Leitsatz (amtlich)
Dem Geschädigten steht ein Erstattungsanspruch im Hinblick auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nur dann zu, wenn er im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist (st.Rspr., BGH, Urt. v. 21.6.2011 - VI ZR 73/10 Rz. 8 m.w.N.).
Eine Tätigkeit in derselben Angelegenheit kann auch dann vorliegen, wenn der Rechtsanwalt einheitlich mit der Abwehr von inhaltlich übereinstimmenden Folgeberichterstattungen verschiedener Schädiger beauftragt wird.
Normenkette
RVG § 15 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 07.09.2017; Aktenzeichen 27 S 1/17) |
AG Berlin-Charlottenburg (Entscheidung vom 15.12.2016; Aktenzeichen 205 C 225/16) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 27 des LG Berlin vom 7.9.2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin, eine Schauspielerin, nimmt die Beklagte auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Die Beklagte betreibt die Internetseite ww. Sie hatte unter Verwertung eines Berichts der Zeitung "Bild" unter der Überschrift "Der Staatsanwalt ermittelt gegen sie"; "Bei der Schauspielerin steht Ärger an. Es geht um den Verstoß gegen das Waffengesetz. Was hat [Klägerin] bloß angestellt?" folgendes berichtet:
"[Klägerin] gehört definitiv zu den Schauspielerinnen, die privat kaum für Aufsehen sorgen. Das hat sich jetzt offenbar geändert. Wie die Bild-Zeitung berichtet, wird gegen die zweifache Mutter ermittelt! Der Tatvorwurf: Verstoß gegen das Waffengesetz! (...) Was ist bloß passiert? Bei einer Routine-Kontrolle am Flughafen Tegel im März hatte die Schauspielerin offenbar ein nicht zugelassenes Reizstoffsprühgerät, auch Pfefferspray genannt, bei sich. Und wurde prompt erwischt. Für die Staatsanwaltschaft ein Grund zu ermitteln. Wieso genau [Klägerin] sich damit "bewaffnet" hatte, ist noch unklar. Dazu äußern wollte sie sich bis jetzt nicht."
Rz. 2
Das im Parallelverfahren beklagte Medienunternehmen hatte auf der von ihm betriebenen Internetseite unter der Überschrift "Berliner Justiz ermittelt gegen ...-Star" folgendes berichtet:
"Gegen Schauspielerin [Klägerin], bekannt als ..., läuft offenbar ein Ermittlungsverfahren. Nach Informationen der "Bild"-Zeitung vom Donnerstag fiel [Klägerin] am 15. März bei einer Kontrolle am Flughafen Berlin Tegel auf. Demnach entdeckten die Flughafenmitarbeiter ein "nicht zugelassenes Reizstoffsprühgerät" bei der []-Jährigen. Nun ermittle die Staatsanwaltschaft Berlin wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz. Bis jetzt habe sich [Klägerin] nicht selbst geäußert. Die Staatsanwaltschaft Berlin war am Freitag morgen zunächst nicht für Nachfragen erreichbar. [Klägerin] hatte sich nach der Kölner Silvesternacht mit den Opfern solidarisiert. In Anlehnung an den Slogan nach der Attentate gegen das französische Satiremagazin Charlie Hebdo ... trug die Schauspielerin ... ein T-Shirt mit der Botschaft ..."
Rz. 3
Nach einer Abmahnung gab die Beklagte - ebenso wie das im Parallelverfahren beklagte Medienunternehmen - eine Unterlassungserklärung ab und entfernte den beanstandeten Artikel. Die Zahlung der von der Klägerin aus einem Streitwert von 20.000 EUR geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.171,67 EUR lehnte sie ab.
Rz. 4
Das AG hat die Beklagte zur Zahlung der Kosten in der geltend gemachten Höhe nebst Zinsen verurteilt. Das LG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision hinsichtlich der Frage zugelassen, ob eine einheitliche Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 RVG vorliege. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 5
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, bei den Abmahnschreiben gegenüber der Beklagten und dem im Parallelverfahren beklagten Medienunternehmen handle es sich nicht um dieselbe Angelegenheit. Anwaltliche Leistungen beträfen eine Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang bestehe und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmten, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst und in einem einheitlichen Vorgehen - bspw. in einem einheitlichen Abmahnschreiben - geltend gemacht werden könnten, wie etwa die Inanspruchnahme mehrerer Schädiger als Gesamtschuldner oder wegen der gleichen Berichterstattung. Verschiedene Angelegenheiten lägen dagegen vor, wenn inhaltlich zwar ähnliche, gleichwohl voneinander unabhängige Veröffentlichungen betroffen seien und die Schädiger auch nicht als Gesamtschuldner hafteten.
Rz. 6
So liege es hier. Die Beklagte und das im Parallelverfahren beklagte Medienunternehmen gehörten zwar zu der gleichen Unternehmensgruppe, seien aber rechtlich selbständig und hätten eigenständig und unternehmerisch unabhängig die Erstveröffentlichung eines dritten Medienunternehmens für ihre eigenen Berichterstattungen verwendet. Auch wenn die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigten einheitlich mit dem Unterbinden dieser Veröffentlichungen beauftragt habe und diese die Medienunternehmen mit ähnlich formulierten Schreiben auf Unterlassung in Anspruch genommen hätten, handele es sich gleichwohl um verschiedene Angelegenheiten. Denn es hätten voneinander unabhängige Rechtsverletzungen durch rechtlich und unternehmerisch eigenständige Schädiger vorgelegen. Es habe für die Klägerin keine Veranlassung bestanden, sie zwingend gemeinsam in Anspruch zu nehmen, schon weil sie unterschiedliche Sitze hätten, voneinander verschiedene Produkte mit unterschiedlichem Verbreitungsspektrum vertrieben, sich die Berichterstattungen inhaltlich voneinander unterschieden und sich die Klägerin nicht in die zahlenmäßige Unterlegenheit begeben müsse. Dass die Prozessbevollmächtigten die Angelegenheiten unter dem gleichen Aktenzeichen betrieben hätten, betreffe allein deren innere Arbeitsorganisation und könne allenfalls ein Indiz in einem hier nicht vorliegenden Zweifelsfall darstellen.
II.
Rz. 7
Die Revision hat Erfolg. Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung im Rahmen des beschränkten Umfangs der Revisionszulassung nicht stand.
Rz. 8
1. Das Berufungsgericht hat die Revision - worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist - lediglich hinsichtlich der Frage zugelassen, ob eine einheitliche Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 2 RVG vorliegt, und sie damit auf die Höhe des gegen die Beklagte bestehenden Zahlungsanspruchs beschränkt (vgl. BGH, Urt. v. 8.12.1998 - VI ZR 66/98, NJW 1999, 500 unter II 1; v. 3.8.2010 - VI ZR 113/09, NJW 2010, 3037 Rz. 7 ff.; BGH, Urt. v. 27.9.2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rz. 18). Gegen die Bejahung eines Schadensersatzanspruchs wegen der Kosten des mit der Sache befassten Rechtsanwalts dem Grunde nach (vgl. BGH, Urt. v. 8.11.1994 - VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350; v. 4.12.2007 - VI ZR 277/06, VersR 2008, 413 Rz. 13 m.w.N.; v. 4.3.2008 - VI ZR 176/07, VersR 2008, 985 Rz. 5) wendet sich die Revision nicht.
Rz. 9
2. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, Urt. v. 3.8.2010 - VI ZR 113/09, VersR 2011, 896 Rz. 12; v. 12.7.2011 - VI ZR 214/10, NJW 2011, 3657 Rz. 15; jeweils m.w.N.). Das ist hier - wie die Revision zu Recht rügt - aus zwei Gründen der Fall.
Rz. 10
3. Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, dass dem Geschädigten ein Erstattungsanspruch im Hinblick auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nur dann zusteht, wenn er im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist. Feststellungen dazu hat es nicht getroffen.
Rz. 11
a) Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch im geltend gemachten Umfang ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (st.Rspr., BGH, Urt. v. 26.5.2009 - VI ZR 174/08, AfP 2009, 394 Rz. 20; v. 27.7.2010 - VI ZR 261/09, AfP 2010, 469 Rz. 14 m.w.N.).
Rz. 12
b) Zu dem Innenverhältnis hat das Berufungsgericht (lediglich) festgestellt, dass die Klägerin ihre Rechtsanwälte am 13.5.2016 beauftragt habe, gegen die Beklagte vorzugehen. Weitere Feststellungen zum Inhalt des Auftrags und seiner Abrechnung gegenüber der Klägerin hat es nicht getroffen, weil es dies nicht für erheblich gehalten hat. Insbesondere ist ungeklärt geblieben, ob der Auftrag auch die Abwehr von Berichterstattungen zu demselben Vorfall in anderen Veröffentlichungen umfasste, welche Veröffentlichungen insoweit ggf. betroffen waren und ob zwischen der Klägerin und ihren Rechtsanwälten Vereinbarungen über die Abrechnungsmodalitäten getroffen worden sind.
Rz. 13
c) Einen Erstattungsanspruch für Rechtsanwaltskosten in der geltend gemachten Höhe hätte das LG nach den obigen Grundsätzen aber nur auf der Grundlage der Feststellung bejahen dürfen, dass die Klägerin ihren Rechtsanwälten im Innenverhältnis zur Zahlung des geltend gemachten Betrags verpflichtet ist. Zu Recht macht die Revision geltend, dass die Beklagte dies in Zweifel gezogen und das Fehlen entsprechenden klägerischen Vortrags mehrfach gerügt hat.
Rz. 14
Soweit das Berufungsgericht und ihm folgend die Revisionserwiderung meinen, auf die Frage, ob die Klägerin im Innenverhältnis Zahlungen geleistet habe, komme es nicht an, weil ein etwaiger Freistellungsanspruch wegen der Ablehnung der Schadensersatzpflicht durch die Beklagte in einen Zahlungsanspruch umgewandelt worden sei (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.2004 - XI ZR 355/02, NJW 2004, 1868 unter II A 1 - Freistellung von einer Darlehensverbindlichkeit), greift das zu kurz. Unabhängig davon, ob sich ein etwaig bestehender Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat, ist zu klären, ob die im Außenverhältnis geforderten Gebühren im Innenverhältnis tatsächlich entstanden sind (§ 15 Abs. 2 RVG).
Rz. 15
Dafür kommt es, wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen hat, zunächst darauf an, ob im Innenverhältnis zwischen der Klägerin und ihren Rechtsanwälten eine oder mehrere Angelegenheiten vorlagen. Diese Frage lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insb. der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist (BGH, Urt. v. 19.10.2010 - VI ZR 237/09, AfP 2010, 573 Rz. 16 m.w.N.). Ohne Feststellungen zum Innenverhältnis kann daher schon nicht davon ausgegangen werden, dass der Auftrag, gegen die Folgeberichterstattung vorzugehen, gegenüber jedem Schädiger jeweils eine eigene Gebühr ausgelöst hat. Sie sind ferner erforderlich, weil der Rechtsanwalt mit seinem Auftraggeber in außergerichtlichen Angelegenheiten eine niedrigere als die gesetzliche Vergütung vereinbaren kann (§ 4 Abs. 1 RVG). Zu einem schlüssigen Vortrag gehört daher auch die Darlegung, ob nach den gesetzlichen Gebühren abgerechnet und was ggf. Abweichendes vereinbart worden ist (vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 12 UWG Rz. 1.121).
Rz. 16
4. Zu Recht rügt die Revision weiter, das Berufungsgericht habe bei seiner Schätzung den Begriff der Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne (§ 15 Abs. 2 RVG) verkannt und die Umstände des Streitfalls nicht ausreichend gewürdigt. Denn es hat ohne Würdigung der konkreten Umstände angenommen, dass ein von ihm unterstellter einheitlich auf Unterbindung der Folgeberichterstattung gerichteter Auftrag der Klägerin allein deshalb mehrere Angelegenheiten betrifft, weil wegen unterschiedlicher Veröffentlichungen gegen verschiedene rechtlich selbständige Medienunternehmen vorzugehen war.
Rz. 17
a) Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann (BGH, Urt. v. 26.5.2009 - VI ZR 174/08, AfP 2009, 394 Rz. 23; v. 12.7.2011 - VI ZR 214/10, NJW 2011, 3657 Rz. 22). Ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann grundsätzlich auch dann noch vorliegen, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann durchaus mehrere Gegenstände umfassen. Für einen einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit reicht es grundsätzlich aus, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinn einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen - z.B. in einem einheitlichen Abmahnschreiben - geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang zwischen den anwaltlichen Leistungen ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören (BGH, Urt. v. 27.7.2010 - VI ZR 261/09, AfP 2010, 469, Rz. 16; v. 1.3.2011 - VI ZR 127/10, NJW 2011, 2591 Rz. 9, jeweils m.w.N.).
Rz. 18
b) Der verfahrensrechtliche Zusammenhang wird bei einem außergerichtlichen Vorgehen gegen verschiedene Schädiger nicht schon allein dadurch gesprengt, dass an jeden Schädiger ein (eigenes) Abmahnschreiben zu richten ist (BGH, Urt. v. 27.7.2010 - VI ZR 261/09, AfP 2010, 469, Rz. 16; v. 19.10.2010 - VI ZR 237/09, AfP 2010, 573 Rz. 19; v. 1.3.2011 - VI ZR 127/10, NJW 2011, 2591 Rz. 10; vgl. auch BGH, Urt. v. 3.5.2005 - IX ZR 401/00, NJW 2005, 2927 Rz. 13 für die Verhandlungen mit mehreren Gläubigern im Zuge von Sanierungsbemühungen; BGH, Beschl. v. 6.6.2013 - IX ZR 312/12, AGS 2013, 323 Rz. 5, vorgehend OLG Hamm, AGS 2013, 321 Rz. 73 ff. - für Verkaufsverhandlungen mit mehreren Interessenten; OLG Düsseldorf JurBüro 1982, 1507 für 35 gleichlautende warenzeichenrechtliche Abmahnungen an verschiedene Gesellschaften).
Rz. 19
Auch die (außergerichtliche) Inanspruchnahme verschiedener Schädiger kann daher eine einzige Angelegenheit sein. Das kommt bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen insb. dann in Betracht, wenn den Schädigern eine gleichgerichtete Verletzungshandlung vorzuwerfen ist und demgemäß die erforderlichen Abmahnungen einen identischen oder zumindest weitgehend identischen Inhalt haben. Dabei kommt es nicht darauf an, dass jede Abmahnung wegen der verschiedenen Rechtspersönlichkeiten gegenüber jedem Schädiger ein eigenes rechtliches Schicksal haben kann. Sofern die Reaktionen der verschiedenen Schädiger auf gleichgerichtete Abmahnungen nicht einheitlich ausfallen und deshalb eine differenzierte Bearbeitung durch den Rechtsanwalt erfordern, können aus der ursprünglich einheitlichen Angelegenheit mehrere Angelegenheiten entstehen (BGH, Urt. v. 19.10.2010 - VI ZR 237/09, AfP 2010, 573 Rz. 19; v. 1.3.2011 - VI ZR 127/10, NJW 2011, 2591 Rz. 10, 14, jeweils m.w.N.).
Rz. 20
c) Nach diesen Grundsätzen ist hier bei Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls - ein einheitlicher Auftrag unterstellt - nur eine Angelegenheit gegeben.
Rz. 21
aa) Bei den streitgegenständlichen Veröffentlichungen handelt es sich um jeweils nicht einmal eine Seite umfassende Textberichterstattungen bestehend aus wenigen Sätzen. Sie berichten inhaltlich übereinstimmend denselben Sachverhalt, gehen auf dieselbe Quelle - einen Bericht in der Bildzeitung vom Vortag - zurück und weichen lediglich in unerheblicher Weise in den Formulierungen sowie im Hinblick auf hier nicht relevante Einzelheiten voneinander ab. Die Anwälte der Klägerin haben die Beklagte sowie das im Parallelverfahren in Anspruch genommene Medienunternehmen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit ähnlich formulierten Schreiben abgemahnt.
Rz. 22
bb) Den inneren Zusammenhang zwischen den jeweils die Abwehr einer Folgeberichterstattung betreffenden verschiedenen Gegenständen stellt das Berufungsgericht zu Recht nicht in Frage. Er wird dadurch hergestellt, dass es sich bei beiden Veröffentlichungen um inhaltlich übereinstimmende Folgeberichterstattungen aus derselben Quelle handelt, die durch den - unterstellt - einheitlichen Auftrag, die Folgeberichterstattung abzuwehren, zusammengefasst werden.
Rz. 23
cc) Auch stimmen die anwaltlichen Leistungen in Bezug auf die Abwehr der Folgeberichterstattungen sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend überein, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Es handelt sich um gleichgerichtete Unterlassungsansprüche wegen inhaltlich identischer Aussagen, die durch den unterstellt einheitlichen Auftrag zur Abwehr der Folgeberichterstattung auch eine gleiche Zielsetzung aufweisen. Allein die Tatsache, dass es sich um mehrere Schädiger mit eigenständiger Rechtspersönlichkeit handelt, rechtfertigt demgegenüber nicht die Annahme, dass der einheitliche Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprengt sei.
Rz. 24
dd) Soweit das Berufungsgericht seine Ansicht auch darauf stützt, dass die Beklagte im hiesigen Verfahren sowie die Beklagte im Parallelverfahren nicht als Gesamtschuldner hafteten, greift das nicht durch. Schuldner eines Unterlassungsanspruchs haften ohnehin nicht als Gesamtschuldner (§ 421 BGB), ohne dass es darauf ankommt, ob die Unterlassungsansprüche dieselbe Veröffentlichung oder verschiedene Veröffentlichungen betreffen. Ob im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch eine Gesamtschuld vorliegt, hängt wiederum davon ab, ob eine oder mehrere Angelegenheiten gegeben sind. Handelt es sich um eine Angelegenheit (§ 15 Abs. 2 RVG), entsteht - wenn auch aus einem höheren Streitwert - nur eine Geschäftsgebühr (Nr. 2300 RVG-VV) sowie eine Pauschale (Nr. 7002 RVG-VV) mit der Folge, dass beide Schädiger - in Höhe der Gebühren aus dem auf sie selbst entfallenden Streitwert - als Nebentäter denselben Schaden verursacht haben und insoweit als Gesamtschuldner haften, § 840 Abs. 1 BGB.
III.
Rz. 25
Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, sondern ist aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei wird es eine Verbindung der beiden Verfahren zu erwägen haben. Sollte sich herausstellen, dass die Unterlassungsansprüche nach der im Innenverhältnis getroffenen Vereinbarung und einem ggf. erforderlichen Hinweis der Rechtsanwälte der Klägerin (vgl. BGH, Urt. v. 3.5.2005 - IX ZR 401/00, NJW 2005, 2927 Rz. 15; BGH, Urt. v. 4.12.2007 - VI ZR 277/06, VersR 2008, 413 Rz. 15) vereinzelt werden sollten, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die konkrete anwaltliche Tätigkeit aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin mit Rücksicht auf ihre spezielle Situation zur Wahrnehmung ihrer Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.5.2009 - VI ZR 174/08, AfP 2009, 394 Rz. 28 f.).
Fundstellen