Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OLG |
LG Kiel |
Tatbestand
Die in Irland ansässige Klägerin macht gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 28. Januar 1983 auf einer gemeinsamen Pkw-Fahrt in der libyschen Wüste ereignet hat.
Der Beklagte hält sich seit dem 10. Dezember 1985 überwiegend in Jeddah (Saudi-Arabien) auf. Er ist dort bei einem arabischen Unternehmen beschäftigt und besitzt eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst 5 Jahre. Seine Eltern wohnen in St. (Landgerichtsbezirk Kiel). Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte bei seinen Eltern einen weiteren Wohnsitz unterhält.
Nach vorprozessualem Schriftwechsel hat die Klägerin bei dem Landgericht Kiel eine Klage gegen den Beklagten eingereicht.
Diese ist von einem Postbeamten am 24. Januar 1986 zum Zwecke der Zustellung an den Beklagten dessen Vater ausgehändigt worden.
Mit Schriftsatz vom 27. Januar 1986 hat sich daraufhin für den Beklagten Rechtsanwalt C. bei dem Landgericht gemeldet und u.a. folgendes geltend gemacht:
"... ist dem Unterzeichner die Klage vom 17. Jan. 1986 durch die Eltern des Beklagten mit der Bitte um Stellungnahme zugeleitet worden. Der Unterzeichner ist vom Beklagten in dieser Rechtsstreitigkeit im Jahre 1985 mit dessen außergerichtlicher Vertretung betraut worden. Zustellungsvollmacht hat der Unterzeichner nicht, insbesondere nicht für den Empfang von Klageschriften. Dasselbe gilt für die Eltern des Beklagten.
Der Beklagte hat seinen Wohnsitz nicht in St...., dort wohnen lediglich die Eltern des Beklagten. De Beklagte selbst hält sich seit 1977 ausnahmslos mit wechselnden Wohnsitzen im Ausland auf, und zwar bevorzugt in den Ländern Afrikas und des Nahen Ostens. Er geht dort seiner beruflichen Tätigkeit bei ausländischen Firmen nach. Er weilt bei seinen Eltern in St.... lediglich zu Zwecken des Besuches. Am 10. Dez. 1985 ist der Beklagte nach Saudi-Arabien geflogen, um dort bei ausländischen Firmen Arbeit zu suchen. ...
Unter diesen Umständen ist die Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichts als unzulässig abzuweisen."
In einem weiteren Schriftsatz vom 26. Februar 1986 teilte Rechtsanwalt C. noch folgendes mit:
"Der Beklagte hat sich soeben telefonisch bei seinen Eltern aus dem Ausland, und zwar aus Jeddah in Saudi-Arabien gemeldet. Der Beklagte hat den Unterzeichner über seine Eltern, die den Beklagten von der Tatsache der Zustellung der Klage vom 17. Jan. 1986 berichtet haben, mit der Wahrnehmung seiner Interessen in diesem Rechtsstreit beauftragt. "
Das Landgericht hat sodann am 24. März 1986 veranlaßt, daß Rechtsanwalt C. eine beglaubigte Abschrift der Klage nebst Anlagen gegen Empfangsbekenntnis nach § 212a ZPO übersandt wurde. Die Justizangestellte M. hat die Ablichtungen gefertigt und zum Zwecke der Beglaubigung darauf das Dienstsiegel des Landgerichts gesetzt sowie einen Beglaubigungsvermerk, den sie unterschrieben hat. Den Zusatz "als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle" hat sie jedoch weggelassen. Rechtsanwalt C. hat diese Unterlagen erhalten, aber kein Empfangsbekenntnis unterzeichnet, sondern dem Landgericht mit Schriftsatz vom 3. April 1986 u.a. folgendes mitgeteilt:
"... wird die Zustellung der Klageschrift vom 17.O1.1986, hier eingegangen zusammen mit dem richterlichen Beschluß vom 24. März 1986, als unwirksam zurückgewiesen. Der Beglaubigungsvermerk am Ende der Kopie der Klageschrift.... enthält nicht den erforderlichen Zusatz "als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle". "
Nach Anordnung der abgesonderten Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage hat die Klägerin beantragt, die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Kiel festzustellen.
Das Landgericht hat darauf durch Zwischenurteil festgestellt, daß die Klage vor dem Landgericht Kiel zulässig ist. Die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag, die Klage als unzulässig abzuweisen, weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hält die Klage für wirksam zugestellt, und zwar jedenfalls dadurch, daß eine beglaubigte Abschrift der Klage am 26. März 1986 im Büro von Rechtsanwalt C. eingegangen und von diesem Anwalt am 2. April 1986 zur Kenntnis genommen worden sei. Dem stehe nicht entgegen, daß Rechtsanwalt C. nicht den Willen gehabt habe, die Klage als zugestellt in Empfang zu nehmen. Ein solcher etwa vor liegender Zustellungsmangel sei nämlich gemäß § 187 ZPO geheilt, da Rechtsanwalt C. die Klage nicht zurückgewiesen, sondern behalten und sich darauf eingelassen und die Zustellung nur mit der unzutreffenden Ansicht zurückgewiesen habe, diese sei unwirksam, weil der Beglaubigungsvermerk nicht den Zusatz "als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle" enthalten habe.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat das Landgericht auch seine internationale Zuständigkeit mit Recht bejaht, da diese sich nach den §§ 12 ff ZPO über die örtliche Zuständigkeit richte, im Landgerichtsbezirk Kiel aber der besondere Gerichtsstand des Vermögens nach § 23 ZPO gegeben sei, da das den Eltern des Beklagten gehörende, dort belegene Grundstück noch im April 1986 mit einer Grundschuld zu Gunsten des Beklagten in Höhe von 90.000 DM belastet gewesen sei.
II. Das Berufungsurteil hält im Ergebnis den Angriffen der Revision stand.
1. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß Voraussetzung einer wirksamen Zustellung an einen Anwalt im vereinfachten Verfahren nach § 212a ZPO wie hier - anders als bei einer Zustellung durch einen Gerichtswachtmeister oder die Post (§ 211 ZPO) - dessen Empfangsbereitschaft ist (BGHZ 14, 342, 345; 30, 335, 336; Senatsurteil vom 6. November 1984 - VI ZR 2/83 - VersR 1985, 142, 143 m.w.Nachw.), daß diese Empfangsbereitschaft sich in einem schriftlichen Empfangsbekenntnis des Anwaltes dokumentiert (BGH, Urteile vom 26. September 1975 - I ZR 4/75 - NJW 1976, 107 und vom 31. Mai 1979 - VII ZR 29O/78 - VersR 1979, 937, 938 m.w.Nachw.), daß Rechtsanwalt C. aber ein solches nicht abgegeben hat.
2. Die Empfangsbereitschaft kann allerdings nicht, wie das Berufungsgericht offenbar meint, durch den bloßen Nachweis des Zuganges i.S. von § 187 ZPO ersetzt werden (vgl. Zöller/Stephan, ZPO, 15. Aufl., § 198 Rdn. 8). Zur Wirksamkeit einer Zustellung nach § 212a ZPO genügt es nicht, daß der Anwalt des Zustellungsempfängers von dem zuzustellenden Schriftstück Kenntnis nimmt. Hinzu kommen muß vielmehr die Äußerung des Willens, das zur Empfangnahme angebotene Schriftstück dem Angebot entsprechend als zugestellt entgegenzunehmen (BGH, Urteil vom 29.2.1968 VII ZR 138/65 - VersR 1968, 590; vgl. auch Senatsbeschluß vom 4. Juni 1974 - VI ZB 5/74 - VersR 1974, 1026, wo darauf abgestellt wurde, wann der Anwalt die ihm zur Empfangnahme zwecks Zustellung angebotene Urteilsabschrift diesem Angebot entsprechend angenommen hat). Eine Heilung von Zustellungsmängeln nach § 187 Satz 1 ZPO kommt nicht in Betracht, wenn nicht zugleich diese Empfangsbereitschaft festgestellt werden kann (Zöller/Stephan, aaO; AK-ZPO-Göring, § 198 Rdn. 10). Für eine Anwendung von § 187 ZPO reicht es auch in diesen Fällen zwar aus, daß der Anwalt seine Empfangsbereitschaft konkludent zum Ausdruck bringt, etwa durch schriftsätzliches Einlassen auf das empfangene Schriftstück (Zöller/Stephan, aaO). Davon kann aber im allgemeinen keine Rede sein, wenn der Rechtsanwalt erklärt, er betrachte die Zustellung als unwirksam und weise das Schriftstück deshalb zurück (BGH, Beschluß vom 16. Mai 1975 - I ZB 6/75 - VersR 1975, 906, 907).
Das Berufungsgericht hat eine solche Bereitschaft von Rechtsanwalt C. nicht feststellen können. Es will sie nur daraus entnehmen, daß er sich auf die Klage eingelassen hat. Das reicht indessen nicht aus. Das Fehlen seiner Empfangsbereitschaft muß der Zustellungsempfänger nicht besonders kund tun. Auch aus den sonstigen Umständen kann es sich ergeben, und zwar - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - auch daraus, daß ein Anwalt die Zustellung mit einer unzutreffenden Rechtsansicht zurückweist.
3. Die Revision des Beklagten war jedoch zurückzuweisen da sich die Entscheidung des Berufungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 563 ZPO).
a) Die Zustellung der Klageschrift ist spätestens am 26. Februar 1988 als bewirkt anzusehen. Rechtsanwalt C. ist, wie sich aus seinem Schriftsatz mit diesem Datum ergibt, an jenem Tage von dem Beklagten Prozeßvollmacht erteilt worden. Als solcher war er nun richtiger Zustellungsgegner. Da er aber bereits Ende Januar 1988 über die Eltern des Beklagten in den Besitz der an den Beklagten gerichteten Postsendung mit der Klageschrift gelangt war, kann der etwa in der Erstzustellung an den Vater des Beklagten liegende Zustellungsmangel vom Zeitpunkt der Bevollmächtigung an gemäß § 187 ZPO bzw. in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift als geheilt angesehen werden. Für die Heilung von Zustellungsmängeln einer durch die Post bewirkten Zustellung an den Anwalt bedarf es, wie gesagt, dessen Empfangsbereitschaft nicht.
aa) Dem Gesetzgeber stand zwar bei der Schaffung des § 187 ZPO ersichtlich als Modellfall eine Gestaltung vor Augen, die nicht derjenigen des Streitfalles entsprach. Denn nach seinem Wortlaut soll die Zustellung in dem Zeitpunkt als bewirkt angesehen werden können, zu dem das Schriftstück einem bereits an einem Rechtsstreit Beteiligten zugegangen ist. § 187 Satz 1 ZPO will aber die Geltendmachung von Zustellungsmängeln ausschließen, wenn der Zweck der Zustellung, dem Empfänger eine zuverlässige Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück zu verschaffen, auf andere Weise erreicht ist (BGHZ 17, 348, 352 f; BGH, Urteil vom 8. Oktober 1964 - III ZR 152/63 - NJW 1965, 104; BGH, Beschluß vom 21. Dezember 1983 - IVb ZB 29/82 - NJW 1984, 92.6, 927). Er ist dementsprechend weit auszulegen. Sinn und Zweck dieser Vorschrift erfordert es, sie auch dann anzuwenden, wenn - wie im Streitfall - ein Rechtsanwalt erst durch spätere Bevollmächtigung zu einem Prozeßbeteiligten wird und er bereits vorher in den Besitz eines zuzustellenden Schriftstücks gelangt ist. Wenn er es zu diesem Zeitpunkt noch im Besitz hat, dann geht es ihm mit der Bevollmächtigung im Sinne des § 187 Satz 1 ZPO zu, so daß von da an etwaige Zustellungsmängel als geheilt angesehen werden können.
bb) Dem steht nicht entgegen, daß der Beklagte sich im Ausland aufhält und in der Bundesrepublik keinen Wohnsitz hat. Zwar hat der Bundesgerichtshof angenommen, daß die Zustellung der Klageschrift an eine im Ausland ansässige Partei nicht nach § 187 Satz 1 ZPO als bewirkt angesehen werden kann, wenn die beklagte Partei die Klageschrift tatsächlich erhalten hat (BGHZ 58, 177 ff.; BGH, Urteil vom 13. Juli 1978 - IX ZR 77/73 - RzW 1979, 186; ablehnend: Bockelmann, JR 1972, 425; Geimer, NJW 1972, 1624). Darum geht es im Streitfall jedoch nicht. Hier hat der Beklagte einen beim Landgericht Kiel zugelassenen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt und dieser sich als Prozeßbevollmächtigter des Beklagten bestellt. Wird die Zustellung an diesen gem. § 187 Satz 1 ZPO als bewirkt angesehen, so können die Regeln, welche die Zustellung im Ausland betreffen, nicht tangiert sein.
b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch die internationale Zuständigkeit des Landgerichts bejaht.
Die internationale Zuständigkeit ist in der Zivilprozeßordnung nicht ausdrücklich geregelt. Nach ihrem Wesen und ihrer Funktion unterscheidet sie sich auch von der örtlichen Zuständigkeit (BGH, Urteil vom 26. Januar 1979 V ZR 75/76 - NJW 1979, 1104). Doch folgt sie grundsätzlich deren Regeln (BGHZ 69, 37, 44; 80, 1, 3). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung enthält die Zivilprozeßordnung nämlich eine stillschweigende Verweisung auf die §§ 12 ff ZPO (BGHZ 94, 156, 157 m.w.N.). Soweit daher nach den Vorschriften der §§ 12 ff ZPO über den Gerichtsstand ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist, liegt, wenn keine abweichenden Vorschriften bestehen, gleichzeitig die erforderliche internationale Zuständigkeit vor (BGHZ 63, 219, 220).
Da für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit im Streitfalle sonstige Rechtsvorschriften fehlen, hat das Berufungsgericht diese zutreffend nach dem Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 ZPO) bestimmt. Der erkennende Senat folgt dem Berufungsgericht auch darin, daß im Landgerichtsbezirk Kiel im Zeitpunkt der Klageerhebung der Gerichtsstand des Vermögens gegeben war, da damals das den Eltern des Kläger gehörende und im Bezirk des Landgerichts Kiel gelegene Grundstück mit einer Grundschuld zu Gunsten des Beklagten belastet war. Eine Grundschuld ist ein Vermögen im Sinne des § 23 ZPO, das diesen Gerichtsstand begründen kann, selbst wenn sie nicht valutiert ist. Als Vermögen ist nämlich jedes Vermögensrecht anzusehen, auch wenn es sich dabei, wie bei einer nichtvalutierten Grundschuld, nur um ein dingliches Verwertungsrecht handelt (OLG Frankfurt, MDR 1981, 323). Auch daß die Grundschuld bis zum Tode der Eltern unkündbar gewesen sein soll, ist für den Gerichtsstand des Vermögens unerheblich.
Fundstellen
Haufe-Index 2992966 |
NJW 1989, 1154 |
BGHR ZPO § 187 Satz 1 Zustellungsmängel 2 |
BGHR ZPO § 187 Satz 1 Zustellungsmängel 3 |
BGHR ZPO § 212a, Empfangsbereitschaft 1 |
BGHR ZPO § 23 Vermögen 2 |
BGHR ZPO vor § 12 Zuständigkeit, internationale 3 |
DRsp IV(412)205b-e |
WM 1989, 238 |
DAR 1989, 103 |
MDR 1989, 345 |
VersR 1989, 168 |
IPRspr. 1988, 178 |