Verfahrensgang
Brandenburgisches OLG (Urteil vom 21.11.2001) |
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 17.01.2001) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 21. November 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von mehr als 6.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 12. Januar 1999 verurteilt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. Januar 2001 zurückgewiesen.
Von den Kosten der I. Instanz und des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 2/3 und der Beklagte 1/3.
Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger und der Beklagte zu je 1/2.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 4. September/16. November 1928 erwarb die Stadt B. von dem Landwirt Fritz W. ein Rittergut zur Größe von ca. 695 ha. Ein noch zu zahlender Restkaufpreis von 1.300.000 RM war zunächst bis zum 1. Oktober 1938 gestundet. Er wurde durch die Eintragung von sieben Briefhypotheken gesichert, die mit 6 % zu verzinsen waren. Eine Hypothek über 200.000 RM wurde zugunsten von B. D. bestellt und in das Grundbuch eingetragen. Am 18. Mai 1940 wurde über diese Hypothek ein „Preußischer Hypothekenbrief” ausgestellt, der eine Vereinbarung zwischen B. D. und der Stadt B. wiedergibt, wonach die Hypothek zu den bisherigen Bedingungen über den 1. April 1940 hinaus auf Abruf bestehen bleiben soll. Weiter heißt es dort: „Das Schuldkapital kann beiderseits mit einer Frist von 6 Monaten jeweils zum 1.4. und 1.10. d.Js. zur Rückzahlung gekündigt werden.”
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 24. Oktober 1946 trat B. D. die Hypothek einschließlich der gesicherten Forderung nebst Zinsen an die Eltern des Klägers, deren Rechtsnachfolger er ist, ab.
Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Duldung der Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Kaufpreiszinsen für das letzte Quartal 1946, hilfsweise für das letzte Quartal 1996, und die Zahlung rückständiger Zinsen für das Jahr 1994 in Höhe von 12.000 DM.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist teilweise erfolgreich gewesen; das Oberlandesgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 12.000 DM nebst Zinsen verurteilt.
Mit seiner – zugelassenen – Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger die Kaufpreisforderung von 200.000 RM aus dem Kaufvertrag vom 4. September/16. November 1928 durch Abtretung von dem Verkäufer an B. D. und sodann von ihr an die Eltern des Klägers sowie durch Erbfolge wirksam erworben. B. D. und die Stadt B. hätten die Fälligkeit der Forderung auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben, verbunden mit der für beide Seiten bestehenden Möglichkeit, die Fälligkeit durch Kündigung des Kapitals herbeizuführen. Mangels Kündigung sei bisher keine Fälligkeit eingetreten; deswegen habe der Kläger ebenfalls einen Anspruch auf Zahlung der Zinsen in Höhe von 6 % jährlich. Diese Forderung sei nicht verjährt. Die Verjährungsfrist von 30 Jahren für den Restkaufpreisanspruch habe wegen fehlender Fälligkeit noch nicht begonnen. Die Vorschrift des § 199 Satz 1 BGB a.F., wonach abweichend von dem regelmäßigen Verjährungsbeginn (§ 198 BGB a.F.) die Verjährung dann, wenn der Berechtigte die Leistung erst verlangen kann, wenn er dem Verpflichteten gekündigt hat, bereits mit dem Zeitpunkt beginnt, von dem an die Kündigung zulässig ist, finde hier keine Anwendung, weil nicht nur der Gläubiger, sondern auch der Schuldner die Fälligkeit durch Kündigung herbeiführen könne. Die vierjährige Verjährungsfrist für die für 1994 verlangten Zinsen (§ 197 BGB a.F.) habe nach §§ 198, 201 BGB a.F. Ende des Jahres 1994 zu laufen begonnen und sei durch die Geltendmachung mit dem am 30. Dezember 1998 beim Gericht eingegangenen Schriftsatz, der dem Beklagten am 11. Januar 1999 zugestellt wurde, rechtzeitig unterbrochen worden.
Der Kaufpreisanspruch und der Zinsanspruch seien nicht verwirkt, weil weder das Zeit- noch das Umstandsmoment erfüllt seien.
Hinsichtlich der Höhe der Zinsforderung könne der Kläger die ursprünglich in Reichsmark geschuldeten Zinsen nach einer Umrechnung von 1:1 in DM verlangen.
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
II.
1. Zu Recht – und von der Revision nicht angegriffen – sieht das Berufungsgericht den Kläger als Forderungsinhaber an. Er ist durch Abtretungen und durch Erbfolge Gläubiger geworden.
2. Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Auslegung der Vereinbarung zwischen B. D. und der Stadt B. durch das Berufungsgericht. Danach wird die Restkaufpreisforderung von damals 200.000 RM erst fällig, wenn der Gläubiger oder der Schuldner das Kapital kündigen; bis dahin ist es mit 6 % jährlich zu verzinsen.
3. Die Frage, ob der Klageanspruch verjährt ist, ist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung zu beantworten, denn er war an diesem Tag noch nicht verjährt.
a) Der Restkaufpreisanspruch ist nicht verjährt.
aa) Nach der nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB hier anwendbaren Vorschrift des § 198 Satz 1 BGB a.F. beginnt die Verjährungsfrist mit der Entstehung des Anspruchs. Entstanden in diesem Sinne ist der Anspruch, sobald er erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann; das setzt seine Fälligkeit voraus (BGHZ 113, 188, 193; BGH, Urt. v. 23. Januar 2001, X ZR 247/98, WM 2001, 687, 689). Da hier die Fälligkeit erst mit der Kündigung des Kapitals eintritt und weder der Gläubiger noch der Schuldner bisher eine Kündigung ausgesprochen haben, ist der Restkaufpreisanspruch noch nicht entstanden und hat die Verjährungsfrist noch nicht begonnen.
Dem steht § 199 Satz 1 BGB a.F., der ebenfalls nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB anwendbar ist, nicht entgegen. Die Vorschrift verlagert den Beginn der Verjährung dann, wenn der Berechtigte die Leistung erst nach einer Kündigung verlangen kann, auf den Zeitpunkt vor, von dem an die Kündigung zulässig ist. Sie ist hier jedoch nicht anwendbar. Ihr Sinn und Zweck besteht darin, dem Gläubiger die Möglichkeit zu nehmen, nach Belieben den Beginn der Verjährung hinauszuschieben (BGH, Urt. v. 4. Juni 2002, XI ZR 361/01, ZIP 2002, 1393, 1394; OLG Schleswig, WM 1998, 1578, 1580; MünchKomm-BGB/Grothe, 4. Aufl., § 199 Rdn. 1; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., §§ 199, 200 Rdn. 1; Soergel/Niedenführ, BGB, 13. Aufl., § 199 Rdn. 1; Staudinger/Peters, BGB [1995], § 199 Rdn. 1). Es war die Intention des Gesetzgebers, auch in den Fällen, in denen durch das Kündigungserfordernis die Dauer einer Stundung und damit der Eintritt der Fälligkeit einer Forderung von dem Belieben des Berechtigten abhängt, zu einem festen Anfangszeitpunkt für den Beginn der Verjährung zu gelangen (Motive I, S. 309; vgl. auch Mugdan, Bd. I, S. 779 ff.; van Gelder, WuB I C 2.-1.98). Anderenfalls hätte die Stundungsvereinbarung zur Folge, daß das Institut der Verjährung unterlaufen werden könnte; der Gläubiger hätte es nämlich in der Hand, den Verjährungsbeginn auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben. Das führte aus der Sicht des Verpflichteten dazu, die Verjährung zu erschweren. Eine solche Vereinbarung ist jedoch nach § 225 Satz 1 BGB a.F. unzulässig.
Soweit die Revision meint, dem Gesetzgeber sei es in erster Linie auf Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, nicht dagegen auf die Verhinderung einer Mißbrauchsmöglichkeit angekommen, weil der Zweck des Verjährungsinstituts es gebiete, „an den Nichtgebrauch dieses Dürfens dessen Verlust zu knüpfen” (Motive I, S. 308), hat sie damit zwar recht. Sie übersieht aber, daß das für die Grundregel des § 198 BGB a.F. und nicht für die Ausnahmevorschrift des § 199 BGB a.F. gilt.
bb) Kann – wie hier – die Fälligkeit der Forderung nicht nur durch eine Kündigung des Berechtigten (Gläubigers), sondern auch durch eine Kündigung des Verpflichteten (Schuldner) herbeigeführt werden, gilt die Vorschrift des § 199 BGB a.F. nicht (BGH aaO m.w.N.); die Verjährung beginnt deshalb mit der Entstehung des Anspruchs (§ 198 BGB a.F.), hier also nach einer Kündigung. Die Fälligkeit und damit das Entstehen des Anspruchs stehen nämlich nicht zur alleinigen Disposition des Gläubigers. Damit entfällt das Erfordernis, dem Schuldner hinsichtlich des Verjährungsbeginns kraft Gesetzes eine Sicherheit dafür zu geben, daß er nicht auf unbestimmte Zeit der Geltendmachung des Anspruchs ausgesetzt ist. Er selbst hat die Möglichkeit, jederzeit den Lauf der Verjährungsfrist in Gang zu setzen. Macht er davon Gebrauch, ist er jedem anderen Schuldner gleichgestellt und kann absehen, in welchem Zeitraum er in Anspruch genommen werden kann. Spricht er keine Kündigung aus, muß er die daraus folgende Unsicherheit in bezug auf den Beginn und damit auch auf das Ende der Verjährungsfrist selbst tragen.
cc) Ist somit der Restkaufpreisanspruch noch nicht entstanden, hat für ihn die Verjährungsfrist noch nicht begonnen.
b) Auch der mit der Klage geltend gemachte Zinsanspruch für das Jahr 1994 ist nicht verjährt. Das Berufungsgericht geht zu Recht von einem Beginn der Verjährungsfrist am 31. Dezember 1994 und ihrem Ende am 31. Dezember 1998 aus (§§ 197, 201 BGB a.F. i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Durch seine gerichtliche Geltendmachung mit dem am 30. Dezember 1998 eingegangenen und dem Beklagten am 11. Januar 1999 zugestellten Schriftsatz wurde die Verjährung unterbrochen (§ 270 Abs. 3 ZPO). Da nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB diese gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs zu einer Hemmung der Verjährung führt, gilt die Unterbrechung als mit Ablauf des 31. Dezember 2001 beendet; die nach neuem Recht zu beurteilende Verjährung ist mit Beginn des 1. Januar 2002 gehemmt (Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB). Das hat zur Folge, daß die Verjährungsfrist um die Zeit der Hemmung zu verlängern ist (§ 209 BGB). Da die Hemmung nach § 204 Abs. 2 BGB sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung, nach einer anderweitigen Beendigung des Rechtsstreits oder – wenn er nicht betrieben wird – nach der letzten Verfahrenshandlung der Parteien oder des Gerichts endet und keiner dieser Zeitpunkte bisher eingetreten ist, dauert die Hemmung weiter an; die Verjährungsfrist ist deswegen noch nicht beendet.
4. Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte könne sich nicht erfolgreich auf die Verwirkung des Klageanspruchs berufen. Es ist nämlich nichts dafür ersichtlich, daß die Geltendmachung des Anspruchs für den Beklagten eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte darstellt.
5. Der Klageanspruch ist indes nicht in der geltend gemachten Höhe begründet.
a) Die Wertausgleichklausel in § 2 des notariellen Kaufvertrags entfaltet keine Wirkung. § 1 der Verordnung über wertbeständige Rechte vom 16. November 1940 (RGBl. I, 1521) legte nämlich für den Fall, daß bei der Begründung einer in Reichswährung zu erfüllenden Geldschuld der geschuldete Geldbetrag durch Bezugnahme auf den Preis des Feingolds bestimmt worden war, fest, daß der Geldbetrag als geschuldet galt, der sich unter Zugrundelegung des amtlich festgestellten Feingoldpreises ergab; entgegenstehende Vereinbarungen waren unwirksam. § 14 Abs. 2 des Gesetzes über die Deutsche Reichsbank vom 15. Juni 1939 (RGBl. 1939 I, 1015), auf den § 1 Abs. 1 der Verordnung über wertbeständige Rechte verweist, setzte den Kurs mit 2.790 Reichsmark für 1 kg Gold fest. Damit war das Verhältnis von Reichsmark zu Gold festgeschrieben und die Goldmark kraft Gesetzes der Reichsmark gleichgestellt (vgl. OLG Gera, Beschluß vom 23. Dezember 1947, NJ 1948, 20 [m. Anm. Nathan]; s. näher Vogels, DJ 1940, 1309, 1310 ff.). Die Wertsicherungsklausel in § 2 des notariellen Kaufvertrags vom 4. März 1929 war nunmehr wirkungslos.
b) Der Befehl Nr. 111 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland vom 23. Juni 1948 (Zentralverordnungsblatt 1948, 217) in Verbindung mit VI. 18. der Verordnung über die Währungsreform in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands vom 21. Juni 1948 (Zentralverordnungsblatt 1948, 220, 222) bestimmte, daß innerdeutsche Schuld- und Vertragsverpflichtungen, die vor der Durchführung der Währungsreform entstanden waren, grundsätzlich unverändert blieben und nicht der Umwertung unterlagen. Der Nennbetrag der betroffenen Forderungen wurde demnach durch die Umwertung nicht verändert. Es trat lediglich an die Stelle der Währungsbezeichnung „Reichsmark” zunächst die „Reichs- bzw. Rentenmark mit aufgeklebten Spezialkupons” (vgl. Befehl Nr. 111 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland vom 23. Juni 1948, Zentralverordnungsblatt 1948, 217, 218) und sodann die neue Währungseinheit „Deutsche Mark der Deutschen Notenbank” (vgl. Befehl der Sowjetischen Militäradministration Nr. 124/1948 vom 24. Juli 1948, Zentralverordnungsblatt 1948, 294, in Verbindung mit I.1. der Anordnung zur Regelung des Umtausches der Reichsmark und Rentenmark mit aufgeklebten Spezialkupons in Deutsche Mark der Deutschen Notenbank [im Verhältnis 1:1] vom 20. Juli 1948, Zentralverordnungsblatt 1948, 295).
c) Schließlich wurden durch Art. 10 Abs. 5 des Staatsvertrags über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 (BGBl. II, 537; GBl. I, 332) in Verbindung mit Art. 7 § 1 Abs. 1 der Anlage I dieses Vertrags alle Forderungen, die vor dem 1. Juli 1990 begründet worden waren oder nach den vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung in Geltung gewesenen Vorschriften in Mark der Deutschen Demokratischen Republik zu erfüllen gewesen wären, im Verhältnis 2:1 auf DM umgestellt. Das betraf auch die streitbefangene Forderung, die sich demnach im Zuge dieser Währungsumstellung im Nennbetrag „halbiert” hat. Dementsprechend können dem Kläger nur 6.000 DM zugesprochen werden.
III.
Die Kostenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Tropf, Klein, Lemke, Gaier, Schmidt-Räntsch
Fundstellen
Haufe-Index 891996 |
ZfIR 2003, 217 |
NJOZ 2003, 498 |