Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung des § 2336 Abs. 3 BGB, wonach der Beweis des Grundes demjenigen obliegt, welcher die Pflichtteilsentziehung geltend macht, ändert nichts daran, daß die Beweislastregelung hinsichtlich des Scheidungsgrundes im Sinne des § 2335 BGB die gleiche ist wie im Scheidungsprozeß.
Demgemäß obliegt die Beweislast für die Voraussetzungen des § 43 Satz 1 EheG in vollem Umfang demjenigen, der die Entziehung geltend macht, während die Beweislast für die Voraussetzungen des § 43 Satz 2 EheG der von der Entziehung betroffene Ehegatte trägt.
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.10.1972) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt (Main) vom 25. Oktober 1972 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Ehefrau des am 14. August 1969 verstorbenen Georg Moritz J. (im folgenden Erblasser genannt), den sie im Jahre 1945 geheiratet hatte. Der Beklagte ist der Neffe des Erblassers.
Seit 1960 befand sich der Erblasser wegen einer Herzerkrankung und fortschreitender Arteriosklerose in ärztlicher Behandlung. Am 2. Juli 1969 begab er sich in das St. M.-Krankenhaus in F., das er jedoch am 16. Juli 1969 auf eigenen Wunsch und gegen den Rat der ihn behandelnden Ärzte wieder verließ. Er wurde vom Beklagten nach Waldkirch gebracht, wo er bis zu seinem Tode im Hause des Beklagten verblieb. Der Klägerin teilte er am selben Tage telefonisch mit, daß er nun in Waldkirch sei und dort auch zunächst bleiben wolle. Einen Brief der Klägerin vom 22. Juli 1969, in dem diese ihn bat, er möge ihr Geld überweisen, da sie ohne Mittel sei, beantwortete er nicht.
Am 25. Juli 1969 erschien der Erblasser überraschend mit dem Beklagten, dessen Ehefrau und Sohn bei der Klägerin in Wiesbaden, um aus der ehelichen Wohnung persönliche Gebrauchsgegenstände zu holen. Hierbei kam es in der Wohnung zwischen dem Erblasser und der Klägerin zu einer Auseinandersetzung, deren Verlauf unter den Parteien streitig ist.
Unter dem 31. Juli 1969 errichtete der Erblasser ein privatschriftliches Testament, in welchem er den Beklagten zu seinem Alleinerben einsetzte. In § 2 dieses Testamentes heißt es:
"Meine Frau Maria J. geb. F. soll nicht Erbe sein. Ich entziehe ihr auch den Pflichtteil gemäß § 2335 BGB, weil sie mich am Freitag, dem 25.7.1969, bei meinem Besuch im eigenen Haus in Wiesbaden tätlich angegriffen, geschlagen, getreten und zerkratzt hat.
Dieses Verhalten meiner Frau ist umso unverständlicher, als ihr genau bekannt ist, daß ich schwer herzkrank bin."
Die Klägerin verlangt im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Sie stellt die ihr im Testament vom 31. Juli 1969 zur Last gelegte Verfehlung in Abrede und hat hierzu vorgetragen: Der Erblasser sei ihr in den letzten Jahren seines Lebens mit ständigem Mißtrauen begegnet, obwohl sie sich stets in vorbildlicher Fürsorge um ihn gekümmert habe. Nachdem er sich gegen ihren Willen aus dem Krankenhaus zum Beklagten begeben habe, habe er ihr anläßlich eines Telefongesprächs am 19. Juli 1969 erklärt, sie werde von ihm keinen Pfennig erhalten. Bei seinem Besuch am 25. Juli 1969 habe der Erblasser das Bargeld, das er im Schreibtisch an verschiedenen Stellen verwahrt habe, mitgenommen. Zu einer Auseinandersetzung sei es gekommen, weil der Erblasser beim Verlassen der Wohnung den Telefonapparat habe mitnehmen wollen.
Die Klägerin hat beantragt,
1.
den Beklagten zu verurteilen, ihr Auskunft über den Bestand des Nachlasses ihres verstorbenen Ehemannes zu erteilen und dabei genaue Angaben zu machen
a)
über das hinterlassene Barvermögen,
b)
über den Verkehrswert des Hausgrundstücks Wiesbaden, V.straße ...,
c)
über den Wert des Anwartschaftsrechts aus dem vom Erblasser der spanischen Gesellschaft " U. R. P." geschlossenen Kaufvertrag für den Erwerb eines Grundstückes in Teulada/Provinz Allicante,
d)
über die Höhe der Arzt-, Krankenhaus- und Beerdigungskosten,
e)
über etwaige sonstige Schulden des Erblassers,
2.
den Beklagten zu verurteilen, 84.000,- DM nebst 4 % Zinsen seit dem Tag der Klagezustellung zu zahlen,
3.
soweit die Hauptsache erledigt ist, dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Der Beklagte hat um Klageabweisung gebeten.
Er hat vorgetragen, die Klägerin habe den Erblasser bei dem Besuch am 25. Juli 1969, wie es im Testament zum Ausdruck komme, mißhandelt und verletzt. Beim öffnen der Wohnungstür habe die Klägerin den Erblasser in die Wohnung hineingezogen und sofort auf ihn eingeschlagen. Die Geräusche der Schläge und Schmerzensschreie seien von außen zu hören gewesen. Die Klägerin habe dem Erblasser, der habe telefonieren wollen, den Telefonapparat entrissen und mit Apparat und Hörer wahllos auf ihn eingeschlagen.
Das Landgericht hat mit Teilurteil dem Klageantrag zu 1. (Auskunftsanspruch) stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Teilurteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen mit der Maßgabe, daß die Verurteilung zur Auskunftserteilung sich bezieht
zu a)
wie bisher,
zu b) und c)
auf Vorlage sämtlicher Unterlagen, die zur Ermittlung des Nachlaßwertes bezüglich des Hausgrundstückes und des Anwartschaftsrechts hinsichtlich des in Teulada gelegenen Kaufgrundstücks erforderlich sind,
zu d) und e)
wie bisher.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das landgerichtliche Teilurteil mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Urteilsformel hinsichtlich des Auskunftsanspruchs wie folgt neu gefaßt wird:
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 14.8.1969 in Waldkirch (Breisgau) verstorbenen Diplomingenieurs Georg Moritz J. wie folgt zu erteilen:
a)
durch Bekanntgabe des hinterlassenen Barvermögens,
b)
durch Vorlage sämtlicher Unterlagen, die zur Ermittlung des Nachlaßwertes bezüglich des Hausgrundstücks in Wiesbaden, V.straße ..., und zur Ermittlung des Wertes des Anwartschaftsrechts aus dem vom Erblasser mit der spanischen Gesellschaft "U. R. P." geschlossenen Kaufvertrag für den Erwerb eines Grundstücks in Teulada/Provinz Alicante, erforderlich sind,
c)
durch Bekanntgabe der Höhe der Arzt-, Krankenhaus- und Beerdigungskosten,
d)
durch Bekanntgabe etwaiger sonstiger Schulden des Erblassers.
Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen im Berufungsverfahren gestellten Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hat den aus § 2314 Abs. 1 BGB hergeleiteten Auskunftsanspruch der Klägerin für begründet angesehen, da der Erblasser durch das Testament vom 31. Juli 1969 der Klägerin den Pflichtteil, der ihr als Ehefrau gemäß § 2303 Abs. 2 BGB zustehe, nicht wirksam entzogen habe. Sie habe daher als Pflichtteilsberechtigte, die nicht Erbin sei, den geltend gemachten Auskunftsanspruch.
Nach § 2335 BGB kann der Erblasser dem Ehegatten den Pflichtteil entziehen, wenn dieser sich einer Verfehlung schuldig macht, die den Erblasser berechtigt, auf Scheidung zu klagen. Nach § 2336 Abs. 1 und 2 BGB geschieht die Entziehung durch letztwillige Verfügung, wobei der Grund zur Entziehung zur Zeit der Errichtung der Verfügung bestehen und in ihr angegeben sein muß. Die sich hieraus ergebende Rechtslage ist, daß sich der Tatrichter im Erbrechtsstreit an die Stelle des Scheidungsrichters zu versetzen hat, allerdings mit der Maßgabe, daß für das Verfahren der Verhandlungsgrundsatz gilt, daß als Scheidungsgrund nur die in der letztwilligen Verfügung angegebenen Entziehungsgründe in Frage stehen und als maßgebender Zeitpunkt für die Berechtigung des Scheidungsbegehrens der Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung so zu berücksichtigen ist, als wäre er der Tag der letzten mündlichen Verhandlung im Scheidungsrechtsstreit. Die Beweislast hat nach § 2336 Abs. 3 BGB derjenige, der die Entziehung geltend macht. Sonst ist das für die Scheidung geltende Recht uneingeschränkt anzuwenden. Es ist daher zu prüfen, ob die Gründe, die der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung angegeben hat, zur Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Klägerin geführt hätten. Keine Rolle spielt es dabei, ob aus Gründen, die dem Erblasser zur Last fallen, die Scheidung auch aus seinem Verschulden hätte ausgesprochen werden müssen. Es ist daher gleichgültig, ob beide Ehegatten sich verfehlt haben und beide Teile im Scheidungsurteil für schuldig zu erklären sein würden (RGZ 168, 34, 36 f; BGB-RGRK 11. Aufl., § 2335 Anm. 2. und 3.; Staudinger/Ferid, Kommentar zum BGB 10./11. Aufl., § 2335 Rdn. 5).
Hiervon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat jedoch dahingestellt gelassen, ob die Klägerin sich der in der letztwilligen Verfügung angeführten und vom Beklagten behaupteten Verfehlung schuldig gemacht habe, und angenommen, selbst wenn die behauptete Verfehlung der Klägerin das Scheidungsbegehren des Erblassers nach § 43 Satz 1 EheG hätte rechtfertigen können, so wäre es dennoch nach Satz 2 dieser Vorschrift gescheitert. Denn das Recht auf Scheidung bestehe dann nicht, wenn der klagende Ehegatte selbst Verfehlungen begangen habe, die sein Scheidungsbegehren sittlich nicht als gerechtfertigt erscheinen ließen. Von der Klägerin sei aber ausreichend dargelegt worden, daß der Erblasser solche Eheverfehlungen begangen habe. Sie habe geltend gemacht, der Erblasser sei ihr gegenüber mehr und mehr mißtrauisch geworden, obwohl sie in der schon 24 Jahre bestehenden Ehe stets vorbildlich für ihn gesorgt habe. Weiterhin gehöre hierzu der - teilweise nicht bestrittene - Vortrag der Klägerin, der Erblasser habe sich ohne ihr Wissen und gegen ihren und der Ärzte Willen von dem Beklagten aus dem Krankenhaus nach Waldkirch holen lassen. Ihre telefonische Bitte um Überweisung von Geld habe er mit der Bemerkung beantwortet, von ihm werde sie keinen Pfennig mehr erhalten. Ihr Brief vom 22. Juli 1969, in dem sie den Erblasser ebenfalls um dringend benötigtes Geld gebeten habe, sei nicht beantwortet worden. Dafür aber, daß der Erblasser diese Eheverfehlungen nicht begangen habe, habe der Beklagte keine Beweise angetreten, obwohl er hierzu verpflichtet gewesen sei. Angesichts des Vertrages der Klägerin und der entgegenstehenden Behauptungen des Beklagten sei daher die Frage, ob die Voraussetzungen des § 43 Satz 2 EheG hier vorlägen, nicht geklärt. Diese Unklarheit gehe zu Lasten des Beklagten, da er die Beweislast trage und seinen diesbezüglichen Vortrag nicht unter Beweis gestellt habe.
Mit Recht macht die Revision geltend, daß das Berufungsgericht die Verteilung der Beweislast unrichtig beurteilt habe.
Im Erbstreit hinsichtlich des Pflichtteilsentziehungsgrundes des § 2335 BGB ist die Beweislast die gleiche wie im Ehescheidungsprozeß hinsichtlich des Scheidungsgrundes des § 43 Satz 1 EheG. Im Rahmen des § 43 Satz 1 EheG hat der Scheidungskläger nicht nur zu beweisen, daß sein Ehegatte die ihm vorgeworfene Eheverfehlung begangen hat, sondern auch die von seinem Ehegatten hinreichend substantiiert vorgetragene Tatsachen, die einer Beurteilung der seinem Ehegatten vorgeworfenen Verfehlung als schwere Eheverfehlung entgegenstehen, zu widerlegen. Bei der Prüfung, ob eine Eheverfehlung als schwere anzusehen ist, kann nun durchaus auch das vorausgegangene Verhalten des anderen Ehegatten von Bedeutung sein. Bestehen Zweifel, ob unter Berücksichtigung dieses Verhaltens eine schwere Eheverfehlung vorliegt, gehen die Zweifel, falls sie nicht aufzuklären sind, zu Lasten des Scheidungsklägers. Dies hat in der Scheidungsrechtsprechung dazu geführt, daß abweichend von der üblichen Beweislastregelung der Scheidungskläger auch den substantiiert erhobenen Einwand der Notwehr oder der unverschuldeten Notwehrüberschreitung zu widerlegen hat (BGB-RGRK 10./11. Aufl., § 43 Anm. 215; Hoffmann/Stephan, Ehegesetz, 2. Aufl., § 43 Rdn. 55). Der Grund hierfür liegt darin, daß die eingreifende Maßnahme der Ehescheidung nur durchgreifen kann, wenn feststeht, der Ehegatte habe durch eine schwere Eheverfehlung die Ehe so tief zerrüttet, daß die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden kann.
Dementsprechend ist in Rechtsprechung und Rechtslehre angenommen worden, daß den Erben gleichermaßen auch die Beweislast trifft, wenn beim Entziehungsgrund der vorsätzlichen körperlichen Mißhandlung (§ 2333 Ziff. 2 BGB) die Möglichkeit besteht, daß der pflichtteilsberechtigte Abkömmling in Notwehr oder unverschuldeter Notwehrüberschreitung gehandelt hat (RG WarnRspr 1913, Nr. 402; Erman/Bartholomeyczik BGB-Komm., 5. Aufl., § 2236 Anm. 2; Göppinger, FamRZ 1963, 412, 413). Denn auch in diesem Fall kann die Pflichtteilsentziehung nur anerkannt werden, wenn der Entziehungsgrund, nämlich eine rechtswidrige vorsätzliche körperliche Mißhandlung, feststeht.
In gleicher Weise kann auch im Rahmen des § 2335 BGB die Pflichtteilsentziehung nur anerkannt werden, wenn nach Würdigung aller Umstände eine schwere schuldhafte, den Voraussetzungen des § 43 Satz 1 EheG entsprechende Eheverfehlung feststeht. Insoweit aber trifft den Erben die volle Beweislast. Das gilt auch gegenüber dem Einwand der Notwehr oder der unverschuldeten Notwehrüberschreitung.
Nun kann aber, auch wenn die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 EheG feststehen, das Scheidungsbegehren dennoch ungerechtfertigt sein, wenn ihm der Ausschließungsgrund des § 43 Satz 2 EheG entgegensteht, wenn also auch dem Scheidungskläger Verfehlungen vorzuwerfen sind, die nach ihrer Art, insbesondere wegen des Zusammenhangs der Verfehlung seines Ehegatten mit seinem eigenen Verschulden, sein Scheidungsbegehren bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich nicht gerechtfertigt erscheinen lassen. Hierbei handelt es sich um Verfehlungen des Scheidungsklägers, die vor und nach der festgestellten schweren Eheverfehlung seines Ehegatten liegen können und nicht einmal mit dessen schwerer Eheverfehlung im Zusammenhang zu stehen brauchen. Nach einhelliger Rechtsprechung ist aber der Ehegatte, der sich im Scheidungsprozeß auf die Vorschrift des § 43 Satz 2 EheG beruft, dafür beweispflichtig, daß die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen (BGB-RGRK a.a.O. § 43 EheG Anm. 227; Hoffmann/Stephan a.a.O. § 43 EheG Rdn. 58).
Es würde nach Ansicht des Senats aber zu einer ungerechten Einschränkung der Pflichtteilsentziehung führen, wenn man den Erben gegenüber solchen selbständigen Vorwürfen gegen den Erblasser hinsichtlich der Beweislast anders stellen würde als den Scheidungskläger im Scheidungsprozeß. Der Erbe befände sich andernfalls in einer noch ungünstigeren Lage als der Scheidungskläger. In der Regel werden ihm die Tatsachen, die gegen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 43 Satz 2 EheG sprechen könnten, im Gegensatz zum Erblasser gar nicht bekannt sein, so daß ihm in den meisten Fällen der Nachweis der Unwahrheit solcher selbständigen Vorwürfe gegen den Erblasser gar nicht möglich wäre. Die Beweislast kann daher hinsichtlich des Ausschließungsgrundes des § 43 Satz 2 EheG auch nicht anders beurteilt werden als im Scheidungsprozeß. Daß mit der Bestimmung des § 2336 Abs. 2 BGB, wonach der Beweis des Grundes demjenigen obliegt, welcher die Entziehung geltend macht, eine andere Verteilung der Beweislast auch im Hinblick auf § 43 Satz 2 EheG bezweckt gewesen sei, ist schon deshalb ausgeschlossen, weil es bei Erlaß der erbrechtlichen Bestimmung den Ausschließungsgrund des § 43 Satz 2 EheG nicht gab, diese Regelung vielmehr erst unter Aufhebung des § 1568 BGB durch die Ehegesetze 1938 und 1946 erfolgte. Es besteht daher kein Anlaß, die Beweislast beim Ausschließungsgrund des § 43 Satz 2 EheG anders zu beurteilen als bei sonstigen Ausschließungsgründen, wie zum Beispiel bei der Verzeihung im Sinne des § 49 EheG bzw. des § 2337 BGB (BGH NJW 1961, 1718).
Das Berufungsgericht durfte daher nicht dahingestellt lassen, ob die Klägerin eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 43 Satz 1 EheG begangen hat. Es hätte vielmehr zunächst unter Eingehung auf die angetretenen Beweismittel und unter Würdigung des gespannten Verhältnisses der Ehegatten die Frage prüfen und entscheiden müssen, ob der Klägerin eine schwere Eheverfehlung, die den Voraussetzungen des § 43 Satz 1 EheG entspricht, nachzuweisen ist. Erst wenn eine solche positive Feststellung getroffen war, konnte sich die Frage stellen, ob dem Scheidungsbegehren des Erblassers möglicherweise die Vorschrift des § 43 Satz 2 EheG entgegensteht. Hierbei müssen dann allerdings im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts nicht aufzuklärende Tatsachen zu Lasten der Klägerin gehen.
Um dem Berufungsgericht die hier noch erforderliche Aufklärung zu ermöglichen, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3018687 |
NJW 1974, 696 |
NJW 1974, 696-697 (Volltext mit amtl. LS) |
MDR 1974, 476 (Volltext mit amtl. LS) |