Entscheidungsstichwort (Thema)
Sittenverstoß
Leitsatz (amtlich)
- Ein Immobilienmakler handelt nicht im geschäftlichen Verkehr, wenn er ein Grundstück aus seinem Privatbesitz in Zeitungsanzeigen zum Verkauf anbietet. Eine durch den Verkauf mögliche Liquiditätsverbesserung im geschäftlichen Bereich reicht zur Annahme eines Handelns im geschäftlichen Verkehr nicht aus. In einem solchen Fall besteht eine Irreführungsgefahr nicht deshalb, weil in der Zeitungsanzeige auf die berufliche Tätigkeit des Inserenten als Immoblienmakler nicht hingewiesen wird.
- Gewerbetreibende, die mit Zeitungsanzeigen Privatverkäufe anbieten, handeln im allgemeinen nicht sittenwidrig i. S. des § 1 UWG, wenn sie es unterlassen, auf ihre berufliche Stellung hinzuweisen.
Normenkette
UWG §§ 1, 3
Tatbestand
Der Beklagte ist Immobilienmakler und Geschäftsführer eines Bau- und Bauträgerunternehmens, dessen Gesellschafter er und sein Vater sind.
In der "W. Zeitung" vom 2. September 1989 warb er für den Verkauf eines Bauernhofs mit dem nachstehenden Inserat:
(folgt Grafik)
Der Kläger, ein Verein zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG), ließ durch eine Testperson ein Exposé anfordern, das der Beklagte zusammen mit einem Anschreiben und einem weiteren Exposé über ein anderes Objekt an die Testanruferin übersandte. Das Anschreiben und das weitere Exposé enthielten im Briefkopf den Namen des Beklagten mit dem Zusatz "Kauf- und Verkaufsberatung für Haus- und Grundbesitz", das Exposé über das beworbene Objekt lautete auf die Gesellschaft, deren Geschäftsführer der Beklagte ist. Letzteres wurde provisionsfrei angeboten, ersteres mit einer Käufercourtage von 3,42 %.
Der Kläger hat die Anzeige als irreführend beanstandet, weil der Beklagte darin nicht auf seine Tätigkeit in der Immobilienbranche hingewiesen habe.
Der Beklagte hat die Prozeßführungsbefugnis des Klägers bestritten und geltend gemacht, er habe mit der Anzeige nicht im geschäftlichen Verkehr gehandelt, weil er das Grundstück, das er im Jahre 1983 schenkweise erhalten habe, und das er nicht etwa gekauft habe, um es weiterzuveräußern, aus seinem Privatbesitz angeboten habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, darauf hinzuweisen, daß er ein Maklergeschäft betreibe. Es fehle an einer Werbung "im geschäftlichen Verkehr" wie aus den Umständen des Falles folge.
Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht den Beklagten verurteilt, es unter Androhung gesetzlich vorgesehener Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Immobilien zu werben, ohne anzugeben, in welcher Weise er sich konkret in dieser Branche betätigt.
Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat die Prozeßführungsbefugnis des Klägers bejaht. Den auf § 3 UWG gestützten Unterlassungsanspruch hat es für begründet gehalten. Dazu hat es ausgeführt: Immobilienmakler müßten zur Vermeidung einer Irreführung im Sinne von § 3 UWG in gewerblichen Anzeigen auf ihre Maklereigenschaft hinweisen. Dies gelte auch dann, wenn ein Makler ein Grundstück aus seinem privaten Vermögen verkaufen wolle. Der Charakter der Werbung als "im geschäftlichen Verkehr" bleibe dabei erhalten, da der Begriff des geschäftlichen Verkehrs weit auszulegen sei. Der Verkauf seines im Privateigentum stehenden Hauses komme dem Geschäftsbetrieb des Immobilienmaklers zumindest mittelbar zugute. Außerdem sei die Anzeige geeignet, Kontakt zu Interessenten zu schaffen, denen dann zu vermakelnde Grundstücke angeboten werden könnten. Ein Immobilienhändler sei wegen des von ihm ausgeübten Gewerbes zur Angabe des konkreten Gewerbes verpflichtet und nicht wegen der rechtlichen Beurteilung seines Handelns im Einzelfall. Dies ändere sich auch nicht dadurch, daß das Grundstück provisionsfrei angeboten worden sei, da nicht die Provision der Grund für die Verpflichtung zur Angabe des Gewerbes sei, sondern der Umstand, daß es Personenkreise gebe, die jeglichen Kontakt zu Maklern ablehnten, weil sie mit keinem ihnen überlegenen Partner verhandeln wollten.
II.
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts. Der Beklagte war nicht verpflichtet, beim Verkauf der angebotenen Immobilie anzugeben, daß oder in welcher Weise er sich im Immobiliengeschäft betätigt.
1.
Keine Bedenken bestehen gegen die in erster und zweiter Instanz von dem Beklagten in Abrede gestellte Prozeßführungsbefugnis des Klägers. Der Senat hat die Klagebefugnis des Klägers nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG durch Urteil vom 5. Oktober 1989 (I ZR 56/89, GRUR 1990, 282, 284 = WRP 1990, 255 - Wettbewerbsverein IV) bejaht. Hiervon ist auch vorliegend auszugehen. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger Verhaltensweisen, die nach Auffassung des Senats zu Bedenken gegen die Prozeßführungsbefugnis hätten führen können, aufgegeben; er sieht, wie dem Berufungsgericht aufgrund seiner Kenntnis der Tätigkeit des Klägers in verschiedenen Verfahren bekannt geworden ist, nunmehr davon ab, überhöhte Abmahnkosten zu verlangen, rechtskräftige Titel in Unterwerfungserklärungen umzuwandeln und regelmäßig einen Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs zu verlangen. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Prozeßführungsbefugnis des in Berlin ansässigen Klägers auch nicht deshalb in Frage gestellt, weil er kein satzungsmäßiges Interesse daran habe, die in der "W. - Zeitung" erschienene Werbung für eine Immobilie in Nordrhein-Westfalen zu beanstanden. Seine werbende Wirkung entfaltete das Immobilienangebot auch in Berlin, wo die Zeitung regelmäßig gelesen wird.
2.
Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe mit dem angegriffenen Inserat im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Zwar spricht nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung für die Annahme, daß ein Kaufmann im geschäftlichen Verkehr handelt, wenn er - wie hier der Beklagte - eine Tätigkeit entfaltet, die - äußerlich betrachtet - sich nicht von seinen sonstigen kaufmännisch-beruflichen Tätigkeiten unterscheidet (vgl. BGH, Urt. v. 16. 5. 1961 - I ZR 175/58, GRUR 1962, 34, 36 - Torsana; Urt. v. 14.7. 1961 - I ZR 40/60, GRUR 1962, 45, 47 = WRP 1961, 307 - Betonzusatzmittel; v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl. Kap. 17 Rdn. 19). Vorliegend ist diese Vermutung aber widerlegt. Das folgt aus der gebotenen Gesamtschau der Umstände, des Zwecks der aufgegebenen Anzeige und der Einzelfallgestaltung. Beim Handeln im geschäftlichen Verkehr muß es sich um eine selbständige, wirtschaftliche Zwecke verfolgende Tätigkeit handeln, in der eine Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck kommt und die sich auf Mitbewerber auswirken kann (vgl. BGH, Urt. v. 25.9. 1970 - I ZR 47/69, GRUR 1971, 119 = WRP 1971, 67 - Branchenverzeichnis; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl. Einl. UWG Rdn. 208). So liegt es im Streitfall nicht. Der Beklagte hat das Grundstück außerhalb seiner geschäftlichen Tätigkeit im Wege einer privaten Schenkung schon mehrere Jahre vor dem mit der Anzeige angekündigten Verkauf erworben. Er hat es also nicht zum Zwecke des Weiterverkaufs erworben. Auch später hat er es nicht seinem geschäftlichen Bereich zugeschlagen. Unwiderlegt hat er vorgetragen, daß er sich zum Verkauf erst entschlossen habe, als der Versuch einer geschäftlichen Nutzung für das Bauunternehmen gescheitert war. Insofern läßt der in der Anzeige angekündigte Verkauf keinerlei Kundenwerbung erkennen, sondern allein die Suche nach einem Käufer für den Verkauf eines privaten Objekts außerhalb des geschäftlichen Bereichs. Mittelbare Vorteile für die vom Beklagten betriebenen geschäftlichen Tätigkeiten, insbesondere eine mögliche Liquiditätsvermehrung, legen keine andere Beurteilung nahe. Der Zweck des § 3 UWG geht dahin, vor irreführender Werbung im geschäftlichen Verkehr zu schützen. Daraus folgt, daß nach dem Zweck des § 3 UWG geschäftliche und private Tätigkeiten voneinander zu trennen sind. Andernfalls müßte regelmäßig - was nicht angeht - das private rechtsgeschäftliche Auftreten eines Gewerbetreibenden Handeln "im geschäftlichen Verkehr" sein.
Eine andere Beurteilung folgt vorliegend auch nicht daraus, daß die Übersendung des weiteren Exposés in den Bereich der geschäftlichen Betätigung des Beklagten fällt. Für die Beurteilung der vom Kläger angegriffenen Werbeanzeige, die allein Gegenstand der Klage und damit des Rechtsstreits ist, kann daraus aber nicht hergeleitet werden, daß der Beklagte auch mit dieser Anzeige im geschäftlichen Verkehr tätig geworden ist.
Auf das Senatsurteil "Getarnte Werbung II" vom 27. Mai 1987 (I ZR 153/85, GRUR 1987, 748 = WRP 1987, 724) kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Dieses Urteil ist hier nicht einschlägig. In jener Sache waren die Immobilien im Rahmen des Geschäftsbetriebs als gewerbliche Objekte - wenn auch im Privateigentum des Werbenden stehend - beworben worden. In diesem - für die Beurteilung maßgeblichen - Punkt unterscheidet sich aber jene Fallgestaltung von der vorliegenden.
3.
Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, in der Anzeige anzugeben, daß er sich in der Immobilienbranche betätige, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Keiner der vorliegend in Betracht zu ziehenden Gesichtspunkte trägt das auf § 3 UWG gestützte Verbot.
a)
Das Inserat enthält keine Irreführung über den privaten Charakter des Angebots (vgl. auch dazu BGH, Urt. v. 27. 5. 1987 - I ZR 153/85, GRUR 1987, 748, 749 = WRP 1987, 724 - Getarnte Werbung II). Die Anzeige liest sich - den Tatsachen entsprechend, wie vorstehend zu II. 2. ausgeführt - als das Angebot eines privaten Verkäufers, der einen Käufer für eine Immobilie sucht.
b)
Vorliegend handelt es sich auch nicht um einen der Irreführungsfälle, in denen mit dem Immobilienangebot über die Provisionspflicht des (potentiellen) Erwerbers getäuscht wird (vgl. BGH, Urt. v. 16. 11. 1989 - I ZR 107/87, GRUR 1990, 377 = WRP 1990, 409 - RDM; Urt. v. 13. 12. 1990 - I ZR 31/89, GRUR 1991, 324, 325 = WRP 1991, 236 - Finanz- und Vermögensberater). Eine Provision fiel im Streitfall, wie unstreitig ist und wie im übrigen das der Testanruferin übersandte Exposé ausweist, nicht an.
c)
Aber auch die Gefahr einer Irreführung über Beruf oder geschäftliche Qualifikation, auf die das Berufungsgericht entscheidend abgestellt hat (UA Seite 13/14), scheidet vorliegend aus. Das Inserat erweckte - den Tatsachen entsprechend - den Eindruck eines Angebots von Privat an Privat. Darüber, welchen Beruf der Inserent ausübt, macht sich weder der spätere Erwerber in wettbewerbsrechtlich relevanter Weise Gedanken noch erweckt die Anzeige diesbezüglich falsche Vorstellungen. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts erwartet der Verkehr bei einer Anzeige wie der vorliegenden auch nicht, daß beim Fehlen von Hinweisen auf Beruf oder geschäftliche Qualifikation der Inserent nur denjenigen Grad an Geschäftsgewandtheit hat, der von Personenkreisen geschätzt wird, die - wie das Berufungsgericht es formuliert hat - jeglichen Kontakt zu Maklern deshalb ablehnen, weil sie mit keinem ihnen überlegenen Partner verhandeln wollen, also Angst haben, übervorteilt zu werden, und sich bei Vertragsverhandlungen mit Privatpersonen größere Vorteile versprechen. Auch eine Aufklärungspflicht über Gegenstand oder Art und Weise seiner beruflichen Tätigkeit bestand daher für den Beklagten nicht (vgl. BGH, Urt. v. 21. 6. 1990 - I ZR 258/88, GRUR 1990, 1024, 1025 = WRP 1991, 92 - Lohnsteuerhilfeverein IV m.w.N.; Urt. v. 3. 12. 1992 - I ZR 132/91I ZR 132/91, NJW 1993, 1069, 1070 - Sofortige Beziehbarkeit).
4.
Die Erwägung des Berufungsgerichts, die Verpflichtung zum Hinweis auf das Gewerbe des Beklagten bei einer Anzeige wie hier ergebe sich aus dem Schutzbedürfnis eines Teils des Verkehrs, der es ablehne, mit einem Makler als einem ihm überlegenen Partner zu verhandeln, kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 1 UWG Bedeutung erlangen. Ein Schutzbedürfnis des Verkehrs, das es rechtfertigte, von einem Gewerbetreibenden auch bei der rechtsgeschäftlichen Betätigung im privaten Bereich stets die Angabe seines Berufs zu verlangen, besteht nicht generell. Der Verkehr erwartet nicht ohne weiteres, daß private Verkaufsanzeigen mit der Angabe des Berufs des Inserenten versehen werden. Das schließt es aus, das Verhalten eines Gewerbetreibenden wie hier des Beklagten ohne Hinzutreten weiterer die Sittenwidrigkeit begründende Umstände als unlauter (§ 1 UWG) zu beurteilen.
III.
Danach war auf die Revision des Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1456444 |
BB 1993, 1968 |
GRUR 1993, 761 |