Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallersatztarif. Erstattung durch gegenerische Haftpflichtversicherung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners ist nicht ohne weiteres zur Erstattung von über dem „Normaltarif” liegenden „Unfallersatztarifen” verpflichtet.
2. Einen Autovermieter trifft bei Vermietung eines Unfallersatzwagens eine Aufklärungspflicht darüber, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung den Unfallersatztarif möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet, wenn der angebotene Tarif deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2, § 249
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 15.12.2005; Aktenzeichen 8 S 122/05) |
AG Meißen (Entscheidung vom 11.01.2005; Aktenzeichen 11 C 652/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Revision gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 15. Dezember 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Autovermieterin, macht gegen den Beklagten rückständige Miete für die Überlassung eines Mietwagens geltend.
Nach einem Verkehrsunfall am 26. Februar 2002, bei dem der vom Beklagten geführte Pkw beschädigt worden war, mietete dieser am gleichen Tag von der Klägerin einen Ersatzwagen zu einem Unfallersatztarif. Mit Rechnung vom 7. März 2002 machte die Klägerin dafür insgesamt 1.561,36 EUR geltend.
Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, dessen volle Haftung für den Unfallschaden nicht streitig ist, zahlte 423,64 EUR. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten noch 838,55 EUR.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte lediglich in Höhe von 223,36 EUR Erfolg. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei dem Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihre Aufklärungspflicht ihm gegenüber verletzt habe. Im Unfallersatzwagengeschäft habe sich eine Differenzierung im Preisgefüge herausgebildet, die für den potentiellen Mieter nicht ohne weiteres erkennbar sei. Im Gegensatz zum Beklagten sei der Klägerin die Problematik der Angemessenheit und der Erstattungsfähigkeit von Unfallersatztarifen bekannt gewesen. Die Klägerin habe den Begriff „Unfallersatztarif” vermieden und den Mietpreis erst nach Unterzeichnung durch den Beklagten in den Vertrag eingetragen und damit verhindert, dass der Beklagte die Problematik bemerkt habe. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass gerade die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners schon mehrfach die Unangemessenheit der Tarife der Klägerin geltend gemacht habe. Darauf, ob im konkreten Fall der Unfallersatztarif der Klägerin aus betriebswirtschaftlicher Sicht einen über dem Normaltarif liegenden Preis rechtfertige, komme es nicht an. Denn dem Mietwageninteressenten drohe selbst bei Angemessenheit des Unfallersatztarifes, dass er die Erstattung gegenüber der Haftpflichtversicherung unter Umständen nur streitig durchsetzen könne und er dabei das Beweislastrisiko trage. Der vereinbarte Tagespreis habe hier deutlich über dem Normaltarif von 101 EUR gelegen. Eine hinreichende Aufklärung sei nicht erfolgt. Ein Schaden sei auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Haftpflichtversicherung dem Beklagten zugesagt habe, ihn von weiteren Mietzinszahlungen an die Klägerin und den Kosten des vorliegenden Prozesses freizustellen. Es sei davon auszugehen, dass sich der Beklagte im Falle einer Aufklärung für eine Minimierung des Risikos entschieden hätte und nicht bei der Klägerin, sondern bei einem Drittunternehmen ein Fahrzeug zu einem Normaltarif angemietet hätte. Der Beklagte hätte dabei 647 EUR aufwenden müssen. Nach Abzug der von der Haftpflichtversicherung erstatteten 423,64 EUR schulde der Beklagte noch 223,36 EUR.
2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Das Berufungsgericht hat zu Recht das Bestehen einer Aufklärungspflicht der Klägerin angenommen. Der Senat hat – nach Erlass des Berufungsurteils – eine Aufklärungspflicht des Autovermieters gegenüber den Interessenten eines Unfallersatzwagens bejaht (Senatsurteile vom 28. Juni 2006 – XII ZR 50/04 – NZW 2006, 2618 f.; vom 10. Januar 2007 – XII ZR 72/04 – NJW 2007, 1447 f.; vom 7. Februar 2007 – XII ZR 125/04 – NJW 2007, 2181 f.; vom 27. Juni 2007 – XII ZR 53/05 – NJW 2007, 2759; vom 24. Oktober 2007 – XII ZR 155/05 –). Zwar muss der Mieter nicht über den gespaltenen Tarifmarkt, d.h. weder über die eigenen verschiedenen Tarife noch über günstigere Angebote der Konkurrenz aufgeklärt werden; es ist grundsätzlich Sache des Mieters, sich zu vergewissern, ob die ihm angebotenen Vertragsbedingungen für ihn von Vorteil sind oder nicht. Bietet der Vermieter dem Unfallgeschädigten aber einen Tarif an, der deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt und besteht deshalb die Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung nicht den vollen Tarif übernimmt, so muss er den Mieter darüber aufklären. Danach ist es erforderlich, aber auch ausreichend, den Mieter unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet.
b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, ein Mietwagenunternehmer müsse nicht von vornherein davon ausgehen, dass es bei der Inanspruchnahme des Schädigers Schwierigkeiten gebe. Er sei lediglich gehalten, den Mieter zu unterstützen. Der Schaden des Beklagten beruhe auf dem – rechtswidrigen – Regulierungsverhalten der Haftpflichtversicherung. Auf eine solche Gefahr müsse der Vermieter nicht hinweisen. Es genüge, den Geschädigten im Regulierungsstreit mit der Haftpflichtversicherung durch Information zu unterstützen, warum der erhöhte Tarif angemessen sei. Dazu sei er ebenso bereit gewesen wie zum Beitritt als Streithelfer auf Seiten des Beklagten in einem Rechtsstreit gegen die Versicherung. Dieser Auffassung liegt die unzutreffende Vorstellung zugrunde, dass der Geschädigte einen Unfallersatztarif regelmäßig ersetzt verlangen kann. Dem ist aber nicht so.
aa) Nach der neueren Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zu den Unfallersatztarifen (Nachweise im Senatsurteil vom 28. Juni 2006 aaO) ist der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners gerade nicht ohne weiteres zur Erstattung von über dem „Normaltarif” liegenden „Unfallersatztarifen” verpflichtet. Vielmehr kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen. Für die Anmietung eines Unfallersatzwagens bedeutet dies, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzwagens (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis ersetzt verlangen kann.
bb) Soweit nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 14. Februar 2006 – VI ZR 126/05 – NJW 2006, 1506) eine Pflicht zur Erstattung des Unfallersatztarifes – ausnahmsweise – zu bejahen ist, weil dem Geschädigten im Hinblick auf die gebotene subjektive Schadensbetrachtung unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis – und Einflussmöglichkeiten – sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten und der zumutbaren Anstrengungen auf dem zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Normaltarif zugänglich war, kann die Durchsetzung mit Schwierigkeiten verbunden sein. Verweigert der Versicherer die Erstattung des Unfallersatztarifs mit der Begründung, der Mieter habe zu einem niedrigeren Tarif abschließen können, trifft den Mieter die Beweislast. Nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats (aaO), der der Senat folgt, muss er darlegen und beweisen, dass ihm kein wesentlich günstigerer Normaltarif zugänglich war. Kann er diesen Nachweis nicht erbringen, erhält er nur den Normaltarif erstattet. Dies bedeutet, dass die Durchsetzung des Erstattungsanspruchs, falls er denn besteht, mit Schwierigkeiten und Risiken behaftet ist. Davor soll die Aufklärungspflicht des Mietwagenunternehmers den Mieter schützen. Diesem soll klar gemacht werden, dass, wenn er zum Unfallersatztarif anmietet, die Erstattung der über dem Normaltarif liegenden Miete mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Diese Aufklärungspflicht verlöre ihren Sinn, wenn der Geschädigte vor Inanspruchnahme des Vermieters klären lassen müsste, ob der Unfallersatztarif – ausnahmsweise – zu erstatten ist (Senatsurteil vom 24. Oktober 2007 – XII ZR 155/05 –).
c) Danach steht dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c. (§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Satz 1, 249 BGB) zu, den er der geltend gemachten Mietzinsforderung entgegenhalten kann (Senatsurteil vom 10. Januar 2007 aaO). Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hätte der Beklagte nach ausreichender Aufklärung ein Kraftfahrzeug zum Normaltarif angemietet und sich damit Kosten in Höhe der Klageforderung erspart.
Unterschriften
Hahne, Fuchs, Ahlt, Vézina, Dose
Fundstellen