Leitsatz (amtlich)
Prospekthaftungsansprüche der Gesellschafter einer Anlagen-Kommanditgesellschaft verjähren in sechs Monaten seit dem Zeitpunkt, in dem der Gesellschafter von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts Kenntnis erlangt, spätestens jedoch in drei Jahren seit dem Beitritt zur Gesellschaft.
Tenor
Auf die Revisionen der Beklagten wird das Teilurteil des 14. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 20. Februar 1981 aufgehoben.
Auf die Berufungen der Beklagten wird das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Berlin teilweise geändert:
Die Klage wird in Höhe von 396.375 DM nebst Zinsen abgewiesen; der Kläger trägt mindestens 19/20 der Kosten erster Instanz.
Er trägt ferner die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
Die Beklagten waren Gesellschafter und Geschäftsführer der M B GmbH in B. Diese Gesellschaft und der Beklagte zu 2 gründeten am 31. August 1971 die M-B GmbH & Co., Gastronomische Betriebe KG (im folgenden: B KG), die auf die Aufnahme einer Vielzahl von Kommanditisten gerichtet war. Im Jahre 1973 fiel die Gesellschaft in Konkurs.
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 417.375 DM geltend, die ihm von 13 – in der Klageschrift namentlich aufgeführten, der Bender KG seit November und Dezember 1971 angehörenden – Kommanditisten treuhänderisch abgetreten worden sind. Er begründet sie damit, daß die Zedenten zum Beitritt sowie zur Zahlung der Einlage und des Agios durch falsche Angaben im Prospekt veranlaßt worden seien. Verantwortlich für diese seien die Beklagten als Geschäftsführer und Gesellschafter der Komplementär-GmbH der Kommanditgesellschaft.
Der Rechtsstreit ist seit dem 6. Februar 1979 anhängig. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufungen der Beklagten durch Teilurteil in Höhe von 396.375 DM nebst Zinsen zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen haben Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat die Haftung der Beklagten in Anlehnung an die Entscheidung des Senats vom 24. April 1978 (BGHZ 71, 284) bejaht. In jenem Rechtsstreit ist der Klage eines anderen Kommanditisten der B KG wegen desselben Fehlverhaltens der Beklagten stattgegeben worden. Der Senat hat ausgeführt, daß die Beklagten, was diese inzwischen nicht mehr infrage stellen, als Initiatoren und Gründer einer Publikums-KG für die Vollständigkeit und Richtigkeit des mit ihrem Wissen und Wollen in den Verkehr gebrachten Werbeprospekts einzustehen haben. Daß dessen Inhalt die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft in bezug auf das am rentabelsten beurteilte Objekt „Caf Romana” nicht richtig wiedergegeben hat, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler festgestellt. Der Vertrag über den Ankauf dieses Caf s war – wenn überhaupt – nur unter einer Bedingung geschlossen worden, und der Übergabetermin 1. Oktober 1971 war, als die Treugeber des Klägers beitraten, bereits verstrichen, ohne daß die Gesellschaft den Besitz des Caf s erlangt hatte. Hätten die Beklagten hierauf hingewiesen, was unstreitig nicht geschehen ist, so wären die Kommanditisten nicht beigetreten.
II. Trotzdem hätte die Klage abgewiesen werden müssen. Das Berufungsgericht hat die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht durchgreifen lassen, weil es von einer Verjährungsfrist von 30 Jahren ausgegangen ist. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht.
1. Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluß verjähren zwar regelmäßig erst in 30 Jahren. Ausnahmen bestehen aber, soweit vergleichbare Erfüllungs- oder Ersatzansprüche in kürzerer Frist verjähren und der Zweck einer solchen Verjährungsregelung auch für die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluß Geltung beansprucht. So ist es hier.
a) Der Senat hat den Rechtsgrundsatz, daß auch der Vertreter und Sachwalter für Verschulden bei Vertragsverhandlungen haftet, wenn er für seine Person Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen beeinflußt hat, im Interesse eines rechtlich gebotenen Kapitalanlegerschutzes ganz allgemein auf die Initiatoren, Gründer und Gestalter der Gesellschaft angewandt, soweit sie das Management bilden oder beherrschen. Er hat dadurch für den engen Bereich der Prospekthaftung den Grundgedanken einer Vertrauenshaftung dahin weiterentwickelt, daß Grundlage der Haftung nicht nur das von einem bestimmten Menschen ausgehende persönliche Vertrauen sein muß, sondern auch ein Vertrauen sein kann, das sich aus einer Garantenstellung herleitet, die kraft Amtes oder Berufes entsteht oder auf einer besonderen Fachkunde oder einer allgemein anerkannten und hervorgehobenen wirtschaftlichen Stellung beruht. Diese Garanten müssen weder aus dem Prospekt ersichtlich noch dem Beitrittsinteressenten vor oder bei den Vertragsverhandlungen bekannt geworden sein. Als Anknüpfungspunkt genügt die Tatsache, daß sie für die Geschicke der Gesellschaft und damit für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich sind. Wie der Senat in seinem Urteil vom 6. Oktober 1980 (BGHZ 79, 337) bereits ausgeführt hat, wird damit, was den verantwortlichen Personenkreis angeht, eine weitgehende Übereinstimmung mit der gesetzlich geregelten Haftung für unrichtige Prospekte hergestellt, die die Grundlage für die Zulassung von Wertpapieren im Börsenhandel bilden (§ 45 BörsG). Eine Prospekthaftung – wenn auch in anderer rechtlicher Ausgestaltung – ergibt sich ferner aus § 20 KAGG und § 12 AuslInvestmG. Allen diesen gesetzlichen Regelungen ist gemeinsam, daß sie für die Verjährung des Anspruchs abgekürzte Fristen von drei bzw. fünf Jahren vorsehen (§ 20 Abs. 5 KAGG, § 12 Abs. 5 AIG, § 47 BörsG). Diesen verschiedenen Regelungen läßt sich ein allgemeiner Rechtsgrundsatz entnehmen, der auf die vom Senat entwickelte Prospekthaftung ebenfalls zutrifft, daß nämlich wegen zunehmender Beweisschwierigkeiten und aus Gründen allgemeiner Rechtssicherheit dem Anteilseigner nach einer bestimmten Anzahl von Jahren versagt sein muß, sich auf fehlerhafte Angaben im Prospekt zu berufen. Auch der Entwurf des Gesetzes über den Vertrieb von Anteilen an Vermögensanlagen enthält im § 7 Abs. 4 eine Verjährungsfrist von drei Jahren (BTDs 8/1405 S. 6).
b) Die Kürze der Befristung der für die Prospekthaftung geltenden Verjährung ist anders als in sonstigen Fällen des Verschuldens bei Vertragsschluß deshalb geboten, weil sie nicht an ein dem Verhandlungspartner persönlich entgegengebrachtes Vertrauen anknüpft, sondern ein den unbekannten Initiatoren und Gründern entgegengebrachtes typisiertes Vertrauen genügen läßt. Der Prospekt ist an eine Vielzahl an Interessenten gerichtet, die dem Garanten unbekannt sind und häufig unbekannt bleiben und bei denen dieser deshalb nicht zu erkennen vermag, welche Überlegungen für den Beitritt bestimmend waren, ob insbesondere der fehlerhafte Prospekt dabei überhaupt eine Rolle gespielt hat. Aus diesem Grunde sind eindeutige Feststellungen zur Kausalität zwischen Fehlverhalten einerseits, Beitritt und Schaden andererseits vielfach schon kurz nach dem Beitritt nur schwer zu treffen und nach Ablauf vieler Jahre häufig ausgeschlossen. Hinzu kommt, daß in Fällen, in denen eine Anlage-Kommanditgesellschaft erst nach Ablauf mehrerer Jahre in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, in der Regel nur schwer zu klären sein wird, ob diese auch auf Risiken beruhen, über die der Gesellschafter nicht aufgeklärt worden ist, oder allein auf solchen, die er bewußt eingegangen ist und deshalb nicht auf Dritte abwälzen kann. Die für den Prospekt Verantwortlichen müssen sich nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums darauf einrichten können, wegen fehlerhafter Information nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.
2. Als Dauer der Verjährungsfrist kommen entsprechend der gesetzlichen Regelungen drei oder fünf Jahre in Betracht. Für die fünfjährige Verjährungsfrist des § 47 BörsG spricht, daß der gemäß § 45 BörsG haftende Personenkreis, nämlich diejenigen, die den Prospekt erlassen haben oder von denen dessen Erlaß ausgeht, demjenigen ähnlich ist, den auch der Senat aufgrund des typisierten Vertrauens für falsche oder fehlende, zur vollständigen Information aber erforderliche Prospektangaben haften läßt (vgl. SenUrt. v. 4. 5. 81 – II ZR 193/80, WM 1981, 1021, 1022).
Andererseits beginnt nach dem Börsengesetz die Frist nicht erst mit dem Erwerb des Wertpapiers und dem Eintritt des Schadens, sondern bereits mit der Zulassung der Wertpapiere zum Börsenhandel und damit zu einem nur dem Börsenrecht bekannten Zeitpunkt, für den es, soweit es um die Beteiligung an Kapitalanlage-Personengesellschaften geht, nichts Vergleichbares gibt. Die Frist mit der Gründung der Gesellschaft oder, falls sich der Zeitpunkt überhaupt feststellen läßt, mit der ersten Verbreitung des Prospekts beginnen zu lassen, wäre willkürlich und im Gesetz ohne jede Parallele. Eine auf den vorliegenden Sachverhalt übertragene Regelung ergibt sich allein aus den §§ 20 Abs. 5 KAGG und 12 Abs. 5 AuslInvestmG. Nach diesen Bestimmungen beginnt die Frist, innerhalb derer Ansprüche wegen falscher oder unvollständiger Verkaufsprospekte spätestens verjähren, mit dem Kauf des Anteilsscheins. Diesem Kauf ist der Beitritt zur Kapitalanlagegesellschaft oder, wie § 7 Abs. 4 des Entwurfs eines Gesetzes über den Vertrieb von Anteilen an Vermögensanlagen (BTDs 8/1405, S. 6) es formuliert, der Vertragsschluß über den Erwerb des (Gesellschafts-) Anteils gleichzusetzen. Da auch der Ersatzanspruch des Börsengesetzes frühestens mit dem Erwerb des Wertpapiers entstehen kann, in diesem Zeitpunkt aber die seit Zulassung des Papiers laufende Frist regelmäßig schon zu einem Teil verstrichen ist, ist es für die hier erst ab Gesellschafts-Beitritt und damit später einsetzende Frist interessengerechter, nicht die fünfjährige des Börsengesetzes, sondern die kürzere dreijährige des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften und des Auslandsinvestmentsgesetzes zu übernehmen. Diese Frist erscheint ausreichend, einem seine Kontroll- und Informationsrechte gewissenhaft wahrnehmenden Gesellschafter die Fehler eines Prospekts erkennen zu lassen.
Sobald er diese Kenntnis erlangt hat, darf er allerdings mit der Geltendmachung seiner Rechte nicht bis kurz vor Ablauf der dreijährigen Frist warten. Vielmehr hat er sich alsbald zu entscheiden, ob er aus den Mängeln des Prospekts Rechte herleitet und damit – was die Regel sein wird – zugunsten des Ersatzpflichtigen Zug um Zug auf seine Gesellschafterstellung verzichtet, oder ob er diese, ohne den Ersatzanspruch geltend zu machen, in der Hoffnung behält, die Beteiligung werde ungeachtet des fehlerhaften Prospektinhalts noch ein Erfolg werden. Der Gesellschafter könnte anderenfalls den Zeitpunkt für die Ausübung seiner Rechte nach spekulativen Gesichtspunkten bestimmen, was ihm ebenso verwehrt sein muß wie dem Erwerber von Fondsanteilen, für den die §§ 20 Abs. 5 KAGG und 12 Abs. 5 AuslInvestmG die dreijährige Verjährungsfrist ab Anteilskauf nur als äußerste Grenze, primär dagegen zur Verhinderung der Spekulation eine sechsmonatige Verjährungsfrist ab Kenntniserlangung von den Mängeln des Prospekts vorsehen. Es ist sachgerecht, daß die kurze Verjährung der vorstehend genannten Bestimmungen für Ersatzansprüche des Gesellschafters einer Kapitalanlagegesellschaft aus Prospekthaftung entsprechend gilt.
3. Allerdings laufen die kurzen sechsmonatigen und dreijährigen Verjährungsfristen nicht für alle Ersatzansprüche, die einem Gesellschafter infolge Verschuldens anläßlich der Beitrittsverhandlungen durch Verwenden unrichtiger Prospekte erwachsen. Der kurzen Verjährung unterliegen nur die Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinn, deren Grundlage nicht das persönliche, einem bestimmten Verhandlungspartner entgegengebrachte, sondern das typisierte, aus einer bestimmten Garantenstellung hergeleitete Vertrauen ist. Sie auf Ansprüche gegen Vertreter, Sachwalter oder sogar Garanten auszudehnen, die mit dem Anlage-Interessenten unter Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens oder aus eigenen wirtschaftlichen Interessen verhandeln und deshalb schon nach bisheriger ständiger Rechtsprechung für Verhandlungsverschulden gehaftet haben (vgl. SenUrt. v. 4. 5. 81 – II ZR 193/80, WM 1981, 1021, 1022, m.w.N.), besteht selbst dann kein Grund, wenn sie über den Beitritt unter Verwendung von Prospekten verhandelt haben. Wird persönliches Vertrauen in Anspruch genommen, liegen die oben unter II 1 b aufgezeigten Gründe für eine kurze Verjährungsfrist nicht vor, so daß in solchen Fällen die auf Verhandlungsverschulden beruhenden Ersatzansprüche wie bisher in 30 Jahren verjähren. Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 13. März 1980 (BGHZ 76, 231) die beiden Möglichkeiten einer Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluß aufgrund persönlichen und typisierten Vertrauens nicht unterschieden und – ohne näher darauf einzugehen – einheitlich (also auch für den speziellen Prospekthaftungsanspruch) eine Verjährungsfrist von 30 Jahren vorausgesetzt hat, hält er daran nicht fest.
III. Die Beklagten haben die Gesellschafter, die dem Kläger ihre Ersatzansprüche abgetreten haben, nicht persönlich geworben, so daß die Ansprüche der kurzen Verjährung unterliegen. Da seit dem Beitritt der Kommanditisten, also ab Ende des Jahres 1971, sogar seit Eröffnung des Konkursverfahrens im Jahre 1973 bis zur Einreichung der Klageschrift am 6. Februar 1979 weit mehr als drei Jahre verstrichen waren, haben die Beklagten mit Recht die Einrede der Verjährung erhoben; ihre Revision muß daher Erfolg haben und die Klage abgewiesen werden. Die Entscheidung über die offen bleibenden Kosten des ersten Rechtszuges und der Berufungsinstanz bleibt dem Endurteil des Berufungsgerichts vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 647903 |
BGHZ, 222 |
NJW 1982, 1514 |
ZIP 1982, 561 |