Leitsatz (amtlich)
Klagt der ursprüngliche Inhaber einer sicherungshalber abgetretenen Forderung diese zulässig in gewillkürter Prozeßstandschaft ein und tritt erst danach sein Vermögensverfall zutage, so bestehen jedenfalls dann keine Bedenken gegen die Fortdauer seiner Prozeßführungsbefugnis, wenn der Zessionar für den Fall des Unterliegens dem Gegner Bankbürgschaften anbietet, die dessen volles Prozeßkostenrisiko abdecken (Fortführung von Senatsurteilen BGHZ 96, 151; NJW 1989, 1932 und vom 11. Mai 1989 – VII ZR 150/88 = BauR 1989, 610 = ZfBR 1989, 199).
Normenkette
ZPO § 51 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Saarbrücken |
Saarländisches OLG |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 16. Dezember 1988 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen worden ist. In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Restwerklohn in Höhe von noch 1.199.075,52 DM nebst Zinsen. Sie führte aufgrund Vertrages vom 5. November 1979 mit dem Beklagten Erd-, Maurer- und Rohrverlegungsarbeiten für den Hauptsammler in O. durch.
Die Klägerin trat die Werklohnforderung bereits vor Klageerhebung an die Kreissparkasse S. ab. Mit am 23. März 1984 eingegangener Klage machte die Klägerin den von ihr in der Schlußrechnung vom September 1983 ermittelten Restwerklohn erstmals – entsprechend der Ermächtigung der Zessionarin im eigenen Namen – gerichtlich geltend; die erwähnte Abtretung offenbarte sie zunächst nicht. Am 11. Dezember 1985 wurde die Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen mangels kostendeckender Masse abgelehnt.
Die Klägerin hat von dem Beklagten – bereits im landgerichtlichen Verfahren – zuletzt Zahlung an die Kreissparkasse verlangt. Der Beklagte ist der Forderung und der Prozeßführung durch die Klägerin entgegengetreten. Die Klägerin befindet sich mittlerweile in Liquidation. Seit Januar 1986 ist die Abtretung offengelegt.
Die vor dem Landgericht zum größten Teil obsiegende Klägerin hat – in Höhe von 2.052.592 DM, wovon 38.000 DM auf erstinstanzliche Kosten entfallen sollen – Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische Bürgschaft der genannten Kreissparkasse erbracht. In der mündlichen Berufungsverhandlung bot die Klägerin zudem „zur Absicherung aller dem Beklagten eventuell aus der Fortführung des Rechtsstreits erwachsenden Kostenerstattungsansprüche” eine Bürgschaft der Sparkasse über weitere 60.000 DM an. Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten lehnte jedoch den Abschluß eines Bürgschaftsvertrages als nicht von seiner Vollmacht gedeckt ab. Das von der Klägerin nach Abschluß der mündlichen Berufungsverhandlung, aber vor Verkündung des Berufungsurteils, wiederholte Angebot, einen entsprechenden Bürgschaftsvertrag abzuschließen, nahm der Beklagte ebenfalls nicht an.
Das Landgericht hat der Klage – im weiterverfolgten Umfang – stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie für unzulässig gehalten und abgewiesen. Mit der – angenommenen – Revision, die der Beklagte zurückzuweisen bittet, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht nimmt an, es liege kein schutzwürdiges Eigeninteresse der Klägerin an der Geltendmachung des fremden Rechts im eigenen Namen vor. Es sei zu besorgen, daß gegen die Klägerin gegebenenfalls weder Kostenerstattungsansprüche des Beklagten noch Gebührenforderungen der Landeskasse durchgesetzt werden könnten.
Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf jemand ein fremdes Recht aufgrund einer ihm von dem Berechtigten erteilten Ermächtigung im eigenen Namen im Prozeß verfolgen, sofern er hieran ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat (sog. gewillkürte Prozeßstandschaft; vgl. BGHZ 100, 217, 218 m. N.; zuletzt Senatsurteil NJW 1989, 1932 und vom 11. Mai 1989 – VII ZR 150/88 = BauR 1989, 610 = ZfBR 1989, 199).
2. Die Ermächtigung muß wirksam erteilt worden sein und darf nicht nachträglich entfallen sein.
Das hat das Berufungsgericht jedoch ohne Rechtsirrtum angenommen. Anhaltspunkte für eine von vornherein bestehende Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) der Ermächtigung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Daß im Zeitpunkt der Abtretung und Ermächtigung die Sittenwidrigkeit begründende Umstände vorgelegen hätten, ist nicht dargetan. Insbesondere kann nach dem Sach- und Streitstand nicht etwa angenommen werden, die Ermächtigung sei in dem Bewußtsein oder gar mit dem Ziel der „Risikoverlagerung” erteilt worden. Die Ermächtigung ist auch nicht nachträglich sittenwidrig geworden; es kommt insoweit auf die Verhältnisse im Zeitpunkt ihrer Erteilung an (Senatsurteil NJW 1989, 1932, 1933 m. N.). Schließlich hat die Sparkasse die Ermächtigung auch nie widerrufen.
3. Ein eigenes schutzwürdiges Interesse der Klägerin daran, die Klageforderung im eigenen Namen gegen den Beklagten weiter gerichtlich geltend zu machen, ist entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hier zu bejahen.
a) Das schutzwürdige Eigeninteresse ist beispielsweise angenommen worden, wenn der Verkäufer einer abgetretenen Forderung diese wegen der ihn treffenden Gewährleistung aus § 437 BGB einklagt (BGH NJW 1979, 924, 925). Dieses Interesse ist ferner anzuerkennen, wenn der Zedent abgetretene Gewährleistungsansprüche geltend macht, weil im Falle der Nichtdurchsetzbarkeit der abgetretenen Rechte seine subsidiäre Eigenhaftung wieder auflebt (vgl. Senatsurteil BGHZ 70, 389, 394). Ganz ähnlich liegt es im Streitfall, in dem die Klägerin ihre behaupteten Ansprüche „zur Deckung von Schulden” an die Sparkasse abgetreten hat. Hier ist zudem durch die landgerichtliche Beweisaufnahme ein Prozeßstand erreicht, dessen Erhalt allein vernünftiger wirtschaftlicher Prozeßführung entspricht und deshalb beiden Prozeßparteien nur dienlich sein kann. Auch angesichts dessen sind an die Fortdauer des Eigeninteresses des ursprünglichen Gläubigers der eingeklagten Forderung an deren Geltendmachung keine zu strengen Anforderungen zu stellen (vgl. etwa Senatsurteil NJW 1989, 1932, 1933).
b) Schutzwürdig ist dieses Interesse der Klägerin allerdings nur dann, wenn der Beklagte durch die gewählte Art der Prozeßführung nicht unbillig benachteiligt wird (BGHZ 96, 151, 155 f.). Auch das ist hier aber nicht der Fall.
Es kann schon nicht unterstellt werden, daß mit der gewählten Verfahrensweise der Zweck verfolgt wird, den Beklagten ungerechtfertigt schlechterzustellen. Für eine solche Annahme fehlt nach den Feststellungen jeder konkrete Anhaltspunkt. Gegen sie spricht das Bestreben der Klägerin, den Beklagten wegen seines ihm bei erfolgloser Klage zustehenden Kostenerstattungsanspruches vorab durch Bürgschaft gerade der Zessionarin zu sichern. Diese Bemühungen der Klägerin werden auch nicht dadurch in Frage gestellt oder gar vollends entwertet, daß der Beklagte sie für unzureichend bzw. verspätet gehalten hat. Die Annahme des Angebots auf Abschluß eines Bürgschaftsvertrages hätte dem Beklagten keinesfalls nachteilig sein können.
c) Auch dem Senatsurteil BGHZ 96, 151 (vgl. dazu Boecken/Krause NJW 1987, 420; Bülow WuB VII A § 51 Abs. 1 ZPO 1.86; Crezelius EWiR 1986, 203; Olzen JR 1986, 289; K. Schmidt JuS 1986, 318), auf das sich das Berufungsurteil zu Unrecht beruft, ist nichts anderes zu entnehmen. Aus dieser Entscheidung folgt lediglich, daß einer überschuldeten, vermögenslosen GmbH oder GmbH & Co. KG, die keine Aussicht hat, die Geschäfte fortzuführen, in aller Regel das schutzwürdige Eigeninteresse daran fehlt, abgetretene Forderungen nach Offenlegung der Abtretung im eigenen Namen und auf eigene Kosten mit Ermächtigung des neuen Gläubigers zu dessen Gunsten einzuklagen. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der verklagten Partei ist nach dem genannten Senatsurteil regelmäßig darin zu sehen, daß der ihr bei erfolgloser Klage zustehende Kostenerstattungsanspruch infolge Zahlungsunfähigkeit des Prozeßstandschafters aller Voraussicht nach nicht durchzusetzen ist (vgl. a.a.O. S. 155 m. N.). Diese Grundsätze beruhen auf der Überlegung, daß ein erkennbarer Mißbrauch der gewillkürten Prozeßstandschaft nicht hingenommen werden kann (a.a.O. S. 156; vgl. auch Senatsurteil BauR 1989, 610, 611 = ZfBR 1989, 199, 200).
Die Annahme eines solchen Mißbrauchs drängte sich im Falle BGHZ 96, 151 schon aus der zeitlichen Abfolge der maßgebenden Umstände auf, insbesondere der Ablehnung der Konkurseröffnung über das Vermögen der späteren Klägerin, dann erst Offenlegung der Abtretung, Eingeständnis der Überschuldung der späteren Klägerin, schließlich Klageerhebung durch sie und ihre Ermächtigung durch die Zessionarin. Ganz anders liegt es im vorliegenden Fall, in dem der Vermögensverfall erst über 1 1/2 Jahre nach Einreichung der Klage zutage getreten ist. Unter den hier gegebenen Umständen liegt ein Mißbrauch nicht vor. Dem Risiko, von einem Kläger in Anspruch genommen zu werden, der bei erfolgloser Klage Kostenerstattungsansprüche nicht befriedigen kann, ist ohnehin jeder Beklagte ausgesetzt. Auf die Frage eines etwaigen realisierbaren Kostenerstattungsanspruchs des Beklagten kommt es somit nicht mehr entscheidend an. Das gleiche gilt für die hier zu unterstellende Gerichtsgebührenfreiheit des Beklagten; denn dadurch dürfen die Rechte der Klägerin nicht verkürzt werden.
Dieses Ergebnis ist allein sach- und interessengerecht. Auch hier (vgl. etwa Senatsurteil BGH NJW 1989, 1932, 1934) ist nicht zu verkennen, daß die Klägerin der ursprüngliche Vertragspartner des Beklagten war. Ohne die Abtretung an die Sparkasse wäre die Klägerin zu allen Zeiten der allein in Frage kommende Prozeßgegner des Beklagten gewesen, mit der sich dieser zuvor aus freien Stücken zur Vertragspartnerschaft verbunden hatte. Eine nicht hinnehmbare „gezielte Prozeßrollenverschiebung” – und damit ein Mißbrauch – liegt daher nicht vor (vgl. dazu etwa Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 65 VII 4).
Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob § 561 ZPO der Berücksichtigung der unstreitigen Tatsache entgegensteht, daß die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 8. Mai 1989 eine neuerliche Bürgschaftserklärung der Kreissparkasse S. vom 24. April 1989 Übersandt hat. In dieser bietet die Sparkasse an, „gegenüber dem Beklagten für die diesem gegenüber der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreites in 1., 2. und/oder 3. Instanz entstehenden bzw. bereits entstandenen Kostenerstattungsansprüche (Anwalts- und Gerichtskosten) die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrage von 175.000 DM” zu übernehmen. Der Beklagte hat sich hierzu nicht abschließend geäußert (zur Beachtlichkeit neuer Tatsachen im Revisionsverfahren vgl. BGHZ 85, 288, 290).
4. Nach alledem kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben; es ist aufzuheben. Da hinreichende tatrichterliche Feststellungen des Berufungsgerichts zur sachlichen Berechtigung der der Klägerin vom Landgericht zugesprochenen Forderung fehlen, ist der Senat zu eigener abschließender Entscheidung nicht in der Lage (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Sache ist daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 609649 |
NJW 1990, 1117 |
KTS 1990, 627 |
ZIP 1990, 330 |