Entscheidungsstichwort (Thema)
bandenmäßige Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 31. Mai 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des bandenmäßigen Handeltreibens und der bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG) aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft.
Die Strafkammer hat es als nicht erwiesen angesehen, daß sich der Angeklagte an einem Handel mit 13,78 kg Heroin (7352 Gramm Heroinhydrochlorid) und dessen unerlaubter Einfuhr aus dem Kosovo in die Bundesrepublik Deutschland in den Türschwellern eines PKW Renault Laguna am 6. November 2000 gegen 0.30 Uhr beim Grenzübergang Kiefersfelden-Autobahn beteiligte, und er den geplanten, durch den Zugriff der Polizei aber vereitelten Weitertransport des Betäubungsmittels nach Schweden begleiten und dieses dort an die Abnehmer vereinbarungsgemäß übergeben sollte.
Die Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Ihre Revision hat mit der Aufklärungsrüge Erfolg (Verstoß gegen § 244 Abs. 2 StPO).
Entscheidungsgründe
II.
Die Staatsanwaltschaft beanstandet, das Gericht habe es versäumt, eine sachverständige vergleichende (morphologische) Untersuchung der an den Klebebändern des Verpackungsmaterials des Heroins gefundenen elf Haaren mit einer bereits gesicherten Haarprobe des Angeklagten zu veranlassen. Das Gutachten hätte ergeben, „daß zwischen den eigenen Haaren des Angeklagten und den Spurenhaaren Übereinstimmung besteht”. „Das Gericht hätte sich zu dieser Beweiserhebung trotz unterlassenen Beweisantrags gedrängt fühlen müssen, da sich dieses (neue) Beweismittel aus den Akten ergibt”, wie die Revision dann im einzelnen darlegt.
1. Die Aufklärungsrüge ist zulässig. Sie genügt der durch § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Form.
Die Beweistatsache – die Spurenhaare stammen vom Angeklagten –, das Beweismittel – haarvergleichendes Sachverständigengutachten – sowie die Umstände, die für die Beurteilung der Frage, ob sich dem Gericht die vermißte Beweiserhebung aufdrängen mußte (vgl. BGH NStZ 1999, 45, 46) sind hinreichend dargetan. Insbesondere ist das Beweismittel ausreichend bestimmt. Das vom Sachverständigen anzuwendende Untersuchungsverfahren mußte nicht näher bezeichnet werden (vgl. BGHSt 39, 49, 52). Ein Sachverständiger hat in eigener Verantwortung über seine Untersuchungsmethoden und den Umfang seiner Erhebungen zu entscheiden (BGHSt 44, 26, 33; BGH NStZ 1999, 630 632), und ggf. auf nach dem Stand der Wissenschaft besser geeignete – alternative – Untersuchungsmethoden auch anderer Fachrichtungen hinzuweisen. Solche – unvorhersehbaren – Details der Vorbereitung eines grundsätzlich als Beweismittel geeigneten Sachverständigengutachtens muß die Revisionsbegründung auch dann nicht vortragen, wenn vor der Anwendung bestimmter Untersuchungsmethoden aus Rechtsgründen noch ergänzende Gerichtsbeschlüsse erforderlich sein sollten, wie etwa bei der DNA-Analyse (§ 81 f Abs. 1 Satz 1 StPO). Es ist deshalb unerheblich, daß die Staatsanwaltschaft in der Revisionsbegründung primär auf eine morphologische Untersuchung der Haare abstellt, worauf der Klammerzusatz hindeutet, während – wie sich erst später ergab – voraussichtlich nur eine DNA-Analyse zu einem aussagekräftigen Ergebnis beim Vergleich der Spurenhaare (Schamhaare) mit den bereits entnommenen Kopfhaaren des Angeklagten führen kann. Daß die Staatsanwaltschaft mit dem Klammerzusatz andere Untersuchungsmethoden als eine morphologische Begutachtung außer Betracht lassen wollte, ist auszuschließen.
2. Die Aufklärungsrüge ist begründet.
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Vergleich der an der Verpackung des Heroins sichergestellten Haare mit den Haaren des Angeklagten hätte sich der Strafkammer aufdrängen müssen, obwohl die Staatsanwaltschaft schon im Ermittlungsverfahren, auch unter dem Aspekt der Regelung des § 160 Abs. 2 StPO, die Untersuchung selbst hätte veranlassen und jedenfalls angesichts der Bedeutung der Beweistatsache in der Hauptverhandlung einen entsprechenden Antrag hätte stellen müssen. Die Strafkammer war deshalb im Rahmen ihrer Aufklärungspflicht gehalten, ein derartiges Sachverständigengutachten von Amts wegen einzuholen (§ 244 Abs. 2 StPO).
Vor dem Hintergrund der von der Strafkammer dargestellten Beweissituation lag hier der Rückgriff auf die an den Klebebändern des Verpackungsmaterials des geschmuggelten Heroins sichergestellten Haare, deren Existenz und deren Beweisbedeutung den Akten (bis zu Anklage 263 Blatt) unschwer zu entnehmen war, nahe, zumal die Strafkammer bei ihrer Beweiswürdigung ausdrücklich auf das Fehlen eines Sachbeweises für die Täterschaft des Angeklagten, wie z.B. Fingerspuren, abstellt. Der Vergleich der Haare mit den bereits zur toxikologischen Untersuchung sichergestellten Kopfhaaren oder – erforderlichenfalls – anderer noch zu entnehmender Körperhaare oder sonstiger Körperzellen des Angeklagten (§ 81a StPO) mittels Sachverständigengutachtens ist geeignet, den von der Strafkammer vermißten konkreten Anhaltspunkt für die Beteiligung des Angeklagten an der Tat zu liefern.
Auf der versäumten Beweiserhebung beruht das Urteil. Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß die Strafkammer, hätte sich ergeben, daß die Haare am Klebeband der Heroinverpackung vom Angeklagten stammen, anders entschieden hätte.
III.
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Zuerkennung von Haftentschädigung ist damit gegenstandslos.
Unterschriften
Schäfer, Nack, Wahl, Schluckebier, Hebenstreit
Fundstellen
Haufe-Index 682520 |
StV 2004, 304 |