Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstellung eines Zwangsversteigerungsverfahrens über ein Grundstück
Leitsatz (amtlich)
- Jeder Miteigentümer eines Grundstücks hat, auch wenn er selbst als Antragsteller oder Beitretender die Teilungsversteigerung betreibt, in seiner Eigenschaft als Antragsgegner in den von anderen Miteigentümern betriebenen Verfahren zur Aufhebung der Gemeinschaft das Recht, nach § 180 Abs. 2 ZVG die einstweilige Einstellung dieser Verfahren zu beantragen.
- Die entsprechende Anwendung des § 30b ZVG im Rahmen des § 180 Abs. 2 ZVG bedeutet nicht, daß die Notfrist von zwei Wochen für den Antrag auf einstweilige Einstellung des Verfahrens nur dann gilt, wenn das Verfahren bereits einmal eingestellt gewesen ist; die Frist gilt vielmehr auch bereits für den ersten Antrag auf einstweilige Einstellung nach § 180 Abs. 2 ZVG.
Normenkette
ZVG § 180 Abs. 2, §§ 30b, 85a
Tenor
Auf die Revision des Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Kammergerichts vom 9. Februar 1979 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin war Mitglied einer Erbengemeinschaft, an der noch ihre Schwester Dr. Adelheid Ha. - beide je zu einem Viertel - und ihr Onkel Dietbert H. - zur Hälfte - beteiligt waren. Zum ungeteilten Nachlaß gehörte das 2 625 qm große Grundstück W. straße ... in Berlin, das mit einer größeren Villa bebaut ist. Das Gebäude ist nachträglich in ein Mehrfamilienhaus umgebaut worden und wird von mehreren Mietparteien bewohnt; es befindet sich in schlechtem Allgemeinzustand.
Der Beklagte hatte die Klägerin und ihre Schwester in verschiedenen Rechtsangelegenheiten anwaltlich beraten und besaß seit 1972 eine Generalvollmacht der Klägerin. Zwecks Aufhebung der Gemeinschaft beantragte er im August 1974 namens der Klägerin die Versteigerung des Grundstücks. Durch Beschluß des Amtsgerichts vom 20. August 1974 wurde die Versteigerung angeordnet. Nach vergeblichen Versuchen, die Einstellung des Versteigerungsverfahrens zu erreichen, trat Dietbert H. im Februar 1975 dem Verfahren bei. Der Beitrittsbeschluß wurde der Klägerin am 12. Februar 1975, ihrer Schwester am 14. März 1975 zugestellt. Der Beklagte teilte der Klägerin mit, er habe den Eindruck, daß ihr Onkel das Grundstück billig ersteigern wolle. Mit Schriftsatz vom 5. März 1975 beantragte der Beklagte namens der Klägerin, das Zwangsversteigerungsverfahren für sechs Monate einzustellen. Das Gericht entsprach dem Antrag durch Beschluß vom 12. März 1975, wies aber zugleich darauf hin, daß der Versteigerungstermin, der inzwischen aufgrund des Beitritts von Dietbert Hoffmann auf den 29. April 1975 festgesetzt worden war, bestehenbleibe. Der Beklagte blieb dem Versteigerungstermin fern. Als einziger Bieter erschien H. und erhielt für 280.000 DM den Zuschlag. Der Beklagte erfuhr hiervon am Abend des 29. April 1975 und legte am 6. Mai 1975 für die Klägerin Zuschlagsbeschwerde ein, weil H. ihm zugesagt habe, der Einstellung des Verfahrens zuzustimmen. Die Beschwerde blieb erfolglos. Der Beklagte beglich die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens (insgesamt 981,05 DM).
In der Folgezeit bemühten sich die von der Klägerin und ihrer Schwester eingeschalteten Anwälte und der Beklagte - wie dieser betonte, nicht zuletzt in seinem eigenen Interesse -, den Ersteher zu einer Aufstockung des Versteigerungserlöses zu veranlassen und so den Schaden der Klägerin möglichst gering zu halten. Unter Zugrundelegung eines Grundstückswertes von 400.000 DM erklärte sich Hoffmann schließlich bereit, an die Klägerin und ihre Schwester je 95.000 DM zu zahlen. Weitere 5.000 DM zahlte die Haftpflichtversicherung des Beklagten an die Klägerin.
Über ihren Steuerberater ließ die Klägerin nunmehr - erstmalig - ein Gutachten über den Verkehrswert des Grundstücks einholen. Nach Antrage beim Gutachterausschuß für Grundstückswerte in Berlin teilte ihr der Steuerberater mit, daß der reine Bodenwert des Grundstücks 787.500 DM betrage und das Gebäude keinen zusätzlichen Wert habe.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz, weil er pflichtwidrig die "Verschleuderung" des Grundstücks zugelassen habe. Sie berechnet ihren Schaden im Ausgangspunkt nach dem auf sie entfallenden Viertel des Differenzbetrages von 400.000 DM (im Vergleichswege vom Ersteher zugrundegelegter fiktiver Erlös) und 787.500 DM (behaupteter Verkehrswert). Insgesamt verlangt sie, 96.875 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 29. April 1975 zu zahlen.
Der Beklagte tritt dem Anspruch entgegen. Er bestreitet, sich pflichtwidrig verhalten und der Klägerin hierdurch einen Schaden zugefügt zu haben. Hilfsweise rechnet er mit Gebührenansprüchen in Höhe von insgesamt 14.148,35 DM auf.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr in Höhe von 46.871,07 DM nebst 4 v.H. Zinsen seit dem 1. Juni 1976 stattgegeben.
Mit der Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlußrevision verfolgt sie ihr Klagebegehren in Höhe von 93.746,07 DM nebst Zinsen weiter.
Der Beklagte beantragt,
die Anschlußrevision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat den Beklagten wegen Verstoßes gegen seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag für verpflichtet angesehen, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr daraus entstanden sei, daß er pflichtwidrig den Versteigerungstermin am 29. April 1975 versäumt habe. Es meint, der Beklagte hätte namens der Klägerin einen Einstellungsantrag nach § 180 Abs. 2 ZVG stellen und so die Erteilung des Zuschlags zu dem Gebot von nur 280.000 DM vermeiden können; die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen hierfür (§ 180 Abs. 2 ZVG) hätte er herbeiführen können, indem er zuvor den Versteigerungsantrag der Klägerin zurücknahm und ihr dadurch rückwirkend die Rechtsstellung eines das Verfahren nicht selbst betreibenden Miteigentümers verschaffte (Hinweis auf OLG Stuttgart, OLGZ 1970, 361). Es sei damit zu rechnen, daß bei einer Wiederholung der Versteigerung weitere Bieter aufgetreten wären und günstigere Gebote abgegeben hätten. Ein Verschulden des Beklagten hat das Berufungsgericht auch darin gesehen, daß er sich nicht nach dem Verkehrswert des Grundstücks erkundigt und die Klägerin nicht gedrängt habe, das Gutachten eines Sachverständigen über die Höhe des Verkehrswertes einzuholen.
Der Höhe nach hat das Berufungsgericht den Schaden der Klägerin im Anschluß an das Gutachten des Sachverständigen D. auf 50.000 DM bemessen: Der Bodenwert habe bei 300 DM je Quadratmeter gelegen. Hiervon sei ein Abschlag zu machen, weil der Ertragswert gering gewesen sei und für etwaige Kaufinteressenten daher nur Abriß der Altbausubstanz und eine Neubebauung als Erwerbsmotiv in Betracht gekommen sei. Wegen der zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Erlangung einer Abrißgenehmigung sei der Abschlag auf 20 % vom Bodenwert festzusetzen. Danach sei der Verkehrswert des Grundstücks für den 29. April 1975 mit rund 630.000 DM anzunehmen; die spätere Preissteigerung komme der Klägerin nicht zugute. Ein weiterer Abschlag in Höhe von 30.000 DM sei deswegen gerechtfertigt, weil vor allem bebaute Grundstücke der Preislage zwischen 400.000 DM und 600.000 DM gefragt seien. Der der Klägerin in Höhe von 50.000 DM entstandene Schaden mindert sich nach Ansicht des Berufungsgerichts in Höhe eines Viertels von 3.987,72 DM (= 996,93 DM), weil der Ersteigerer eine Hypothek in Höhe dieses Betrages übernommen habe. Die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit Honorarforderungen greife nur in Höhe von insgesamt 2.110 DM durch; hinzu kämen zu ersetzende Aufwendungen für einen Grundbuchauszug und Katastermaterial in Höhe von insgesamt 22 DM. Der zu ersetzende Schaden betrage mithin 46.871,07 DM (50.000 DM abzüglich 3.128,93 DM). Zinsen könne die Klägerin nur seit Beginn des Verzuges am 1. Juni 1976 und - mangels weiterer Nachweise - in Höhe von 4 % verlangen.
II.
Zur Revision des Beklagten:
1.
Ohne Rechtsverstoß gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß der Beklagte seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag in mehrfacher Hinsicht verletzt hat.
Nach ständiger Rechtsprechung, von der abzuweichen kein Anlaß besteht, ist der Rechtsanwalt verpflichtet, vermeidbare Nachteile von seinem Auftraggeber fernzuhalten; von mehreren in Betracht kommenden Wegen hat er denjenigen zu beschreiten, der am sichersten zum erstrebten Erfolg führt (BGH Urt. v. 4. Januar 1975, VI ZR 102/74, LM BGB § 276 (Ci) Nr. 26 m.w.N.; vgl. auch RG JW 1917, 462 m. Anm. Friedländer). Der Beklagte hätte sich hiernach nicht auf die Erklärung Hoffmanns verlassen dürfen, selbst wenn dieser ihm am 21. April 1975 fernmündlich versprochen haben sollte, der Einstellung des Versteigerungsverfahrens zuzustimmen; vielmehr hätte er sich vergewissern müssen, ob der Versteigerungstermin am 29. April nicht doch stattfand, und hätte den Termin wahrnehmen müssen. Im Versteigerungstermin wäre er sodann, nachdem nur ein Bieter erschienen war und ein unzureichendes Gebot in Höhe von 280.000 DM abgegeben hatte, verpflichtet gewesen, alle verfahrensrechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Erteilung des Zuschlags zu verhindern. Diese Verpflichtung des Beklagten bestand auch, wenn er keine genaue Kenntnis des Verkehrswerts des Grundstücks hatte, denn der Beklagte mußte befürchten - und hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (BU 19) befürchtet -, daß H. versuchen werde, das Grundstück möglichst billig zu ersteigern.
Dem Berufungsgericht ist auch darin beizutreten, daß der Beklagte schon vorher seine anwaltlichen Pflichten verletzt hat. Er hat die Klägerin nur unzureichend über den Gang des Zwangsversteigerungsverfahrens und die für sie damit verbundenen Gefahren sowie über ihre Möglichkeiten des Mitbietens im Termin aufgeklärt. Insbesondere hat er - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - dadurch fehlerhaft gehandelt, daß er sich nicht nach dem Verkehrswert des Grundstücks erkundigt hat. Da im Verfahren der Aufhebungsversteigerung bis zum 1. Juli 1979, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 85 a ZVG aufgrund der Novelle vom 1. Februar 1979 (BGBl I S. 127), der Verkehrswert nicht von Amts wegen ermittelt wurde (Zeller, ZVG 10. Aufl. § 74 a Rdn. 1 (10, a); Dassler/Schiffhauer/Gerhardt, ZVG 11. Aufl. § 74 a Anm. 7 b; LG Frankenthal, Rpfleger 1974, 443), setzte eine ordnungsgemäße Beratung und Vertretung der Klägerin die Ermittlung des Grundstückswerts voraus. Der Beklagte hat der Klägerin zwar durch Schreiben vom 16. August 1974 mitgeteilt, daß eine Wertschätzung des Grundstücks durch einen Sachverständigen etwa 600-700 DM kosten werde; er hätte sie aber zugleich darüber belehren müssen, daß die Kenntnis des Verkehrswerts nötig war, um der Gefahr einer Verschleuderung begegnen zu können. Statt dessen hat er die Anforderung des Kostenvorschusses mit der Bemerkung verbunden, die Klägerin solle das Geld nur dann überweisen, wenn ihre Bank ein solches Wertschätzungsgutachten tatsächlich benötige.
2.
Die Ausführungen darüber, inwiefern der Beklagte durch die festgestellten Pflichtverletzungen den von der Klägerin geltend gemachten Schaden verursacht hat, halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Das Berufungsgericht meint, der Beklagte hätte den Versteigerungsantrag der Klägerin zurücknehmen und hernach die einstweilige Einstellung des von Hoffmann weiterbetriebenen Verfahrens beantragen können (§ 180 Abs. 2 ZVG i.V.m. § 30b ZVG). Es sieht auch in der Notfrist des § 30b Abs. 1 ZVG kein Hindernis, weil sich seiner Ansicht nach die Frage der Versäumung dieser Frist hier nicht stelle: Bei Zustellung des Beschlusses vom 7. Februar 1975 sei die Klägerin als Antragstellerin selbst am Verfahren beteiligt gewesen und habe daher keinen Einstellungsantrag nach § 180 Abs. 2 ZVG stellen dürfen, denn antragsberechtigt sei nur derjenige, der die Stellung eines Antragsgegners habe, mithin nicht derjenige, der selbst das Verfahren betreibe (Hinweis auf Steiner/Riedel, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 8. Aufl. 1976 ZVG § 180 Anm. 18).
Dieser Ansicht vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das Anordnungs- und das Beitrittsverfahren im Rahmen der Zwangsversteigerung zur Aufhebung einer Gemeinschaft sind voneinander unabhängig (RGZ 89, 426, 428 = JW 1917, 462 m. Anm. Priedländer; RGZ 125, 24, 30 = JW 1930, 149 m. Anm. Stillschweig und JW 1930, 632 m. Anm. Rode und Stillschweig; OLG Breslau OLG 27, 211; OLG Stuttgart OLGZ 1970, 361, 363; Dassler/Schiffhauer/Gerhardt, ZVG 11. Aufl. § 27 Anm. 4 sowie § 29 Anm. I 4 und § 180 Anm. VII 7; Zeller, ZVG 10. Aufl. § 29 Rdn. 2 (8) und § 180 Rdn. 2 (3 c); Korintenberg/Wenz, ZVG 6. Aufl. 1935, § 29 Anm. 2 und § 180 Anm. 1; Jaeckel/Güthe, ZVG 7. Aufl. 1937, § 29 Rdn. 5; einschränkend Steiner/Riedel, ZVG § 180 Rdn. 10 (2) und Rdn. 18 (3)). In jedem Verfahren hat der Antragsteller (Beitretende) die Rolle des Gläubigers in der Vollstreckungsversteigerung, die übrigen Miteigentümer (Antragsgegner) haben die Rolle des Vollstreckungsschuldners aus jenem Verfahren (Dassler/Schiffhauer/Gerhardt a.a.O. § 180 VII 2 und 7; Zeller a.a.O. § 180 Rdn. 1 (1, e) und Rdn. 2 (1, a); Steiner/Riedel a.a.O. § 180 Rdn. 10 (2)). Antragsgegner ist jeder Miteigentümer, der nicht Antragsteller ist. Betreiben zunächst nur einige Miteigentümer die Teilungsversteigerung als Antragsteller und treten dann die anderen bei, so sind alle gleichzeitig Antragsteller und Antragsgegner (Zeller aaO; Steiner/Riedel a.a.O. § 180 Rdn. 10 (2); Dassler/Schiffhauer/Gerhardt a.a.O. § 190 VII 7). Wird eine Teilungsversteigerung zunächst nur von einem Teil der Miteigentümer betrieben, treten dann die anderen Miteigentümer erst nach dem Zwangsversteigerungstermin dem Verfahren bei und nehmen daraufhin die Erstbetreibenden ihren Zwangsversteigerungsantrag zurück, so ist infolge der Selbständigkeit der einzelnen Verfahren der Zuschlag zu versagen, weil die Beitretenden im Versteigerungstermin noch nicht "Betreibende" waren (OLG Stuttgart OLGZ 1970, 361; zustimmend Dassler/Schiffhauer/Gerhardt aaO; Zeller a.a.O. § 180 Rdn. 2 (3, c); Steiner/Riedel aaO). Eine weitere - hier bedeutsame - Folge der Unabhängigkeit der einzelnen Verfahren besteht darin, daß jeder Miteigentümer, auch wenn er selbst als Antragsteller oder Beitretender ein Teilungsversteigerungsverfahren betreibt, in seiner Eigenschaft als Antragsgegner in den von anderen Miteigentümern betriebenen Verfahren einen Einstellungsantrag nach § 180 i.V.m. § 30b ZVG stellen kann (Zeller a.a.O. § 180 Rdn. 5 (3); Dassler/Schiffhauer/Gerhardt a.a.O. § 180 Anm. VII 9 a; a.A. wohl Steiner/Riedel a.a.O. § 180 Rdn. 18 (3)). Insofern ist Steiner/Riedel aaO, auf die sich das Berufungsgericht für seine gegenteilige Auffassung beruft, darin zuzustimmen, daß das Antragsrecht nach § 180 Abs. 2 ZVG nur einem Miteigentümer zusteht, gegen den sich das einzustellende Verfahren richtet; betreibt er dagegen das einzustellende Verfahren selbst, so kann er, wie Steiner/Riedel auch insoweit zutreffend bemerken, einstweilige Einstellung nach § 180 Abs. 1 i.V.m. § 30 ZVG bewilligen und ist daher nicht auf den Antrag nach § 180 Abs. 2 ZVG angewiesen. Da die Befugnis, eine Einstellung nach § 180 Abs. 1 i.V.m. § 30 ZVG zu bewilligen, sich aber auf das Verfahren beschränkt, in dem der betreffende Miteigentümer die Rolle des Gläubigers hat, ergibt sich umgekehrt die Notwendigkeit, ihm das Antragsrecht nach § 180 Abs. 2 ZVG für alle Verfahren zuzuerkennen, in denen er die Rolle des Schuldners hat. Aussicht auf Erfolg wird er mit seinem Einstellungsantrag nach § 180 Abs. 2 ZVG allerdings nur dann haben, wenn er - wie im vorliegenden Falle geschehen - auch in seinem eigenen Verfahren die Einstellung (nach § 180 Abs. 1 i.V.m. § 30 ZVG) bewilligt (Zeller aaO).
Nach alledem wird durch jeden Anordnungs- oder Beitrittsbeschluß für die jeweiligen Antragsgegner innerhalb der Notfrist des § 30 b Abs. 1 ZVG das Antragsrecht nach § 180 Abs. 2 ZVG begründet. Die Notfrist beginnt mit der Zustellung der Verfügung, mit welcher die Antragsgegner auf ihr Recht zur Stellung des Eintragungsantrags, den Fristbeginn und die Rechtsfolgen eines fruchtlosen Fristablaufs hingewiesen worden sind. Dieser Hinweis ist möglichst zugleich mit dem Beschluß, durch den die Zwangsversteigerung angeordnet oder der Beitritt zugelassen wird, zuzustellen (§ 180 Abs. 2 i.V.m. § 30b Abs. 1 ZVG).
Wenn gemäß dieser Vorschriftverfahren wird, wird im Versteigerungstermin allerdings in aller Regel die Notfrist zur Stellung des Eintragungsantrags bereits verstrichen sein (vgl. auch Jonas/Pohle, Zwangsvollstreckungsnotrecht, 16. Aufl. § 180 Anm. 3 b). Dies entspricht indessen dem mit § 30b ZVG verfolgten Zweck, den Schuldnerschutz einzudämmen (vgl. Stöber, Rpfleger 1960, 253, 254). Die einstweilige Einstellung des Teilungsversteigerungsverfahrens soll nach ihrem Grundgedanken durch Abwägung der widerstreitenden Interessen verhindern, daß ein wirtschaftlich Stärkerer unter Ausnutzung vorübergehender Umstände die Versteigerung " zur Unzeit" durchsetzt, um den wirtschaftlich Schwächeren zu ungünstigen Bedingungen aus dem Grundstück zu drängen (vgl. Zeller, ZVG § 180 Rdn. 5 (2 c) und (2 i I) m.w.N.). Die Einstellung kann hiernach angemessen sein, wenn ein aus besonderen Gründen nur vorübergehend gesunkener Wert sich voraussichtlich in Kürze wieder erhöhen wird, etwa bei plötzlichem Auftreten von preisdrückenden Ereignissen oder wenn eine Werterhöhung durch Ausführung von Reparaturen oder Renovierung bevorsteht (Zeller, ZVG § 180 Rdn. 5 (2 g)). Dabei ist an solche Gründe zu denken, die bereits im Zeitpunkt der Zustellung des Anordnungs- oder Beitrittsbeschlusses voraussehbar sind. Sie sollen innerhalb der kurzen Frist von zwei Wochen geltend gemacht werden, damit das Verfahren gestrafft und nicht unnötig verzögert wird. Dieser Zielsetzung würde es zuwiderlaufen, wenn Miteigentümer den Zeitpunkt für die Stellung zulässiger Einstellungsanträge nach § 180 Abs. 2 ZVG dadurch hinausschieben könnten, daß sie zunächst das Verfahren mitbetreiben und erst später, evtl. sogar erst nach dem Versteigerungstermin, ihren Versteigerungsantrag zurücknehmen und die einstweilige Einstellung nach § 180 Abs. 2 ZVG beantragen. Das Antragsrecht nach § 180 Abs. 2 ZVG kann daher nicht als das für den Regelfall geeignete Mittel angesehen werden, um bei unzureichenden Geboten eine Wiederholung des Versteigerungstermins zu erzwingen (vgl. auch Stöber, Rpfleger 1960, 253, 254; a.A. OLG Hamm OLGZ 1972, 316 = JMBl NRW 1972, 203).
Die Klägerin hatte hiernach entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts in dem durch Beitritt Hoffmanns betriebenen Teilungsversteigerungsverfahren auch ohne Rücknahme ihres Versteigerungsantrages die Rechtsstellung einer Antragsgegnerin und damit das Recht zur Stellung eines Einstellungsantrages nach § 180 Abs. 2 ZVG. Sie ist hierüber durch Zustellung des in § 30 b Abs. 1 ZVG vorgeschriebenen Hinweises belehrt worden (BA 70 K 41/74 AG Berlin-Charlottenburg S. 43). Im Versteigerungstermin war daher für sie die Notfrist des § 30 b Abs. 1 ZVG bereits abgelaufen.
3.
Der Senat hält auch die Hilfsbegründung des Berufungsurteils nicht für tragfähig, wonach die entsprechende Anwendung des § 30 b ZVG im Rahmen des § 180 Abs. 2 ZVG bedeutet, daß die Frist von zwei Wochen nur bei einem Einstellungsantrag nach Fortsetzung des bereits einmal eingestellt gewesenen Verfahrens zu beachten sei, wenn der erste Antrag fristgerecht gestellt worden ist (Hinweis auf OLG Hamm, Rpfleger 1960, 253; OLG Hamm OLGZ 1972, 316 = JMBl NRW 1972, 203; Steiner/Riedel a.a.O. S. 811). Für eine solche Auslegung bietet das Gesetz in §§ 180 Abs. 2, 30 b ZVG keinen Ansatzpunkt (ebenso Zeller, ZVG § 180 Rdn. 5 (9 c); Dassler/Schiffhauer/Gerhard a.a.O. § 180 Anm. VII 9 a; Stöber, Rpfleger 1960, 254; Jonas/Pohle, Zwangsvollstreckungsnotrecht 16. Aufl. ZVG § 180 Anm. 3 b). Sie ist auch nicht durch den - unter Nummer 2 gekennzeichneten - Sinn und Zweck der Vorschrift oder durch ihre Funktion im Rahmen des Teilungsversteigerungsverfahrens geboten. Es bleibt deshalb dabei, daß im Versteigerungstermin am 29. April 1975 die Antragsfrist der §§ 180 Abs. 2, 30 b ZVG bereits verstrichen war.
4.
Das Berufungsgericht gelangt zu der Würdigung, die Versäumnisse des Beklagten bei der Beratung der Klägerin und die Nichtteilnahme am Versteigerungstermin hätten zusammen den Schaden der Klägerin verursacht (BU 29). Es gibt hierfür jedoch keine nachprüfbare Begründung.
5.
Das angefochtene Urteil kann daher mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben und ist aufzuheben.
Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht die im Berufungsurteil (S. 20) offengelassene Frage zu prüfen haben, ob der Beklagte durch pflichtgemäßes Verhalten auf sonstige Weise die Verschleuderung des Grundstücks hätte verhindern können; die hierzu etwa erforderlichen tatsächlichen Feststellungen wird es nachzuholen haben.
III.
Zur Anschlußrevision der Klägerin:
1.
Das Berufungsgericht hat für die Schadenshöhe den Verkehrswert, den das Grundstück am 29. April 1975 gehabt hat, als maßgeblichen Ausgangspunkt angesehen. Die seit dem Versteigerungstermin eingetretene Wertsteigerung hat es mit der Begründung, daß der Schaden an diesem Tage "voll eingetreten" sei, für rechtlich unerheblich erklärt. Diese Auffassung rügt die Revision im Ergebnis mit Recht.
Die Klägerin kann verlangen, so gestellt zu werden, wie sie im Falle pflichtgemäßen Verhaltens des Beklagten gestanden hätte. Bei der konkreten Schadensberechnung sind grundsätzlich alle adäquaten Folgen des haftungsbegründenden Umstandes bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, dem aus prozessualen Gründen letztmöglichen Beurteilungszeitpunkt, in die Schadensberechnung einzubeziehen; nur wenn der Schuldner bereits vorher seine Ersatzpflicht erfüllt, schließt er die Zurechnung späterer Schadensfolgen aus (BGH Urt. v. 18. Januar 1980, V ZR 110/76, WM 1980, 466, 467; vgl. auch BGHZ 27, 181, 188; Staudinger/Medicus, BGB 12. Aufl. § 249 Rdn. 238-241; MünchKomm/Emmerich, § 325 Rdn. 125; MünchKomm/Grunsky Vorbemerkung § 249 Rdn. 124 bis 129; H. Lange, Schadensersatz, § 1 IV 4, S. 32). Wäre bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten der Erbengemeinschaft das Grundstück auf Dauer erhalten geblieben, so wäre der Wertzuwachs des Grundstücks der Klägerin in Höhe ihres Erbanteils (ein Viertel) zugute gekommen. Ihr Vermögensschaden bestünde dann in der Differenz zwischen einem Viertel des Grundstückswerts im Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung und den Beträgen, die ihr statt dessen tatsächlich zugeflossen sind. Wäre das Grundstück dagegen bei Wiederholung des Versteigerungstermins zu einem späteren Zeitpunkt doch versteigert worden, so errechnet sich der Schaden der Klägerin aus der Differenz zwischen dem Anteil der Klägerin an dem hypothetischen Versteigerungserlös (§ 287 ZPO) und den Beträgen, welche die Klägerin tatsächlich erhalten hat. In keinem Falle wäre der ersatzfähige Schaden der Klägerin bereits am 29. April 1975 "voll abgeschlossen" gewesen.
Das angefochtene Urteil ist daher schon aus diesem Grunde aufzuheben.
2.
Die Revision erhebt keine Bedenken dagegen, daß das Gericht in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Sachverständigen D. von einem Bodenwert von 300 DM je Quadratmeter ausgegangen ist. Sie rügt jedoch, daß es - im Anschluß an das Sachverständigengutachten - hiervon Abzüge (in Höhe von 20 v.H.) gemacht hat, obwohl die Klägerin sich zum Beweise dafür, daß bei Grundstücksverkäufen in dem hier maßgeblichen Bereich der Bodenwert ohne jede Abzüge zu erzielen sei, auf eine Auskunft des Gutachterausschusses des Senators für Bau- und Wohnungswesen bezogen hatte.
Die Rüge ist unbegründet. Ob das Gericht zur Ermittlung eines Grundstückswerts ein Sachverständigengutachten oder ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses nach §§ 136 ff BBauG einholt, unterliegt seinem Ermessen (BGHZ 62, 93, 94 unter Hinweis auf den Rechtsgedanken des § 404 Abs. 2 ZPO). Beschreitet es - wie hier - den Weg des Sachverständigengutachtens, so beurteilt sich die Notwendigkeit weiterer Beweiserhebungen nach den allgemeinen Vorschriften über die Ergänzung von Sachverständigengutachten (§ 412 ZPO i.V.m. dem Rechtsgedanken des § 244 Abs. 4 StPO). Hier hat das Berufungsgericht es für ausreichend erachtet, daß der Sachverständige, der in seiner Eigenschaft als Mitglied des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin Einsicht in die Liste der Grundstücksverkäufe genommen hatte, sich auf einen Vergleich mit den Grundstückskaufverträgen beschränkt hat, die er für vergleichsgeeignet hielt. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen vertretbaren tatrichterlichen Ermessens.
Unterschriften
Hill
Dr. Thumm
Hagen
Linden
Vogt
Fundstellen
Haufe-Index 1456455 |
NJW 1981, 2065 |