Leitsatz (amtlich)
Streiten die Parteien, ob die Schuld fällig ist, nachdem der Gläubiger die Leistung verlangt hat, ist es Sache des Schuldners darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen, dass auf Grund einer rechtsgeschäftlichen Festlegung oder der Umstände des Falls erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt zu leisten ist. Dies trifft auch bei Streit zu, wann im konkreten Fall die angemessene Fertigstellungsfrist tatsächlich abgelaufen und deshalb Fälligkeit eingetreten ist.
Normenkette
BGB § 271 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 21.08.2003) |
LG Landshut |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das am 21.8.2001 verkündete Urteil des 13. Zivilsenats des OLG München im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als die Widerklage abgewiesen und die Beklagte zur Zahlung von mehr als 24.470,62 DM nebst 9,25 % Zinsen aus 23.158,77 DM seit dem 21.6.2000 sowie aus weiteren 1.311,85 DM seit dem 25.6.2000 verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte hatte ein Grundstück erworben, in dessen Boden sich Altlasten befanden. Sie wollte das Grundstück mit Häusern bebauen und diese sodann veräußern. Die Gemeinde war zu einem entsprechenden Bebauungsplan bereit, wenn die Beklagte bis August 2000 den Nachweis über eine Bodensanierung und die Entsorgung des kontaminierten Erdreichs führe.
Im November 1999 beauftragte die Beklagte die Klägerin, den Boden auszubaggern, in Haufen zwischenzulagern, und - nach deren Untersuchung auf die jeweilige Schadstoffbelastung durch ein Labor und nach entsprechender Entsorgungsgenehmigung des Wasserwirtschaftsamts - zu Deponien zu fahren und dort zu entsorgen.
Die Klägerin begann jedenfalls am 25.11.1999 mit den Arbeiten. Der Beklagten ging deren Erledigung nicht schnell genug voran. Sie monierte das in Gesprächen auf der Baustelle und in schriftlicher Form. So verlangte die Beklagte mit Schreiben v. 19.4.2000, den Bodenaustausch bis spätestens 28.4.2000 abzuschließen, weil ein anderes Unternehmen am 2.5.2000 mit seinen Arbeiten beginnen wolle. Mit Schreiben v. 16.5.2000 stellte sich die Beklagte auf den Standpunkt, dass die Klägerin sich seit dem 28.4.2000 in Verzug befinde, und kündigte an, der Klägerin den durch ihre angeblich schleppende Arbeitsweise entstandenen Schaden in Rechnung zu stellen. Dabei forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Arbeiten unverzüglich mit genügend Personal und Maschineneinsatz fortzusetzen. Es hieß dann weiter: "Sollten Sie bis Freitag den 19.5.2000 nicht mit der von uns gewünschten Anzahl von Lkw und Personal auf der Baustelle sein, sehen wir uns gezwungen, eine zweite Firma einzuschalten. Die dadurch entstehenden Mehrkosten werden wir Ihnen in Rechnung stellen. ...".
Mit Schreiben v. 19.5.2000 kündigte die Beklagte der Klägerin schließlich fristlos und forderte sie auf, die Baustelle am Montag, dem 22.5.2000, zu räumen. Dieser Aufforderung kam die Klägerin nach. Noch im Mai 2000 beauftragte die Beklagte ein anderes Entsorgungsunternehmen.
Die Klägerin hat als Restwerklohn für tatsächlich erbrachte Arbeiten 99.298,15 DM nebst Zinsen eingeklagt. Die Beklagte hat sich demgegenüber auf den Standpunkt gestellt, für die Entsorgung bestimmten Materials insgesamt 24.470,62 DM zu viel an die Klägerin gezahlt zu haben, weil die von dieser insoweit behauptete Preisabsprache nicht zu Stande gekommen sei. Außerdem sei sie, die Beklagte, durch das zögerliche Arbeiten der Klägerin geschädigt, weil ihr zusätzliche Kosten für die Einschaltung des neuen Entsorgungsunternehmens und im Hinblick auf die Finanzierung des Grundstücksgeschäfts entstanden seien. Die Beklagte meint deshalb, jedenfalls noch 30.000 DM von der Klägerin verlangen zu können, und hat wegen dieses Betrags nebst Zinsen Widerklage erhoben.
Das LG hat der Klage unter Abweisung im Übrigen in Höhe eines Betrags von 95.079,67 DM nebst Zinsen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Die daraufhin von der Beklagten eingelegte Revision hat der Senat nicht angenommen, soweit die Beklagte zur Zahlung von 24.470,62 DM nebst 9,25 % Zinsen aus 23.158,77 DM seit dem 21.6.2000 sowie aus weiteren 1.311,85 DM seit dem 25.6.2000 verurteilt worden ist.
Die Beklagte verfolgt im Übrigen ihren Klageabweisungs- und Widerklageantrag weiter. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel der Beklagten entgegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten hat im Umfang der Annahme der Revision Erfolg. Sie führt insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die Abweisung der Widerklage und die Verurteilung der Beklagten, soweit sie nicht durch Nichtannahme der Revision rechtskräftig ist, beruhen darauf, dass das Berufungsgericht die von der Klägerin geschuldete Werkherstellung als nicht verspätet angesehen hat, weil die Leistungspflicht noch nicht fällig gewesen sei, als die Klägerin der Aufforderung der Beklagten nachkam und die Baustelle räumte. Im Hinblick auf die Fälligkeit hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Parteien hätten weder ursprünglich noch nachträglich bestimmte oder bestimmbare Fristen für die Fertigstellung bzw. eine teilweise Fertigstellung des Vorhabens vereinbart. Die von der Klägerin zu erbringende Leistung sei auch nicht nach den Umständen des Falles fällig geworden. Hierzu habe die Beklagte nämlich nicht substanziiert vorgetragen. Die Beklagte hätte vortragen müssen, wann mit ordentlichem, aber nicht überdurchschnittlichem Einsatz der Klägerin nach objektiven Erfahrungswerten üblicherweise die Arbeiten hätten abgeschlossen sein müssen. Dazu hätte insbesondere Vortrag gehört, mit wie viel Personaleinsatz und mit wie vielen Lkw hätte gearbeitet werden müssen.
2. Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Tragweite von § 271 Abs. 1 BGB verkannt.
a) § 271 Abs. 1 BGB betrifft die Zeit für die Leistung. Gemeint ist damit der Tag oder ein anderer bestimmter Zeitpunkt, an dem der Gläubiger die Leistung verlangen und der Schuldner sie bewirken kann. Die Vorschrift ordnet insoweit an, dass dies sofort geschehen kann, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. § 271 Abs. 1 BGB enthält damit eine zur sofortigen Fälligkeit und Erfüllbarkeit führende Regel, die so lange anzuwenden ist, bis feststeht, dass - sieht man Fällen einer gesetzlichen Bestimmung der Leistungszeit ab - ein bestimmter anderer Leistungszeitpunkt rechtsgeschäftlich bestimmt ist oder sich sonst wie aus den Umständen des Falls ergibt. Dementsprechend braucht der Gläubiger zur Fälligkeit der geltend gemachten Forderung nicht besonders vorzutragen; es ist vielmehr Sache des Schuldners, der sich auf Fehlen der Fälligkeit beruft, darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen, dass auf Grund einer rechtsgeschäftlichen Festlegung oder der Umstände des Falls erst zu einem bestimmten anderen späteren Zeitpunkt zu leisten war bzw. ist (Krüger in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 271 Rz. 37 m. w. N.; Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., S. 301).
Bei Anwendung dieser unmittelbar aus § 271 Abs. 1 BGB folgenden Grundsätze ist allerdings zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des BGH zum Werkvertragsrecht der Unternehmer im Zweifel nach Vertragsschluss mit der Herstellung alsbald zu beginnen und sie in angemessener Zeit zügig zu Ende zu führen hat, wobei die für die Herstellung notwendige Zeit in Rechnung zu stellen ist (BGH, Urt. v. 8.3.2001 - VII ZR 470/99, MDR 2001, 864 = BGHReport 2001, 363 m. w. N.). Diese Erkenntnis enthebt den Schuldner jedoch nur von Vortrag, dass das Werk überhaupt erst zu einem späteren, nach dem Entstehen der Schuld liegenden Zeitpunkt fertig zu stellen ist. Bei Streit, wann im konkreten Fall die angemessene Fertigstellungsfrist tatsächlich abgelaufen ist und deshalb Fälligkeit eintritt, bleibt der Schuldner aber für die insoweit maßgeblichen Umstände darlegungs- und beweispflichtig.
b) Auf den Streitfall angewendet bedeutet das, dass das angefochtene Urteil, soweit die Revision angenommen worden ist, keinen Bestand haben kann. Das Berufungsgericht hat - unbeanstandet durch die Revision und die Revisionserwiderung - festgestellt, dass die Parteien eine Fälligkeitsregelung nicht getroffen haben. Es kommt danach darauf an, wann nach den Umständen des Streitfalls die angemessene Fertigstellungsfrist abgelaufen ist. Hierzu hat das Berufungsgericht Feststellungen jedoch nicht getroffen, weil es die Beklagte für insoweit darlegungspflichtig angesehen hat, obwohl sie Gläubiger der Werkleistung ist und deshalb für sie die Regel des § 271 Abs. 1 BGB streitet.
c) Das Berufungsgericht wird deshalb die Fälligkeitsfrage erneut zu entscheiden haben, und zwar auf der Grundlage dessen, was die Klägerin als Schuldnerin der Werkleistung zu den Umständen vorgebracht hat und möglicherweise ergänzend vorbringt, die eine sachgerechte Bewertung zulassen, wann im Streitfall die angemessene Fertigstellungsfrist ablief bzw. abgelaufen wäre. Lässt sich nicht die für einen Beweis erforderliche Überzeugung gewinnen, dass diese Frist erst zu einem Zeitpunkt endete, der nach einer Mahnung der Klägerin durch die Beklagte liegt, kommt ein Schadensersatzanspruch gem. § 326 Abs. 1 BGB in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung (a. F.) in Betracht, den die Beklagte der Klageforderung entgegensetzen und der die Widerklage rechtfertigen kann. Eine Mahnung durch die Beklagte hätte dann nämlich verzugsbegründende Wirkung. Ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gem. § 326 Abs. 1 BGB a. F. in Fällen, in denen es wie hier zu einer Abnahme des Werks nicht gekommen ist, wäre auch nicht durch §§ 634 ff. BGB a. F. ausgeschlossen (BGH, Urt. v. 26.9.1996 - X ZR 33/94, MDR 1997, 333 = NJW 1997, 50). Auch eine nachträgliche Kündigung des Werkvertrages hinderte Entstehung und Fortbestand eines solchen Anspruchs nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 1081091 |
DB 2004, 650 |
BGHR 2004, 142 |
BauR 2004, 331 |
NJW-RR 2004, 209 |
IBR 2004, 62 |
JurBüro 2004, 399 |
WM 2004, 1400 |
MDR 2004, 497 |
ZfBR 2004, 157 |
BrBp 2004, 217 |
NZBau 2004, 155 |
BauRB 2004, 97 |
Englert / Grauvogl / Maurer 2004 2004, 929 |