1059 Anm. 3 a). Hierfür besteht auch ein Bedürfnis, weil das gesetzliche Schuldverhältnis nicht nur zwischen dem Nießbraucher und der Person, die im Zeitpunkt der Entstehung des Nießbrauchs Eigentümer ist, sondern zwischen dem Nießbraucher und dem jeweiligen Eigentümer besteht (vgl. RGZ 141, 220, 224/225; BayObLGZ 1972, 364, 366/367; MünchKomm/Petzoldt Vor § 1030 Rdnrn. 13, 14).
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt aber der mit dinglicher Wirkung vereinbarte Ausschluß des § 1059 Satz 2 BGB nicht zur Unpfändbarkeit und damit zur Konkursfreiheit der betreffenden Nießbrauchsrechte.
Nach § 1 Abs. 1 KO erfaßt das Konkursverfahren das gesamte einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen des Gemeinschuldners im Zeitpunkt der Konkurseröffnung (Konkursmasse). Gemäß § 857 Abs. 3 ZPO sind solche Rechte unpfändbar, die weder übertragbar sind noch einem anderen zur Ausübung überlassen werden können. Nach § 1059 Satz 1 BGB ist der Nießbrauch zwar nicht übertragbar, nach Satz 2 kann seine Ausübung aber einem anderen überlassen werden. Ein vertraglicher Ausschluß dieser Befugnis des Nießbrauchers ist möglich; er führt aber gemäß § 857 Abs. 1, 3 i.V.m. § 851 Abs. 2 ZPO nicht zur Unpfändbarkeit des betreffenden Nießbrauchsrechts. § 857 Abs. 3 ZPO regelt unmittelbar nicht, welche Folge ein vertraglicher Ausschluß der Überlassungsbefugnis auf die Pfändbarkeit hat. Diese Folge ergibt sich vielmehr aus der über § 857 Abs. 1 ZPO entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 851 Abs. 2 ZPO. Sie will verhindern, daß der Schuldner durch einfache Abreden mit dem Drittschuldner an sich verwertbare Bestandteile seines Vermögens jeglichem Gläubigerzugriff entziehen kann (Hahn/Mugdan, Materialien zum Gesetz betr. Änderungen der Civilprozeßordnung, Gerichtsverfassungsgesetz und Strafprozeßordnung (1898) S. 158; RGZ 142, 373, 376; BGHZ 56, 228, 232); dieser Gesetzeszweck rechtfertigt die entsprechende Anwendung der Regelung auf den Fall, daß Eigentümer und Nießbraucher § 1059 Satz 2 BGB vertraglich abbedingen.
3. Auf das Vorbringen des Klägers hinsichtlich angeblicher schuldrechtlicher Vereinbarungen mit Frau S… über die Nutzung des Grundstücks Ziegelstraße 16 kommt es nicht an. Denn anders als der Kläger offenbar meint, ändert ein solcher Vertrag an der Massezugehörigkeit nichts. Es wäre Sache von Frau S…, ihre etwaigen Ansprüche aus diesen Vereinbarungen gegenüber dem Konkursverwalter geltend zu machen.
Der Hauptantrag des Klägers ist somit unbegründet.
II. Zum Hilfsantrag:
Der Hilfsantrag des Klägers, über den die Vorinstanzen nicht entschieden haben, ist unzulässig, weil der damit erhobenen Feststellungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Der Beklagte hat ausweislich der Feststellungen des Berufungsgerichts die im Hilfsantrag angeführte Rechtsfolge nicht in Frage gestellt. Er hat insbesondere nicht den Standpunkt vertreten, daß im Falle der Ausübung des Nießbrauchs durch ihn die Erträge zur Masse flössen, während der Kläger die Belastungen selbst zu tragen hätte (vgl. BU Seite 5 unten/Seite 6 Mitte). Bei dieser Sachlage ist eine Feststellungsklage aber nicht zulässig.
III.
Unter Aufhebung der Vorentscheidungen ist die Klage mithin abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 609582 |
BGHZ, 99 |
NJW 1985, 2827 |
ZIP 1985, 1084 |