Leitsatz (amtlich)
Hat der Gläubiger nach einer Vorbesprechung dem im Ausland ansässigen Bürgen ein vollständig ausgefülltes Vertragsformular, das eine Gerichtsstandsvereinbarung enthält, übersandt, dieses jedoch nicht unterzeichnet, sondern lediglich im Kopf mit seinem Stempel versehen, kommt eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nicht schon dadurch zustande, daß die Bürgschaft erteilt wird.
Normenkette
LugÜ Art. 17 Abs. 1 S. 2 Buchst. a
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Fulda |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des 14. Zivilsenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 1999 und das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Fulda vom 23. Dezember 1998 aufgehoben.
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte wohnt in Thalwil/Schweiz. Ihr Ehemann war Geschäftsführer einer GmbH mit Sitz in Deutschland. Er verpflichtete sich namens der Gesellschaft, der klagenden Sparkasse als Kreditsicherheit eine Bürgschaft seiner Ehefrau über 250.000 DM zu stellen. Ende April 1995 nahm die Beklagte an einer Besprechung in den Geschäftsräumen der Klägerin teil. Danach übersandte die Klägerin der Beklagten ein mit ihrem Firmenstempel versehenes vollständig ausgefülltes Bürgschaftsformular, das die Beklagte am 10. Mai 1995 an ihrem Wohnsitz unterzeichnete und an die Klägerin zurücksandte. In dieser Urkunde übernahm die Beklagte die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 250.000 DM für alle Forderungen der Klägerin gegen die GmbH aus einem näher bezeichneten Kontokorrentkredit. Gemäß Ziffer 9 der Urkunde ist die Klägerin berechtigt, ihre Ansprüche im Klagewege an ihrem allgemeinen Gerichtsstand zu verfolgen, wenn der Bürge keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat.
Die Hauptschuldnerin wurde insolvent. Die Klägerin hat bei dem für den Ort ihrer Hauptniederlassung zuständigen Landgericht die Beklagte auf Zahlung von 250.000 DM in Anspruch genommen. Die Beklagte hat die fehlende internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt und eingewandt, die Bürgschaft sei nach schweizerischem Recht nicht formwirksam erteilt worden. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt diese ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unzulässig, weil die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts nicht wirksam begründet worden ist.
I.
Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, im Streitfall sei die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts aufgrund der in der Bürgschaftsurkunde enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarung wirksam nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a des Lugano-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ) begründet worden. Zwar fehle auf der von der Beklagten unterzeichneten Urkunde die Unterschrift eines vertretungsberechtigten Organs der Klägerin. Das sei jedoch unschädlich, weil für die mit Art. 17 LugÜ identische Vorschrift des Art. 17 EuGVÜ anerkannt sei, daß die Schriftform auch ohne Unterschrift gewahrt sein könne. Die Gerichtsstandsvereinbarung müsse lediglich in irgendeiner Form schriftlich niedergelegt sein. Die Klägerin habe ihren Willen, den Bürgschaftsvertrag entsprechend den Bedingungen der Bürgschaftsurkunde abzuschließen, durch die Übersendung des von ihr abgestempelten Bürgschaftsformulars an die Beklagte zum Ausdruck gebracht.
II.
Gegen diese Erwägungen wendet sich die Revision mit Erfolg. Die Gerichtsstandsvereinbarung genügt nicht den Anforderungen, die Art. 17 Abs. 1 LugÜ an die Schriftform der Parteierklärung stellt.
1. Die in der Schweiz ansässige Beklagte hat ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Staates, der nicht Mitglied der Europäischen Gemeinschaft ist. Daher findet im Streitfall nicht Art. 17 EuGVÜ Anwendung (vgl. BGH, Urt. v. 14. November 1991 – IX ZR 250/90, NJW 1993, 1070, 1071, insoweit in BGHZ 116, 77 nicht abgedruckt; OLG Saarbrücken NJW 2000, 670), sondern das Lugano-Übereinkommen (Art. 54 b Abs. 2 Buchst. a LugÜ). Art. 17 Abs. 1 LugÜ stimmt mit Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ genau überein. Für das Verständnis der Vorschrift kann daher die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs zu Art. 17 EuGVÜ herangezogen werden.
2. Nach dieser Rechtsprechung sind die in Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ aufgestellten Voraussetzungen eng auszulegen, weil die Bestimmung sowohl die allgemeine Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Beklagten (Art. 2 EuGVÜ) als auch die besonderen Zuständigkeiten nach den Art. 5 und 6 EuGVÜ ausschließt (EuGH NJW 1977, 494; 1997, 1431, 1432). Die Formerfordernisse des Art. 17 EuGVÜ sollen gewährleisten, daß die Einigung zwischen den Parteien zweifelsfrei feststeht.
Eine schriftliche Vereinbarung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a 1. Alt. EuGVÜ/LugÜ liegt nur dann vor, wenn jede Partei ihre Willenserklärung schriftlich abgegeben hat. Das kann – abweichend von § 126 Abs. 2 BGB – auch in getrennten Schriftstücken geschehen, sofern aus ihnen die inhaltliche Übereinstimmung beider Erklärungen hinreichend deutlich hervorgeht (BGH, Urt. v. 9. März 1994 – VIII ZR 185/92, NJW 1994, 2699, 2700). Nach ganz überwiegender Auffassung genügt die Übermittlung durch moderne Kommunikationsmittel, die keine handschriftlichen Unterzeichnungen ermöglichen (Musielak/Weth, ZPO 2. Aufl. Art. 17 EuGVÜ Rn. 6; Zöller/Geimer, ZPO 22. Aufl. Art. 17 EuGVÜ Rn. 6; MünchKomm-ZPO/Gottwald, Art. 17 EuGVÜ Rn. 17; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht 6. Aufl. Art. 17 Rn. 30; Killias, Die Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem Lugano-Übereinkommen, 1993, S. 157 f). Inwieweit die Unterschrift auch darüber hinaus verzichtbar ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls kann nur dann von einer schriftlichen Willenserklärung die Rede sein, wenn sie in einem sichtbaren Text verkörpert ist, der den Urheber erkennen läßt.
3. Eine diesem Formerfordernis genügende Erklärung hat die Klägerin nicht abgegeben.
a) Wertet man die Übersendung der Bürgschaftsurkunde bereits als Angebot einer Gerichtsstandsvereinbarung (vgl. BGHZ 116, 77, 81), ist die in Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a 1. Alt. LugÜ geforderte Schriftform gleichwohl nicht gewahrt. Der Formulartext einschließlich der maschinenschriftlich eingesetzten Ergänzungen betrifft lediglich eine Erklärung des Bürgen, die dieser durch seine Unterschrift als für sich verbindlich bezeichnet. Eine Erklärung der Gläubigerin ist dagegen in der Urkunde nicht enthalten. Daran ändert auch nichts der Stempelaufdruck mit dem Namen der Klägerin im Kopf des Formulars; denn dieser ist auf keine textlich verkörperte Erklärung der Klägerin bezogen. Damit allein enthält die Urkunde noch nichts, was als schriftliche Erklärung der Klägerin, eine Gerichtsstandsvereinbarung schließen zu wollen, ausgelegt werden kann. Die Urkunde umfaßte in der Form, wie sie die Beklagte zugeleitet erhalten hat, lediglich den Entwurf einer an die Klägerin gerichteten Erklärung der Bürgin. Notwendig ist jedoch eine auf den konkreten Vertrag bezogene schriftliche Willenskundgabe beider Vertragspartner. Eine solche Erklärung ging aus dem der Beklagten übersandten Formular nicht hervor; sie ergibt sich entgegen der Meinung der Revisionserwiderung nicht aus den Bearbeitungsvermerken des Sachbearbeiters der Klägerin und ist auch später nicht in der gebotenen Form erfolgt.
b) Das Schriftformerfordernis ist nicht schon deshalb erfüllt, weil die Partei, zu deren Lasten die vorgesehene Gerichtsstandsvereinbarung geht, eine schriftliche Erklärung erteilt und zuvor vom Inhalt der Formularklausel Kenntnis erhalten hat. Eine Differenzierung in den Anforderungen an die Schriftform je nachdem, zu wessen Ungunsten sich die Gerichtsstandsklausel auswirken kann, ist dem Übereinkommen fremd. Eine solche Betrachtungsweise würde zudem im Ergebnis zu einer erheblichen Aufweichung des Schriftformerfordernisses führen. Sie hätte zur Folge, daß eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung in der Regel schon dann zu bejahen wäre, wenn ein entsprechender Vertragstext dem anderen Teil ohne eigene Unterschrift übersandt worden und von jenem unterzeichnet zurückgegeben worden ist. Das entspricht nicht dem, was im Rechtsverkehr allgemein unter einer schriftlichen Vereinbarung verstanden wird und stände in Widerspruch zu der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus Gründen der Rechtsklarheit praktizierten engen Auslegung von Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ. Die Wahrung der Schriftform hinge dann auch davon ab, daß der Vertragstext an den Urheber zurückgesandt worden und bei diesem eingegangen ist, einem Umstand, der aus dem Urkundentext nicht erkennbar wird. Das wäre mit Sinn und Zweck der normierten Formenstrenge nicht vereinbar.
III.
Das angefochtene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend.
Die Parteien hätten auch dann eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen, wenn mit Erteilung der Bürgschaft eine zuvor getroffene mündliche Abrede bestätigt worden wäre (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a 2. Alt. LugÜ; vgl. dazu BGHZ 116, 77, 80 ff). Indessen sind entsprechende Voraussetzungen ebenfalls nicht gegeben, weil der die Gerichtsstandsklausel umfassenden Bürgschaftserklärung der Beklagten keine mündliche Vereinbarung vorausgegangen ist.
Die Klägerin hat lediglich behauptet, ihr Sachbearbeiter habe im Rahmen des Gesprächs, das Ende April 1995 in ihren Geschäftsräumen mit der Beklagten geführt worden ist, das Bürgschaftsformular erläutert und dabei zum Ausdruck gebracht, daß die in ihm enthaltenen Regelungen zur Grundlage des Vertragsverhältnisses gemacht werden sollen. Danach haben die Parteien nach der eigenen Darstellung der Klägerin nicht bereits bei dieser Gelegenheit rechtsgeschäftliche Erklärungen ausgetauscht. Vielmehr diente das Gespräch lediglich der Vorbereitung des Bürgschaftsvertrages. Somit war noch keine mündliche Abrede über den Inhalt des Vertrages getroffen worden, als die Beklagte die Bürgschaftsurkunde unterzeichnet an die Klägerin zurücksandte. Daher ist es ausgeschlossen, darin eine Bestätigung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a 2. Alt LugÜ zu sehen; denn eine solche setzt eine zuvor mündlich erklärte Einigung über den Gerichtsstand zwingend voraus (vgl. BGH, Urt. v. 5. Dezember 1985 – I ZR 55/82, NJW 1986, 2196; v. 9. März 1994 – VIII ZR 185/92, NJW 1994, 2699, 2700).
IV.
Da die Parteien eine nach Art. 17 LugÜ wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nicht getroffen haben, ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Der Senat hat folglich in der Sache selbst zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) und die Klage unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen als unzulässig abzuweisen.
Unterschriften
Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Fischer, Raebel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.02.2001 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 557866 |
BB 2001, 959 |
DB 2001, 2143 |
NJW 2001, 1731 |
BGHR 2001, 571 |
EWiR 2001, 477 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 768 |
WuB 2001, 653 |
WuB 2001, 737 |
WuB 2001, 739 |
IPRax 2002, 124 |
MDR 2001, 798 |
RIW 2001, 456 |
ZBB 2001, 186 |
ELF 2001, 429 |