Leitsatz (amtlich)
Auf eine Vergütungsvereinbarung in einem nach Beendigung der Architektentätigkeit geschlossenen Vergleich über die Honorarforderung ist § 4 HOAI nicht anwendbar.
Normenkette
HOAI § 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. September 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin verlangt 290.000 DM als Teilbetrag einer Honorarforderung für erbrachte Planungsleistungen. Die Beklagte hatte die Projektierung des Bauvorhabens Musicaltheater N. übernommen und die Klägerin mit der Tragwerksplanung beauftragt.
Nach Unstimmigkeiten beschlossen die Parteien Anfang März 1998 sich zu trennen. Sie regelten im selben Monat durch schriftliche „Vereinbarung nach Erbringung von Leistungen bei der Tragwerksplanung” die Beendigung ihres Vertragsverhältnisses und die Bezahlung der Klägerin. Nach der Vereinbarung sollte die Klägerin für die bereits erbrachten Planungsleistungen sofort 90.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer erhalten. Weitere 250.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer sollte die Klägerin erhalten, sobald die Gesamtfinanzierung gesichert ist, spätestens nach Ablauf von 6 Monaten, „sofern die zur Prüfung bereits eingereichten statischen Berechnungen … ohne Nachträge prüffähig sind und den Standsicherheitsnachweis ermöglichen.” Im übrigen sollten alle am 20. März 1998 etwa noch bestehenden, wechselseitigen Rechte und Ansprüche durch Abschluß der Vereinbarung ausgeschlossen sein.
Die Beklagte hat die 90.000 DM und Mehrwertsteuer bezahlt, die (250.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer =) 290.000 DM dagegen nicht.
In der Folgezeit überreichte die Klägerin drei unterschiedliche Honorarrechnungen über zunächst pauschal 290.000 DM brutto und sodann über rund 380.000 DM sowie rund 398.000 DM, die beiden letzteren berechnet nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure.
Die Klage auf Zahlung eines Teilbetrages von 290.000 DM blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Die Revision der Klägerin strebt weiterhin die Verurteilung der Beklagten in dieser Höhe an.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
I.
1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin nicht ein Honorar beanspruchen, das gemäß § 4 HOAI nach Mindestsätzen berechnet ist. Als Grundlage ihres Zahlungsanspruches komme allein die Vereinbarung der Parteien vom 20. März 1998 in Betracht. Diese Vereinbarung sei ein Vergleich zur Beendigung und Abwicklung des Auftrags. Der Vergleich sei wirksam. Er tangiere nicht den Regelungsgehalt des § 4 HOAI; ein nach Beendigung der Architektentätigkeit abgeschlossener Vergleich über die Honorarforderung falle nicht unter diese Vorschrift. Die im Vergleich genannte Prüffähigkeit und Eignung der vorgelegten Planungsunterlagen sei keine Bedingung im Sinne eines unbestimmten künftigen Ereignisses, sondern eine materielle Voraussetzung des Zahlungsanspruchs.
2. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
a) Der Senat hat die Verfahrensrügen der Revision geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO).
b) Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, daß die Vereinbarung der Parteien vom 20. März 1998 ein Vergleich ist. Die Parteien haben mit dieser Vereinbarung die Unstimmigkeiten über ihre Zusammenarbeit im Wege gegenseitigen Nachgebens behoben.
c) Die im Vergleich enthaltene Vergütungsvereinbarung ist wirksam. § 4 HOAI steht nicht entgegen. Ein nach Beendigung der Architektentätigkeit über die Honorarforderung abgeschlossener Vergleich fällt nicht unter diese Regelung (BGH, Urteil vom 25. September 1986 – VII ZR 324/85, BauR 1987, 112, 113 = ZfBR 1986, 283; Urteil vom 9. Juli 1987 – VII ZR 282/86, BauR 1987, 706, 707). Dieser Fall ist hier gegeben. Die Parteien haben sich zur Honorarfrage geeinigt, nachdem sie bereits am 4. März 1998 die vorzeitige Beendigung ihrer Zusammenarbeit beschlossen hatten. Mit dem Vergleich haben sie ausdrücklich bestätigt, daß eine weitere Tätigkeit der Klägerin ausgeschlossen sei. Die vorgesehene Übergabe vorhandener Planungsunterlagen war im Gegensatz zur Auffassung der Revision keine weitere Architektentätigkeit nach dem 20. März 1998, sondern lediglich Teil der Abwicklung des Vergleichs.
Unzutreffend ist die Auffassung der Revision, das zeitliche Merkmal des Vergleichsschlusses „nach” Beendigung der Architektentätigkeit bedeute einen zeitlichen Abstand zwischen der Beendigung sowie dem Vergleich und erlaube nicht eine gleichzeitige Verständigung über den Abbruch der Arbeiten und über das geschuldete Honorar, ohne in den Geltungsbereich des § 4 HOAI zu geraten. Dieses Verständnis ist nicht zwingend, sondern fernliegend und findet in der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 25. September 1986 und 9. Juli 1987 aaO) sowie den dort dargelegten Zwecken und Grenzen der preisrechtlichen Einschränkungen durch die Honorarordnung keine Stütze.
Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht entschieden, daß das im Vergleich genannte Erfordernis der Prüffähigkeit und Eignung kein unbestimmtes, künftiges Ereignis bezeichnet und noch weniger eine zur Unwirksamkeit des Vergleichs führende fehlerhafte Bedingung ist. Vielmehr handelt es sich um eine materielle Voraussetzung des Anspruchs. Die Auszahlung der weiteren 290.000 DM ist nicht etwa an die Genehmigung des Bauvorhabens durch die zuständige Behörde geknüpft. Voraussetzung des Zahlungsanspruchs soll lediglich die Tauglichkeit der Planungsunterlagen sein. Das herabgesetzte und pauschalierte Honorar soll nicht für unbrauchbare, sondern nur für verwendbare Planungsleistungen geschuldet sein. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, richtet sich nach den Umständen am 20. März 1998, nicht nach ungewissen künftigen Entwicklungen.
d) Da die Parteien sich wirksam und abschließend über den Honoraranspruch der Klägerin geeinigt haben, kommt ein nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure berechneter Anspruch in weitergehendem Umfang nicht in Betracht.
II.
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf das im Vergleich vorgesehene Honorar in Höhe von 290.000 DM. Die am 20. März 1998 bereits eingereichten Genehmigungsplanungen seien nicht uneingeschränkt prüffähig und erwiesen sich deshalb nicht als geeignet, den Standsicherheitsnachweis zu ermöglichen. Denn zu dieser Prüffähigkeit wäre es erforderlich gewesen, auch die Berechnung der Bodenplatte vorzulegen, was unstreitig nicht geschehen sei.
2. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die Auslegung des Vergleichs durch das Berufungsgericht ist rechtsfehlerhaft. Sie ist in sich widersprüchlich. Eine das Revisionsgericht bindende Vertragsauslegung fehlt deshalb. Da weitere Feststellungen insoweit nicht in Betracht kommen, kann der Senat den Vergleich selber auslegen.
a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die der Klägerin übertragene Tragwerksplanung nicht fertiggestellt war, als die Parteien ihre Zusammenarbeit vorzeitig beendeten. Zumindest die Bodenplatte war noch nicht berechnet; entsprechende Unterlagen hatte die Klägerin unstreitig nicht vorgelegt. Mit ihrem Vergleich haben die Parteien jede weitere Leistung ab dem 20. März 1998 ausgeschlossen. Die Klägerin durfte also die fehlende Berechnung nicht mehr liefern. Trotzdem läßt das Berufungsgericht die im Vergleich vorgesehene weitere Vergütung am Fehlen der Berechnung der Bodenplatte scheitern. Das ist sinnwidrig und entspricht weder dem Wortlaut noch dem Zweck des Vergleichs.
b) Bei richtiger Betrachtungsweise ergibt sich zunächst, daß die Parteien im Vergleich nicht ein Honorar für die vollständige Genehmigungsplanung vereinbart haben, sondern für die bereits eingereichten statischen Berechnungen. Nicht die ursprünglich geschuldeten, sondern die in der Zeit bis zum 20. März 1998 eingereichten Unterlagen sind Gegenstand der Vereinbarung und der dort vorgesehenen Vergütung.
Das Berufungsgericht hat nicht weiter ausgeführt, welche Planungsunterlagen im einzelnen am 20. März 1998 vorgelegt waren. Fest steht jedenfalls, daß die Berechnung der Bodenplatte nicht dabei war.
Die Parteien haben die Vergütung für die so umschriebenen Planungsleistungen der Klägerin an die naheliegende Voraussetzung geknüpft, daß die erbrachten Planungsleistungen in Ordnung sind. Im Vergleich ist das so formuliert, daß die Planungen „ohne Nachträge prüffähig sind und den Standsicherheitsnachweis ermöglichen.” Diese Voraussetzung kann nicht so verstanden werden, daß nach dem Willen der Parteien die unvollständigen Unterlagen nun doch vollständig sein müßten. Vielmehr ist vereinbart, daß die tatsächlich vorgelegten Unterlagen verwertbar und, erforderlichenfalls im Zusammenhang mit weiteren, von dritter Seite erarbeiteten Unterlagen wie beispielsweise der Berechnung der Bodenplatte, eine geeignete Grundlage für den Standsicherheitsnachweis sein müssen.
Ob die bis zum 20. März 1998 erbrachten Leistungen der Klägerin in dem Sinne fehlerfrei sind, daß das Bauvorhaben auf ihrer Grundlage genehmigt werden kann, sobald die fehlende Berechnung der Bodenplatte und etwa noch weiter fehlende Planungsunterlagen von dritter Seite erbracht und nachgereicht worden sind, ist mangels Feststellungen des Berufungsgerichts offen.
Unterschriften
Ullmann, Hausmann, Wiebel, Kuffer, Kniffka
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.06.2001 durch Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 625282 |
BB 2002, 68 |
BGHR 2001, 818 |
BauR 2001, 1612 |
NJW-RR 2001, 1384 |
IBR 2001, 493 |
JurBüro 2002, 50 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1770 |
MDR 2001, 1050 |
ZfBR 2001, 462 |
NZBau 2001, 572 |