Leitsatz (amtlich)
Der Beschluß, mit dem der Titelgläubiger in bestimmter Weise ermächtigt wird, eine dem Schuldner obliegende vertretbare Handlung auf dessen Kosten vornehmen zu lassen, hindert den Schuldner nicht daran, seine Verpflichtung in anderer Weise freiwillig zu erfüllen.
Normenkette
ZPO § 887 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 9. März 1994 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien sind bzw. waren Eigentümer zweier benachbarter Hanggrundstücke. Auf dem früher dem Kläger gehörenden, talwärts gelegenen Grundstück waren entlang der gemeinsamen Grenze Abgrabungen vorgenommen worden, welche die Standfestigkeit eines von dem Beklagten auf seinem Grundstück geplanten Neubaus zu beeinträchtigen drohten. Der Beklagte erwirkte ein rechtskräftiges Urteil, das dem Kläger aufgab, „durch geeignete Maßnahmen (Schüttung, anderweitige genügende Befestigung)” auf seinem – inzwischen veräußerten – Grundstück „dafür zu sorgen, daß auf dem … Grundstück des (damaligen) Klägers … eine (bestimmte) Bodendruckfestigkeit … erreicht wird.” Der Beklagte wurde gemäß § 887 ZPO ermächtigt, auf Kosten des Klägers eine Böschung aufschütten und daran anschließend eine Stützmauer aus Sichtbeton errichten zu lassen.
Der Kläger hat Vollstreckungsgegenklage erhoben mit dem Antrag, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger an der Grenze zum Grundstück des Beklagten eine Trägerbohlwand errichten lassen und hernach unter Beweisantritt geltend gemacht, er sei damit der ihm auferlegten Verpflichtung nachgekommen. Vor dem Berufungsgericht hatte er keinen Erfolg. Mit seiner Revision, die nur noch auf den Erfüllungseinwand gestützt wird, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Da der Revisionsbeklagte trotz rechtzeitiger Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, mußte auf Antrag des Revisionsklägers durch Versäumnisurteil entschieden werden (BGHZ 37, 79, 81). Dieses Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern berücksichtigt den gesamten derzeitigen Sach- und Streitstand (vgl. BGHZ 37, 79, 82).
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne dahinstehen, ob ein Vollstreckungsschuldner die dem Gläubiger rechtskräftig gestattete Ersatzvornahme noch durch eigene Leistung abwenden könne. Jedenfalls dürfe er keine andere Art der Ausführung wählen, als sie dem Gläubiger im Wege der Ersatzvornahme zugebilligt worden sei. Ob jene zur Erfüllung der dem Schuldner durch Urteil auferlegten Verpflichtung tauge, sei unerheblich, weil andernfalls die Rechtskraft des die Ersatzvornahme bewilligenden Beschlusses unterlaufen würde.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Die Erfüllung des durch ein Urteil festgestellten Anspruchs ist eine Einwendung, die mit der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend gemacht werden kann. Da das Berufungsgericht offengelassen hat, ob die im Auftrage des Klägers errichtete Trägerbohlwand zur Erfüllung der ihm durch das Urteil vom 20. September 1989 auferlegten Verpflichtung ausreichte, ist dies für die Revisionsinstanz zu unterstellen.
2. Der Beschluß, mit dem der Titelgläubiger gemäß § 887 Abs. 1 ZPO ermächtigt wird, eine dem Schuldner obliegende vertretbare Handlung auf dessen Kosten vornehmen zu lassen, hindert den Schuldner grundsätzlich nicht daran, die Erfüllungshandlung noch selbst vorzunehmen (RGZ 104, 15, 16 f.; BGH, Urt. v. 8. Oktober 1992 – VII ZR 272/90, NJW 1993, 1394, 1395 unter 3 b aa). Ein Gläubiger handelt widersprüchlich, wenn er einerseits durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen den Schuldner zur Erfüllung des titulierten Anspruchs anhält, andererseits die vom Schuldner angebotene Erfüllung ablehnt. Eine Ausnahme mag dann angebracht sein, wenn der Gläubiger berechtigte Zweifel an der Ernstlichkeit des Erfüllungswillens haben darf (OLG MDR 1951, 47; OLG Düsseldorf MDR 1982, 61; Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht 10. Aufl. § 71 II 1 [S. 754]) und ein Vorgehen nach § 283 BGB analog untunlich erscheint. Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor, da der Kläger – wie in der Revisionsinstanz zu unterstellen ist – bereits erfüllt hat.
3. Der Schuldner ist mit dem Einwand der Erfüllung – vorbehaltlich § 767 Abs. 2 ZPO – auch dann nicht ausgeschlossen, wenn er auf andere Weise erfüllt hat, als sie dem Gläubiger im Wege der Ersatzvornahme zugebilligt worden war. Es wäre – wie die Revision zu Recht hervorhebt – sinnlos, das Ergebnis einer ordnungsgemäßen Erfüllungshandlung zu vernichten, nur um dem Gläubiger Gelegenheit zu einer Ersatzvornahme zu geben.
a) Der Ermächtigungsbeschluß aus § 887 ZPO hat als Akt der Zwangsvollstreckung die Aufgabe, den durch Urteil festgestellten Anspruch des Gläubigers zu verwirklichen, läßt aber bis zur Erfüllung die Verbindlichkeit des Schuldners unverändert fortbestehen (RGZ 104, 15, 16).
Ob der Schuldner eine Wahlschuld im Sinne von § 262 BGB zu erfüllen hat, wenn in dem zu vollstreckenden Urteil – wie im vorliegenden Fall – nur der Handlungserfolg bezeichnet und es im übrigen dem Schuldner überlassen ist, wie er diesen Erfolg zu erreichen gedenkt, mag zweifelhaft erscheinen (zum Streitstand vgl. MünchKomm-BGB/Keller, 3. Aufl. § 262 Rdnr. 4; Palandt/Heinrichs, BGB 54. Aufl. § 262 Rdnr. 1). Diese Frage ist ohne praktische Bedeutung, weil das Wahlrecht in jedem Falle dem Schuldner zusteht. Für die Entscheidung des vorliegenden Falles unerheblich ist ferner, ob Antrag und Beschluß gemäß § 887 ZPO die Art und Weise der geschuldeten Handlung offenlassen dürfen (so OLG Hamm MDR 1983, 850 u. OLGZ 1984, 254; OLG München MDR 1987, 945; Stein/Jonas/Münzberg, § 887 Rdnr. 37) oder ob der Gläubiger sich hier festlegen muß (so RGZ 60, 120, 121; OLG Frankfurt JurBüro 1988, 259; OLG Köln NJW-RR 1990, 1087; MünchKomm-ZPO/Schilken, § 887 Rdnr. 9, 11; Zöller/Stöber, § 887 Rdnr. 7). Daß sich der Gläubiger für eine bestimmte Art der Durchführung entscheiden darf, ist einhellige Meinung und folgt entweder unmittelbar aus § 264 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB oder aus einer analogen Anwendung dieser Vorschrift. Entscheidet sich der Gläubiger in diesem Sinne, gilt – unmittelbar oder analog – § 264 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB: Der Schuldner kann sich „durch eine der übrigen Leistungen von seiner Verbindlichkeit befreien”, solange nicht der Gläubiger die gewählte Leistung ganz oder zum Teil empfangen hat. Daß der Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, und zwar in einer bestimmten Art und Weise, hindert also schuldrechtlich den Schuldner weder an der freiwilligen Erfüllung noch an der Erfüllung in einer anderen Art und Weise, als es der Gläubiger mit der Zwangsvollstreckung erreichen will. Allerdings kann der Schuldner die Wahl nicht mehr – wie in § 263 BGB für den Regelfall vorgesehen – durch Erklärung, sondern nur noch durch tatsächliche Leistung ausüben (RGZ 53, 80, 82; OLG Düsseldorf MDR 1982, 61, 62; MünchKomm-BGB/Keller, § 264 Rdnr. 9; Soergel/Wolf, BGB 12. Aufl. § 264 Rdnr. 3). Das ist hier geschehen.
b) Soweit Beschlüsse gemäß § 887 ZPO der Rechtskraftwirkung fähig sind, ergibt sich daraus nichts anderes (vgl. dazu Stein/Jonas/Münzberg, § 887 Rdnr. 27, 60 u. Fußn. 137; Zöller/Vollkommer, vor § 322 Rdnr. 9; Peters ZZP 90 (1977), 145 ff.).
Rechtskräftig festgestellt ist nur die Befugnis des Gläubigers, eine bestimmte Handlung auf Kosten des Schuldners vornehmen zu lassen (§ 887 Abs. 1 ZPO) oder selbst vorzunehmen (§ 887 Abs. 1 BGB analog). Die Befugnis des Schuldners, denselben Erfolg durch eine andere Handlung herbeizuführen, ist damit nicht rechtskräftig abgelehnt. Da das Wahlrecht – selbst dann, wenn ihm eine Wahlschuld im Sinne von § 262 BGB zugrunde liegt – durch den Beginn der Zwangsvollstreckung nicht auf den Gläubiger übergeht, vielmehr mit der oben erwähnten Einschränkung beim Schuldner verbleibt (MünchKomm-BGB/Keller, § 264 Rdnr. 8), kann von einer Bindung des Gläubigers an die einmal getroffene Wahl keine Rede sein. Deshalb kann der Gläubiger, wenn sich der geschuldete Erfolg durch die Leistungshandlung, für die er sich zunächst entschieden hat, wider Erwarten nicht erzielen läßt, einen erneuten Antrag gemäß § 887 Abs. 1 ZPO stellen, mit dem er um die Ermächtigung zur Vornahme einer anderen Leistungshandlung nachsucht. Dann wird er zwar möglicherweise die Kosten des ersten Ermächtigungsverfahrens tragen müssen, weil sie regelmäßig nicht notwendige Zwangsvollstreckungskosten sein werden; die Rechtskraft steht dem neuen Beschluß aber nicht entgegen. Die Interessen des Schuldners werden dadurch nicht berührt, weil der geschuldete Erfolg nur einmal verwirklicht werden soll und es dem Schuldner freisteht, dem Gläubiger durch freiwillige Erfüllung – auf welche Art auch immer – zuvorzukommen.
II.
Da sich das Berufungsurteil auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 563 ZPO), ist es aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses aufklärt, ob die von dem Kläger errichtete Trägerbohlwand dem titulierten Anspruch – ganz oder teilweise – genügt. Das bisherige Vorbringen des Klägers läßt im übrigen nicht deutlich werden, ob die Trägerbohlwand nur die Funktion der Betonmauer erfüllen oder auch die weiter nördlich vorgesehene Böschung ersetzen soll. Die Zurückverweisung gibt insoweit Gelegenheit zur Klarstellung.
Fundstellen
Haufe-Index 609739 |
NJW 1995, 3189 |
JuS 1996, 270 |