Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Drittschuldner mit seiner Forderung gegen den Schuldner gegen die gepfändete Forderung aufrechnen kann (vgl. auch BGHZ 58, 327, 331 und BGHZ 68, 379, 382).
Normenkette
BGB § 392
Verfahrensgang
LG Stuttgart |
OLG Stuttgart |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. November 1978 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte, vertreten durch das Staatliche Hochbauamt III in S… übertrug der Firma S… Baugesellschaft mbH & Co KG, S… (im folgenden: Firma S.), wiederholt Arbeiten bei Bauvorhaben, zuletzt durch Auftrag vom 9. Mai 1977 Bohr-, Verfüll- und Maurerarbeiten am ehemaligen Luftschutzstollen „Karrenrank” in Geislingen/Steige. Die Geltung der VOB/B (1973) war vereinbart. Die Klägerin hatte der Firma S. Sand geliefert. Sie ließ wegen ihrer Kaufpreisforderung durch Beschluß des Amtsgerichts Melsungen vom 24. Juni 1977 – aufgrund Vollstreckungsbefehls über 8.410,21 DM nebst Zinsen und Kosten – die Forderung der Firma S. „gegen das Staatliche Hochbauamt III” in S „aus neuem Werkvertrag” pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Der Beschluß wurde dem Hochbauamt am 6. Juli 1977 zugestellt.
Die Firma S. geriet in Vermögensverfall und stellte die Arbeiten in Geislingen ein. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben des Hochbauamts vom 16. August 1977 den Bauvertrag. Zugleich berechnete sie nach „vorläufigen Ermittlungen” den restlichen Werklohn mit 7.217,87 DM und erklärte, gegen diese Forderung mit Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung des Vertrags aufzurechnen. Sie ließ das Bauvorhaben durch einen Drittunternehmer fertigstellen. In ihrer Abrechnung vom 7. April 1978 errechnete sie den restlichen Werklohn der Firma S. auf 7.217,87 DM und ihren zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruch auf 12.550,53 DM.
Die Klägerin verlangt mit der Klage von der Beklagten die Bezahlung der gepfändeten Werklohnforderung in Höhe von 7.217,87 DM nebst Zinsen. Sie meint, die Pfändung und Überweisung der restlichen Werklohnforderung der Firma S. gegen die Beklagte sei wirksam. Demgegenüber greife die von der Beklagten erklärte Aufrechnung nicht durch, weil es an der Aufrechnungslage z. Zt. der Pfändung gefehlt habe.
Die Beklagte hält die Pfändung und Überweisung für unwirksam, weil sie nicht hinreichend bestimmt sei. Im übrigen sei die restliche Werklohnforderung durch ihre Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch getilgt. Der Schadensersatzanspruch sei mindestens gleichzeitig mit der Werklohnforderung fällig geworden.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der – zugelassenen – Revision, um deren Zurückweisung die Beklagte bittet, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht führt aus, der restliche Werklohnanspruch der Firma S. gegen die Beklagte aus dem Auftrag vom 9. Mai 1977 sei durch die Aufrechnung getilgt. Allerdings sei der Anspruch durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 24. Juni 1977 wirksam gepfändet worden. Die durch die Zustellung des Beschlusses an die Beklagte am 6. Juli 1977 eingetretene Beschlagnahme habe jedoch die von der Beklagten später erklärte Aufrechnung mit ihrem Schadensersatzanspruch gemäß § 392 BGB nicht ausgeschlossen. Mit der durch das Schreiben des Hochbauamts vom 16. August 1977 ausgesprochenen Kündigung des Bauvertrags gemäß § 8 Nr. 2 VOB/B sei der gepfändete Anspruch der Firma S. auf Vergütung der bis dahin geleisteten Arbeiten fällig geworden. Gleichzeitig und nicht etwa später sei aber auch der Schadensersatzanspruch der Beklagten wegen Nichterfüllung des offengebliebenen Vertragsteils rechtlich selbständig und fällig geworden. Damit hätten beide Ansprüche einander aufrechenbar gegenübergestanden. Bei Beschlagnahme der Werklohnforderung habe zwar der Schadensersatzanspruch selbst noch nicht bestanden, aber doch sein Rechtsgrund, nämlich die Verpflichtung der Firma S. zur ordnungsmäßigen Ausführung der Bauarbeiten. Es wäre unbillig, wenn dem Schuldner durch die sich in der Sphäre des anderen Vertragsteils vollziehende Beschlagnahme eine Aufrechnungsmöglichkeit genommen würde, die zu erlangen er z. Zt. der Beschlagnahme begründete Aussicht gehabt habe.
Diesen Ausführungen ist im Ergebnis zuzustimmen.
1. a) Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 24. Juni 1977 läßt für die Beteiligten und auch für Dritte als Gegenstand der Pfändung den Werklohnanspruch der Firma S. gegen die Beklagte aus dem Auftrag vom 9. Mai 1977 genügend erkennen.
b) Die Revisionsbeklagte meint zwar dagegen, das Berufungsgericht habe zu geringe Anforderungen an die Bezeichnung der gepfändeten Forderung gestellt. Deren Identität mit der Werklohnforderung aus dem Auftrag der Beklagten vom 9. Mai 1977 sei für Dritte nicht zweifelsfrei erkennbar gewesen. Das trifft nicht zu.
Eine gepfändete Forderung ist schon dann ausreichend bezeichnet, wenn bei verständiger, nach objektiven Gesichtspunkten vorzunehmender Auslegung des Pfändungsbeschlusses die Forderung unzweifelhaft festgestellt werden kann, die Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll (vgl. BGH NJW 1975, 980, 981 m. w. N.). Das Rechtsverhältnis, aus dem die Forderung hergeleitet wird, muß zwar in allgemeinen Umrissen angegeben werden; dabei sind aber Ungenauigkeiten unschädlich, wenn sie keinen Zweifel begründen, welche Forderung gemeint ist (BGH a.a.O.).
c) Diesen Anforderungen genügt der vorliegende Pfändungs- und Überweisungsbeschluß. Als im Zeitpunkt der Pfändung zwischen der Firma S. und dem Hochbauamt III in S. abgeschlossener „neuer Werkvertrag” kommt allein der durch den Auftrag der von Hochbauamt vertretenen Beklagten vom 9. Mai 1977 zustandegekommene Bauvertrag in Betracht. Das war nicht nur für die unmittelbar Beteiligten zweifelsfrei erkennbar, sondern auch für Dritte. Die Beklagte hat infolgedessen auch keinen Anhalt dafür aufgezeigt, daß irgendein Dritter, etwa ein anderer Gläubiger der Firma S., nach dem Inhalt des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses Zweifel hätte haben können, welche von mehreren Forderungen gegen welche von mehreren Auftraggebern gemeint gewesen sei.
2. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das Schreiben der Klägerin an die Firma S. und an das Hochbauamt III vom 14. Juni 1977, mit dem sie die bevorstehende „Pfändung desjenigen Anspruchs …, welcher dem Schuldner gegen den Drittschuldner zusteht, soweit der Anspruch pfändbar ist …” angekündigt hatte, sei mangels ausreichender Bezeichnung der zu pfändenden Forderung keine wirksame Vorpfändung Im Sinne von § 845 ZPO.
Das stellt die Revision zur Überprüfung. Es kann jedoch offen bleiben, ob diese Vorpfändung wirksam war; denn auch die spätere Beschlagnahme durch den am 6. Juli 1977 zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluß liegt noch vor der mit Schreiben der Beklagten vom 16. August 1977 ausgesprochenen Kündigung den Bauvertrags, in deren Folge – wie noch auszuführen ist – der restliche Werklohnanspruch und die Schadensersatzforderung fällig geworden sind.
3. Die Revision meint, die Aufrechnung sei hier nach § 392 BGB unzulässig. Das trifft nicht zu.
a) Nach der 1. Alternative dieser Vorschrift ist die Aufrechnung dann ausgeschlossen, wenn der Aufrechnende die Aufrechnungsforderung erst nach der Beschlagnahme erworben hat. Das ist hier nicht der Fall.
aa) Es ist allgemein anerkannt, daß im Konkursverfahren der Vertragsgegner des Gemeinschuldners gegen Ansprüche der Masse auf Vergütung für den ausgeführten Teil der Leistungen mit einem Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung des restlichen nicht ausgeführten Teils aufrechnen kann. Der Schadensersatzanspruch gilt als schon vor Konkurseröffnung aufschiebend bedingt entstanden. Gemäß § 54 Abs. 1 KO ist daher die Aufrechnung mit ihm auch nach Konkurseröffnung nicht ausgeschlossen (vgl. BGHZ 68, 379, 382 m. w. N.).
bb) Nach § 406 BGB, der dem § 392 BGB ähnelt, kann der Schuldner auch nach Abtretung der Forderung noch mit einer ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung aufrechnen, es sei denn, daß er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder daß die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Auch bei § 406 BGB ist anerkannt, daß es für den „Erwerb” der Aufrechnungsforderung genügt, wenn diese zu dem maßgebenden Zeitpunkt lediglich nach ihrem Rechtsgrund entstanden war (vgl. BGH Urteil vom 12. Juni 1961 – VII ZR 63/60 = JZ 1962, 92; BGHZ 58, 327, 331).
b) Die Aufrechnung ist hier auch nicht nach der 2. Alternative des § 392 BGB ausgeschlossen. Die Aufrechnungsforderung ist zwar erst nach der Beschlagnahme, aber nicht später als die in Beschlag genommene Forderung fällig geworden. Dabei kann dahinstehen, ob der gepfändete Anspruch auf restlichen Werklohn bereits mit der Kündigung fällig geworden ist, wie das Berufungsgericht meint, oder gemäß § 16 Nr. 3, 4 VOB/B (1973) erst später mit Erteilung einer prüfbaren Schlußrechnung. Der gemäß § 8 Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VOB/B an die Stelle des Erfüllungsanspruchs getretene Schadensersatzanspruch der Beklagten ist jedenfalls bereits mit ihrer Kündigung fällig geworden, und damit keinesfalls später als die Werklohnforderung, sondern allenfalls gleichzeitig mit ihr.
Zu Unrecht meint die Revision, der Schadensersatzanspruch der Beklagten sei erst fällig geworden, als der Drittunternehmer das von der Firma S. nur zum Teil hergestellte Werk vollendet und der Beklagten seine Arbeiten in Rechnung gestellt habe. Die Beklagte hat zwar erst zu dieser Zeit ihren Schadensersatzanspruch genau beziffert. Darauf kommt es aber für seine Fälligkeit nicht an. Entscheidend ist vielmehr, daß der Schaden in Zeitpunkt der Kündigung eingetreten war, dem Umfang nach unverändert blieb und in Geld berechnet werden konnte. Er bestand darin, daß die Beklagte durch die Kündigung gezwungen war, einen Drittunternehmer mit der Vollendung des Werks zu beauftragen und dafür höhere Kosten aufzuwenden, als es bei ordnungsmäßiger Vertragserfüllung durch die Firma S. der Fall gewesen wäre. Entgegen der Ansicht der Revision waren die hier allein In Frage stehenden notwendigen, d.h. unvermeidbaren Mehrkosten bereits im Zeitpunkt der Kündigung berechenbar. Damit war der Schadensersatzanspruch im Zeitpunkt der Kündigung fällig.
c) Daß hier trotz der Pfändung noch aufgerechnet werden kann, wird auch der Interessenlage gerecht. Es ist nicht einzusehen, warum in § 392 BGB eine andere Regelung getroffen sein sollte als in § 54 KO und in § 406 BGB. Es wäre unbillig, wenn dem Schuldner durch die Pfändung – anders als im Konkurs und als bei der Abtretung – eine Aufrechnungsmöglichkeit genommen würde, die zu erlangen er z. Zt. der Beschlagnahme bereits begründete Aussicht hatte (vgl. Weber in BGB RGRK, 12. Aufl., § 392, Rn. 1; Staudinger/Kaduk, 10./11. Aufl. § 392, Rn. 12). Andererseits soll der Gläubiger durch die Pfändung keine stärkere Stellung erhalten, als sie sein Schuldner – der Gläubiger der gepfändeten Forderung – im Zeitpunkt der Pfändung hatte.
Nach alledem ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 609644 |
NJW 1980, 584 |
Rpfleger 1980, 98 |