Leitsatz (amtlich)
a) Zur Anwendung des § 151 BGB bei gewillkürter Schriftform für einen Vertrag.
b) Aus dem Fehlen des „Vorbehalts” der Notwendigkeit einer Annahmeerklärung der Gegenseite in einem schriftlichen Vertragsangebot läßt sich ein Verzicht des Antragenden auf den Zugang der Annahmeerklärung gemäß § 151 Satz 1 BGB nicht ableiten.
Normenkette
BGB §§ 130, 151
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Aktenzeichen 16 U 23/97) |
LG Wuppertal (Aktenzeichen 11 O 163/95) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Februar 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter im Konkurs der B. GmbH & Co. KG, deren Kommanditistinnen die Ehefrauen des Beklagten und des ursprünglich im vorliegenden Rechtsstreit mitverklagten Herrn S. sind. Ihnen gegenüber erhob der Kläger im Jahr 1991 Erstattungsansprüche wegen unzulässiger Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen und verhandelte darüber vornehmlich mit dem von Herrn S. beauftragten Rechtsanwalt F.. Dieser übersandte dem Beklagten im März 1992 einen von Herrn S. unterzeichneten Vertragstext, wonach beide als Gesamtschuldner zur Abgeltung der „Überentnahmen” 100.000,– DM bis zum Ablauf von vier Jahren nach Vertragsschluß zahlen sollten. Der Beklagte unterzeichnete den Vertragsentwurf am 27. März 1992 und übersandte ihn dem Kläger – angeblich unter Beifügung eines Begleitschreibens vom 30. März 1992 mit zusätzlichen Maßgaben zu dem Vertrag sowie mit der Bitte um Gegenzeichnung und Rücksendung je einer Ausfertigung der Vereinbarung an die Beteiligten.
Mit seiner Klage hat der Kläger vom Beklagten und Herrn S. – das Verfahren gegen ihn ist gemäß § 240 ZPO unterbrochen und abgetrennt worden – Zahlung von 100.000,– DM nebst Zinsen begehrt. Der Beklagte hat das Zustandekommen der Zahlungsvereinbarung wegen angeblich fehlender Rücksendung eines vom Kläger unterzeichneten Vertragsexemplars bestritten. Das Landgericht hat der Klage gegen ihn stattgegeben. Seine Berufung ist erfolglos geblieben. Dagegen richtet sich seine Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat der Beklagte dem Kläger durch Übersendung der von ihm (dem Beklagten) unterzeichneten Vertragsurkunde, die eine Unterschrift auch des Klägers vorsah, ein Angebot (§ 145 BGB) zum Abschluß eines Vergleichsvertrages (§ 779 BGB) unterbreitet. Das wird von der Revision hingenommen und ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden. Auf Rechtsirrtum beruht indessen die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe das Angebot des Beklagten gemäß § 151 Satz 1 BGB bereits dadurch angenommen, daß er die im Rechtsstreit vorgelegte Vertragsurkunde unter dem 30. März 1992 ebenfalls unterschrieben habe.
1. Die Revision rügt zum einen mit Recht, daß der Beklagte in den Vorinstanzen den – von der Beweiskraft des § 416 ZPO nicht erfaßten (vgl. BGH, Urt. v. 17. Juni 1993 - IX ZR 206/92, WM 1993, 1798, 1803 m.w.N.) – Zeitpunkt der Unterzeichnung bzw. deren Rechtzeitigkeit im Sinne von § 151 Satz 2 BGB bestritten und das Berufungsgericht dies verfahrensfehlerhaft übergangen hat. Zum anderen setzt ein Vertragsschluß unter Abwesenden grundsätzlich den Zugang der Annahmeerklärung bei dem Antragenden voraus (§ 130 Abs. 1 BGB). Das gilt auch dann, wenn für den Vertrag – wie hier – Schriftform bzw. dessen Unterzeichnung durch sämtliche Vertragspartner vorgesehen und damit konkludent vereinbart ist. Dies betrifft nur die Form der beiderseitigen Willenserklärungen, räumt aber das Zugangserfordernis nicht aus (vgl. auch BGHZ 121, 224, 228 f.). Soweit § 127 Satz 2 BGB zur Wahrung der Schriftform Briefwechsel genügen läßt, kommt auch darin das Zugangserfordernis zum Ausdruck.
2. Allerdings kann der Zugang auch einer formbedürftigen Annahmeerklärung unter den besonderen Voraussetzungen des § 151 Satz 1 BGB entbehrlich sein. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen jedoch die Anwendung dieser Vorschrift nicht.
a) Ein für den Antragsempfänger lediglich vorteilhaftes oder sonstiges Geschäft, bei dem der Zugang einer Annahmeerklärung nach der Verkehrssitte entbehrlich erscheint (vgl. BGH, Urt. v. 28. Oktober 1993 - VII ZR 192/92, NJW-RR 1994, 280 f.: Schuldbeitritt; v. 6. Mai 1992 - IX ZR 136/96, NJW 1997, 2233: Bürgschaftserklärung), liegt hier nicht vor. Vielmehr sollte mit dem vorliegenden Vergleichsangebot ein Verzicht des Klägers auf weitergehende Ansprüche verbunden sein; gemäß Ziff. 4 der Vereinbarung sollten mit Zahlung des vorstehenden Betrages „sämtliche Ansprüche auf Rückführung getätigter Überentnahmen … abgegolten” werden. Es kann daher nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, der Beklagte als Antragender habe in Ungewißheit darüber bleiben wollen, ob der Vergleich zustande gekommen ist. Das gilt auch unabhängig von dem angeblichen Begleitschreiben des Klägers vom 30. März 1992.
b) Ebensowenig läßt sich ein (konkludenter) Verzicht des Beklagten auf den Zugang einer Annahmeerklärung des Klägers aus den vom Berufungsgericht angeführten Umständen entnehmen. Danach soll im Büro des Herrn S. ein Gespräch zwischen diesem, dem Kläger und dem Beklagten stattgefunden haben, bei dem es aller Erfahrung nach um die geltend gemachten Ansprüche gegangen sein müsse. Spätestens aber durch den Inhalt des ihm übersandten Vertragsentwurfs sei der Beklagte über den Verhandlungsgegenstand im einzelnen informiert worden. Weder hieraus noch aus den weiteren Umständen, daß der Beklagte von den Verhandlungen des Klägers mit dem (von Herrn S. beauftragten) Rechtsanwalt F. wußte, der Vertragsentwurf zunächst von Herrn S. unterzeichnet, dann von Rechtsanwalt F. an den Beklagten und von diesem nach Unterzeichnung dem Kläger übersandt wurde, ist ein Verzicht des Beklagten auf eine Annahmeerklärung des Klägers zu entnehmen. Da die Empfangsbedürftigkeit der Annahmeerklärung der gesetzlichen Regel entspricht, ist es verfehlt, wenn das Berufungsgericht im Ergebnis darauf abstellen will, daß die Vereinbarung selbst keinen „Vorbehalt” einer ausdrücklichen Annahmeerklärung des Klägers gegenüber dem Beklagten enthalte. Zudem sah der Vertragsentwurf drucktechnisch die Unterschrift auch des Klägers vor, was mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auch deren Verlautbarung gegenüber den Vertragspartnern einschließt.
c) Erst recht ist dem Schreiben des Beklagten vom 30. März 1992, das er dem Kläger an diesem Tag zusammen mit der Vertragsurkunde durch eine Zeugin überbracht haben will, kein Verzicht im Sinne von § 151 Satz 1 BGB zu entnehmen. In dem Schreiben, dessen – bestrittenen – Zugang bei dem Kläger das Berufungsgericht offenbar unterstellt, heißt es: „In der o.a. Angelegenheit übersende ich heute als Anlage drei Ausfertigungen der Vereinbarung … Ich bitte um Gegenzeichnung und Rücksendung je einer Ausfertigung an die Beteiligten.” Dies entspricht der gesetzlichen Regel bei Fehlen der Voraussetzungen des § 151 BGB. Die Revision rügt zu Recht, das Berufungsgericht gebe den Inhalt des Schreibens verfahrensfehlerhaft (§ 286 ZPO) dahin wieder, daß darin „lediglich um die Übersendung von Ausfertigungen des Vertrages” gebeten werde. Angesichts der klaren Bitte um Rücksendung einer gegengezeichneten Ausfertigung läßt sich ein gegenteiliger Verzichtswille des Beklagten – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – auch nicht daraus folgern, daß er in dem Schreiben weiter ausgeführt hat, er habe die Vereinbarung mit der Maßgabe bzw. unter der Voraussetzung unterzeichnet, daß damit alle eventuellen Ansprüche gegen ihn erledigt seien und der Kläger notfalls noch erforderliche Erklärungen gegenüber den Gläubigerbanken abgeben werde.
II. Eine Entscheidung in der Sache selbst ist dem Senat verwehrt, weil es noch weiterer tatrichterlicher Aufklärung auf der Grundlage des Parteivortrages und der erstinstanzlichen, vom Berufungsgericht zum Teil unberücksichtigt gelassenen Beweisaufnahme bedarf. Die Revisionserwiderung weist u.a. darauf hin, daß der Zeuge Rechtsanwalt F. bekundet hat, er habe im Beisein des Beklagten und des Herrn S. ein Gespräch mit dem Kläger geführt, bei dem es um die „Überentnahmen” aus dem Gesellschaftsvermögen gegangen sei. Es läßt sich nicht ausschließen, daß der Kläger daraus den Eindruck gewinnen durfte, der Beklagte lasse Rechtsanwalt F., der den von ihm entworfenen Vertragstext im einzelnen mit dem Kläger ausgehandelt haben will, auch für ihn, den Beklagten, handeln (Duldungs- oder Anscheinsvollmacht). In diesem Fall käme in Betracht, daß der Vertrag – entgegen der Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB – gemäß Absprache zwischen dem Kläger und Rechtsanwalt F. bereits mündlich auch mit Wirkung für den Beklagten zustande gekommen ist und die spätere Beurkundung nur noch Beweiszwecken dienen sollte (vgl. dazu BGH, Urt. v. 14. März 1991 - I ZR 201/89, NJW-RR 1991, 1053, 1054 f.). Verneinendenfalls wäre zu klären, ob der Kläger, der die Vertragsurkunde mit seiner Unterschrift nach den Angaben des Zeugen F. an diesen zurückgesandt hat, nicht wenigstens von einer Empfangsvollmacht des Rechtsanwalts F. für den Beklagten ausgehen durfte.
Die Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die noch erforderlichen Feststellungen zu treffen.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Henze, Goette, Kraemer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.02.1999 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538714 |
BB 1999, 757 |
DStR 1999, 600 |
NJW 1999, 1328 |
BGHR |
EWiR 1999, 771 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 689 |
WuB 1999, 747 |
ZIP 1999, 756 |
MDR 1999, 537 |
VersR 2000, 906 |
www.judicialis.de 1999 |