Entscheidungsstichwort (Thema)
räuberischer Angriff auf Kraftfahrer
Tenor
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere – als Schwurgericht zuständige – Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung zweier Strafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten verurteilt. Den Angeklagten Ho. hat es der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit versuchtem Totschlag und mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen sowie des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen und gegen ihn – ebenfalls unter Einbeziehung zweier Strafen aus einer Vorverurteilung – eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verhängt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte H. die Verletzung materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrem zu Ungunsten beider Angeklagten eingelegten Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, gegen die ihrer Ansicht nach zu milden Gesamtstrafenaussprüche.
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten H. ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, da – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 9. August 1999 zutreffend ausgeführt hat – das Urteil keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil aufweist.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist, wie ihre Begründung, insbesondere deren Schlußsatz, daß „der Gesamtstrafenausspruch folglich unter Beibehaltung … der gebildeten Einzelstrafen hinsichtlich beider Angeklagten aufzuheben [ist]”, deutlich macht, wirksam auf die Anfechtung der Aussprüche über die Gesamtstrafen beschränkt (vgl. hierzu Ruß in KK StPO 4. Aufl. § 318 Rdn. 8 a; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 318 Rdn. 20 jeweils m.w.N.). Sie hat in der Sache Erfolg, da die Ausführungen des Landgerichts zur Bemessung der Gesamtstrafen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen.
a) Das Landgericht hat wegen der hier abgeurteilten Taten (Tatzeit: 23. August 1995) gegen den Angeklagten H. auf Einzelfreiheitsstrafen von sieben Jahren und vier Jahren und gegen den Angeklagten Ho. auf solche von acht Jahren und vier Jahren erkannt. Bei der Gesamtstrafenbildung hat es rechtlich zutreffend in Anwendung des § 55 StGB bei beiden Angeklagten jeweils Strafen aus einem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. September 1996 unter Auflösung der dort insoweit gebildeten Gesamtstrafen einbezogen, und zwar bei dem Angeklagten H. zwei Freiheitsstrafen in Höhe von je fünf Jahren und neun Monaten und bei dem Angeklagten Ho. zwei Freiheitsstrafen zu je sieben Jahren. Diesen Strafen lagen Verurteilungen wegen zweier am 2. November 1994 und 3. Januar 1995 von den Angeklagten gemeinsam verübter Raubüberfälle zugrunde. An der Einbeziehung der Einzelstrafen aus der wegen eines weiteren gemeinschaftlich begangenen Raubüberfalls (Tatzeit: 3. März 1994) in dem Urteil des Landgerichts Hamburg verhängten gesonderten Gesamtfreiheitsstrafen von fünf Jahren und neun Monaten (Angeklagter H.) sowie von sechs Jahren und drei Monaten (Angeklagter Ho.) hat das Landgericht sich hingegen wegen der Zäsurwirkung der Verurteilungen vom 11. Juli 1994 (Angeklagter H.) bzw. vom 6. Juni 1994 (Angeklagter Ho.) zu Recht gehindert gesehen.
b) Bei der Bemessung der Gesamtstrafen hat sich das Landgericht maßgeblich auf folgende Ausführungen zur Einzelstrafzumessung, auf die es ausdrücklich Bezug nimmt, gestützt:
„Ganz entscheidend zugunsten des Angeklagten war folgender Gesichtspunkt zu berücksichtigen: Grundsätzlich wären die drei dem Verfahren des Landgerichts Hamburg vom 16.09.1996 zu Grunde liegenden Taten gesamtstrafenfähig gewesen. In diesem Falle würde § 38 II StGB bei der Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe die Obergrenze der zeitigen Freiheitsstrafe bilden. Diese vom Gesetzgeber als angemessene vorgegebene Dauer der zeitigen Höchststrafe ist in den Fällen, in denen wegen der Zäsurwirkung einer vorausgehenden Entscheidung eine einheitliche Gesamtstrafe nicht gebildet werden kann, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu berücksichtigen und im Rahmen der Strafzumessung auszugleichen (vgl. BGH in NStZ 1996, S. 382). Aus diesem Grund sind die Strafen in einem solchen Maße zu mildern, dass dem Angeklagten im Ergebnis die gebotene Perspektive belassen wird” (UA 34).
Das Landgericht hat sodann auf die ausgeurteilten Gesamstrafen erkannt und im unmittelbaren Anschluß hieran ausgeführt, daß damit bei Berücksichtigung bzw. Hinzurechnung der in dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. September 1996 fortbestehenden weiteren Gesamtstrafe sich für den Angeklagten H. eine Strafzeit von insgesamt vierzehn Jahren errechne und für den Angeklagten Ho. „eine grundsätzliche Gesamtverbüßungsdauer” von fünfzehn Jahren.
c) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie lassen besorgen, daß das Landgericht bei der Gesamtstrafenbildung teilweise von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen ist.
aa) Zwar ist es richtig, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Fällen, in denen wegen der Zäsurwirkung eines früheren Urteils eine Gesamtstrafe nicht (mehr) gebildet werden kann, eine sich dadurch möglicherweise für den Angeklagten infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels ergebende Härte auszugleichen ist (vgl. BGHSt 41, 310 = NStZ 1996, 382 mit Anm. Peters; BGHSt 43, 216, 217; 44, 179, 185/186; BGH NStZ-RR 1996, 227). Hieraus folgt freilich keineswegs, daß ein Ausgleich sämtlicher Nachteile, die aus der mangelnden Gesamtstrafenfähigkeit resultieren, vorzunehmen ist. Dies würde im Ergebnis zu einer von der Regelung des § 55 StGB gerade nicht bezweckten Besserstellung solcher Täter führen, die trotz erfolgter Verurteilung erneut straffällig werden (vgl. auch BGH NStZ 1998, 79). Demzufolge hat der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden, daß dann, wenn die gesamtstrafenrechtliche Zäsurwirkung die Bildung mehrerer Einzel- oder Gesamtstrafen erforderlich macht, die Höchstgrenze von fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe (§§ 54 Abs. 2 Satz 2, 38 Abs. 2 StGB) nur für die einzelne Gesamtstrafe gilt, nicht aber für deren Summe (vgl. BGHSt 33, 367, 368 f; 43, 216, 218; 44, 179, 185). Soweit in der Entscheidung BGHSt 33, 131 ausgesprochen worden ist, daß die Grenze des § 54 Abs. 2 Satz 2 StGB zu beachten ist, betraf dies den hier nicht einschlägigen Sonderfall, daß die Bildung einer Gesamtstrafe an der bereits erfolgten Vollstreckung einer einzubeziehenden Strafe scheiterte.
bb) Die Ausführungen des Landgerichts zur Bemessung der Gesamtstrafen lassen befürchten, daß es diese Grundsätze verkannt hat. Sie geben insbesondere Anlaß zu der Besorgnis, daß sich das Landgericht von der rechtlich verfehlten Vorstellung hat leiten lassen, im Hinblick auf die jeweils bestehen gebliebenen Gesamtstrafen im Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. September 1996 an die Höchstgrenze der §§ 54 Abs. 2 Satz 2, 38 Abs. 2 StGB gebunden zu sein. Hierauf weist auch der unmittelbare Vergleich zwischen den verhängten Gesamtstrafen hin: Gegen den Angeklagten H., der nach der Bewertung des Landgerichts von beiden Angeklagten der „moderatere Täter” (UA 34) war, hat es aus Einzelfreiheitsstrafen von sieben Jahren, vier Jahren und zweimal fünf Jahren und neun Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten gebildet, mithin die Einsatzstrafe von sieben Jahren Freiheitsstrafe um ein Jahr und drei Monate erhöht. Bei dem Angeklagten Ho., den das Landgericht als den „rücksichtslosere(n) und brutalere(n) Täter”, von dem „die größere Initiative ausging” (UA 36), bezeichnet, hat es auf der Grundlage von Einzelfreiheitsstrafen in Höhe von acht Jahren, vier Jahren und zweimal sieben Jahren auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten erkannt und damit die Einsatzstrafe von acht Jahren Freiheitsstrafe bei im übrigen erheblich höheren Einzelstrafen lediglich um neun Monate erhöht, so daß sich für diesen Angeklagten bei Hinzurechnung der im Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. September 1996 fortbestehenden Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten eine „Gesamtstrafensumme” von noch genau fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe ergab.
Der Senat kann somit nicht ausschließen, daß die Aussprüche über die Gesamtstrafen auf einem unzutreffende
Unterschriften
Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 540778 |
NStZ 2000, 84 |