Verfahrensgang

LG Ulm (Entscheidung vom 29.08.1958)

 

Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten Sch.-H. und L. wird das Urteil des Schwurgerichts bei dem Landgericht Ulm vom 29. August 1958, soweit diese Angeklagten verurteilt sind, mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das Schwurgericht zurückverwiesen.

Die Revisionen der Angeklagten S. und K. werden verworfen. Diesen Angeklagten wird die Untersuchungshaft seit dem 30. August 1958, soweit sie drei Monate übersteigt, auf die Strafe angerechnet. Sie haben je die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

 

Gründe

Die Angeklagten nahmen im Jahre 1941 im litauischen Grenzgebiet an den von den nationalsozialistischen Machthabern befohlenen Massentötungen von Juden und als Kommunisten verdächtigten Landeseimwohnern teil. Das Schwurgericht hat sie deshalb wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord zu Zuchthausstrafen verurteilt und zwar L. in 315 Fällen, K. in 415 Fällen, S. und Sch.-H. in 526 Fällen.

Die Revisionen der Angeklagten rügen Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts.

A.

Verfahrensbeschwerden.

1.

Die Angeklagten K. und S. beanstanden Verletzung des Grundsatzes der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit der Hauptverhandlung durch Verlesung eines seinem Inhalt nach dem Gesetz (§ 207 StPO) widersprechenden Eröffnungsbeschlusses.

Die Rüge geht fehl. Die Wiedergabe des Sachverhalts in direkter Rede ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht unzulässig. Entscheidend ist, daß die Sachverhaltsschilderung keine Beweiswürdigung enthält (BGHSt 5, 261) und daß die Beschreibung der Tat, die nicht nur die begriffsmäßigen Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sondern auch das konkrete Geschehen anführen muß (BGHSt 5, 225, 227), unter den Obersatz, gestellt ist, daß der Angeschuldigte dieser Tat hinreichend verdächtig sei, wobei sich diese Wendung in erster Linie auf den mitgeteilten Sachverhalt bezieht. Der vorliegende Eröffnungsbeschluß wird diesen Anforderungen an sich gerecht. Bedenklich könnte allenfalls sein, daß die Wendung vom hinreichenden Tatverdacht rein äußerlich nur auf den Wortlaut des angeführten Strafgesetzes, nicht aber auf die in einem selbstänandigen Satz angeführte knappe Umschreibung des konkreten Geschehene bezogen ist und daß sich gesondert eine eingehendere Sachverhaltsschilderung anschließt. Der Revision ist zuzugeben, daß eine solche Fassung des Eröffnungsbeschlusses bei Unkundigen die irrige Meinung hervorrufen kann, es handle sich bei dem Mitgeteilten um bereits feststehende Tatsachen. Der BGH faßt deshalb als erstinstanzliches Gericht seine Eröffnungsbeschlüsse stets so, daß die Aussage über den hinreichenden Tatverdacht die Sachverhaltsschilderung abschließt. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die hier gegebene Form der Abfassung des Eröffnungsbeschlusses als unbeachtlicher formalen Mangel oder als ein Verstoß gegen das Verfahrensrecht anzusehen ist, weil das Urteil nicht auf dem angeblichen Rechtsfehler beruhen kann. Die Fassung des Eröffnungsbeschlusses wurde nämlich vom Verteidiger des Angeklagten K. unmittelbar nach der Verlesung in der Hauptverhandlung beanstandet. Der Vorsitzende erklärte darauf, wie sich sowohl aus der Sitzungsniederschrift (auch aus ihrem handschriftlichen Entwurf) wie aus den dienstlichen Äußerungen des Vorsitzenden, der Beisitzer, des Ersatzrichters und der beiden Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft ergibt, daß der im Eröffnungsbeschluß angeführte Sachverhalt nur die Tatsachen wiedergebe, deren die Angeklagten hinreichend verdächtig seien, daß die Tatsachenfeststellung jedoch erst auf Grund der Beweiserhebung durch das Schwurgericht erfolgen werde. Diese Erklärung räumte etwaige Irrtümer der Geschworenen über die Bedeutung der Sachverhaltsschilderung im Eröffnungsbeschluß aus. Es kommt hinzu, daß die Beweisaufnahme sich über Monate hinzog und daß das Urteil eine eingehende Beweiswürdigung enthält. Danach erscheint es erst recht ausgeschlossen, daß ein Beteiligter über den wirklichen Sinn des Eröffnungsbeschlusses im unklaren gewesen sein kann.

2.

Der Angeklagte K. rügt, daß die Anklageschrift von den Geschworenen eingesehen worden sei. Das könnte nach der vom BGH übernommenen Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGSt 32, 318; 53, 178; 69, 120; BGHSt 13, 73) ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit sein, der die Revision rechtfertigt. Der Senat hätte Bedenken dieser Rechtsprechung weiterhin zu folgen. Er sieht keinen überzeugenden Grund, eine im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehene unterschiedliche Behandlung von Berufs- und Laienrichtern aufrechtzuerhalten. Auch den Laienrichtern, die dazu berufen sind, alle schwierigen Fragen tatsächlicher und rechtlicher Art gemeinsam und gleichberechtigt mit den Berufsrichtern zu entscheiden, darf nach Ansicht des Senats unbedenklich zugetraut werden, Sinn und Bedeutung der Anklageschrift zu verstehen. Jedoch besteht im gegenwärtigen Falle zu einer Entscheidung dieser Rechtsfrage kein Anlaß, weil die Rüge der tatsächlichen Grundlage entbehrt. Nach den dienstlichen Äußerungen des Vorsitzenden, der Geschworenen und des Ersatzgeschworenen wurde die Anklage den Geschworenen nicht zum Gebrauch überlassen. Sie verschafften sich auch auf andere Weise keine Einsicht. Dem Ersatzgeschworenen wurde sein Wunsch, die Anklage vor Abschluß der Verhandlung zu lesen, sogar ausdrücklich abgeschlagen.

3.

unbegründet sind auch die Rügen, die sich auf die Vernehmung des Zeugen G. beziehen (Revisionen K. und S.).

G. wurde in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen. Seine vorausgehende Vernehmung durch einen Kriminalbeamten fand nicht auf Anordnung des Schwurgerichts oder seines Vorsitzenden, sondern in dem gegen G. anhängigen, den gleichen sachlichen Gegenstand betreffenden Verfahren auf Anordnung des Untersuchungsrichters statt. Die Aufzeichnungen des Ersatzrichters (nicht des Berichterstatters!) über den bisherigen Gang der Verhandlung wurden nicht dadurch zum Bestandteil der Akten des Schwurgerichts, daß dieser dem Untersuchungsrichter in jenem anderen Verfahren einen Teil davon zur Verfügung stellte, um ihn über die bisher in der Hauptverhandlung gemachten Aussagen zu unterrichten, die sich auf strafbare Handlungen bezogen, an denen auch G. teilgenommen haben konnte. Das Schwurgericht hat deshalb den Antrag der Verteidigung auf Einsicht in diese Notizen, die auch den mitwirkenden Beamten der Staatsanwaltschaft nicht zur Verfügung standen, mit Recht abgelehnt.

Die Vorschrift, daß Zeugen einzeln und in Abwesenheit der später abzuhörenden Zeugen zu vernehmen sind (§ 58 Abs. 1 StPO), ist eine Ordnungsvorschrift, deren Nichtbeachtung die Revision nicht begründet (RGSt 54, 297). Um so weniger kann ein Verfahrensverstoß darin gefunden werden, daß ein in der Hauptverhandlung noch zu vernehmender Zeuge, der zugleich Beschuldigter in einem den gleichen Gegenstand betreffenden anderen Verfahren ist, in dem gegen ihn anhängigen Verfahren zu Vorgängen vernommen wird, die in der bisherigen Hauptverhandlung zutage getreten sind.

Wenn die Revision in diesem Zusammenhang noch beanstandet, daß G. von dem vernehmenden Kriminalbeamten durch angeblich unwahre Vorhalte zu seiner dem Angeklagten K. ungünstigen Aussage bestimmt worden sei, so ist das schon deshalb unbeachtlich, weil sich das Urteil ausschließlich auf die Zeugenaussage G. in der Hauptverhandlung stützt. Daß dem Zeugen in der Hauptverhandlung unwahre Vorhaltungen gemacht worden seien, behauptet die Revision nicht. Das Polizeiprotokoll lag dem Verteidiger vorher zur Einsicht vor, so daß er zu entsprechenden Vorhalten Gelegenheit hatte.

4.

Zu Unrecht wendet sich der Angeklagte K. gegen die Ablehnung seiner Beweisanträge auf Vernehmung der Zeugen Kw. und Ja. hinsichtlich einzelner Beweissätze. Die Kennzeichnung dieser Teile der Beweisanträge als unzulässige Beweisermittlungsanträge trifft zu. Es wäre Sache des Verteidigers gewesen, daraufhin bestimmter formulierte Beweisanträge zu stellen, sofern er dazu sachlich in der Lage war.

5.

Die weiteren nicht ausdrücklich erwähnten Verfahrensrügen sind entweder unzulässig, offensichtlich unbegründet oder als Vorbringen zur Sachrüge zu werten. Zur Rüge der verspäteten Absetzung des Urteils, die von den Angeklagten K. und L. erhoben ist wird auf OGHSt 2, 328 und BGH NJW 51, 970 Nr. 24, zur Rüge des Angeklagten S., daß die Zeugen Dr. Sa. und Schu. nicht nach § 55 Abs. 2 StPO belehrt worden seien, auf BGHSt 11, 213 und zur Rüge desselben Angeklagten, daß das Schwurgericht gegen Art. 103 Abs. 3 GG verstoßen habe, auf die Entscheidungen BGHSt 3, 110, 113 und BGH 1 StR 18/50 vom 15.1.1952 LM 1 zu Art. 103 GG verwiesen.

B.

Sachrügen.

I.

Bei den Angeklagten Sakuth und Kreuzmann wird das Urteil im Schuld- und Strafausspruch von den Feststellungen getragen. Was die Revisionen vorbringen, geht nicht über Angriffe gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung hinaus, mit denen die Angeklagten in diesem Rechtszuge nicht gehört werden können. Widersprüche oder Verstöße gegen Erfahrungssätze oder andere als Sachmängel anzusehende Verstöße gegen Grundsätze der Beweiswürdigung, die den Bestand des Urteils in Frage stellen könnten, waren den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

II.

1.

Auch im Fall des Angeklagten Sch.-H. ist, soweit es auf die Anwendung des Strafgesetzes auf die Feststellungen ankommt, kein Rechtsfehler zu seinem Nachteil erkennbar. Zu Unrecht beanstandet die Revision insbesondere die Anwendung des § 47 MStGB. Es kann den Angeklagten nicht beschweren, wenn das Schwurgericht aus seiner Sicht auch die Weisungen des Polizeidirektors F.-Schw. als bindende Befehle i.S. des § 47 MStGB gewertet hat. Richtig ist, daß der Schutz dieser Vorschrift für den einen Befehl ausführenden untergebenen erst dann entfällt, wenn dieser nicht nur erkannte, daß die Ausführung des Befehls die Begehung eines Vergehens oder Verbrechens zur Folge haben werde, sondern auch wußte, daß der Befehl die Begehung eines Vergehens oder Verbrechens bezweckte (RMG 13, 180, 185; 19, 190, 195). An diese Rechtsprechung will die Revision offensichtlich anknüpfen, wenn sie Feststellungen darüber vermißt, daß der unmittelbare militärische Dienstvorgesetzte des Angeklagten, Major Gü., mit seinem Befehl an den Angeklagten die Begehung eines Verbrechens von sich aus bezweckt habe. Darauf könnte es jedoch nur ankommen, wenn Major Gü. dem sachlichen Gegenstande nach der Urheber dieses Befehls gewesen wäre oder der Angeklagte dies irrig angenommen hätte. Der Angeklagte wußte jedoch, wie die Feststellungen ergeben, daß Major Gü. mit seinem Befehl nur einer Weisung des Polizeidirektors F.-Schw. nachkam, deren verbrecherischen Zweck der Angeklagte nach den Feststellungen erkannt hat. Die verbrecherische Zweckrichtung entfiel nicht dadurch, daß Major Gü. die Weisung F.-Schw. als dienstlichen Befehl weitergab, mochte er sie nun erkannt haben oder nicht. Der Umstand, daß der einen Befehl vermittelnde Vorgesetzte möglicherweise nach § 47 Satz 2 Nr. 2 MStGB entschuldigt ist, schließt es nicht aus, daß der Untergebene nach dieser Vorschrift schuldig werden kann. Das muß auch denn gelten, wenn eine dienstliche Weisung überhaupt erst durch die Vermittlung eines möglicherweise nicht vorsätzlich im Sinne des in Betracht kommenden Strafgesetzes handelnden militärischen Vorgesetzten den Charakter eines Befehls in Dienstsachen annimmt.

2.

Die Revision des Angeklagten Sch.-H. muß jedoch mit der Sachrüge Erfolg haben, weil die Feststellungen selbst auf Erwägungen beruhen, die rechtlich nicht bedenkenfrei sind. Dem Angeklagten war nicht zu widerlegen, daß ihm der Erlaß C, der die "Sonderbehandlung" der Juden und Kommunisten im besetzten Gebiet anordnete, und die Weisungen des SS-Brigadeführers Dr. St. als Leiters der Einsatzgruppe A. für die Durchführung dieser "Sonderbehandlung" durch das "Einsatzkommandeo Stapo und SD Tilsit" im litauischen Grenzgebiet der Sache nach verheimlicht wurde und daß er bis zu seinem Eintreffen an der Stätte der Exekution bei Ga. daran glaubte, er sei mit seinem Schupokommando zur Erschießung von Heckenschützen und Widerstandskämpfern aus der Zivilbevölkerung befohlen. Das Schwurgericht stellt nun fest, Sch.-H. habe in erster Linie auf Grund des Aussehens und Verhaltens der Opfer bereits vor Beginn der Erschießungshandlung sicher erkannt, daß es sich um einen widerrechtlichen Akt der Erschießung von Juden handelte, die allein wegen ihrer Rasse umgebracht werden sollten. Die Beweiswürdigung des Schwurgerichts zu diesem entscheidenden Punkt begegnet rechtlichen Bedenken. Das Schwurgericht geht nämlich im Rahmen dieser Beweiswürdigung auch auf Wahrnehmungen ein, die der Angeklagte nach Beginn der Exekution gemacht hat. Es stellt insbesondere darauf ab, daß der Angeklagte die Opfer während der langen Dauer der Erschießung sämtlich auf kurze Entfernung vor sich sah (S. 195 UA.) und wahrnahm, wie gefaßt sie unter Gebeten in den Tod gingen (S. 196 UA). Es verwertet (S. 197 UA) weiterhin die Antwort, die der Angeklagte überhaupt erst nach Rückkehr von der Exekution auf eine Frage seiner Leute gegeben hat, warum fast nur Juden und dazu noch jeden Alters erschossen worden seien. Es mag sein, daß das Schwurgericht damit nur allgemein die Unglaubwürdigkeit der Einlassung des Angeklagten dartun wollte. Doch kann, da dies nicht ausdrücklich hervorgehoben ist, nach der Art der Abfassung der Gründe auch die andere Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, daß das Schwurgericht spätere Wahrnehmungen und Äußerungen des Angeklagten unmittelbar zum Nachweis eines angeblich vorher schon vorhandenen Wissens herangezogen hat. Darin läge ein Verstoß gegen die Denkgesetze, weil das Wissen einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt stets nur auf Wahrnehmungen beruhen kann, die diese Person vor diesem Zeitpunkt gemacht hat.

Über die Gespräche, die der Angeklagte mit F.-Schw. beim Gang über das Gefechtsfeld führte, hat das Schwurgericht keine bestimmte Feststellung treffen können. Es äußert den Verdacht, daß F.-Schw. den Angeklagten bei dieser Gelegenheit über die wahren Hintergründe in vollem Umfange aufgeklärt habe und bezeichnet es dann als seine Überzeugung, daß der Angeklagte durch F.-Schw. immerhin soweit aufgeklärt worden sei, daß dieses Wissen im Zusammenhang mit dem, was er an Ort und Stelle selbst gesehen und gehört habe, ihm die sichere Kenntnis von dem wahren Sachverhalt verschaffte. Dieser "Feststellung" über den Inhalt des Gesprächs mit F.-Schw. fehlt es an der erforderlichen Bestimmtheit, sie nähert sich einer blossen Wertung und ist so verschwommen und unklar, daß sie so wenig wie eine blosse Vermutung oder ein Verdacht verläßliche Schlußfolgerungen tatsächlicher Art gestatten konnte.

Zur Widerlegung der Einlassung des Angeklagten, er habe die Opfer der Massentötung in Ga. nicht als Juden erkannt, sondern schlechterdings für "Ausländer" gehalten, beruft sich das Schwurgericht ferner darauf, daß ein Nichtgrenzbewohner wie der Angeklagte die typischen Merkmale der litauischen Juden noch viel besser erkannt habe als der Grenzbewohner selbst. Diese Begründung kann nicht überzeugen. Der Senat ist mit der Revision der Meinung, daß, wenn in dieser Richtung überhaupt ein Erfahrungssatz aufgestellt werden kann, dieser Erfahrungssatz eher umgekehrt zu lauten hätte, da ein Grenzbewohner die Besonderheiten der Bevölkerung des Grenzgebietes allein schon wegen seiner Vertrautheit mit Idiomen, Kleidertrachten und sonstigen unterscheidenden Äußerlichkeiten besser erkennen wird als ein Nichtgrenzbewohner. Zum mindesten hätte das Schwurgericht darlegen müssen, welche besonderen Umstände es hier dazu gebracht haben, einen angeblich für die Verhältnisse dieses Grenzgebiets geltenden Erfahrungssatz aufzustellen, der von dem allgemeinen Erfahrungswissen so auffällig abweicht.

Die Revision weist schließlich noch auf einen sachlichen Widerspruch hin, der dem Schwurgericht bei seinen Ausführungen zur Frage des Bewußtseins der Rechtswidrigkeit unterlaufen ist, wenn es sagt, daß der Angeklagte, der erst im November 1940 zum Leutnant befördert wurde, zur Zeit der Tat schon über ein Jahr Polizeioffizier gewesen sei. Mag dieser Widerspruch für sich allein verhältnismäßig unwesentlich sein, so gewinnt er im Zusammenhang mit den sonstigen Unklarheiten der Beweiswürdigung doch an Gewicht.

3.

Der Angeklagte Sch.-H. handelte, wie dargelegt, nach den Feststellungen des Schwurgerichts auf Grund eines Befehls in Dienstsachen im Sinne des § 47 MStGB oder glaubte doch zum mindesten einem solchen Befehl zu folgen. Er konnte deshalb nur verurteilt werden, wenn ihm bestimmt bekannt war, daß der ihm erteilte Befehl eine Handlung betraf, welche ein Verbrechen oder Vergehen bezweckte. Da die Feststellung, daß der Angeklagte im Falle Ga. diese sichere Kenntnis hatte, der rechtlichen Nachprüfung nicht standhält, muß das Urteil, soweit es diesen Angeklagten betrifft, vollständig aufgehoben werden, weil der Angeklagte hinsichtlich aller drei Exekutionen, an denen er teilnahm, wegen einer gemeinschaftlichen Beihilfe zum Mord verurteilt worden ist.

4.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung wird auf folgendes hingewiesen:

Zu der Frage, ob der Angeklagte im Falle Ga. das Verbrecherische des Befehls sicher erkannte, wird das Landgericht zu prüfen haben, in welcher seelischen Lage sich der Angeklagte damals befunden hat. Nach dem, was das Urteil über seine geistige und charakterliche Veranlagung sagt, erscheint es nicht ausgeschlossen, daß er durch die auf ihn einstürmenden Ereignisse völlig verwirrt wurde und bis zum Schluß des grausamen Vorgangs nicht in der Lage war, sich innerlich so weitgehend zu sammeln, um zu einer klaren Erkenntnis des verbrecherischen Geschehens und all der weiteren Begleitumstände zu gelangen, welche der Tatbestand des § 211 StGB alter und neuer Fassung voraussetzt. In diesem Zusammenhang könnte auch die Beeinflussung durch die Propaganda vom "ostischen Untermenschen" bedeutsam sein, auf welche die Revision hinweist. Für die beiden späteren Exekutionen bestand demgegenüber eine grundlegend andere Ausgangslage.

Bei Schlußfolgerungen aus dem Wissen der Angehörigen des dem Angeklagten unterstellten Kommandos wird das Schwurgericht zu beachten haben, daß dem Angeklagten unmittelbar nur solche Wahrnehmungen seiner Leute angelastet werden können, die er ebenfalls mit Sicherheit gemacht hat oder die ihm von diesen mitgeteilt worden sind. Dabei wäre hier zu beachten, daß der Angeklagte nach den Feststellungen des Schwurgerichts längere Zeit durch F.-Schw. in Anspruch genommen wurde und dich außerdem um seine Aufgaben als Kommandoführer zu kümmern hatte, so daß er möglicherweise dem äußeren Geschehen nicht mit derselben ungeteilten Aufmerksamkeit wie die Leute seines Kommandos gefolgt ist. Zum anderen wäre zu berücksichtigen, daß es unter den Angehörigen des Kommandos über die gemachten Wahrnehmungen zu einem verhältnismäßig ungehemmten Gedankenaustausch kommen konnte, der vor allem dadurch im Sinne einer Erkenntnis der wahren Zusammenhänge beeinflußt werden mußte, daß Angehörige des Kommandos einen Teil der jüdischen Opfer persönlich kannten.

Wenn der Angeklagte nach der Exekution den Vorhalt seiner Leute mit der nichtssagenden Wendung beantwortete, das wisse er auch nicht, er sei eben nur ein kleiner Befehlsempfänger, so wird das in erster Linie dafür von Bedeutung sein, mit welchen Vorstellungen der Angeklagte an den späteren Massenerschießungen teilnahm, nachdem er Gelegenheit gehabt hatte, das Geschehen von Ga. zu überdenken. Für sein vorher vorhandenes Wissen, insbesondere für das Wann dieses Wissens kann seine Antwort jedoch nicht viel besagen. Sicher ist es richtig, wenn das Schwurgericht meint, der Angeklagte hätte diese Antwort nie gegeben, wenn er überzeugt gewesen wäre, daß die Gefangenen wegen Widerstands erschossen wurden. Aber diese Überzeugung fehlte ihm nicht nur dann, wenn er das Verbrecherische der Exekution sicher erkannt hatte, sondern auch dann, wenn er darüber noch im Zweifel war.

Zur Anwendung des § 47 MStGB würde es noch auf folgende Gesichtspunkte ankommen:

Der Befehl, Heckenschützen zu erschlossen, konnte auf keinen Fall die Tötung von Landeseinwohnern decken, die überhaupt keinen bewaffneten Widerstand geleistet oder sonstige feindselige Akte begangen hatten, sondern allein wegen ihrer Rasse oder wegen ihrer politischen Gesinnung umgebracht werden sollten, Erkannte der Angeklagte, daß der ihm erteilte Befehl bewußt in dieser Weise bemäntelt war, so war er sich auch über den verbrecherischen Charakter des Befehls im klaren. Erkannte er dies nicht, ging er also davon aus, daß er nur den Befehl zum Erschiessen von Heckenschützen habe, so hatte er, sobald ihm auch nur ernstliche Zweifel darüber kamen, daß es sich bei den zur Erschießung vorgeführten Personen um Heckenschützen handle, die Erschießung abzulehnen und unter entsprechender Meldung an seinen Dienstvorgesetzten Klarheit zu schaffen. Unterließ er das, so handelte er nicht mehr in Beachtung des ihm erteilten Befehls, sondern auf eigene Verantwortung. In diesem Falle könnte er sich überhaupt nicht mehr auf den Schutz des § 47 MStGB berufen. Anders könnte es sich nur verhalten, wenn er den an Ort und Stelle anwesenden Polizeidirektor irrig als einen höheren Vorgesetzten ansah, der ihm auch unmittelbar Befehle in Dienstsachen erteilen konnte, und wenn er aus dessen Verhalten schloss, daß der Befehl auf jeden Fall auf die Erschießung der vorgeführten Gefangenen abzielte. In diesem Falle käme ihm § 47 MStGB zugute und er wäre entschuldigt, wenn er nicht die sichere Kenntnis von dem Verbrecherischen der Tötungen erlangt hatte. Es ist deshalb nicht recht einzusehen, wohin die Verteidigung mit dem Vorwurf abzielt, das Schwurgericht habe im Verhältnis des Angeklagten zu F.-Schw. zu Unrecht die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 47 MStGB bejaht.

Ergänzend ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, daß jedenfalls gofangen genommene Freischärler auch nach dem damals geltenden Kriegsrecht nur auf Grund eines Urteils getötet werden durften (vgl. § 3 KSSVO).

Die Erschießung festgenommener "Heckenschützen" ohne Urteilsspruch müßte deshalb gleichfalls als rechtswidrige Tötung beurteilt werden. Das Schwurgericht ist aber offenbar davon ausgegangen, daß der Angeklagte sich, soweit er diese Grenzen verkannte und den wörtlich verstandenen "Heckenschützen"-Befehl für rechtmäßig hielt, in einem unverschuldeten Verbotsirrtum befunden hat. Das ist nach den gesamten Umständen rechtlich nicht zu beanstanden.

Im Falle Kr. I wird das Schwurgericht beachten müssen, daß die zuletzt vorgeführten 6 Kommunisten nicht von dem Exekutionskommando des Angeklagten, sondern von Stapo- und SD-Leuten erschossen wurden. Insofern wird auf die Ausführungen zur Revision des Angeklagten L. verwiesen.

III.

1.

Bei dem Angeklagten L. können die Feststellungen die Verurteilung, im Falle Kr. I nicht in vollem Umfange rechtfertigen. Das Schwurgericht hat hier die Beihilfehandlungen des Angeklagten zutreffend nur darin gesehen, daß er seit dem 24.6.1941 im Auftrage der Stapo bei den Festnahmen von Juden, und Kommunisten mitwirkte - eine Tätigkeit, die beim Eintreffen B. in Kr. am 26,6.1941 abgeschlossen war - und daß er die im Keller des Polizeigebäudes festgehaltenen Kommunisten zur Erschießungsstätte brachte. Über eine Beteiligung des Angeklagten L. an der Festnahme von weiteren 30 bis 40 anschließend miterschossenen Juden, die nach dem Eintreffen B. auf dessen Geheiß durch ein Kommando unter der Führung des SS-Obersturmbannführers Dr. Fr. festgenommen wurden, sagt das Urteil nichts. Sie liegt auch fern, weil L. nach den Feststellungen zu dieser Zeit anderweit beschäftigt war. Daß gerade er die litauischen Hilfspolizisten zu dem Fr.-Kommando beordert haben könnte, ist gleichfalls unwahrscheinlich, weil von der Wahrunterstellung auszugehen ist, daß L. in diesem Zeitpunkt noch nicht wieder als litauischer Polizeichef des Ortes eingesetzt war. Gleichwohl hat das Schwurgericht, den Angeklagten L. auch für die Erschießung der erst durch Fr. festgenommenen Juden mitbestraft. Das ergibt sich daraus, daß L. im Falle Kr. I für die selbe Zahl von Fällen schuldig gesprochen wurde wie der für die gesamte Exekution mitverantwortlich Angeklagte B. Der gleiche Fehler ist dem Schwurgericht hinsichtlich der 6 Kommunisten unterlaufen, die am Schlüsse der Exekution von Angehörigen der Feldgendarmerie vorgeführt und dann gleichfalls getötet wurden (S. 210 UA). Auch insofern ist über eine Mitwirkung des Angeklagten L. nichts festgestellt.

2.

Soweit sich die Verurteilung des Angeklagten L. im Falle Kr. I auf die Erschießung der unter seiner Mitwirkung festgenommenen Personen bezieht, die beim Eintreffen B. auf dem Marktplatz von Kr. in Gewahrsam gehalten und dort von dem Stapo- und SD-Kommando übernommen und zu Erschießung abgeführt wurden, mangelt es an ausreichenden Feststellungen zur inneren Tatseite. Wegen dieser Erschießungen könnte L. nur verurteilt werden, wenn er bereits bei der Festnahme wußte oder doch damit rechnete und es in Kauf nahm, daß die Festgenommenen getötet worden sollten. Hierüber enthält das Urteil keine klare und zweifelsfreie Feststellung. Das Schwurgericht gibt zwar bei der Beweiswürdigung an zwei Stellen (S. 243 u. 255 UA) seiner Überzeugung Ausdruck, daß L. schon vor dem Beginn seines Wirkens in Kr. von Fr. über die "Säuberungsmaßnahmen" aufgeklärt worden sei. Es fällt jedoch auf, daß es zur inneren Tatseite in erster Linie entscheidend sein läßt, daß der Angeklagte am 26.6.1941 durch B. nach dessen Eintreffen in Kr. unterrichtet wurde. Nur insofern sagt es auch ausdrücklich, daß L. von der beabsichtigten Tötung der Festgenommenen erfahren habe. Es legt außerdem betont Wert darauf, die Einlassung des L. zu widerlegen, daß B. ihn erst nach und nicht vor der Exekution über die geplanten Ausrottungsmaßnahmen aufgeklärt habe. Darauf aber wäre es garnicht entscheidend angekommen, wenn L. wirklich schon vom Beginn seiner Tätigkeit in Kr. an von den bevorstehenden Massenmorden gewußt hätte. Bemerkenswert ist ferner, daß auf S, 245/46 UA unmittelbar im Anschluß an die Feststellung, daß der Angeklagte bei der Festnahme der Juden und Kommunisten seit dem 24.6. mitwirkte, nur von seiner Unterrichtung durch B., die am 26.6. stattfand, die Rede ist. Dabei wird hervorgehoben, daß diese Unterredung vor der kurzen Befragung der Kommunisten auf dem Märktplatz und ihrer Überführung an die Erschießungsstätte stattfand. Anschließend heißt es zusammenfassend, der Angeklagte L. habe also gewußt, daß in dem Grenzstreifen alle Juden ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht sowie alle Kommunisten festzunehmen seien und daß die Festgenommenen erschossen werden. Das Schwurgericht bezieht damit ausdrücklich nur die am 26.6. durch B. erlangte Kenntnis des Angeklagten auf die unter seiner Mitwirkung erfolgten festnahmen, die jedoch nach den Feststellungen ausnahmslos vorher stattgefunden hatten. Die knappe und zeitlich nicht genau festgelegte Feststellung über die Unterrichtung des Angeklagten durch Fr. steht auch im Gegensatz zu der gründlichen Erörterung der Beweisfrage im Falle der Unterrichtung durch B.; dies ist umso auffälliger, als das Schwurgericht seine Feststellung über die Einweihung des Angeklagten L. durch Frohwann offensichtlich nicht wie im andern Falle mit Aussagen von Augen- und Ohrenzeugen begründen Konnte, sondern im wesentlichen auf eine blosse Meinungsäußerung des Angeklagten B. stützt. Angesichts einer so unsicheren Beweisgrundlage hätte es nahegelegen, daß sich das Schwurgericht damit auseinandersetzte, weshalb es B., der nach des Feststellungen sogar von Fr. begleitet wurde, überhaupt noch für erforderlich hielt, L. im einzelnen aufzuklären, wenn dieser schon zum Kreis der Eingeweihten gehörte. Es hätte auch beachten und würdigen müssen, daß man noch am Beginn der ganzen "Aktion" stand und daß die Verantwortlichen, wie das Schwurgericht selbst für erwiesen hält, es in diesem Zeitpunkt im allgemeinen nicht für ratsam hielten, über den Kreis der im nationalsozialistischen Geiste Verschworenen hinaus andere Personen und gar litauische Landeseinwohner ins Vertrauen zu ziehen. Die nicht ganz fernliegende Möglichkeit, daß man bis zum 26.6.1941 L. zunächst noch in dem Glauben hielt, Juden und Kommunisten sollten nur zum Zwecke der Verwahrung möglicher Gegner und der Gewinnung von Arbeitskräften festgenommen werden, ist durch die bisherigen Feststellungen jedenfalls nicht sicher ausgeräumt. Das Schwurgericht hätte zu solchen Erwägungen umso mehr Anlaß gehabt, weil es auch im Falle Ga. davon ausging, daß am Anfang der "Aktion" nur solche Personen über die bevorstehenden Massentötungen ins Bild gesetzt wurden, die zu Stapo und SD gehörten oder doch wie der SA-Brigadeführer F.-Schw. entsprechend verläßlich erschienen. Nach alledem kann der Senat nicht die Möglichkeit ausschließen, daß das Schwurgericht die Frage, ob L. bereits von Anfang an durch Fr. über die beabsichtigte Tötung der festzunehmenden Personen ins Bild gesetzt wurde, nur deshalb als nebensächlich behandelt und nicht der gebotenen gründlichen Prüfung unter Beachtung aller wesentlichen Gesichtspunkte unterworfen hat, weil es übersah, daß das erst am 26.6.1941 durch B. erlangte Wissen des Angeklagten nicht auf sein vorausgehendes Tun bezogen werden durfte.

3.

Diese sachlichen Mängel zwingen, dazu, auch die Verurteilung des Angeklagten L. vollem Umfange aufzuheben. Dem Senat erscheinen ferner folgende Hinweise angebracht:

Das Schwurgericht hat als wahr unterstellt, daß L. erst am 26.6.1941 nach der Exekution wieder als Polizeichef von Kr. eingesetzt wurde. Diese Wahrunterstellung hinderte es nicht an der Feststellung, daß der Angeklagte schon vorher im Auftrage der Stapo bei den Festnahmen mitwirkte. Es ist jedoch bedenklich, wenn das Schwurgericht Erwägungen darüber anstellt, daß L. möglicherweise doch schon zu dieser Zeit wieder Polizeichef von Kr. war. Wenn eine Tatsache zu Gunsten eines Angeklagten als wahr unterstellt ist, so muß davon auch unverbrüchlich zu Gunsten des Angeklagten ausgegangen werden und sind beweiswürdigende Erwägungen, die dieser Unterstellung als solcher widerstreiten, überflüssig und schädlich, weil sie den Eindruck hervorrufen können, als habe das Gericht sich nicht ernstlich an seine Wahrunterstellung gehalten.

Das Schwurgericht hat weiter als wahr unterstellt, daß die kommunistischer Gesinnung und Betätigung verdächtigen Litauer, mit denen L. nach ihrer Überprüfung und "Begnadigung" vom Erschießungsort nach Kr. zurückkehrte, L. als ihren Retter feierten, es stellt trotzdem fest, daß L. bei der Überprüfung der Litauer an der Exekutionsstätte nicht das Ziel verfolgt habe, möglichst viele seiner Landsleute freizubekommen, sondern im Gegenteil bestrebt gewesen sei, möglichst wenige von der Tötung zu verschonen. Beide Annahmen sind zwar nicht schlechthin unvereinbar. Sie enthalten aber nur dann keinen Widerspruch, wenn man weiter annimmt, daß es dem Angeklagten möglich war und gelang, die schließlich mit dem Leben davon Gekommenen über seine wahre Rolle gründlich zu täuschen, oder daß die schließlich Befreiten sein Wirken jedenfalls tatsächlich mißdeuten konnten und mißdeutet haben. Lassen sich eine vom Gericht getroffene Feststellung und eine zugunsten des Angeklagten angenommene Tatsache nach der Erfahrung des Lebens nur dadurch miteinander im Einklang bringe, daß das Gericht weitere Tatsachen für gegeben erachtet, die sich nach der ganzen Sachlage nicht von selbst verstehen, so muß das Urteil auch diese Tatsachen enthalten. Das wird das Schwurgericht beachten müssen, falls es in der neuen Verhandlung wiederum zugunsten des Angeklagten seine Behauptung, er sei von den schließlich Befreiten als Retter gefeiert worden, als wahr behandeln sollte.

Für die Frage, ob sich der Angeklagte zu Gunsten oder zu Ungunsten der festgenommenen Kommunisten einsetzte, wird es schließlich auch wichtig sein, wann er von der beabsichtigten Tötung der Festgenommenen erfahren hat. Geschah dies erst unmittelbar vor der Exekution, so würde seine Einlassung, er habe sich für die Befreiung der als Kommunisten verdächtigen Personen verwandt, nicht, wie das Schwurgericht auf S. 246 UA meint, im Widerspruch zu der Tatsache stehen, daß er selbst vorher die Kommunisten festnehmen und einsperren ließ.

Innerhalb der Beweiswürdigung zum Falle Kr. I gibt das Schwurgericht eine Reihe von Zeugenaussagen wieder, die den Angeklagten wegen seines Verhaltens in anderen Fällen schwer belasten. Da es sich bei diesen Aussagen durchweg um Aussagen vom Hörensagen handelte, hat das Gericht hierauf keine Feststellungen gegründet. Die Aussagen konnten deshalb auch mittelbar nicht dazu beitragen, die Feststellungen zum Nachteil des angeklagten im Falle Kr. I irgendwie zu bekräftigen. Es wäre deshalb richtiger gewesen, wenn das Schwurgericht alle nicht zum Geschehen Kr. I gehörenden Vorwürfe gegen den Angeklagten, die es nicht als erwiesen ansah, getrennt in einem besonderen Abschnitt der Urteilsgründe behandelt hätte, da sonst der Eindruck entstehen kann, als habe es seine Überzeugungen im Falle Kr. I rechtsfehlerhaft auch auf Grund von blossen Verdachtsgründen gewonnen. Bedenklich ist es ferner, daß das Schwurgericht bei der Erörterung der tatsächlichen Voraussetzungen des Notstands (S. 261 UA) Wahrunterstellungen zu Gunsten des Angeklagten für Schlußfolgerungen zum Machteil des Angeklagten herangezogen hat. Nur was der Tatrichter als erwiesen ansieht, darf zum Nachteil des Angeklagten verwertet werden. Soweit die Entscheidung RGSt 61, 359 eine andere Auffassung vertritt, kann ihr der Senat nicht folgen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3018570

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