Leitsatz (amtlich)
Die Grundbucheintragung der Teilungserklärung oder der Teilungsvereinbarung vor Errichtung des Gebäudes ist inhaltlich zulässig auch dann, wenn schon in diesem Zeitpunkt nach öffentlichem Recht ein Bauverbot für das Grundstück besteht.
Normenkette
WEG §§ 3, 8
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 14.08.1987; Aktenzeichen 14 U 62/87) |
LG Hamburg (Urteil vom 04.03.1987; Aktenzeichen 19 O 590/86) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 14. August 1987 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ersteigerte gegen ein Bargebot von 70.000 DM Wohnungseigentum, bestehend aus einem Miteigentumsanteil am Grundstück und dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 5 bezeichneten Wohnung in einem erst noch zu errichtenden Gebäude. Der Zuschlagsbeschluß vom 25. Januar 1984, zugestellt am 24. Februar 1984, kennzeichnet den Zustand des Wohnungseigentums als „bisher nur anteilige Grundstücksfläche”.
Nachdem der Kläger bei der Bauaufsichtsbehörde erfahren hatte, daß ihm der Bau des Hauses, auf das sich das Sondereigentum bezieht, nicht genehmigt werden würde, suchte er am 1. März 1984 die Kanzlei der beklagten Rechtsanwälte auf. Er bat den Beklagten zu 1 um Prüfung, ob er sich von dem Zuschlag lösen könne. Der Beklagte zu 1 gab keinen Hinweis auf den Lauf einer etwaigen Rechtsmittelfrist. Am nächsten Tag trat der Kläger eine längere Auslandsreise an. Bei seiner Rückkehr fand er ein Schreiben des Beklagten zu 2 vom 15. März 1984 des Inhalts vor, daß ein Rechtsmittel gegen den Zuschlagsbeschluß aussichtslos sei.
Eine spätere Bauvoranfrage des Klägers wurde abschlägig beschieden, sein dagegen erhobener Widerspruch zurückgewiesen. Inzwischen hat sich in einem erneuten Zwangsversteigerungsverfahren herausgestellt, daß das dem Kläger zugeschlagene, damals mit einem Verkehrswert von 100.000 DM angesetzte Wohnungseigentum nur 5.000 DM wert ist.
Der Kläger beansprucht von den Beklagten als Gesamtschuldnern, gestützt auf die Behauptung fehlerhafter Rechtsberatung, Schadensersatz in Höhe eines Teilbetrages von 41.000 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Anspruch weiter. Die Beklagten beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, der Kläger habe durch eine den Beklagten etwa vorwerfbare Verletzung des mit ihnen geschlossenen anwaltlichen Beratungsvertrages keinen Schaden erlitten, da ein Rechtsbehelf gegen den Zuschlagsbeschluß unbegründet gewesen wäre. Der Kläger hätte nämlich auch bei rechtzeitiger sofortiger Beschwerde nicht mit Erfolg geltend machen können, daß die Zwangsversteigerung des ihm zugeschlagenen Wohnungseigentums unzulässig gewesen sei (§§ 100 Abs. 1, 83 Nr. 6 ZVG). Unberechtigt sei der Einwand, Wohnungseigentum habe mangels planungsrechtlicher Zulässigkeit einer Errichtung desjenigen Gebäudes, in dem die dem Sondereigentum Nr. 5 zugeordnete Wohnung vorgesehen gewesen sei, nicht entstehen können. Gesichtspunkte des Bauplanungsrechts seien für die Wirksamkeit der Begründung von Wohnungseigentum bedeutungslos.
Das hält revisionsrechtlicher Prüfung stand.
1. Sofortige Beschwerde gegen die Erteilung des Zuschlages, dementsprechend auch die dem Rechtsmittel vorgeschaltete befristete Erinnerung gegen den Zuschlagsbeschluß des Rechtspflegers (§ 11 Abs. 1 und 4 RPflG), hätte der Kläger nach den hier allein in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 100 Abs. 1, 83 Nr. 6 ZVG begründet nur dann einlegen können, wenn die Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums unzulässig gewesen sein sollte. Das war nicht der Fall.
a) Aus den im Tatbestand des Berufungsurteils in Bezug genommenen Schriftsätzen der Parteien ergibt sich, daß das versteigerte Wohnungseigentum durch Teilungserklärung gemäß § 8 WEG gebildet worden ist. Dieses Wohnungseigentum ist durch Eintragung des mit jedem Miteigentumsanteil verbundenen Sondereigentums in die Wohnungsgrundbücher zustande gekommen (§ 8 Abs. 2, § 7 Abs. 1 WEG). Insoweit stellt das Berufungsgericht rechtlich einwandfrei und unangegriffen fest, daß die Eintragung den formellen gesetzlichen Erfordernissen für die Begründung von Wohnungseigentum entsprach.
b) Das Berufungsgericht geht davon aus, schon im Zeitpunkt der Grundbucheintragung habe ein öffentlich-rechtliches Bebauungshindernis für den Teil der Grundstücksfläche bestanden, auf dem nach dem Aufteilungsplan ein Gebäude mit der dem – versteigerten – Wohnungseigentum Nr. 5 zugeordneten Wohnung errichtet werden sollte. Insoweit weist die Revisionserwiderung zwar zutreffend darauf hin, der Kläger habe nicht vorgetragen, daß der Bebauungsplan, auf den sich der die Bauvoranfrage ablehnende Widerspruchsbescheid des Kreises O stützte, bereits bei Bildung des Wohnungseigentums Bestand hatte; der Tatrichter konnte jedoch das Vorbringen jedenfalls in dem Sinne verstehen, daß von Anfang an keine planungsrechtliche Voraussetzung zu einer dem Aufteilungsplan entsprechenden Bebauung vorlag.
Der Senat billigt die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, Wohnungseigentum könne trotz einer von vornherein bestehenden Baubeschränkung wirksam entstehen.
Die Begründung von Wohnungseigentum ist ein sachenrechtlicher Akt, dessen inhaltliche Zulässigkeit nur davon abhängt, ob er den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes entspricht. Nach § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 WEG kann durch Teilungsvereinbarung oder, wie hier, durch Teilungserklärung Wohnungseigentum schon vor Errichtung des Gebäudes gebildet werden. Das den Miteigentumsanteilen am Grundstück jeweils zugeordnete Sondereigentum an einer Wohnung entsteht dann erst mit deren Fertigstellung. Dinglich vollzogen wird die Teilungserklärung aber bereits durch Eintragung in die Wohnungsgrundbücher (§ 8 Abs. 2, § 7 Abs. 1 WEG), obwohl zu diesem Zeitpunkt dasjenige Wohnungseigentum, das sich auf eine Wohnung in einem erst noch zu errichtenden Gebäude erstreckt, tatsächlich nur ein Miteigentumsanteil am Grundstück ist. Die Eintragung verschafft dem Grundstückseigentümer als nunmehrigem Inhaber aller Miteigentumsanteile und damit auch dem späteren Erwerber eines Anteils zwar die gesicherte Rechtsposition, daß dem Anteil am Grundstück im Falle der Bebauung – entgegen der Regel des § 93 BGB – Sondereigentum zuwächst; diese „Anwartschaft” auf Erlangung von Sondereigentum – sowie von Miteigentum an den gemeinschaftlichen Gebäudeteilen – sagt jedoch nichts darüber aus, ob das Gebäude errichtet wird und ob es nach öffentlichem Bauplanungsrecht überhaupt errichtet werden darf. Wenn das Gebäude, gleichgültig aus welchen Gründen, nicht erstellt wird, bleibt das Wohnungseigentum auf Dauer in dem Zustand wirksam, in dem es sich bei Grundbucheintragung befand, also der Substanz nach nur in dem eines Miteigentumsanteils am Grundstück (Weitnauer, WEG 7. Aufl., § 3 Rdn. 11 a.E.).
Dieses Ergebnis wird auch nicht durch das Erfordernis einer Abgeschlossenheitsbescheinigung in Frage gestellt. Für die Eintragung von Wohnungseigentum ist zwar nachzuweisen, daß jede Wohnung in sich abgeschlossen ist (§ 3 Abs. 2, § 7 Abs. 4 Nr. 2 WEG); dadurch wollte der Gesetzgeber aber nur Streitigkeiten vermeiden, wie sie unter der Geltung des Stockwerkseigentums als Folge unklarer rechtlicher Verhältnisse entstanden sind (Begr. zu § 3 Abs. 2 im Bericht des Bundestagsausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen v. 31. Januar 1951 = BT-Drucks. Nr. 1802/1951). Es sollte mithin lediglich gewährleistet sein, daß jeder Sondereigentumsbereich von demjenigen der anderen Wohnungseigentümer eindeutig abgegrenzt ist. Einen Nachweis auch darüber, daß die Errichtung eines Gebäudes mit den dem Aufteilungsplan entsprechenden Wohnungen bauplanungsrechtlich genehmigungsfähig ist, verlangt das Gesetz nicht. Ob dennoch die Baubehörde nach Nr. 8 Abs. 1 der zu § 7 Abs. 4 Nr. 2 und § 32 Abs. 2 Nr. 2 WEG erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 19. März 1974 (BAnz. Nr. 58) bei einem noch zu errichtenden Gebäude die Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung versagen könnte, wenn die Errichtung baurechtlich unzulässig ist (so wohl Trendel, BauR 1984, 215, 220; a.M. Bielenberg, ZfBR 1982, 7, 9), kann dahinstehen. Denn die Bescheinigung ist hier erteilt und dem Grundbuchamt vorgelegt worden, was für die Eintragung jedenfalls dann genügt, wenn kein deutlicher Widerspruch zum Aufteilungsplan besteht (Weitnauer aaO § 7 Rdn. 10 b). Das Erfordernis der Abgeschlossenheit ist zudem in § 3 Abs. 2 WEG nur als Sollvorschrift geregelt, so daß die Wirksamkeit des Wohnungseigentums nach dessen Eintragung nicht unter Berufung auf diese Vorschrift und somit auch nicht wegen eines Mangels der baubehördlichen Prüfung in Zweifel gezogen werden kann (vgl. amtl. Begr. zu § 3 = BR-Drucks. Nr. 75/1951).
Demnach ist hier Wohnungseigentum wirksam begründet worden. Folglich hat es auch der Vollstreckungsschuldner mit zulässigem Inhalt erworben. Die vom Senat in BGHZ 96, 385, 388 (krit. Kohler, JR 1989, 317) für den Verkauf eines Erbbaurechts getroffene Entscheidung, daß es inhaltlich unzulässig ist, wenn bei seiner Bestellung ein dauerndes Bauverbot besteht (anders indes bei Bauerwartungsland: BGHZ 101, 143, 148), läßt sich auf den Erwerb von Wohnungseigentum nicht übertragen. Denn hier erhält der Erwerber auch bei einem erst noch zu errichtenden Gebäude ein schon durch Eintragung der Teilungserklärung oder der Teilungsvereinbarung inhaltlich zulässig gebildetes Wohnungseigentum. Ob dann der Veräußerer die Entstehung des Sondereigentums zu gewährleisten hat, ist eine Frage der schuldrechtlichen Vertragsgestaltung. Ein insoweit etwa in Betracht kommender Sach- oder Rechtsmangel hat nach § 56 Satz 3 ZVG auf die Zulässigkeit der Zwangsversteigerung keinen Einfluß.
2. Der Zuschlagsbeschluß hätte auch nicht aus anderen Gründen mit Erfolg angefochten werden können.
Der Beschluß kennzeichnete den tatsächlichen Zustand des versteigerten Wohnungseigentums zutreffend als „bisher nur anteilige Grundstücksfläche”. Daß es etwa irreführend – und erst aus diesem Beschluß erkennbar – ohne Hinweis auf die wirklichen Verhältnisse ausgeboten worden ist, hat der Kläger nicht behauptet. Insoweit erhebt auch die Revision keine Rüge.
Richtig ist der Standpunkt des Berufungsgerichts, daß die Festsetzung eines überhöhten Verkehrswerts des Wohnungseigentums nicht den Kläger zur Anfechtung des Zuschlagsbeschlusses berechtigte (§ 74 a Abs. 5 Satz 4 ZVG). Die Wertfestsetzung dient nicht den Belangen des Meistbietenden, sondern denen der Gläubiger (vgl. Stöber/Zeller, ZVG 13. Aufl., § 74 a Anm. 1.4 und 9.8).
3. Die Revision ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Unterschriften
H, L, R, W, T
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.12.1989 durch Hirth Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 512684 |
BGHZ |
BGHZ, 36 |
NJW 1990, 1111 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1990, 386 |
DNotZ 1990, 259 |