Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungsvertrag
Leitsatz (redaktionell)
Der Abschluss eines Nutzungsvertrages ist schon dann eine zur Erhaltung des Nachlassgrundstücks notwendige Maßnahme, wenn die Erben selbst das Grundstück selbst wegen seiner Größe nicht nutzen und pflegen können.
Normenkette
ZGB DDR § 312 Abs. 1; ZGB DDR § 400
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 21.12.1995) |
LG Berlin (Urteil vom 17.05.1994) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger und der Drittwiderbeklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 21. Dezember 1995 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Senat die Revision mit Beschluß vom 24. Juli 1997 angenommen hat.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin vom 17. Mai 1994 wird auch insoweit zurückgewiesen, als die Widerklage wegen des Antrags auf Herausgabe des Grundstücks abgewiesen worden ist.
Von den Gerichtskosten tragen die Kläger 1 %, der Beklagte 99 %. Von den außergerichtlichen Kosten hat der Beklagte die Kosten der Drittwiderbeklagten voll, die Kosten der Kläger und seine eigenen Kosten zu 99 % zu tragen. Die Kläger haben 1 % ihrer eigenen sowie 1 % der Kosten des Beklagten zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten noch um das Besitz- (und Nutzungs-) Recht an einem 515 qm großen Grundstück des Beklagten in B. -K., das der Erholung und Freizeitgestaltung dient und auf dem die Kläger 1976/77 einen Bungalow errichtet haben. Das Grundstück ist Teil einer ursprünglich 1.630 qm großen Bodenfläche. Der Eigentümer H. K. verstarb am 18. Januar 1976; er wurde von C. N. zu 1/2 sowie von P. -H. K. und I. H., der Mutter des Beklagten, die ihm ihren Erbteil überlassen hat, zu je 1/4 beerbt.
Eine 1.030 qm große Teilfläche des Grundstücks, die den jetzt im Eigentum des Beklagten stehenden Teil einschließt, war am 1. August 1976 durch schriftliche Vereinbarung dem Drittwiderbeklagten H. M., der damals mit der Drittwiderbeklagten E. M. verheiratet war, zur Nutzung überlassen worden. Der Vertrag war auf die Dauer von 99 Jahren bei einem jährlichen Nutzungsentgelt von 300 Mark geschlossen worden und berechtigte den Nutzer, Baulichkeiten auf dem Grundstück zu errichten und die Nutzung – ganz oder teilweise – dritten Personen zu überlassen.
Durch schriftliche Nutzungsvereinbarung vom selben Tage (1. August 1976) überließ der Drittwiderbeklagte seinerseits den Klägern die jetzt im Eigentum des Beklagten stehende Teilfläche zur (Unter-)Nutzung. Aufgrund gerichtlicher Verfügung wurde der Bungalow der Kläger an den VEB Y. B. veräußert. In der Folgezeit schlossen die Drittwiderbeklagten im Einverständnis mit den Klägern einen Unternutzungsvertrag mit dem VEB Y. B.. Eine Herausgabeklage des Beklagten gegen diesen Club wurde 1989 in zweiter Instanz wegen Rechtsmißbrauchs abgewiesen.
Am 30. August 1993 erwarben die Kläger den Bungalow von der Y. B. zurück. Zwischen der Y. B., den Klägern und den Drittwiderbeklagten wurde vereinbart, daß der Unternutzungsvertrag vom 1. August 1976 „bestätigt” werde.
Zwischenzeitlich war es zu wechselseitigen Besitzentziehungen zwischen dem Beklagten und der Y. B., später zwischen den Klägern und dem Beklagten, gekommen. Auf eine verbotene Eigenmacht des Beklagten vom 31. Oktober 1993 setzten sich die Kläger am 2. November 1993 wieder in den Besitz des Grundstücks.
Sie haben Klage erhoben unter anderem mit dem Antrag, dem Beklagten zu verbieten, das Grundstück zu betreten und Schlösser auszutauschen, sowie ihn zu verurteilen, den auf das Grundstück gestellten Wohnwagen zu entfernen. Der Beklagte hat Widerklage erhoben, sie auf die Drittwiderbeklagten ausgedehnt und zuletzt den Antrag gestellt, die Kläger und die Drittwiderbeklagten zur Herausgabe des Grundstücks zu verurteilen, die Kläger zusätzlich, den Bungalow zu räumen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage, bis auf die begehrte Räumung des Bungalows, stattgegeben.
Die Revision der Kläger hat der Senat nicht angenommen, soweit es die Abweisung ihrer Klage angeht. Mit ihrer angenommenen Revision wenden sich die Kläger und die Drittwiderbeklagten jetzt nur noch gegen das zugesprochene Herausgabebegehren des Beklagten hinsichtlich des Grundstücks; dieser beantragt Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch des Beklagten auf Herausgabe des Grundstücks gemäß § 985 BGB. Einwendungen aus § 986 BGB stünden weder den Klägern noch den Drittwiderbeklagten zu. Beide seien dem Beklagten gegenüber nicht zum Besitz berechtigt. Der Unternutzungsvertrag sei dadurch aufgehoben worden, daß die Drittwiderbeklagten im Einverständnis der Kläger die Grundstücksnutzung dem VEB Y. B. überlassen hätten. Ein neuer Nutzungsvertrag sei nicht wirksam abgeschlossen worden. Am 30. August 1993 sei dies nicht (mehr) möglich gewesen, weil die Bestimmungen der §§ 312 ff ZGB/DDR nur noch auf vor dem 3. Oktober 1990 geschlossene Verträge anwendbar seien. An den Hauptnutzungsvertrag sei der Beklagte als Erbteilserwerber nicht gebunden, weil die Miterben C. N. und H. K. diese Vereinbarung nicht für die Erbengemeinschaft, sondern im eigenen Namen und ohne Mitwirkung der Miterbin I. H. abgeschlossen hätten. Diese habe den Vertrag zwar später ebenfalls unterzeichnet, doch habe dafür das Einverständnis der anderen beiden Miterben gefehlt. Deshalb sei die Erbengemeinschaft nicht Vertragspartnerin geworden.
II.
Die Revision hat Erfolg.
Sie macht geltend, den Drittwiderbeklagten stehe aus ihrem Nutzungsvertrag mit dem Beklagten ein Besitzrecht zu, von dem auch die Kläger aus ihrem Unternutzungsvertrag mit den Drittwiderbeklagten ein Besitzrecht ableiten könnten.
1. Nach den Erwägungen des Oberlandesgerichts zur Abweisung der Klage – die Kläger hätten dem Beklagten den Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen – könnte ein Herausgabeanspruch des Beklagten schon unter dem possessorischen Gesichtspunkt des § 861 BGB begründet sein. Diesem Anspruch könnten nur die in § 863 BGB genannten Einwendungen entgegengehalten werden; die Berufung auf ein Besitzrecht ist dem Herausgabepflichtigen grundsätzlich abgeschnitten. Dieser Überlegung steht hier jedoch entgegen, daß der Beklagte sein Begehren ausdrücklich auf § 985 BGB stützt; denn ihm geht es gerade um die Klärung der Frage, ob zwischen ihm und den Drittwiderbeklagten ein Nutzungsvertrag besteht, aus dem diese und die Kläger ihm gegenüber Besitzrechte herleiten können. Diesen Widerklageanspruch hatte der Beklagte dem possessorischen Anspruch der Kläger entgegengesetzt und seine (Wider-)Klage auf die Drittwiderbeklagten ausgedehnt, die verbotene Eigenmacht unstreitig nicht ausgeübt haben. Mit der Zubilligung eines reinen Besitzanspruchs nach Abweisung der possessorischen Klage ist dem Beklagten danach nicht gedient.
III.
Zur Klage gegen die Drittwiderbeklagten
Der Beklagte verlangt als Eigentümer nach § 985 BGB, Art. 233 § 2 EGBGB von den Drittwiderbeklagten als mittelbaren Besitzern des den Klägern zur (Unter-)Nutzung überlassenen Grundstücks (vgl. § 868 BGB, Art. 233 § 1 EGBGB) dessen Herausgabe. Dieser Anspruch ist unbegründet. Die Drittwiderbeklagten können gemäß § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB die Herausgabe verweigern, weil sie dem Beklagten gegenüber zum Besitz berechtigt sind; denn entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist der Beklagte an den am 1. August 1976 abgeschlossenen (Haupt-) Nutzungsvertrag gebunden.
1. Nach Art. 232 § 4 EGBGB finden auf den 1976 zwischen Bürgern der DDR abgeschlossenen Nutzungsvertrag die Bestimmungen des am 1. Januar 1976 in Kraft getretenen Zivilgesetzbuches der DDR vom 19. Juni 1975 (ZGB) Anwendung. Ob ein Vertrag, der einem Bürger eine Bodenfläche zum Zwecke der Erholung und Freizeitgestaltung überläßt, wirksam zustande gekommen ist, beurteilt sich – von der durch § 19 SchuldRAnpG geschaffenen Heilungsmöglichkeit abgesehen – nach den Rechtsvorschriften der DDR (vgl. Schnabel, Datschengrundstücke und andere Bodennutzungsverhältnisse, 2. Aufl., S. 15). Soweit der Gesetzgeber das frühere Recht modifiziert hat, handelt es sich um Regelungen hinsichtlich des Vertragsinhalts (SchuldRAnpG, NutzEV, ErholNutzG) oder der Vertragsbeendigung (Vertrags-Moratorium, Art. 232 A 4 a EGBGB).
2. Nach § 312 Abs. 1 ZGB ist ein schriftlicher Vertragzwischen „dem Verfügungsberechtigten” (Rechtsträger, Verwalter, Treuhänder, Eigentümer – Kommentar zum Zivilgesetzbuch der DDR, herausgegeben vom Ministerium der Justiz, 2. Aufl. [im folgenden: ZGB-Komm] § 312, Anm. 1.4) und dem Nutzer abzuschließen.
a) Eigentümerin der den Drittwiderbeklagten überlassenen Bodenfläche war seinerzeit die ungeteilte Erbengemeinschaft nach H. K., bestehend aus den Miterben C. N., P. -H. K. und I. H., der Mutter des Beklagten (§ 400 Abs. 1 Satz 1 ZGB, Art. 235 § 1 EGBGB). Bis zur Aufhebung der Erbengemeinschaft konnten die Miterben grundsätzlich sowohl über die Erbschaft und die einzelnen Nachlaßgegenstände nur gemeinschaftlich verfügen (§ 400 Abs. 1 ZGB) als auch Verpflichtungen aus der Verwaltung des Nachlasses nur gemeinsam eingehen (§ 400 Abs. 2 Satz 1 ZGB). Wie das Berufungsgericht festgestellt hat, hat es ein gemeinschaftliches Handeln der drei Miterben im Zusammenhang mit dem Abschluß des Nutzungsvertrages nicht gegeben, und zwar weder am 1. August 1976 noch bei der Vertragsunterzeichnung durch I. H. im Februar oder März 1977.
Die dagegen erhobene Verfahrensrüge der Revision greift nicht durch. Zu Recht hat es das Berufungsgericht als unstreitig angesehen, daß I. H. den Vertrag nicht gleichzeitig mit den anderen beiden Miterben am 1. August 1976, sondern ohne deren Wissen erst später, nämlich im Februar oder März 1977, unterzeichnet hat. Diese Feststellung beruht auf dem Vortrag des Beklagten in seiner Berufungsbegründung vom 22. September 1994, den die Kläger und Drittwiderbeklagten in ihrem Schriftsatz vom 5. Dezember 1995, mit Nichtwissen bestritten haben.
Zudem hat der Beklagte später noch die Fotokopie eines Besprechungsprotokolls bei einem Rechtsanwalt vom 8. Januar 1977 überreicht, aus dem sich ergibt, daß bei dieser Gelegenheit in Anwesenheit des Drittwiderbeklagten H. M. die Problematik der fehlenden Vertragsunterzeichnung durch I. H. erörtert worden ist. Diesem detaillierten Sachvortrag sind die Kläger und Drittwiderbeklagten nicht mehr entgegengetreten. Damit ist ihr anfängliches Bestreiten unsubstantiiert und vom Berufungsgericht zu Recht unberücksichtigt gelassen worden.
b) Die Erbengemeinschaft ist bei dem Abschluß des Nutzungsvertrages durch C. N. und P. -H. K. am 1. August 1976 wirksam vertreten worden.
aa) Das Erfordernis gemeinschaftlichen Handelns von Miterben nach § 400 ZGB bestand – anders als das Berufungsgericht meint – nicht ausnahmslos. Notwendige Maßnahmen zur Erhaltung der Erbschaft oder einzelner Nachlaßgegenstände konnte jeder Erbe gemäß § 400 Abs. 2 Satz 2 ZGB selbständig treffen. Es handelt sich insoweit um eine gesetzliche Vertretungsbefugnis im Sinne des § 53 Abs. 3 ZGB (ZGB-Komm, § 400 Anm. 2). Der Kreis notwendiger Erhaltungsmaßnahmen war nach damaligem Rechtsverständnis sehr groß. Anders als beim Notgeschäftsführungsrecht gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. dazu BGHZ 6, 83) war die Verwaltungsbefugnis des einzelnen Miterben nach § 400 Abs. 2 ZGB nicht auf dringliche Maßnahmen beschränkt. Der Miterbe konnte auch bedeutsame Maßnahmen, durch die erhebliche Verpflichtungen für den Nachlaß oder die einzelnen Miterben begründet wurden, ohne deren Mitwirkung vornehmen. So war es ihm erlaubt, zur Erhaltung von Grundstücken und Gebäuden Kredite aufzunehmen und Hypotheken zu bestellen (§ 400 Abs. 2 Satz 3 ZGB). Auch der Abschluß von Nutzungsverträgen gemäß §§ 312 ff ZGB konnte von diesem Geschäftsführungsrecht gedeckt sein (Janke, NJ 1991, 238, 239). Das galt selbst dann, wenn dem Grundstücksnutzer gemäß § 313 Abs. 2 ZGB die Errichtung von Baulichkeiten gestattet wurde (OG DDR, NJ 1987, 209, 210; Schnabel, aaO, S. 83).
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichts der DDR war der Abschluß eines Nutzungsvertrages z.B. schon dann eine zur Erhaltung des Nachlaßgrundstückes notwendige Maßnahme, wenn die Erben selbst das Grundstück wegen seiner Größe nicht nutzen und pflegen konnten (OG DDR, NJ 1987, 166 f). So liegt der Fall hier. Das jener Entscheidung zugrunde liegende Grundstück hatte eine Größe von 4.000 qm und stand im Eigentum einer aus drei Miterben bestehenden Erbengemeinschaft; eine Teilfläche von 1.400 qm war einem Dritten zur Nutzung überlassen worden. Hier geht es um ein ebenfalls drei Miterben angefallenes Grundstück von insgesamt 1.630 qm. Davon sind den Drittwiderbeklagten 1.030 qm zur Nutzung überlassen worden. Das Berufungsgericht hat zwar nicht festgestellt, daß die Miterben das Gesamtgrundstück wegen seiner Größe nicht nutzen und pflegen konnten. Eine Nutzung durch die Erbengemeinschaft schied nach den getroffenen Feststellungen jedoch aus anderen Gründen aus: Die Miterben C. N. und P. -H. K. wollten die Bodenflächen nicht selbst nutzen, sondern Dritten überlassen. Die Miterbin I. H. trug sich nach dem Vorbringen des Beklagten schon damals mit dem Gedanken, aus der DDR auszureisen, und hat im Februar oder März selbst den Nutzungsvertrag mit dem Drittwiderbeklagten unterschrieben und damit zum Ausdruck gebracht, daß auch sie an einer Selbstnutzung nicht interessiert sei. Da die Mitglieder der Erbengemeinschaft damit alle zu erkennen gegeben haben, daß sie zumindest das gesamte Grundstück nicht selbst nutzen konnten oder wollten, war es notwendig, mindestens Teilflächen Dritten zur Nutzung zu überlassen. Deshalb stellt sich der Abschluß des Nutzungsvertrages als eine notwendige Verwaltungsmaßnahme im Sinne von § 400 Abs. 2 Satz 2 ZGB dar.
Der Vertragsdauer ist dabei keine entscheidende Bedeutung zuzumessen. Für den Überlassenden führte ein langfristiger Vertrag im Regelfall nicht zu einer stärkeren Bindung als ein unbefristetes Nutzungsverhältnis, wie es dem Leitbild des Gesetzes entsprach (§ 312 Abs. 2 Satz 1 ZGB). Diese Regelung gründete sich auf das gesellschaftliche Interesse einer rationellen Bodennutzung und sollte dem Nutzungsberechtigten die notwendige Sicherheit zur Gestaltung seiner Lebensverhältnisse, insbesondere im Zusammenhang mit einer vorgesehenen Bebauung, gewährleisten (ZGB-Komm, § 312, Anm. 2). Das Nutzungsrecht sollte möglichst dauerhaft sein. So war eine Beendigung des Vertragsverhältnisses gegen den Willen des Nutzers nur möglich, wenn der Überlassende gesellschaftlich gerechtfertigte Gründe für eine Kündigung geltend machen konnte (§ 314 Abs. 3 ZGB). Hatte der Nutzungsberechtigte in Ausübung seines Nutzungsrechts auf der Bodenfläche ein Wochenendhaus oder eine Garage errichtet, konnte das Nutzungsverhältnis gegen seinen Willen nur durch gerichtliche Entscheidung aufgehoben werden (§ 314 Abs. 4 Satz 2 ZGB). In diesem Fall konnte das Verlangen nach einer Vertragsbeendigung selbst bei dringendem Eigenbedarf unberechtigt sein (ZGB-Komm, § 314, Anm. 4.2).
bb) Die Miterben C. N. und P. -H. K. haben den Vertrag auch für die Erbengemeinschaft abgeschlossen.
Dem steht nicht entgegen, daß beide nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im eigenen Namen aufgetreten sind. Allerdings gehen die Vertretungsregeln der §§ 53 ff ZGB von einer offenen Stellvertretung aus. Ähnlich wie bei § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB reicht es zur Annahme eines Vertreterhandelns auch hier jedoch aus, daß sich das Vertretungsverhältnis aus den äußeren Umständen ergab (Göhring-Posch, Lehrbuch Zivilrecht, 1981, Bd. I, S. 197).
Für das Verwalterhandeln des Miterben im Rahmen seiner Geschäftsführungsbefugnis gemäß § 400 Satz 2 ZGB erscheint eine Offenlegung des Vertreterverhältnisses grundsätzlich nicht einmal geboten. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß eine Nachlaßverbindlichkeit im Sinne von § 1967 BGB immer schon dann zustande kommt, wenn sie von den Miterben in ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses eingegangen wird, ohne daß es darauf ankommt, ob die Schuld ausdrücklich für den Nachlaß übernommen oder die Beziehung zum Nachlaß, also ein diesbezügliches Vertretungsverhältnis, dem Geschäftspartner erkennbar gemacht wird (MünchKomm-BGB/Dütz, 3. Aufl., § 2038 Rdn. 27). In diesem Sinn hat bereits das Reichsgericht entschieden und dargelegt, daß nur von dem Standpunkt aus, daß nicht auf den Willen des Erben, sondern auf die objektive Sachlage Rücksicht genommen wird, zu einer befriedigenden Lösung zu gelangen sei, die auch den Interessen der Nachlaßgläubiger gerecht werde (RGZ 90, 91, 95 m.w.N.; vgl. auch RGZ 112, 129, 131). Der Bundesgerichtshof hat sich dieser Rechtsprechung ausdrücklich angeschlossen (BGHZ 32, 60, 64; BGHZ 38, 187, 193) und ausgeführt, es sei durchaus natürlich und sachgemäß, zum Kreis der Nachlaßverbindlichkeiten alles zu rechnen, was zur Abwicklung des Nachlasses gehöre (BGHZ 32, 60, 65). Auch diejenigen Verpflichtungen, die ein Miterbe bei Ausübung seines Notgeschäftsführungsrechts gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB eingeht, sind Nachlaßverbindlichkeiten, wenn vom Standpunkt eines sorgfältigen Verwalters aus die Erhaltungsaufwendungen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen; insoweit kommt ihm eine gesetzliche Vertretungsmacht nach außen zu (Palandt/Edenhofer, BGB, 57. Aufl., § 2038, Rdn. 15 m.w.N.).
Diese Rechtsgrundsätze sind auf das Verwalterhandeln gemäß § 400 Satz 2 ZGB übertragbar. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß der ZGB-Gesetzgeber mit der vom Reichsgericht zu §§ 1967, 2038 BGB entwickelten Rechtstradition brechen wollte. Im Gegenteil entsprach es der Rechtswirklichkeit in der früheren DDR, daß das Vertretungsrecht oft sorglos gehandhabt wurde. So wurden z.B. Mietverträge von Hausverwaltungen auch dann stets im eigenen Namen abgeschlossen, wenn diese nicht Rechtsträger, sondern nur Verwalter fremden Eigentums waren (LG Berlin, WuM 1992, 462). Insbesondere in Fällen gesetzlicher Vertretung waren die Anforderungen an eine Offenlegung des Vertreterverhältnisses gering. Auch Rechtsprechung und Literatur legten die Vertretungsregeln weit aus. Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, daß die Miterben bei Abschluß des Nutzungsvertrages über das Nachlaßgrundstück für die Erbengemeinschaft gehandelt haben, obwohl sie selbst sich als die beiden Verpächter bezeichnet hatten.
c) Ohne Erfolg rügt die Revisionserwiderung jetzt erstmals, nur der Drittwiderbeklagte habe den Vertrag als Nutzer geschlossen, nicht auch seine damalige Ehefrau. Die Revisions erwiderung kann schon nicht auf Vortrag in den Tatsacheninstanzen verweisen. Allein daraus, daß nur der Drittwiderbeklagte den Vertrag unterzeichnet hat, läßt sich nicht schließen, daß er nicht für beide Eheleute handeln wollte, die alsbald auf dem Grundstück den Bungalow zu bauen begannen. Denn gemäß § 11 Satz 1 FGB war jeder Ehegatte berechtigt, den anderen in Angelegenheiten des gemeinsamen Lebens zu vertreten. Aus Rechtsgeschäften, die in diesem Rahmen abgeschlossen worden waren, konnte jeder Ehegatte in Anspruch genommen werden (§ 11 Satz 2 FGB). Anerkannt war, daß die Rechtsfolgen dieser gesetzlichen Vertretung selbst dann eintraten, wenn der das Rechtsgeschäft besorgende Ehepartner nicht zu erkennen gegeben hatte, daß er den anderen vertreten wollte (Kommentar zum Familiengesetzbuch der DDR, herausgegeben vom Ministerium der Justiz, 5. Aufl. [im folgenden: FGB-Komm] § 11 Anm. 1.1; ZGB-Komm., § 53, Anm. 2.2). Eine Angelegenheit des gemeinsamen Lebens beider Ehegatten im Sinne des § 11 Satz 1 FGB konnte – zumindest auf seiten des Nutzers – auch der Abschluß eines Nutzungsvertrages sein (Janke, aaO, S. 241).
d) Ist durch den Abschluß des Nutzungsvertrages eine Nachlaßverbindlichkeit begründet worden, wirkt diese für und gegen den Beklagten, weil er als Erbteilserwerber gemäß § 401 Abs. 2 ZGB hinsichtlich der Rechte und Pflichten an die Stelle der Miterbin I. H. getreten ist, die ihm ihren Erbteil schenkweise überlassen hat.
e) Der Wirksamkeit des geschlossenen Nutzungsvertrages steht die Befristung auf 99 Jahre nicht entgegen. Allerdings war ein befristeter Abschluß solcher Verträge nach § 312 Abs. 2 Satz 2 ZGB nur zulässig, wenn dafür gesellschaftlich gerechtfertigte Gründe vorlagen. Diese waren im Vertrag anzugeben (§ 312 Abs. 2 Satz 3 ZGB). Das ist hier zwar unterblieben; Sinn dieser Gesetzesregelung war es jedoch, kurzfristige Nutzungsverhältnisse nur in Ausnahmefällen entstehen zu lassen. So war der Abschluß eines befristeten Vertrages z.B. erlaubt, wenn eine mehr als vorübergehende Nutzung zu Erholungszwecken ausschied, weil im Bebauungsplan die Errichtung von Wohnhäusern auf dem Gelände vorgesehen war (ZGB-Komm, § 312 Anm. 2). Angestrebt wurde stets eine möglichst dauerhafte Nutzungsüberlassung. Diesem am Nutzerschutz orientierten Gesetzesziel steht der Abschluß eines langfristigen Vertrages nicht entgegen. Ob die Vertragsparteien dabei das Kündigungsrecht wirksam für die gesamte Vertragslaufzeit (hier: 99 Jahre) ausschließen konnten, ist hier nicht zu entscheiden. Ein Verstoß gegen § 314 ZGB würde ebenso wie eine insoweit denkbare Überschreitung der Verwaltergeschäftsführungsbefugnis gemäß § 400 Abs. 2 ZGB nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages, sondern nur zur Teilnichtigkeit des Kündigungsausschlusses führen, da bei objektiver Bewertung (vgl. zu der entsprechenden Regelung in § 139 BGB: MünchKomm-BGB/Mayer-Maly, 3. Aufl., § 139, Rdn 24 m.w.N.) anzunehmen ist, daß der Vertrag vernünftigerweise auch ohne diesen Teil, im Zweifel also unbefristet, abgeschlossen worden wäre (§ 68 Abs. 2 Satz 1 ZGB). Dem steht nicht entgegen, daß die Drittwiderbeklagten nach ihrem – bestrittenen – Vortrag die Pacht für 99 Jahre im voraus gezahlt haben. Die Zahlung ist durch Quittungen belegt und war bei vorzeitiger Vertragsbe endigung gegebenenfalls zu verrechnen (vgl. Senatsurt. v. 10. Dezember 1993, V ZR 108/92, NJW 1994, 720, 721).
f) Der Hauptnutzungsvertrag ist auch nicht deswegen nichtig, weil den Nutzern die Befugnis eingeräumt worden ist, die Nutzung ganz oder teilweise Dritten zu überlassen. Allerdings bestimmt § 313 Abs. 3 Satz 2 ZGB, daß die Übertragung der Nutzung an andere Bürger unzulässig ist. Unternutzungsverträge, die gegen dieses Verbot verstießen, waren gemäß § 68 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB nichtig. Die Regelung entsprach dem Anliegen der sozialistischen Bodenpolitik, keine Spekulation mit Boden und Grundstücken zuzulassen, klare und überschaubare Rechtsbeziehungen zu schaffen und auf eine persönliche Nutzung durch den Nutzungsberechtigten hinzuwirken (BezG Rostock, NJ 1986, 296, 297 für einen Prozeß zwischen Nutzer und Unternutzer). Mit dem Verbot der Nutzungsüberlassung sollte schon nicht völlig ausgeschlossen werden, daß Nutzungsberechtigte selbst ihre Wochenendhäuser für eine begrenzte Zeit an andere Bürger vermieteten, um der großen Nachfrage nach Erholungsmöglichkeiten Rechnung zu tragen. Deshalb wurden verschiedentlich in Beschlüssen örtlicher Organe sogar Feststellungen getroffen, die auf der Grundlage zulässiger Preise eine Vermietung des Wochenendhauses und die damit verbundene vorübergehende Überlassung des Nutzungsrechts an der Bodenfäche zuließen (vgl. ZGB-Komm, § 313 Anm. 3.2). Selbst die Überlassung der Nutzung durch den Nutzer an andere Bürger konnte also im Einzelfall – entgegen dem Wortlaut des § 313 Abs. 3 Satz 2 ZGB – zulässig sein. Hing danach die Zulässigkeit von den Umständen des Einzelfalles ab, verstieß die bloße Gestattung zur Überlassung an Dritte für sich allein nicht gegen ein gesetzliches Verbot. Umstände, die hier eine andere Wertung fordern, hat der Beklagte nicht vorgebracht. Die Kläger haben demgegenüber ein Berufungsurteil des Stadtgerichts Berlin in einem Verfahren des Beklagten gegen den VEB Y. B. vom 14. April 1989 vorgelegt, in welchem das Gericht ausführt, daß hier weder staatliche noch Interessen der damaligen Miteigentümer durch die vereinbarte Unternutzungsmöglichkeit berührt worden seien, der Beklagte den (Unter-)Nutzungsvertrag gegen sich gelten lassen müsse.
3. Der Nutzungsvertrag ist weder durch Kündigung noch einvernehmlich beendet worden.
a) Die von dem Beklagten auf unerlaubte Überlassung einer Teilfläche an die Kläger gestützte Kündigungserklärung vom 21. Juni 1982 hat nicht zu einer Vertragsbeendigung geführt. In dieser Kündigung lag, worauf bereits das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, eine unzulässige Rechtsausübung im Sinne von § 15 Abs. 2 ZGB. Nach dieser Vorschrift, die Parallelen zum Rechtsgedanken von Treu und Glauben (§ 242 BGB) aufweist, konnte eine außerordentliche Kündigung nicht mit Erfolg auf ein Verhalten gestützt werden, das dem Vertragspartner zuvor ausdrücklich – wenn auch gesetzeswidrig – gestattet worden war. Wie das bereits genannte Urteil deutlich macht, galt dies insbesondere auch bei einem Verstoß gegen § 313 Abs. 3 Satz 2 ZGB. Die Erbengemeinschaft hatte den Drittwiderbeklagten ausdrücklich die Befugnis eingeräumt, die Nutzung ganz oder teilweise Dritten zu überlassen. Daran war der Beklagte gem. § 401 Abs. 2 ZGB gebunden. Eine andere Beurteilung könnte nur dann gerechtfertigt sein, wenn die Drittwiderbeklagten die ihnen vertraglich eingeräumte Berechtigung mit dem Abschluß des (ebenfalls) auf 99 Jahre befristeten Unternutzungsvertrages überschritten hätten. Ob das der Fall war, ist hier nicht zu entscheiden, da der Beklagte seine Kündigung darauf nicht gestützt hatte.
b) Das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht geprüft, ob der Nutzungsvertrag mit dem Antwortschreiben des Drittwiderbeklagten vom 23. Juli 1982 aufgehoben worden ist. Das kann der Senat deshalb selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen dazu ersichtlich nicht in Betracht kommen. Die Auslegung ergibt, daß der Drittwiderbeklagte der Aufhebung des Nutzungsvertrages nur gegen Rückzahlung des anteilig dann zuviel bezahlten Pachtzinses zustimmen wollte. Dies folgt daraus, daß er sich nach Darlegung dieser Punkte „zu einem klärenden Gespräch” bereit erklärte. Zu Recht hat das Landgericht im übrigen darauf hingewiesen, daß der Drittwiderbeklagte einer Vertragsaufhebung nur gemeinsam mit seiner Ehefrau zustimmen konnte, da diese gemäß § 11 FGB Vertragspartnerin geworden war und die Aufhebung eines Nutzungsrechts an einem Grundstück, im Gegensatz zu seiner Bestellung, als eine von beiden Ehegatten gemeinsam vorzunehmende Willenserklärung angesehen wurde (BezG Dresden, NJ 1979, 279; FGB-Komm, § 15 Anm. 2.1). Eine wirksame Bevollmächtigung ist nicht erfolgt; diese hätte gemäß § 77 Abs. 2 i.V.m. § 57 Abs. 2 ZGB der Schriftform bedurft. Auch eine einvernehmliche Vertragsaufhebung durch mündliche Vereinbarung am 31. August 1992 kommt nicht in Betracht. Sie hätte gemäß § 77 Abs. 2 ZGB ebenfalls schriftlich erklärt werden müssen (ZGB-Komm, § 314, Anm. 1). Das ist unstreitig nicht geschehen.
c) Die von dem Beklagten im Laufe des Rechtsstreits erklärten Kündigungen vom 2. August und 22. September 1994 haben – jedenfalls bislang – nicht zu einer Beendigung des Nutzungsverhältnisses führen können. Gründe für eine außerordentliche Kündigung (vgl. Art. 232 § 4 a EGBGB) standen dem Beklagten nicht zu. Ob die Kündigung als ordentliche Kündigung wirksam wäre, ist gegenwärtig nicht zu entscheiden. Nach der Vorschrift des § 23 Abs. 1 SchuldRAnpG, die erst am 1. Januar 1995 und damit nach Abgabe der Kündigungserklärung in Kraft getreten ist, wäre eine ordentliche Kündigung jedenfalls nicht vor dem 1. Januar 2000 möglich.
IV.
Die Widerklage ist auch unbegründet, soweit sie sich gegen die Kläger als unmittelbare Besitzer richtet. Diese brauchen das Grundstück nicht gemäß § 985 BGB an den Beklagten herauszugeben, weil auch sie ein Recht zum Besitz gemäß § 986 Abs. 1 BGB haben; sie leiten ihr Besitzrecht von den Drittwiderbeklagten ab, die ihnen den Besitz durch Vertrag überlassen haben.
Die Drittwiderbeklagten und die Kläger haben nach den Feststellungen des Berufungsgerichts am 30. August 1993 vereinbart, daß der zwischen ihnen geschlossene Unternutzungsvertrag vom 1. August 1976 nach wie vor in Kraft sei bzw. ausdrücklich bestätigt werde. Das Berufungsgericht wertet dies rechtsfehlerfrei als Neuabschluß eines Nutzungsvertrages.
Anders als das Berufungsgericht meint, ist dieser Vertrag für den Beklagten bindend geschlossen: Auf Rechtsverhältnisse, mit denen Grundstücke zur Nutzung für Erholungszwecke überlassen werden, sind gemäß §§ 6 Abs. 1, 1 Abs. 1 Nr. 1 SchuldRAnpG die Vorschriften über Miete und Pacht (§§ 535 ff BGB) anwendbar. Liegt ein Vertrag über ein Wochenendhausgrundstück vor, wird in der Regel der übereinstimmende Wille der Parteien dahin gehen, daß dem Nutzer (entsprechend der Regelung des § 313 Abs. 1 Satz 2 ZGB) auch die Früchte des Grundstücks zukommen sollen (Matthiesen, in: Kiethe, SchuldRAnpG, Stand März 1996, § 6 Rdn 15). Für ein solches Rechtsverhältnis gilt gemäß § 581 Abs. 1 BGB Pachtrecht. Da hier von dem Abschluß eines neuen Vertrages zwischen den Klägern und den Drittwiderbeklagten auszugehen ist, ist dieser als Unterpachtvertrag einzustufen. Gemäß § 549 Abs. 2 i.V.m. § 581 Abs. 2 BGB ist der (Haupt-)Pächter berechtigt, mit Zustimmung seines Verpächters den Gebrauch der Sache einem Dritten zu überlassen. Diese Zustimmung ist vorliegend nach dem Inhalt des (Haupt-)Nutzungsvertrages vom 1. August 1976 gegeben.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a, 92 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Hagen, Lambert-Lang, Tropf, Krüger, Klein
Fundstellen
Haufe-Index 1129040 |
VIZ 1998, 588 |