Leitsatz (amtlich)
Für die infolge der Beschädigung eines Kraftwagens entgangene Urlaubsfreude kann Schadensersatz nicht verlangt werden.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 823, 847
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 26.10.1970) |
LG Bochum |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. Oktober 1970 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 11. Juni 1969 wurde der Personenkraftwagen des Klägers bei einer Fahrt durch eine zum Gebiet der beklagten Stadt gehörende Ortsstraße dadurch erheblich beschädigt, daß die Vorderachse des Wagens gegen einen bis zu 12 cm über das Straßenniveau hinausragenden Kanaldeckel stieß. Der Kläger hat von der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht Ersatz des ihm durch die Beschädigung seines Wagens entstandenen Schadens verlangt. Er hat außer dem Ersatz für das Fahrzeug, Abschleppkosten, Nutzungsausfall usw. auch Ersatz für „entgangene Urlaubsfreude” gefordert und dazu vorgetragen:
Er habe vom 16. Juni bis zum 7. Juli 1969 mit Kraftfahrzeug und Wohnwagen nach G. (Golf von V.) fahren und dort mit Frau und Kind einen Campingurlaub verbringen wollen. Angemeldet sei er dort nicht gewesen. Den Urlaub zu verlegen, habe seine Arbeitgeberin abgelehnt. Er habe in der vorgesehenen Zeit Urlaub gemacht, und zwar auf einem Campingplatz am See in He., wo sein Wohnwagen gestanden und er schon mehrmals das Wochenende verbracht gehabt habe. Das Wetter sei dort im allgemeinen nicht schlecht gewesen, doch habe einmal schlechtes Wetter geherrscht, so daß er mit Frau und Kind nach Hause gefahren sei.
Das Landgericht, vor dem der Kläger außer den von der Beklagten alsbald nach dem Unfall gezahlten 1.760,13 DM die Zahlung weiterer 2.856,26 DM (darunter 300 DM für entgangene Urlaubsfreude) verlangt hatte, hat der Klage in Höhe von 394,25 DM mit Zinsen stattgegeben. Vor dem Oberlandesgericht hat der Kläger seinen Klageantrag insgesamt ermäßigt und über den ihm vom Landgericht zuerkannten Betrag hinaus Zahlung weiterer 1.912,01 DM mit Zinsen, sonach insgesamt (394,25 + 1.912,01 =) 2.306,26 DM mit Zinsen verlangt. Er hat in seiner Berechnung jedoch den Betrag für entgangene Urlaubsfreude auf 500 DM erhöht und unter diesem Gesichtspunkt hilfsweise weitere 350 DM gefordert. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 1.199,70 DM mit Zinsen verurteilt und die weitergehende Klage abgewiesen.
Land- und Oberlandesgericht sind davon ausgegangen, daß die Beklagte dem Kläger dem Grunde nach 4/5 von dessen Schaden zu ersetzen habe. Sie haben übereinstimmend einen Ersatzanspruch wegen entgangener Urlaubsfreude für unbegründet erachtet.
Mit seiner Revision, die das Berufungsgericht zugelassen hat, „soweit der Anspruch des Klägers auf Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude aberkannt worden ist”, bittet der Kläger um Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von weiteren 504 DM mit Zinsen (850 DM abzüglich vom Berufungsgericht für die Urlaubszeit zugebilligte Kraftfahrzeugnutzungsausfalls-Entschädigung in Höhe von 220 DM sowie 1/5 Mithaftungsquote in Höhe von 126 DM). Die Beklagte bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch auf Entschädigung für entgangene Urlaubsfreude mit folgenden Erwägungen verneint:
Ein Anspruch aus § 847 BGB scheide schon deshalb aus, weil der Kläger bei dem Unfall weder körperlich verletzt worden sei noch eine Freiheitsentziehung erlitten habe. Auch in entsprechender Anwendung von § 847 BGB könne ihm Entschädigung nicht zugebilligt werden, insbesondere nicht wegen Verletzung eines Persönlichkeitsrechts. Selbst wenn von einem Persönlichkeitsrecht auf Urlaub ausgegangen werde, stünde einem Entschädigungsanspruch entgegen, daß sich die unerlaubte Handlung der Beklagten nicht gegen das Persönlichkeitsrecht gerichtet habe. Auch sei ein solches Recht damit, daß der Kraftwagen ausgefallen sei und der Kläger seinen Campingurlaub am See in He. statt in G. verbracht habe, nicht in schwerwiegender Weise verletzt worden, zumal in Herdecke meist schönes Wetter gewesen sei und offenbleibe, ob es in Grado noch besser gewesen wäre.
Ein Vermögensschaden sei dem Kläger ebenfalls nicht entstanden. Ein Quartier habe er in G. noch nicht bestellt gehabt. Der Urlaub in Herdecke sei weit billiger als in G. gewesen. Ein Erholungsschaden sei nicht anzunehmen, und als sinnlos vertan könne die Urlaubszeit am See in He. nicht angesehen werden, da dort im allgemeinen schönes Wetter gewesen sei und der Kläger, wie er es sich für G. vorgenommen habe, seinen Urlaub mit Wohnwagen bei im allgemeinen schönem Wetter am Wasser verbracht habe. Die bloße Tatsache, daß der Kläger an einem anderen Ort als dem beabsichtigten Urlaub gemacht habe, habe einen Vermögensschaden nicht bewirkt, wie denn bei insoweit anderer Ansicht auch jeder vernünftige Maßstab für die Berechnung einer Schadenshöhe beim Wechsel des Urlaubsziels fehlen würde. Daß der Kläger einmal wegen schlechten Wetters nach Hause gefahren sei, falle schon deswegen nicht ins Gewicht, weil nicht gesagt sei, ob er nicht auch in G. einmal schlechtes Wetter gehabt hätte, und er bei einer Italienfahrt mehrere Tage für die bloße Autofahrt hätte verwenden müssen. Die bislang von Rechtsprechung und Schrifttum behandelten Fälle von Urlaubsschäden setzten Umstände voraus, die hier nicht gegeben seien. Es handele sich in diesen Fällen entweder um einen durch Vertrag erkauften Urlaub oder um nutzlos oder mit nur eingeschränkter Erholung verbrachte Urlaubstage oder um einen ausgefallenen Urlaub.
II.
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
1. a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, daß hier dem Kläger unter dem Gesichtspunkt entgangener Urlaubsfreude ein Vermögensschaden nicht entstanden sei, ist zutreffend.
Vertragliche Beziehungen haben zwischen den Parteien nicht bestanden, so daß es allein darauf ankommt, ob als Folge der Beschädigung des Kfz des Klägers, mithin als sogenannter Sachfolgeschaden, die „entgangene Urlaubsfreude” als Vermögensschaden geltend gemacht werden kann. Für diese Entscheidung braucht hier nicht abschließend dazu Stellung genommen zu werden, ob Urlaub als solcher überhaupt einen Vermögenswert darstellt (vgl. dazu einerseits OLG Frankfurt NJW 1967, 1372; OLG Bremen VersR 1969, 929 sowie Grunsky, Aktuelle Probleme zum Begriff des Vermögensschadens, S. 76 ff; Mammey NJW 1969, 1150, 1152; andererseits Stoll Ju S 1968, 504, 506; Heldrich NJW 1967, 1737 ff; Landwehrmann NJW 1972, 1204; LG Freiburg NJW 1972, 1719/20; für die Freizeit verneinend Bundesarbeitsgericht NJW 1968, 221, 222; Larenz, Festgabe für Karl Oftinger. 1969, S. 151, 159 ff).
Hier ist dem Kläger sein Urlaub als solcher nicht genommen und nicht beeinträchtigt worden. Er hat seinen Urlaub nur anders gestaltet, als er ihn gestaltet haben würde, wenn er seinen Kraftwagen während der Urlaubszeit zur Verfügung gehabt hätte. In einem derartigen Fall aber kann von einem durch die Beschädigung des Kraftfahrzeugs verursachten Vermögensschaden nur dann gesprochen werden, wenn der Geschädigte für eine bestimmte Urlaubsgestaltung Aufwendungen gemacht hat, die sich wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs als nutzlos erweisen, oder wenn die Urlaubsgestaltung, zu der der Geschädigte infolge der Beschädigung seines Kraftwagens genötigt war, weniger wert ist als die, die er geplant und bezahlt hat. So konnte in dem vom erkennenden Senat entschiedenen „Seereisefall” (Urteil vom 7. Mai 1956 – III ZR 243/54 = NJW 1956, 1234/5), in dem durch Verschulden der Zollbehörde dem Kläger und seiner Ehefrau ein Reisekoffer nicht rechtzeitig vor Abgang des Ferienschiffes zur Verfügung gestellt worden war, ein Vermögensschaden deshalb bejaht werden, weil wegen des Fehlens der in dem Koffer befindlichen Kleidung und Wäsche der Urlaub nicht so gestaltet werden konnte, wie es bei dem Entgelt, das von dem Kläger und seiner Ehefrau für die Seereise bezahlt worden war, erwartet werden konnte und wie es mit der Zahlung des Entgelts erstrebt war. Die Seereise, wie sie von dem Kläger und seiner Frau wegen des Fehlens des Koffers tatsächlich durchgeführt werden mußte, war mit anderen Worten nicht soviel wert wie der „Kaufpreis”, der für diese Reise bezahlt worden war.
Hier hatte der Kläger unstreitig für die geplante Fahrt nach G. noch keine Aufwendungen gemacht. Vermögensmäßig hat sich mithin die andersartige Gestaltung seines Urlaubs, zu der er wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs genötigt war, nicht irgendwie nachteilig für ihn ausgewirkt.
Zu einer anderen Auffassung kann man auch nicht mit der Erwägung der Revision gelangen, die dahin geht: Die Annehmlichkeit, während des Jahresurlaubs zu verreisen, ein weit entferntes Ziel in einem anderen Land anzustreben und dort, am Meer, den Urlaub zu verbringen, stelle einen materiellen Wert dar, der „erkauft” werden müsse, bezahlt werden könne und daher als Vermögensschaden zu ersetzen sei, wenn er als Folge einer Körper- und Eigentumsverletzung verloren gene. Hierbei aber wird verkannt: Es trifft zwar zu, daß der in Rede stehende besondere Urlaubsgenuß (entferntes Urlaubsziel am Meer in einem fremden Land) erkauft werden kann und bezahlt werden muß und daß deshalb auch ein – durch eine unerlaubte Handlung verursachter – Vermögensschaden bejaht werden kann, wenn zu dem Zweck, sich einen derartigen Urlaubsgenuß zu verschaffen, Aufwendungen gemacht werden, das damit erreichte Ziel aber infolge des schädigenden Ereignisses nicht oder nicht voll erreicht werden kann. Von einem eingetretenen Vermögensschaden aber kann nicht gesprochen werden, wenn sich – wie hier – die Verhinderung der beabsichtigten Urlaubsgestaltung unter keinerlei Gesichtspunkten in der Vermögenslage des Betroffenen negativ niedergeschlagen hat. Dieser Auffassung entsprechend haben auch in der letzten Zeit die Instanzgerichte bei Sachverhalten, die dem hier gegebenen vergleichbar sind, durchweg das Vorliegen eines Vermögensschadens verneint (vgl. Kammergericht in NJV 1972, 769; LG Freiburg NJW 1972, 1719; LG Konstanz VersR 1972, 182; AG Gelsenkirchen-Buer VersR 1972, 570).
b) Die Revision macht weiter geltend, das Berufungsgericht hätte zumindest bei der Bemessung der Kfz-Nutzungsentgangsentschädigung berücksichtigen müssen, daß im fraglichen Zeitraum eine intensive, mit der Annehmlichkeit der Reise und des Urlaubs verbundene Nutzung des Kraftfahrzeugs geplant gewesen sei, die unfallbedingt entgangen sei. Dem werde der zugesprochene Tagessatz von 10 DM nicht gerecht.
Hiermit kann die Revision jedoch nicht gehört werden. Die Revision ist lediglich zugelassen wegen der Aberkennung einer Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude. Die Entscheidung des Berufungsgerichts betrifft insoweit einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des gesamten Streitstoffes, so daß wegen der Einschränkung der Revisionszulassung auf diesen Teil der Entscheidung dem Revisionsgericht eine Nachprüfung des Berufungsurteils im übrigen versagt ist (BGHZ 48, 134 sowie 53, 152/3 u.a.).
2. Unter dem Gesichtspunkt des Ersatzes eines Nichtvermögensschadens kann dem Kläger eine Entschädigung für die Beeinträchtigung seines Urlaubsgenusses ebenfalls nicht zugesprochen werden. Insoweit kann auf die Begründung des Berufungsurteils verwiesen werden, der seitens des Revisionsgerichts nichts hinzuzufügen ist und gegen die die Revision Bedenken auch nicht vorgetragen hat.
Unterschriften
Meyer, Kreft, Dr. Arndt, Gähtgens, Keßler
Fundstellen
Haufe-Index 1502435 |
BGHZ |
BGHZ, 214 |
NJW 1973, 747 |
JR 1973, 425 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 1973, 484 |