Leitsatz (amtlich)
Der Auftraggeber, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gegen den Auftragnehmer gem. § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B (2002) seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen (im Anschluss an BGH, Urt. v. 22.2.2018 - VII ZR 46/17, BauR 2018, 815 = NZBau 2018, 201, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
Normenkette
VOB/B (2002) § 13 Nr. 7 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Bremen (Urteil vom 03.06.2016; Aktenzeichen 2 U 59/15) |
LG Bremen (Entscheidung vom 07.05.2015; Aktenzeichen 12 O 187/08) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Bremen vom 3.6.2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage i.H.v. 104.289,12 EUR nebst Zinsen abgewiesen und die Berufung der Klägerin insoweit zurückgewiesen worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung restlichen Werklohns aus einem gekündigten Bauvertrag.
Rz. 2
Am 27.10./21.12.2005 schlossen die Parteien auf der Grundlage eines Angebots der Klägerin unter Einbeziehung der VOB/B (2002) einen Einheitspreisvertrag über die Erbringung von Metallbauarbeiten, insb. die Lieferung und Montage von Aluminiumfassadenelementen, Fenster- und Türanlagen aus Aluminium, Horizontallamellen sowie Raffstoreanlagen für den Neubau eines medizinischen Versorgungszentrums im Klinikum L. in B.
Rz. 3
Bei der Ausführung der Arbeiten kam es zu Verzögerungen; die Beklagte rügte mehrfach Mängel. Schließlich forderte sie die Klägerin mit Schreiben vom 14.2.2007 unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung u.a. wegen einer zuvor als mangelhaft beanstandeten Lichtdachkonstruktion ("Wasser dringt in die Konstruktion ein") auf und drohte die Kündigung des Vertrags an, die mit Schreiben vom 22.2.2007 ausgesprochen wurde.
Rz. 4
Die Parteien streiten über die Berechtigung der Kündigung und über das Vorhandensein von Mängeln. Die Klägerin verlangt Restwerklohn für ihre erbrachten Leistungen sowie für die nicht erbrachten Leistungen unter Abzug ersparter Aufwendungen.
Rz. 5
Während des Rechtsstreits haben die Parteien einen Teil- und Zwischenvergleich geschlossen, wonach für bestimmte durch die Klägerin erbrachte Leistungen ein Nettowerklohn i.H.v. 1.227.507,72 EUR gerechtfertigt ist. Auf dieser Basis hat die Klägerin zuletzt unter Berücksichtigung bereits geleisteter Zahlungen noch Zahlung von 257.168.05 EUR nebst Zinsen verlangt. Die Beklagte hat sich u.a. mit der hilfsweisen Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Mängeln am Glasdach verteidigt.
Rz. 6
Das LG hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 34.472,10 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Klägerin, mit der diese ihren Antrag in voller Höhe weiterverfolgt hat, hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin insgesamt 45.332,10 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Klägerin hat der Senat unter Zurückweisung der weiteren Beschwerde die Revision - beschränkt auf die Höhe der Gegenforderung - zugelassen, soweit die Hilfsaufrechnung der Beklagten mit einem Schadensersatzanspruch i.H.v. 104.289,12 EUR wegen Mängeln am Glasdach Erfolg hatte. Mit ihrer im Umfang der Zulassung eingelegten Revision beantragt die Klägerin, die Beklagte zu verurteilen, an sie über den ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 104.289,12 EUR nebst Zinsen, insgesamt also 149.621,22 EUR nebst Zinsen zu zahlen.
Entscheidungsgründe
Rz. 7
Die Revision der Klägerin führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 8
Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - ausgeführt:
Rz. 9
Die Kündigung der Beklagten vom 22.2.2007 sei nach §§ 4 Nr. 7 Satz 3, 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B (2002) wirksam gewesen. Die von der Klägerin erstellte Lichtdachkonstruktion sei mangelhaft.
Rz. 10
Die Klägerin habe - wie das LG zutreffend festgestellt habe - im Ansatz nur einen Restwerklohnanspruch i.H.v. 149.621,22 EUR für erbrachte Leistungen. Gegen diese Werklohnforderung greife die erklärte Aufrechnung der Beklagten mit einem Anspruch auf Schadensersatz wegen der Mängel am Glasdach i.H.v. 104.289,12 EUR durch, weshalb (nur) ein Vergütungsanspruch der Klägerin i.H.v. 45.332,10 EUR verbleibe. Der Beklagten stehe nach erfolgloser Aufforderung der Klägerin zur Mängelbeseitigung ein Anspruch auf Ersatz der für die Beseitigung der Mängel am Glasdach erforderlichen (Netto-)Kosten gem. § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B (2002) zu. Die vom LG vorgenommene Schadensbewertung sei der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sie beruhe auf den Angaben des Sachverständigen K. im Rahmen der Beweisaufnahme einschließlich des selbständigen Beweisverfahrens. Die Angaben des Sachverständigen seien als Schätzgrundlage gem. § 287 Abs. 1 ZPO ausreichend, um annehmen zu können, dass dieser Betrag netto aufgewandt werden müsse, um die Mängel zu beseitigen. Es handele sich um eine realistische Größenordnung.
II.
Rz. 11
Das hält der rechtlichen Überprüfung in einem Punkt nicht stand.
Rz. 12
1. Aufgrund der beschränkten Zulassung der Revision und der Zurückweisung der weitergehenden Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin durch den Senat steht rechtskräftig fest, dass der Klägerin gegen die Beklagte - vorbehaltlich der sogleich erörterten Hilfsaufrechnung - ein Restwerklohnanspruch i.H.v. 149.621,22 EUR zusteht. Es steht weiter fest, dass das Glasdach mängelbehaftet ist und die Beklagte deswegen dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin hat.
Rz. 13
2. Keinen Bestand hat die Feststellung der Höhe dieses Anspruchs, mit dem die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung gegen den Restwerklohnanspruch erklärt hat.
Rz. 14
Die Ermittlung der Höhe des Vermögensschadens der Beklagten durch das Berufungsgericht beruht auf der Annahme, er lasse sich nach den erforderlichen, tatsächlich jedoch nicht angefallenen (Netto-)Mängelbeseitigungskosten bemessen, wenn der Auftraggeber den Mangel eines Werks - hier die Undichtigkeit des Glasdachs - nicht beseitigt hat. Diese im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des Senats stehende Auffassung trifft nicht zu. Der Senat hat nach Erlass des angefochtenen Urteils unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass ein Auftraggeber, der den Mangel nicht beseitigen lässt, seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen kann (vgl. BGH, Urt. v. 22.2.2018 - VII ZR 46/17 Rz. 22-43, BauR 2018, 815 = NZBau 2018, 201, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann deshalb ein Schaden der Beklagten in der vom Berufungsgericht angenommenen Höhe nicht festgestellt werden.
Rz. 15
3. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um die Höhe des von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruchs wegen der Mängel des Glasdachs neu festzustellen und zu berechnen. Hierzu muss die Beklagte zunächst auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung Gelegenheit bekommen, ihren Schaden anderweitig darzulegen und zu beziffern (vgl. BGH, Urt. v. 22.2.2018 - VII ZR 46/17 Rz. 27, 38-43, BauR 2018, 815 = NZBau 2018, 201).
Fundstellen