Verfahrensgang
LG Essen (Entscheidung vom 23.09.2004) |
Tatbestand
Die Beklagten mieteten im Jahre 1983 vom Kläger und seiner zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau eine Wohnung im Erdgeschoß des Hauses C. in E.. Im Mietvertrag vom 8. Januar 1983 heißt es unter anderem:
"§ 2 Mietzeit und ordentliche Kündigung
1.a) Das Mietverhältnis beginnt am 1.2.1983; es läuft auf unbestimmte Zeit. Kündigungsfristen siehe 2.). ...
2. Kündigungsfristen zu 1.a) und 1.b): Die Kündigungsfrist beträgt 3 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums weniger als 5 Jahre vergangen sind, 6 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums 5 Jahre vergangen sind, 9 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums 8 Jahre vergangen sind, 12 Monate, wenn seit der Überlassung des Wohnraums 10 Jahre vergangen sind. ... ."
Im Herbst 1983 bezogen die Beklagten die im gleichen Haus gelegene Wohnung im Dachgeschoß links; ein neuer schriftlicher Mietvertrag wurde nicht geschlossen (GA 48/53). Am 1. Januar 1995 bezogen die Beklagten die im Dachgeschoß rechts gelegene Wohnung. Der mit dem Kläger geschlossene Formularmietvertrag vom 14. Dezember 1994 enthält unter anderem folgende Regelungen:
"§ 2 Mietzeit
(1) Das Mietverhältnis beginnt am 01.01.1995. ...
b) ... Der Mietvertrag läuft auf unbestimmte Zeit und kann bei Mietverhältnissen über Wohnraum mit gesetzlicher Frist gekündigt werden."
Neben der Überschrift "§ 2 Mietzeit" ist handschriftlich das Zeichen "x" eingefügt. Am Ende der Seite ist handschriftlich eingetragen "x Ergänzung zum Vertrag v. 1.2.83".
Mit Schreiben vom 26. Juli 2003 erklärten die Beklagten die Kündigung des Mietverhältnisses zum 31. Oktober 2003. In dem Schreiben ist unter anderem ausgeführt: "Die Kündigung ist, wie Sie wissen, uns nicht leicht gefallen, jedoch aus gesundheitlichen Gründen meiner Ehefrau notwendig." Der Kläger trat der Kündigung entgegen. Die Beklagten räumten die Wohnung zum 31. Oktober 2003.
Mit der Klage verlangt der Kläger Zahlung der Mieten für die Monate November und Dezember 2003 nebst Zinsen und begehrt die Feststellung, daß der zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag durch die ordentliche Kündigung erst zum 31. Juli 2004 beendet worden sei. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Das Mietverhältnis sei infolge der mit Schreiben der Beklagten vom 26. Juli 2003 erklärten Kündigung zum 31. Oktober 2003 beendet worden. Nach § 573 c Abs. 1 Satz 1 BGB habe der Mieter nur noch eine Kündigungsfrist von drei Monaten einzuhalten. Dem stehe die in Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB für Altverträge getroffene Übergangsregelung nicht entgegen. Es könne dahinstehen, ob die Mietverträge vom 8. Januar 1983 und vom 14. Dezember 1994 eine abweichende vertragliche Vereinbarung von Kündigungsfristen im Sinne des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB enthielten. Seinem Vereinheitlichungszweck entsprechend überspiele Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB die frühere Übergangsvorschrift, so daß ab dem 1. Januar 2003 das Bürgerliche Gesetzbuch in der dann geltenden Fassung auf Dauerschuldverhältnisse anzuwenden sei. Diese Überleitungsvorschrift bewirke das Inkrafttreten des § 573 c Abs. 4 BGB zu diesem Zeitpunkt für Altverträge und damit auch die Unwirksamkeit der von § 573 c Abs. 1 Satz 1 BGB zu Lasten des Mieters abweichenden Vereinbarungen.
II. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der Mieten für die Monate November und Dezember 2003 nebst Zinsen; des weiteren ist sein Antrag, festzustellen, daß das Mietverhältnis aufgrund der mit Schreiben der Beklagten vom 26. Juli 2003 erklärten Kündigung erst zum 31. Juli 2004 beendet worden ist, begründet. Die Kündigung der Beklagten ist nicht vor diesem Zeitpunkt wirksam geworden.
1. Die Kündigung der Beklagten vom 26. Juli 2003 ist nicht als ordentliche Kündigung gemäß § 573 c Abs. 1 Satz 1 BGB zum 31. Oktober 2003 wirksam geworden. § 573 c Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach die Kündigung spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf des übernächsten Monats zulässig ist, ist auf das vor dem 1. September 2001 zustande gekommene Mietverhältnis der Parteien nicht anzuwenden; aufgrund der im Mietvertrag getroffenen Vereinbarung gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr.
a) Entgegen der Ansicht der Beklagten haben die Parteien im Mietvertrag eine Vereinbarung über Kündigungsfristen im Sinne des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB getroffen.
§ 2 des ursprünglich geschlossenen Mietvertrags vom 8. Januar 1983 gibt die zum damaligen Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Kündigungsfristen des § 565 Abs. 2 BGB a.F. sinngemäß wieder. Danach verlängerten sich die für beide Parteien geltenden, zeitlich gestaffelten Kündigungsfristen nach zehn Jahren Mietdauer auf zwölf Monate. Die Parteien haben bei Abschluß des Mietvertrags vom 14. Dezember 1994 hinsichtlich der im Dachgeschoß rechts gelegenen Wohnung die Fortgeltung dieser Kündigungsfrist auf der Grundlage der seit dem Jahre 1983 "erworbenen" Mietdauer vereinbart.
Das Amtsgericht, auf dessen tatbestandliche Feststellungen sich das Berufungsgericht bezieht, hat fehlerfrei und von der Revisionserwiderung unbeanstandet festgestellt, die handschriftliche Ergänzung zu § 2 des Mietvertrags vom 14. Dezember 1994 sei vorgenommen worden, weil die Beklagten hätten sicherstellen wollen, daß im Falle einer von dem Vermieter ausgehenden Kündigung die Kündigungsfrist auf der Grundlage des gesamten Mietzeitraums seit 1983 berechnet werde. Zu Recht hat das Amtsgericht ausgeführt, aus dem Umstand, daß der Anlaß für diese Vereinbarung das Interesse der Beklagten an der Aufrechterhaltung der bereits durch den ersten Vertrag "erworbenen" verlängerten Kündigungsfrist gewesen sei, folge nicht, daß die nach § 2 des Vertrags vom 8. Januar 1983 geltenden symmetrischen - für Vermieter und Mieter gleichen - Kündigungsfristen nur für eine Kündigung des Vermieters fortgelten sollten. Wie bereits das Amtsgericht zutreffend dargelegt hat, kann das der schriftlichen Vereinbarung nicht entnommen werden.
b) Die mietvertragliche Vereinbarung ist nicht gemäß § 573 c Abs. 4 BGB unwirksam. Gemäß Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB ist § 573 c Abs. 4 BGB - wonach eine zum Nachteil des Mieters von § 573 c Abs. 1 oder 3 BGB abweichende Vereinbarung unwirksam ist - nicht anzuwenden, wenn die Kündigungsfristen vor dem 1. September 2001 durch Vertrag vereinbart worden sind. Der Auffassung des Berufungsgerichts, Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB stehe der Anwendung des § 573 c Abs. 4 BGB bereits deshalb nicht entgegen, weil diese Übergangsvorschrift durch Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB "überspielt" werde, ist nicht zu folgen. Der Senat hat nach Erlaß des Berufungsurteils entschieden, daß Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB nicht durch die Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB mit Wirkung ab dem 1. Januar 2003 verdrängt wird (Urteil vom 6. April 2005 - VIII ZR 155/04, NJW 2005, 1572, unter II 2 b).
2. Die Kündigung der Beklagten vom 26. Juli 2003 ist auch nicht als außerordentliche Kündigung zum 31. Oktober 2003 wirksam geworden. Zu Recht hat das Amtsgericht ausgeführt, daß eine Umdeutung der ordentlichen Kündigung in eine fristlose Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung (§§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 1 BGB) nicht in Betracht kommt.
Zwar ist die Umdeutung einer Kündigung - wie der Bundesgerichtshof für den Fall einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung entschieden hat (Senat, Urteil vom 12. Januar 1981 - VIII ZR 332/79, NJW 1981, 976 = WM 1981, 253, unter II 1 e aa; BGH, Urteil vom 2. März 2004 - XI ZR 288/02, NJW-RR 2004, 873 = WM 2004, 828, unter II 3) - im Einzelfall nicht ausgeschlossen (ablehnend für den hier vorliegenden Fall der Umdeutung einer unwirksamen ordentlichen Kündigung in eine außerordentliche fristlose Kündigung Staudinger/Rolfs, BGB (2003), § 542 Rdnr. 101; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 8. Aufl., § 542 Rdnr. 22; vgl. auch OLG Celle, ZMR 1995, 298, 299). Um eine solche Umdeutung vornehmen zu können, muß der Wille, den Vertrag auf jeden Fall zu beenden, für den Vertragsteil, für den die Kündigung bestimmt ist, bei Abgabe der Kündigungserklärung zweifelsfrei erkennbar sein (Senat, Urteil vom 12. Januar 1981, aaO.). Daß die Beklagten das Mietverhältnis nicht fristlos kündigen wollten (§§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 1 BGB), hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei angenommen. Hierfür spricht bereits die Angabe eines drei Monate in der Zukunft liegenden Kündigungstermins, der der für ordentliche Kündigungen einzuhaltenden Kündigungsfrist des § 573 c Abs. 1 Satz 1 BGB entspricht.
Die Kündigung wäre im übrigen als außerordentliche Kündigung nach §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 1 BGB unwirksam gewesen, weil sie dem Begründungserfordernis gemäß § 569 Abs. 4 BGB (vgl. dazu Senat, Beschluß vom 22. Dezember 2003 - VIII ZB 94/03, NJW 2004, 850, unter II 2 m.w.Nachw.) nicht genügte. Das Schreiben vom 26. Juli 2003 läßt bereits nicht erkennen, daß die Beklagten die darin erwähnten gesundheitlichen Gründe auf die Beschaffenheit der gemieteten Wohnung zurückgeführt haben. Daß dies jedenfalls im Zeitpunkt der Kündigung nicht der Fall war, ergibt sich aus der von den Beklagten vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 21. Juli 2003, die lediglich bestätigt, daß die Beklagte zu 2 an Bluthochdruck leidet und es ihr aufgrund dieser Erkrankung ärztlicherseits nicht zu empfehlen sei, drei Etagen zu steigen.
III. Auf die Revision des Klägers ist das Berufungsurteil daher aufzuheben, und das Urteil des Amtsgerichts ist wiederherzustellen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 3 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 2962053 |
WuM 2005, 584 |