Entscheidungsstichwort (Thema)
Landfriedensbruch
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Juli 1999 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.– Von Rechts wegen -
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die auf den Strafausspruch beschränkte und mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
Der Angeklagte ist Türke kurdischer Volkszugehörigkeit. Sein Asylantrag wurde durch bestandskräftigen Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt. Er hat eine befristete Aufenthaltserlaubnis für den Landkreis Dahme-Spreewald.
Im Rahmen der Unruhen nach der Festnahme des Öcalan, des Führers der in Deutschland verbotenen Kurden-Organisation PKK, in Kenia und dessen gewaltsamer Verbringung in die Türkei war am 16. Februar 1999 das griechische Konsulat in Berlin von erbosten Kurden gestürmt und verwüstet worden. Am folgenden Tag bewegte sich eine Gruppe von etwa 50 wegen der Festnahme Öcalans und der von kurdischer Seite gemutmaßten Beteiligung Israels daran aufgebrachten Kurden zum israelischen Generalkonsulat in Berlin. Etliche Mitglieder der Gruppe waren mit Schlagwerkzeugen wie Ästen, Stöcken, Holzlatten und Baustellen-Erdnägeln bewaffnet. Der Angeklagte befand sich im vorderen Bereich dieser Menschenmenge und trug einen besenstielähnlichen, ca. 50 bis 80 cm langen Holzstock bei sich. Vor dem Generalkonsulat waren 15 bis 20 Polizeibeamte damit beschäftigt, Sperrgitter zur Absicherung des Generalkonsulats aufzubauen. Die Beamten trugen zu diesem Zeitpunkt weder Körpervollschutz noch Helme, Waffen oder Schutzschilde. Als die Polizeibeamten die herannahende Gruppe erregter Kurden wahrnahmen, unterbrachen sie ihre Tätigkeit und bildeten eine Polizeikette, um ein Vordringen der Kurden auf das Konsulatsgebäude zu verhindern. Wegen der geringen Zahl von Polizisten gelang dies jedoch nur unzureichend. Die Kurden rückten unmittelbar bis zu der Polizeikette vor, riefen Parolen, schwangen die mitgeführten Gegenstände drohend in Richtung der Beamten und verlangten, zum Generalkonsulat durchgelassen zu werden. Auch der in der ersten Reihe stehende Angeklagte schwang drohend seinen Holzstock. Nach mehrmaligem kurzzeitigen Vorrücken der Beamten mußten diese jedoch wegen der zahlenmäßig deutlichen Überlegenheit der Kurden immer weiter zurückweichen, nachdem die Polizeikette von der Menschenmenge durch den Einsatz der Schlagwerkzeuge massiv angegriffen worden war. Dabei wurden fünf Beamte verletzt. Ob sich der Angeklagte selbst durch aktives Schlagen mit seinem Holzstock daran beteiligte, konnte nicht festgestellt werden. Aufgrund des massiven Vorgehens der Menschenmenge und der zahlenmäßigen Unterlegenheit der Polizeikräfte gelang es den Kurden nach wenigen Minuten, die Polizeikette zu durchbrechen und auf das Gelände des Generalkonsulats zu gelangen. Der weiter in der Menge befindliche Angeklagte konnte sich auf diese Weise in den Vorgarten des Generalkonsulats begeben. Im Laufe des weiteren Geschehens drangen Kurden in das Konsulatsgebäude ein, worauf mehrere Schüsse fielen und vier Kurden getötet und weitere verletzt worden. Der Angeklagte wurde beim Verlassen des Konsulatsgeländes festgenommen.
I.
Das Landgericht hat, weil der Angeklagte den Holzstock als Waffe in Verwendungsabsicht bei sich führte, jeweils Erfüllung der Regelbeispiele und rechtsfehlerfrei (§ 301 StPO) einen besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs nach § 125a (Satz 2 Nr. 2) StGB in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall nach § 113 Abs. 2 (Satz 2 Nr. 1) StGB angenommen. Es ist danach zutreffend von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen. Jedoch hält der Strafausspruch sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand.
II.
Die Bemessung der Freiheitsstrafe ist rechtsfehlerhaft. Das Landgericht hat das Gewicht der Tat verkannt. Es hat bei der Bemessung der Strafe wesentliche Elemente des Tatbildes außer Betracht gelassen.
Die etwa 50 Angreifer erkämpften sich durch massiven Einsatz von Schlagwerkzeugen erfolgreich den Zugang zum Generalkonsulat gegen eine Kette von 15 bis 20 völlig ungeschützten Polizeibeamten. Der Angeklagte befand sich, seine Waffe drohend schwingend, in der ersten Reihe der Angreifer. Dies alles geht weit über die Voraussetzungen der erfüllten Vorschriften des Strafgesetzbuches hinaus.
Bei einem solchen Tatbild wird – trotz aller vom Landgericht rechtsfehlerfrei herangezogener strafmildernder persönlichkeitsbezogener Gesichtspunkte – eine Freiheitsstrafe von nur drei Monaten über der gesetzlichen Mindeststrafe nicht mehr der Bestimmung, ein gerechter Schuldausgleich zu sein (vgl. BGHSt 29, 319, 320), gerecht.
Unterschriften
Harms, Häger, Nack, Tepperwien, Gerhardt
Fundstellen
Haufe-Index 541075 |
NStZ 2000, 307 |